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zur allgemeinen Krankheitslehre.

1183

Wir vermissen hierbei nur eine einzige, aber desto wichti-
gere Distinction, ohne welche ein Sprung entsteht. Nämlich das
Bild fällt nicht in allen Fällen mit dem Scheinleib ganz in eins,
sondern besteht in gewissen Fällen nur in einem abgeschnittenen
Theil des Scheinleibs. Zwar heim Fühlen innerer Wärme und
dem allgemeinen Gefühl des Ausgedehntseyns unseres Leibes und
der Lage seiner einzelnen Glieder fällt der Scheinleib, welcher
aus einem gewissen kubischen Inhalt höchst llüchtigen Stoffs be-
steht, mit dem Bilde ununterscheidbar in eins. Beim Sehen da-
gegen tritt die Trennung ein, dafs der kubische Inhalt des mit
vielfach modificirten Lichtstrahlen erfüllten Scheinleibes im Bilde
nur als unerfüllter Raum erscheint, und nur die hintere Rand-
fläche des Scheinleibes als ein Bild oder Rundgemälde empfunden
wird. Beim Hören endlich fallen der Scheinleib, welcher aus
Schallstrahlen besteht, und das Bild, welches aus Tönen besteht,
so sehr auseinander, dafs das Bild nichts vom Scheinleibe dar-
stellt, als seine rhytmische Bewegung und die Modificationen der
Höhe und Tiefe, welche die Gröfse der fortwährenden Schwin-
gungen des Scheinleibes bezeichnen. Die Modificationen des Bil-
des sind also zwar immer im Scheinleib enthalten, nicht aber
alle Modificationen des Scheinleibs im Bilde. Der Scheinleib ent-
hält das Bild in sich, nicht aber umgekehrt. Hierdurch wird
die Theorie mit einem von ihr übersehenen Problem beschwert,
zu zeigen, woher es komme, dafs beim Gesichtssinn nicht der
ganze Scheinleib, wie beim Vitalsinn, und beim Gehörsinn sogar
nur dessen rhythmische Schwingung zum Bilde wird. Gelingt
es ihr, dies Problem genügend zu lösen, so wird sie besonders
in den Procefs des Sehens ein helles Licht werfen, indem so-
dann das ganze Labyrinth von Schwierigkeiten, in das man sich
nur immer tiefer verwickelt, sobald man annimmt, dafs wir nicht
den Gegenstand selbst, sondern das Bild auf der Retina sehen,
mit einem Male wegschwindet. An die Stelle dieser barocken
Lehre, deren unüberwindliche Schwierigkeiten (S. Schulze’s An-
thropologie. 3te Aull. S. 99—102.) schon mehrmals Versuche zu
einer entgegengesetzten Ansicht veranlafsten (z. B. Plagge phy-
siologische Bemerkungen über das Sehen, in den Hecker’schen
Annalen der gesammten Heilkunde. Bd. XVII. S. 404 ff.) träte
dann eine mit dem gesunden Gefühl übereinstimmigere Theorie,
durch welche noch dazu die Pythagoräische Lehre von einem
Sehen durch Ausströmung warmen Aetliers, die Heraklitische
 
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