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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 2
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Wille, Jakob: Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orléans
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0201
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J. Wille, Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte

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Aufgabe darf wohl an keinem Platze ein so lebhaftes Interesse bean-
spruchen, wie hier in der Hauptstadt der alten Pfalz, denn die Spuren
des Krieges, welcher den Namen der Herzogin von Orleans führt, sind
hier unvertilgbar, geweiht durch das Alter von Jahrhunderten, verklärt
von der Jugend der Poesie, verwachsen mit allen Lebensfasern einer
eigenartig schönen Natur, die ja selbst unvergänglich ist.

Im Zauberbanne dieser Welt steht das Charakterbild der Liselotte.
Auf dem Heidelberger Schlosse hat sie am 27. Mai 1652 das Licht der
Welt erblickt, als die Tochter des Kurfürsten Karl Ludwig und Enkelin
Friedrichs V., des Böhmenkönigs, einem Familienkreise angehörig, dem
wie keinem anderen in der neueren Geschichte die wechselvollsten und
merkwürdigsten Schicksale bestimmt waren1). Die einen sind unter-
gegangen abenteuerlich und tragisch in den Stürmen des Lebens, die
andern haben Bitterkeit und Not des Exils gekostet, dann thatkräftig
eingegriffen in die vielgestalteten Aufgaben ihrer bewegten Zeit und
haben den mit Spott belasteten Namen eines Pfalzgrafen wieder zu Ehren
gebracht. Aus diesem Geschlechte sind vor allem Frauen von Charakter
und Geist hervorgegangen, deren Namen auch mit der Geschichte des
geistigen Lebens beim Übergang des siebenzehnten in das achtzehnte
Jahrhundert dauernd verbunden sind: Elisabeth2), Jas älteste der Kinder
des unglücklichen Friedrich, die evangelische Äbtissin des Stifts Herford,
Schülerin und Freundin von Descartes, philosophisch gebildet und ge-
lehrt, suchte in Ernst und Mühen die Wahrheit. Abgekehrt von der
Welt, erfüllt von der Anschauung Gottes auf Erden, ward sie die Be-
schützerin der Labbadisten und Quäcker, William Penn war zu ihr über
das Meer gekommen. Von den Geschwistern das jüngste, das zwölfte der
Kinder Friedrichs, war Sophie3), die Frau Ernst Augusts, erst Herzogin,
dann Kurfürstin von Hannover, die Freundin von Leibniz, ohne tiefe
philosophische Bildung, doch berührt von der angenehmen heiteren Seite
der Weltweisheit jenes weltmännischen Philosophen, eine heitere lebens-
volle Natur, in der äuseren eleganten Erscheinung eine ächte Stuart,
geistvoll, von scharfem schneidendem Witze, wie ihr Vater über Religion
und Kirche freidenkend, nicht ohne jenen spöttischen Zug, der schon
auf ihrem Jugendbilde von Meister Honthorst so geistreich schüchtern
von ihren feingeschnittenen Lippen spricht. An diese Frau knüpft die
Jugendgeschichte der Liselotte an, um zeitlebens ihr ganz zu gehören,
verwachsen mit allen Kegungen ihres Geistes und Herzens. Wo wir auch
Liselotte begegnen mögen, wir finden die Spuren des geistigen Einflusses
der Sophie.
 
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