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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0107
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Werte für ein demokratisches Bildungswesen 95

Nach diesen Vorbemerkungen kann man sich relativ kurz fassen: Offen-
sichtlich sind Schulen und Hochschulen samt deren Verwaltung auf alle fünf
Dimensionen von Grundwerten verpflichtet: auf die ökonomischen Werte,
namentlich die Bereitschaft, aber auch Fähigkeit, den Lebensunterhalt sich
selbst zu verdienen; auf die allgemeinen Werte jeder liberalen Demokra-
tie, also Recht, Menschenrechte, Gerechtigkeit und Toleranz; auf die (nicht
nur) eudämonistischen Werte wie Besonnenheit, Selbstvertrauen und Kri-
tikfähigkeit, denn auch gute Demokratie kann mit törichten Bürgern keine
klugen Entscheidungen treffen; auf die besonderen Werte der eigenen De-
mokratie, etwa ihre Sprache(n) und Kultur; schließlich die weltbürgerlichen
Rechte.

Die Frage, wie ein Bildungswesen diesen Verpflichtungen sachgerecht nach-
komme, dabei auch mit Langeweile, Desinteresse und Enttäuschung rechne,
beantwortet die Pädagogik. Die Ethik erinnert an eine Einsicht aus Aristote-
les' Nikomachischer Ethik (11 und X 10): Im entsprechenden Alter dürfen die
Werte zum direkten Gegenstand werden und beispielsweise in einem Ethik-
Unterricht oder auch einem Philosophie-Unterricht mit Schwerpunkt Ethik
und Politischer Philosophie unterrichtet werden. Methodisch gesehen gehören
die Werte aber nicht zum Know-that, zum Wissen um Sachverhalte, sondern
zum Handeln und dessen zugehöriger Fähigkeit und Bereitschaft, zum Know-
how. Deshalb dürfen die Werte nicht bloß verbal bleiben, sondern müssen
auch zu einem Persönlichkeitsmerkmal werden, was voraussetzt, dass man sie
einübt. Gerecht oder tolerant wird man nicht durch einen Unterricht über Ge-
rechtigkeit und Toleranz, sondern nur durch gerechtes und tolerantes Handeln.

Auch ein Unterrichtsfach „Politische Bildung" beziehungsweise „Gemein-
schaftskunde" begnügt sich weitgehend mit dem Wissensanteil. Es macht mit
der politischen Verfassung und Kultur der eigenen Demokratie vertraut. Es
legt Wert auf Selbständigkeit der Person und ihr Recht, im großzügigen Rah-
men einer konstitutionellen Demokratie eigene Wert- und Lebensmaßstäbe
zu entwickeln. Es betont die Menschenrechte, die Gewaltenteilung, die Rechts-
staatlichkeit und die Sozialstaatlichkeit. Es stellt die einschlägigen Institutio-
nen, das Gewicht von Parteien, Verbänden und Medien und deren Kampf um
knappe Güter wie Einfluss und Geld, nicht zuletzt das Gewicht von Verfahren
heraus. Das Leitziel, der viel zitierte „mündige Bürger", muss aber dreierlei zu
verbinden verstehen, von dem ein Unterrichtsfach primär nur den einen Teil,
Kenntnisse, vermittelt, aber nur sehr begrenzt die beiden anderen Teile, die
demokratische Grundhaltung und die Urteilskompetenz.

Zweifellos kann die Schule das wertgemäße Handeln nur in Grenzen ein-
üben. Denn die Schüler bringen schon Prägungen mit, übrigens in der Regel
einen Großteil elementarer Moral; die empirische Forschung stützt die an-
ders lautende Skepsis nicht.21 Die Schüler werden außerdem durch ihre au-

So z. B. Nunner- Winkler 1998.
 
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