Burschenschafterbriefe aus der Zeit der Juli-Bevolution
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und Fehlerhaftes hatte, nieder unter dem Yorwande, bloss die Aus-
briiche des letztern zu verhindern — er tödtete, oder wollen wir sagen,
knebelte aueh so gut es ging den Geist der Burschenschaft und rief damit
auch alle schändlichen Missbräuche und Thorheiten des frühern akade-
mischen Lebens, die Gespenster andrer, glücklich überlebter Zeit, wieder
ins Dasein. Ganz aber hatte man noch nicht auf jenen Gewaltwegen
und Schleichwegen den Zeitgeist auf Universitäten entseelt, denn es gab
nocli einige, wo die Erhaltung der Burschenfreiheiten im Interesse des
Landes war, weil diese der Köder sein mussten für die Ausländer. 1)
So sind die Gniversitäten kleinerer Länder wie Heidelberg, Jena etc.,
die meist von Fremden bevölkert waren, immer mehr als die
übrigen im Besitz freierer Burschenverhältnisse, worunter ich die
Möglichkeit verstehe, dass sich die Studenten in Yerbindungen zusam-
menhalten, und wo es die Yertheidigung der Kechte der Gesammt-
heit gilt, als ein Ganzes mit Nachdruck und Erfolg zusammenstehn
können. Von dieser äusserlichen Burschenfreiheit ist aueh zum grossen
Theile die innere und wahre bedingt, weil eine Vereinzelung der Stu-
denten und Beschränkung eines Jeden auf sich, wie es der Plan der
Kegierungen mit der Zerstörung der Verbindungen ist, nichts Anderes
als einseitige Bildung hinter todten Büchern, aber nicht die lebendige
und frische durch die vielseitigen und wechselvollen Berührungen des
geselligen Lebens (wie es der Trieb der Jugend auch ist) erzeugen
kann. Dabei wird denn Alles feist und fett vor Gelehrsamkeit und
unendlichem, aber leblosem Bücherwissen, so dass sie gut in die grosse
Staatsmascbine als Maschinen zu gebrauchen sind; aber alles freiere
Streben nach einer dem Jugendberufe für das Yaterland angemessenen
Ausbildung, die durch Gemeinschaft mit Gleichwollenden gewonnen
sein will, geht dabei unter. Nur durch Zusammenstehn, wodurch die
Jugend sich bilden und für kiinftiges Thun erwärmen will, und wo-
durch die studirenden Jiinglinge erst ihre Kräfte und einen Werth der
Selbständigkeit kennen lernen, kann und muss der Mensch aus unsern
Jahren in die mündigen Männerjahre wachsen. Eben dies ist es aber, was
die Regierungen nicht w'ollen; doch aus einer der letzten Freistätten in
Deutschland war jene wahre Burschenfreiheit noch nicht vertrieben,
nämlich aus Heidelberg, und wie ganz bekannt ist, drängten die russi-
scben, preussischen und übrigen Gesandten in Karlsruhe immer ernst-
licher auf Unterdrückung des hiesigen Studentengeistes durch Auf-
1) d. h. Angeliörige anderer deutscher Bundesstaaten.
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und Fehlerhaftes hatte, nieder unter dem Yorwande, bloss die Aus-
briiche des letztern zu verhindern — er tödtete, oder wollen wir sagen,
knebelte aueh so gut es ging den Geist der Burschenschaft und rief damit
auch alle schändlichen Missbräuche und Thorheiten des frühern akade-
mischen Lebens, die Gespenster andrer, glücklich überlebter Zeit, wieder
ins Dasein. Ganz aber hatte man noch nicht auf jenen Gewaltwegen
und Schleichwegen den Zeitgeist auf Universitäten entseelt, denn es gab
nocli einige, wo die Erhaltung der Burschenfreiheiten im Interesse des
Landes war, weil diese der Köder sein mussten für die Ausländer. 1)
So sind die Gniversitäten kleinerer Länder wie Heidelberg, Jena etc.,
die meist von Fremden bevölkert waren, immer mehr als die
übrigen im Besitz freierer Burschenverhältnisse, worunter ich die
Möglichkeit verstehe, dass sich die Studenten in Yerbindungen zusam-
menhalten, und wo es die Yertheidigung der Kechte der Gesammt-
heit gilt, als ein Ganzes mit Nachdruck und Erfolg zusammenstehn
können. Von dieser äusserlichen Burschenfreiheit ist aueh zum grossen
Theile die innere und wahre bedingt, weil eine Vereinzelung der Stu-
denten und Beschränkung eines Jeden auf sich, wie es der Plan der
Kegierungen mit der Zerstörung der Verbindungen ist, nichts Anderes
als einseitige Bildung hinter todten Büchern, aber nicht die lebendige
und frische durch die vielseitigen und wechselvollen Berührungen des
geselligen Lebens (wie es der Trieb der Jugend auch ist) erzeugen
kann. Dabei wird denn Alles feist und fett vor Gelehrsamkeit und
unendlichem, aber leblosem Bücherwissen, so dass sie gut in die grosse
Staatsmascbine als Maschinen zu gebrauchen sind; aber alles freiere
Streben nach einer dem Jugendberufe für das Yaterland angemessenen
Ausbildung, die durch Gemeinschaft mit Gleichwollenden gewonnen
sein will, geht dabei unter. Nur durch Zusammenstehn, wodurch die
Jugend sich bilden und für kiinftiges Thun erwärmen will, und wo-
durch die studirenden Jiinglinge erst ihre Kräfte und einen Werth der
Selbständigkeit kennen lernen, kann und muss der Mensch aus unsern
Jahren in die mündigen Männerjahre wachsen. Eben dies ist es aber, was
die Regierungen nicht w'ollen; doch aus einer der letzten Freistätten in
Deutschland war jene wahre Burschenfreiheit noch nicht vertrieben,
nämlich aus Heidelberg, und wie ganz bekannt ist, drängten die russi-
scben, preussischen und übrigen Gesandten in Karlsruhe immer ernst-
licher auf Unterdrückung des hiesigen Studentengeistes durch Auf-
1) d. h. Angeliörige anderer deutscher Bundesstaaten.