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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 27,2.1834

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No. 74
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https://doi.org/10.11588/diglit.37274#0572
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1184 Ritgcn, Baustiicke einer Vorschule zur allg. Krankheitslehre.
von einem Wahrnehmen durch eine Ausströmung feuriger Ana-
thymiasis und die Demohritische Theorie von fein materiellen uns
umschwebenden Idolen oder Scheinleibern eine unerwartete Recht-
fertigung erhielten.
Mifslicher steht es aber mit der Brücke, welche der Verf.
schlägt von der Sinnwahrnehmung zu den Bildern der Phantasie:
Wenn eine peripherische Sinnwahrnehmung zur centralen wird,
so geschieht eine Kreuzung eines von den peripherischen Nerven
kommenden Stroms von Nervenflüchtigem mit dem, welchen das
Gehirn entgegensendet. Eine solche sich kreuzende Doppelströ-
mung kann sich im Gehirn ereignen, ohne dafs ein Sinneseinflufs
unmittelbar dazu Anlafs giebt. Eine Gruppe von Kreuzströmun-
gen und somit von Abbildbildungen im Gehirne kann sich also
vollständig wiedererneuern, wenn nur eine einzelne dieser Strö-
mungen und somit Abbildbildungen durch eine Sinneswahrneh-
mung in Gang gebracht wird. So entstehen Einbildungsbilder,
Einbildungen, Bilder der Einbildungskraft, Phantasiebilder. Aus
der Vereinigung von Centralbildern zu einem Gesammtbilde ent-
stehen Begriffe, Urtheile und Schlüsse.
Nach den ersten Voraussetzungen der Theorie kann dies un-
möglich geschehen. Denn die Voraussetzung ist ja, dafs das
Bild der Scheinleib selbst sey. Folglich kann durch tausend und
tausend kreuzende Strömungen im Gehirn nichts anders wahr-
genommen werden, als der Scheinleib oder das Bild des Gehirns.
Der Verf. liefs sich durch die alte Chimäre materieller Ideen
im Gehirn zu einem unbehutsamen Vorwärtsschreiten verlocken.
Nach strenger Consequenz bleibt nur die Alternative, entweder
den Bildern in der Seele für sich selbst eine dauernde Existenz
zu geben, sobald sie einmal gebildet sind, so dafs sie nach dem
Gesetz der Trägheit beharren und so das Gedächtnifs und die
Phantasie ausmachen, oder der Seele die Fähigkeit zuzugestehen,
die einmal früher gebildeten Scheinleiber auf Veranlassung durch
ein einseitiges Ausströmen von Nervenflüchtigem in den Umkreis
der Aufsenwelt zu reproduciren.

(Der Bescklufs folgt.)
 
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