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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1928

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Mayer, Adolf: Träumen, Denken und Dichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.47614#0125
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Träumen, Denken und Dichten
Von Adolf Mayer
Wir sind des Traumes Gäste,
wir feiern stille Feste
in seinem goldnen Haus:
Die Tische stehn voll Früchte,
Die Wände stehn im Lichte,
die Fenster im Gebraus,
Willst du die Früchte essen,
Die du so n,ah besessen,
zerfallen sie zu Staub.
Die hellen Wände weichen,
und alle Lichter bleichen
und blättern ab wie Laub.
Greiner

In einem reizenden Feuilleton las ich kürzlich über das
Träumen:
„Alle die gedämpften und halberstickten Begierden, Gelüste
und Wünsche, die von der Notdurft des Lebens gebieterisch zu-
rückgedrängt, sich kaum ans Tageslicht hervorgetrauten, erwa-
chen plötzlich zu neuem Leben und suchen in der Realität des
Traumes das wett zu machen, was ihnen in der des wachen Da-
seins versagt wurde. Die treibenden Kräfte der träumenden
Seele, die das wache Tagesleben von den ihnen entsprechenden
Bildern gewaltsam losriß und isolierte, treten nun wiederum zu
diesen Bildern in eine unmittelbare und lebendige Beziehung.
Ganze Haufen von bildlichen Eindrücken werden durcheinander
gewirbelt, und ganze Phasen entschwundenen Daseins leben wie-
der auf. Zu gleicher Zeit mit diesem Hervorbrechen verdrängter
Lebensinstinkte wird durch die Sperrung all der Sinnesöffnun-
gen, durch die die Seele mit der Realität der Außenwelt kom-
muniziert, in dem eingeengten Bewußtseinsraum ein Dunkel ver-
breitet, und das ganze Licht des Bewußtseins konzentriert sich
ausschließlich auf die in Bewegung gesetzten Bilder, so daß sie
mit einer lebensvortäuschenden Deutlichkeit hervorgetreten.“
 
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