Tagebuch einer Italienreise aus dem Jahre 1791
Von Marianne Kraus
Herausgegeben und eingeleitef von Fritz Muth mann
EINLEITUNG
Es hat unter den vielen deutschen Fürsten und Edelleuten,
welche seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Italien be-
suchten, um ihre Bildung durch das Studium des Altertums zu
vertiefen, nur drei gegeben, die wie die meisten ihrer englischen
Standesgenossen zugleich Sammler waren und von ihrer Reise
eine größere Anzahl antiker Kunstwerke mit nach Hause brach-
ten: den Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, den Fürst
Leopold III. von Dessau und Graf Franz zu Erbach. Die beiden
letzteren haben sich dabei so sehr nach dem englischen Vorbild
gerichtet, daß es sich lohnt, einen kurzen Blick auf die englischen
Privatsammlungen — es bestanden um diese Zeit schon über
100 — zu werfen. Die Beschäftigung mit dem klassischen Alter-
tum war bei den Engländern längst allgemein bekannt und be-
liebt, ehe sie den Deutschen durch Winckelmanns Schriften zu
einem neuen und maßgebenden Bildungserlebnis und zur Voraus-
setzung für den Klassizismus des ausgehenden 18. und beginnen-
den 19. Jahrhunderts wurde.
„Es erschien den Italienern, wenn sie an die läppischen Zer-
streuungen ihrer jungen Nobili dachten, achtbar, wie diese Fremden
ihre Kunstschätze aufsuchten und durch methodische Gründlich-
keit den Mangel an Gefühl zu ersetzen suchten, wie sie, so sehr sie
sich für die klügste und mächtigste Nation der Welf hielten, ihrer
Sprache und Sitf e Aufmerksamkeit schenkten, ÄltesundNeues
als edelsten Schmuck ihrer Paläste mitnahmen, ja
Erinnerungen Italiens zu einem Zug der Umgebung
ihres künftigen Lebens zu machen, sich auf ihren
Landsitzen ein Kleinitalien zu schaffen suchten1.“
Diese letzten Worte rechtfertigen den Vergleich der Samm-
lungen des Fürsten von Dessau und des Grafen zu Erbach mit den
englischen; denn Leopold (dem Justi in seinem Werk auch einen
1 Justi, Winckelmann und seine Zeitgenossen, 3. Äufl., Bd. III, S. 39.
Von Marianne Kraus
Herausgegeben und eingeleitef von Fritz Muth mann
EINLEITUNG
Es hat unter den vielen deutschen Fürsten und Edelleuten,
welche seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Italien be-
suchten, um ihre Bildung durch das Studium des Altertums zu
vertiefen, nur drei gegeben, die wie die meisten ihrer englischen
Standesgenossen zugleich Sammler waren und von ihrer Reise
eine größere Anzahl antiker Kunstwerke mit nach Hause brach-
ten: den Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, den Fürst
Leopold III. von Dessau und Graf Franz zu Erbach. Die beiden
letzteren haben sich dabei so sehr nach dem englischen Vorbild
gerichtet, daß es sich lohnt, einen kurzen Blick auf die englischen
Privatsammlungen — es bestanden um diese Zeit schon über
100 — zu werfen. Die Beschäftigung mit dem klassischen Alter-
tum war bei den Engländern längst allgemein bekannt und be-
liebt, ehe sie den Deutschen durch Winckelmanns Schriften zu
einem neuen und maßgebenden Bildungserlebnis und zur Voraus-
setzung für den Klassizismus des ausgehenden 18. und beginnen-
den 19. Jahrhunderts wurde.
„Es erschien den Italienern, wenn sie an die läppischen Zer-
streuungen ihrer jungen Nobili dachten, achtbar, wie diese Fremden
ihre Kunstschätze aufsuchten und durch methodische Gründlich-
keit den Mangel an Gefühl zu ersetzen suchten, wie sie, so sehr sie
sich für die klügste und mächtigste Nation der Welf hielten, ihrer
Sprache und Sitf e Aufmerksamkeit schenkten, ÄltesundNeues
als edelsten Schmuck ihrer Paläste mitnahmen, ja
Erinnerungen Italiens zu einem Zug der Umgebung
ihres künftigen Lebens zu machen, sich auf ihren
Landsitzen ein Kleinitalien zu schaffen suchten1.“
Diese letzten Worte rechtfertigen den Vergleich der Samm-
lungen des Fürsten von Dessau und des Grafen zu Erbach mit den
englischen; denn Leopold (dem Justi in seinem Werk auch einen
1 Justi, Winckelmann und seine Zeitgenossen, 3. Äufl., Bd. III, S. 39.