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Hieronynms Cardanus.

Ein wissenschaftliches Lehensbild aus dem XVI. Jahrhundert.

Mitteilung von Moritz Cantor an den Historikerkongress in Eom 1903.

Wer auch nur den Lelirgang einer Mittelschule durchgemacht hat,
dem ist der Name der cardanischen Auflösung der Gleichungen dritten
Grades vorgelrommen, vielleicht mit der Zusatzbemerkung, sie rühre
gar nicht von Cardano, oder in latinisierter Eorm Hieronymus Cardanus,
her, sie sei eines der Beispiele für das virgilische „Sic vos non vobis“, von
welchen die Geschichte aller Wissenschaften wimmelt. Und wer tiefer
in die Algebra eindrang und von deren Entwicklung Kenntnis genommen
hat, der weiss, welche bedeutsame Rolle Cardano tatsächlich gespielt
hat, weiss dass ihm vielfältige Anrechte auf Sätze zukommen, welche in
folgerichtiger Weiteranwendung des schon erwähnten Verses wiederum
anderen Erfindern zugeschrieben zu werden pflegen. Auf alle diese
Dinge einzugehen, verzichte ich. Mathematikern zu wiederholen, was
sie leicht gedruckt lesen können, wäre überflüssig, und Nichtmathe-
matikern könnte ich mich nur mittels eines übermässigen Aufwandes
an sachlichen Erklärungen verständlich machen. Bleibt docli auch so
noch ein reicher Stoff an erzählungswerten Dingen, sei es aus der Lebens-
gescbichte, sei es aus dem Bereiche der Leistungen meines Helden.

Wir besitzen für seine Lebensbeschreibung eine Quelle von grosser
Ergiebigkeit, wenn auch von nicht ganz unzweifelhafter Reinheit in
seinem Buche „De vita propria“, aus meinem Leben. Goethe’s Zusatz-
worte „Dichtung und Wahrheit“ waren damals noch nicht erfunden,
sonst hätte Cardano sie vielleicht auch anwenden könnon, anwenden
können sogar auf die kurze Charakterschilderung, in welcher er von
sich sagt, er sei wahrheitsliebend, eingedenk der ihm erwiesenen Wohl-
taten, gerechtigkeitsliebend, anhänglich an die Seinen, ein Verächter
des Geldes, äusserst begierig nach Unsterbliclikeit.

NBUE HEIDELB. JAHRBUECIIEK XIII.

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