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Menzel: Das Leben Walther’s von der Vogelweide.

hier in den lebendigsten Farben sich wiederspiegeln, sondern auch
über manche historische Verhältnisse, über welche die Urkunden
uns wenig oder gar keinen Aufschluss geben, einiges Licht verbrei-
tet wird« (S. V). In der neueren Zeit hat man ein grösseres In-
teresse diesen Dichtungen zugewendet, es ist eine kleine Literatur
über den Dichter entstanden, abei’ auch die verschiedensten An-
sichten, Meinungen und Deutungen sind an das Tageslicht getreten,
so dass schon aus diesem Grunde eine erneuerte Untersuchung
nothwendig erschien, die »in dieses Chaos Ordnung zu bringen und
durch Zusammenstellung und Sichtung des ganzen kritischen Mate-
rials ein möglichst treues und klares Bild von Walther’s Leben
herzustellen« suchte. Und diess war zunächst die Aufgabe, welche
der Verfasser dieses Werkes sich stellte, eine Aufgabe , die selbst
nach Ausscheidung mancher Streitfragen immerhin eine schwierige
und umfangreiche blieb, um so mehr als es dem Verf. nicht blos dar-
auf ankam »durch vollständige Zusammenstellung des vorhandenen
Materials, durch gründliche und gewissenhafte Prüfung aller der von
der neueren Kritik über Walther’s Lebensbezüge aufgestellten An-
sichten und Vermuthungen, endlich durch Einführung und Begrün-
dung der durch eigene Forschung gewonnenen neuen Resultate der
Wissenschaft zu dienen, sondern auch durch Herbeiziehung der ge-
sammten, zum Verständniss der Dichtungen Walther’s erforder-
lichen Zeitgeschichte, so wie durch die Art uud Weise der An-
ordnung und Darstellung die weiteren Kreise gebildeter Laien dem
grossen Dichter zu befreunden und neben dem wissenschaftlichen
Interesse auch das nationale zu fördern« (S. X.)
Wir glauben damit hinreichend den Standpunkt angedeutet zu
haben, von welchem aus der Verfasser sein Werk unternahm und
die Zwecke, von welchen er dabei geleitet war: dass seine For-
schung nicht blos von der genauen Kenntniss der Quellen, d. h.
der Gedichte Walther’s ausging, sondern auch die gesammte neuere
Literatur darüber, wie selbige S. VIff. des Vorworts verzeichnet
ist, dabei berücksichtigt hat, bedarf kaum ausdrücklicher Erwäh-
nung. In vier Abschnitte ist das Ganze abgetheilt. Der erste
handelt über Walther’s Geburtsjahr, Heimath , Name und Stand;
ersteres wird annähernd zwischen die Jahre 1157 —1167 verlegt,
da eine genauere Bestimmung nicht möglich erscheint, wobei an-
genommen wird, dass der Anfang von Walther’s Minnegesang in
die Jahre 1175 —1183 fällt, mithin der Dichter im 16 —18. Lebens-
jahre zuerst als Minnesänger aufgetreten sei. In der schwierigen
und viel in neuester Zeit bestrittenen Frage über die Geburtsstätte
und das Heimatbland des Dichters, werden die verschiedentlich
darüber aufgestellten Ansichten näher besprochen: der Verf. selbst
glaubt sich an Pfeiffer’s Ansicht anschliessen zu müssen, und die
Geburtsstätte des Dichters in der Nähe von Sterzing in Tyrol in
einem jetzt verschwundenen Hof »Vogelweide«, der in einem Urbar-
buch des dreizehnten Jahrhuuderts genannt wird, zu finden, wäh-
 
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