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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 34,1.1841

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No. 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.41334#0170
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Iß2 Stransg: Leben Jesu, u. Ammon: Fortbildung d. Christenfchums.
dort schlugen sie über nach Oberitalien, Deutschland und Frank-
reich. Im letzteren Lande erschienen sie im zwölften Jahrhundert
unter dem Namen von Waldensern und Albigensern nach ihrem Ober-
haupte Pierre deVaux, oder Petrus de Yaldo (von Vaux, einem Dorfe
bei Lyon) und der Stadt Albi im Oberlanguedoc, wo sich Un-
terabtheilungen, Petrobrusianer, Arnaudisten etc. aufbielten , jedoch
begriff man sie insgesammt noch immerfort unter der gemein-
schaftlichen Benennung von Bulgares. Sie waren nicht allein ab-
weichend von dem orthodoxen Lehr-System, sondern auch im völ-
ligen Aufstande gegen den päbstlichen Stuhl. Allein es fehlte
ihnen an einem Vereityigungspunkte, die Völker Etiropa’s waren
noch feindselig von einander geschieden, die mächtigeren Fürsten
waren gegen sie; der Pabst verordnete 1210 einen Kreuzzug;
die Mehrsten kamen um, einigen Wenigen gelang es, sich in das
benachbarte französische und das angrenzende piemontesische Ge-
birge zu flüchten. Sie blieben ihren (.ehren treu, welche grössten-
theils die Grundlagen des Protestantismus geworden sind.
Die Lollard’s in England (von Walther Lolhard, verbrannt zu
Cöln 1322), zu welchen Wicleff und seine Anhänger (gegen das
Ende des 14. Jahrhunderts) gehörten, erfuhren aus eben denselben
Ursachen ein ähnliches Schicksal. Mit dem 15. Jahrhundert glänzte
eine neue Morgenröthe; Philosophie und Wissenschaften blüheten
in Europa wieder auf; die Buchdruckerei ward erfunden, es ent-
stand geistiger Verkehr unter den Völkern und öffentliche Mei-
nung ward möglich. Die strenge und blutige Orthodoxie der ka-
tholischen Kirche, die Zügellosigkeit der hohen und niedrigen
Geistlichkeit, der Missbrauch der päbstlichen Gewalt hatten die
schon lange entstandene widrige Stimmung allmählig verstärkt.
Die Päbste wollten als weltliche Macht in alle politischen Ver-
hältnisse eingreifen und dennoch geistliches Oberhaupt der Chri-
stenheit bleiben. Sie übersahen, dass ein neuer Geist die Grund-
pfeiler ihrer Macht erschüttert hatte, und dass die Fürsten Euro-
pa’s selbstständiger geworden waren.
Es fehlte nur an einer gelegentlichen Ursache, um den ver-
deckten Groll in offne Fehde zu verkehren. Die Ablasskrämerei
brachte sie. Die Anfänge schienen wenig bedeutend. Ein Augu-
stiner Mönch bemerkte, dass viele nicht mehr beichteten, weil sie
glaubten, der Ablass mache die Beichte entbehrlich. Dieser Mönch
war der um Christenthum und Menschheit so verdiente Luther.
Es entstand Streit. Die Heftigkeit und die Reizbarkeit seines
Characters, vielleicht noch mehr die Bitterkeit und die Ränkesucbt
 
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