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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0073
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Heideltrerger Taglilatt.

Rk 1»

lich.^PrciS mitN»icrbaI»mgSblaII vicrlcl'
läbrlich 36 kr.

Sonntag, 22. Zannar 1860

g"'

Was haben Regieruna «nd Land-
stande in Bezug auf das Konkor-
dat zu thun?

Vicrtcr Artikcl (Fortsehung).

Vor cinigen Jahren starb in Schlingcn
dcr Bürgermcister, ei'n aNgemein geachtete'-
Mann; wegen iinterlassener Bcichte ver-
sagte der Geistliche eine kirchlichc Lcichen-
frier; da ordnete die Geinei'ndebehvrdc cin
„bürgerliches" Begdäbniß an, und unter
Thviinahnic der Genieindc wnrde di'cse
Feier in würdigster Weise begangcn. Wir
könnten anch noch aüs dcr Nähe Frei-
bnrgs cincn andern Vorgang erwähneii,
wo cin illtraniontan gestiinter Gcistlichcr
durch das entschiedene Auftretcn der Gc-
ineindevcrtretcr gegen die Verfolgnng dcr
Kirchenbehördc geschützt wurdc.

Und in völlig gieichcr Nichtiing cntzirht
stch in täglich stei'gendeni Vcrhältnisse Ge-
ineiiide für Gcincindc der Antheilnahnie
an der von kirchlicher Seite vorgeschlagcnen
„Dankadresse" nnd die Bürger nnd Ge-
meindcvertrcter von Ort zn Ort werden
die Antwort gebcn: wir wollen Nichts
voni Konkordat und dem dni'ch solchcs zu
bestärkenden Priest erreg iniente wissen.

Man wird cndlich'noch gegen die Vcr-
werfling des Konkordats den Angstrnf er-
heben: dadurch werdeder konfkssionelle
Friede iin Lande bcdroht.

Ein Korrespoiidcnt der „Augsb. Allg.
Ztg." „voin Rhein" hat in der That eine
solche Bcsorgniß aus deni gegcn das Kon-
kordat erhobenen Widerstande elitnoninien;
das war ein fciner diplomatischer Kunst-
griff, — der de'm Dcnehmcn dcs Wolfes
in dcr Fabel „voin getrübten Wasser"
gleich stehet.

Ja wahrlich — die Konkordats-Männer
bci Uns wie in Ocstcrreich stnd die ächtcn
Herolde des konfesstonellen Fricdens! In
Oesterreich, wo sie wie in eben jener
2tg-" ihren konfesstoncllen Haß an-
laßlich der „Begräbnißfragc" unfängst be-
schönigten, dcn Protestanten ans „reiner
Hiimanität" ein geii'einsanieö Begräbniß
an der Scite eines kathol. Brndcrs hcnte
noch vcrsagcn: Ja wahrlich l.bci Uns stnd
es dieselben christlich gestnnten Heroide der
deutschen Einhei't, die wie cincr ihrer
Freiburger Hanpt-Vcrtretcr stch offen ans-
spricht, gegen die Protestantcn einen Bru-
derkrieg führen und znr Vcrherrlichiing
Oesterreichs alle deutschen Staaten ver-

nichten wollen: Es ist dcrselbe Liebes-
Eifer, in welchcm in Freibnrg ein Gcist-
lichcr das schiilpflichtige Töchtcrchcn einer
evangclischen Mutter fragte: ob es denn
auch eine „lutherische Krtzerin" wcrden
wolle? — es ist der Liebeoeifer, wclcher
bei der letztcn Versaninilung dcr kathol.
Vepeinc daselbst in blinder Verkctzcrungs-
sucht eine Anklage gegen di'e göttliche Vor-
sehung über die Ziilassung der Refor-
mation erhobcn hal, nnd wclcher da
durchweg die Ncformation niir einc „Nc-
volution" genannt hat.

Und nuii die Gegncr des Konkordats!

Wie das Dolk jciier Drrsammliing in
bczeichncnder Weise den Nücken gekehrt
hat, so hütet bei nns zu Lande der ge-
sunde nationale christlichc Si'nn des Vol-
kes den konfesstoncllen Frieden mi't wah-
rcr Pietät als ciiikli von i'hm ni'enials
eiitwcihten niivcrli'crbaren Schatz, wclcher
allein unser Vaterland vor iiincrcm Zer-
fall bewahrcrr nnd die Wcge offrn haltcn
kaiin, damit aus Süd uiid fllord, ans
Wcst nnd Ost dcmschc Söhnc, dcutsche
Männer in opferbcrcl'teui Mnthc zuitz schwe-
rcn Kampfe herbel'strömcn, wcnn es gi'lt,
den Feind- vom vatcrländischcn Bodcn zu
yerjagen.

Wie könnte dics auch wohl andcrs scin
da, wo von Stadt zn Stadt Tausendc
von Katholikcn und Prvtcstantcn durch
die hclll'gcn Dande dc'r Dcrwandtschaft
und Freundschaft auf's Ziini'gste nu'l ei'iian-
dcr vcrbiindcn sind.

In solchcm Gciste aber erhebt stch in
diescn Tagcn das Volk in Badcn, vb
katholi'sch, ob evangelisch, ei'niiiüthl'g gegcn
das Konkordat, weil es dcm Fei'nde des
konfesstoncllcn Friedeiis kcinen bcherrschcn-
den Eiiifluß auf Schnlc und Wissenschaft
. gcstatkcn, und den gefährlichcn Zugang in
^ den Fri'edcn der Fanil'li'e und in die Ge-
ri'chtsstube nicht gewähren will.

Das dcntsche Volk, die dentsche Jngend
hat v'or wenigen Monaten i'n allen Ganen
nnd Städtcn SchiIIer 6 Mahnr u f ans
dem Munde des sterbcnden Attl'nghaiiscn
nicht vcrgebens vernomincn:

„Drum haltct fcst zusammcn, fcst und cwix,.

„Kctn Ort dcr Frcihctt.sci dcm andcni frcmd.

„Scid ctntg, eintg, ctnig! —

Und anch jener Mahnruf dcs schcidcn-
ben D ich terfürsten ist dcm Dentschen
heilig:

„Dtc angcborncn Bandc knüpfc fcst,

„An'S Vatcrland, an'S thcurc schltcft' Dich an,
„DaS haltc fcst mit Dctncm ganzcn Hcrzen!

„Hicr sind dtc starkcn Wurzcln Dcincr Kraft!

Und in diescm Gciste stnd wir des Sie-
ges gewiß. (Fortsctzung folgt.)

Englische Stimmen über Rapo-
leons Brief

Es gibt Angenblicke, wo das freieste
Volk der Welt eine despotische Negiernng
um ihrer Vorrechte willcn bewundern und
selbst bcneiden darf. Langsam, mühsam
iiiid wechselvoll war der Weg, auf wcl-
chcin wir Schritt für Schritt vordringend
bis zn iinsercm heutigen' Standpuiikt des
Glückes nnd der Wohlfahrt gelangt sind.
Eine Nation, die sich herbeiläßt, ihre Ge-
schi'cke den Händen eincs eliizigen Maunes
anzuvertraiicn, kann sich diese zögernden
Dorberkitungen ersparen, kann schutzzöll-
nerisch zu Bctte gehcn und frtlhäiidlerisch
aufstehcn, und i'n kürzcstcr Frist die Herr-
scbaft cincr mächtigcn Priestcrkaste mit der
linbe'chränktcsten rcligiöscn Freiheit ver-
taiischcn. Der Kaiser der Franzosen hat
stch wi'rkli'ch selbst übertrossen, und von
allen Wandlilngen auf sei'ner wunderbarcn
Laufbahn gehört dlcjeni'ge, die wir hcute
anzeigen, zu den merkwürdigsten imd lo-
benswerthesten. Alle Welt keniit die Stcl-
lung des Kaiscrs znm Klcrus und zu den
Schlitzzöllnern in Frankreich. Eiii gewöhn-
licher Mcnsch hättc das ci'iic di'eser Zn-
teresscn gegen das anderc spi'clcn lassen;
weiin 'ein Brnch mit dcr Gcistll'chkcit nn-
vernieidli'ch wurde, hätte cr seiiien Eifer
für den Schutzzoll vcrdoppelt. Wenn ein
Streit niit dcn Schutzzöllnern nicht zu
vcriiicidcn war, hätke cr eine Ausiöhnung
l»lt dcr Kirche augcstrebt. Aber Ludwig'
Napoleon ist kei» gewöhnlicher Mensch,
nnd nie hat cr dies klarer als dicsmal
bcwiescn. Auf dcn Schlachtfcldcrn von
Magenta imd Solferino schcint er andere
niid fnrchtbarerc Feinde als den Kaiscr
von Ocstcrreich besiegt zu haben. Fortan
fühlt er stch ini Vcrtraucn auf die Halt-
barkeit seiner Dpnastie stark gcnug, nn't
den Bigottcn geistlichcn und wkltlichcn
Schlages, die das Gcwisscn und die That-
kraft seines Volkcs fesscln und einschnüren
woilen, fertig zu werden. Mit dcr einen
Hand unterdri'ickt cr die Gesellschaft von
St. Vinccnt dc Paul iind wirft der ultra-
 
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