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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1931

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Schrade, Hubert: Die romantische Idee von der Landschaft als höchstem Gegenstande christlicher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.47617#0098
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Das Problem, das wir verfolgt haben, berührte sich dauernd
mit dem Problem der Autonomie der bildenden Kunst. Die abso-
lute „Reinheit“ der bildenden Kunst ist ein Ideal, das wahrhaft
schöpferische Zeiten nicht kennen, das aber notwendig auftauchen
muß, sobald die Kunst in den Dienst der Bildung gestellt wird. Es
ist sicher die geschichtliche Aufgabe der neueren Kunst gewesen,
das Ideal der „reinen“ Form aufzustellen. Welches Schicksal ihr
damit bereitet war, ermessen wir ganz vielleicht erst heute.
Darstellung Christi sind Zeichen eines amythischen Verhaltens. Die Aufgabe,
wird sie überhaupt noch angegriffen, kann natürlich nur sein, das ganze Wesen
Christi zur Anschauung zu bringen. Wesensfragen in diesem zugespitzten Sinne
kannte die ältere Kunst nicht. Aber in Goethes Einstellung zum christlichen
Mythos sind sie bereits enthalten. George Forster hat sie in seinen Ansichten
vom Niederrhein, 1790 (Neudruck bei Reklam I, 117), schon gestellt. Vgl. dazu
auch Ä .W. Schlegel, S. W. IX, 81 ff. — Wir versuchen anhangsweise aus
verstreuten Bemerkungen Friedrich Schlegels zu erschließen, wie er sich die
christliche Landschaffsmalerei verstellte. In den Pariser Gemäldebriefen gilt
ihm die Landschaffsmalerei nur als Gattung und ist als solche ein Zeichen des
Abfalls der Kunst von den „ganz vollständigen“ Werken. Doch schon in den
„Grundzügen der gothischen Baukunst“ von, 1804/05 unterscheidet er bei altdeut-
schen Gemälden eine zweifache Wiedergabe der Natur, und zwar mit symbolischer
Bedeutung: die Natur als Garten, d. h. „als blumengeschmückfer Teppich des
Frühlings oder in einem tieferen Sinne, als das hochzeitliche Blumengewand der
beseligten Braut; oder als Wildnis, d. h. um in demselben Gleichnisse der Wahr-
heit fortzufahren, im halb zerrissenen Schleier der ewigen Trauer und öden
Wifwenklage“. Der Garten ist Symbol der Verklärung der Welt, die Wildnis
Sinnbild ihrer Verlassenheit, deren Anblick in „dem Sohn des Himmels“ die
Sehnsucht nach der himmlischen Heimat auslösf. Särnfl. Werke, VI, 215 f. Hier
ist noch an Landschaftsgemälde im Zusammenhang mit Figuren gedacht. In der
6. Vorlesung der „Philosophie des Lebens“ von 1827 trägt Schlegel aber Natur-
anschauungen vor, die für die Kunst fruchtbar gemacht, zu reinen Landschafts-
gemälden hätten führen können. Sämtl. Werke, XII, 132 ff. Der Schöpfer hat
der Natur „das lichte Ziel vorgesfeckf, wohin ihre Kraft endlich hinauf-
gelangen soll“. Sie ist nirgend isoliert und ohne Beziehung auf ein Höheres,
überall lebendige Kraft und bedeutsam und als solche „eine wohltätige Grabes-
decke und rettende Brücke über den Abgrund des ewigen Todes .... eine wun-
derbare Werkstäffe der mannigfachen, vielgestaltigen, allgemeinen Wiedergeburt;
und endlich eine glorreiche Stufenleiter der Auferstehung bis zur höchsten und
letzten irdischen Verklärung hinauf“ (142). Aber da der Schöpfer in der Natur
auch das Böse zugelassen hat, kann die Natur sich nicht selbst erlösen usw. Ein
Landschaftsmaler, der diesen Anschauungen folgte, könnte C. D. Friedrich so fern
nicht stehen. Das Verhältnis der Figur zur Landschaft ist S. 229 — allerdings
unbestimmt genug — angedeufet. lieber Runge hat Fr. Schlegel nicht sehr
günstig geurteilt, weil er „bloße Natur-Hieroglyphen malen wollte, losgerissen
von aller geschichtlichen und geheiligten Ueberlieferung, welche nun einmal für
den Künstler den festen, mütterlichen Boden bildet, den er nie ohne Gefahr und
ohne unersetzlichen Nachteil verlassen darf“, VI, 169. Um so befremdender sind
die Ausführungen XII, 306 f., die der Hieroglyphe in der Art der Emblematik des
16./17. Jahrh. unzweideutig das Wort reden.
 
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