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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0214
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lcisten gesucht; allein cs genügt das an-
gewendcte Mittcl dei wcitem nicht. Es
ist nämlich in jnngstcr Zeit mehrerc Male
dnrch Erlaß im großl). Staatsiniiiisterinm
angcordnet wordcn, daß an dic Stelle eincr
verweigcrten kirchlichcn Proklamation cinc
Bcrkiliidiing durch dcn Bürqcrineistcr der
betrejsenden Gcmcinde ci'nzutrcteii habe.
Untcr den gegebcncn Uinständcn inag ad-
ministrativ viclleicht nichtS Andcrcs inög-
lich gcwcsen sein; 'allcin cs lenchlct ein,
dafi dl'ese Verfüglingen i'n dreifachcr Bc-
zi'ehung den nothwendigen Fordernngcn
an einen richtig geordneten Znstand nicht
genügcn. Erstcns habcn die Bctheiligten
kcin Recht anf cine solche Verwilligiillg,
nnd ist diesc viclinchr nnr Gnadensache.
Die Mvglichkeit, cinc, gegen dic Gesctzc
nicht verstoßcnde, Ehe einziigchen , mnfi
abcr nicht in das Ermefscn der Regicrung
gestcllt, sondern unbedingtes Recht sci'n.
Zweitens bringt die Verfolgung einer Be-
schwerde dnrch alle Instanzcn bis znm
Staatsminl'stcrium cine beträchtlichc Ver-
zögerung mi't sich, welche von den
größten Nachthcilen sein kann odcr wohl
anch unsittliche Verhältnisse zur Folgc hat.
Drittens und hauptsächlich aber ist keincr-
lei Sicherheit vorhandcn, daß eine anf
solche Weise ermöglichte Ehc als eine
giltige wird vom Richter crachtet wer-
dcn, indem einc gesetzlich nothwendigc
Form im Verwaltnngswege abgeändert
wird, ohne daß das Gesetz eine Bcfngniß
dazu ausdrücklich ancrkennt.

Eine genügende Hilfe muß also anders
bcschaffen sein, und es ist die Frage:
was zn thnn sei? immer noch cine ossene.

Zunächst wird man natürlich an die
zwangsweise Aufrechterhaltnng dcr bc-
stchenden gcsctzlichen Bestiminiingen
über Pioklamation dcnken; Und es möchte
anch der Bewcis leicht scheinen, daß es
sich hier lediglich von einem bürgcrlichen
Gesctz handle, indem jedenfalls dic Vor.
schriften des Landrechts deii „Beamtcn
des Standes" gegeben seicii, somit kcine
kirchliche, sondern eine staatliche Fünktion
porliegc. Dennoch ist es wohl eben jeht
nicht an dcr Zcit, die Angelegenheit prin-
zipiell zur Entscheidung zn bringen, da
es nicht rathsam wäre, die bestehcnden
Zerwürfiiiffe um cincii nencn Streitgcgen-
stand zn verinehren. Anch darf nicht übcr-
sehen wcrden, daß die vom Staat als
rechtliche und poll'zeiliche Vorsichtsmaß-
regel angeordnete Verküiidung dnrch die
Beamten des bürgerlichen Standeö in der
katholischeii skirche anch auf kirchlichen
Vorschriftcn beruht (namentlich auf solchcn
des 4. lateranischen und des tri'dentini-
schen Conci'ls) und daß somil ein Bestehen
der Staatsgewalt auf dcm weltlichcn Ge-
setze als cin unzulässiger Eingriff in kirch.
liche Fuuktl'oncn dargcstellt werden könnte.
Es ist daher vertheidigbar und räthlich,
den in ilkothstand befindlicheu Landesan-

grhörigen dnrch eine zwar gcsctzlichc,
abcr dcn kirchlichen Krcis ganz ver-
incidcnde Maßregel zu hclfen. Solchcr
Aiishilfcn sind dcnn abcr an sich mehrerc
möglich; nnd vor Allem liegt allerdings
der Gcdanke nahc, die crloschenc Bcstim-
innng dcs §. 2 dcs provisorischcn Gcsctzcs
vom 6. Nov. 1846, nach wclchcr cinc
Bekanntmachilng des Bürgermeisteramtcs
an der Nathhansthürc an 'dic Slellc der
verwcigerten Verkündignng in dcr Kirchc
zu tretcn habe, wieder in Wirknng zu
setzen iiiid zur blcibendcn Norm bis zur
endlichen Negelung dcr Ehcgcsctzgcbung zu
erhcben.

Dem Allcm gemäß erlaube ich mir denn,
Durchlauchtigste, hochgeehrtcste Herren, den
Antrag zu stellcn:

Es wolle die hohc Kammer Se. Königl.
Hoheit dcn G r o ß l) c r z o g mittclst
allerirntcrthänigstcr Adrcffe darnm bit-
tcn, noch anf dem gegenwärtigen Land-
tage dcn Ständen einen Gesetzentwurf
vorlcgcnzulaffcn, welcherdieEingehnng
eincr gesetzlichcn Ehe anch in dem Fall
ermögliche', wenn die Proklamation von
dem Pfarrer beck einen dcr knnftigcn
Ehcgatten ohne rcchtsgiltigen Grund
verweigert werden sollte."

Karlöruhe, 29. Febr. Lant allcr-
höchster Entschlicßung S. k. H.des Groß-
hcrzogs vom 24. d. wird bei den sämmt-
lichen Infantcric-Abthcilungen der Dienst-
stand mit incl. von 48 Rekrnten bei einer
Coinpagnie auf 85 Mann per Compagiiie
verbleiben. Die Benrlaubung trifft sämmt-
lichc Lcntc des Iahrgangs 1858.

Heidetberg, 2. März. Gestcrn
Abcnd hielt der V'erein für deutsche
Reinsprachc, die füngst angekündigte
Versanlinliing im Saale der _Harmonie,
woran sehr viele Mitgliedcr nnd Frennde,
Herren und Frauen, sich betheiligten. Es
wärc wnnschenswerth, daß vfter solche
Versaminluugeu stattfändcn, wodurch dic
Sache nur gewinnen kvnnte. Herr vr.
Brugger staitcte als Vorsteher einen
Bcricht über dcn Stand und dic Leistungen
des Vereins ab, worans sich ergab, taß
er gegen 1900 Mitglieder zähle, in 350
Ortschaften, nnd bedcntende Schriftstcller
zu seincn Mitgliedern gchören, die auch
in ihren Werken thätig für diese Sache
wirken. Jn einer längeren Nede wider-
legte er das Vornrtheil, als wolle man
alle Fremdwörter hinauöschaffen, indem
er in vielcn Beispielen schr auschanlich
nachwies, welche Frcmdwörter man vcr-
meidcn könnc und solle und welche nicht
zu verdräugen sind. Am Schlusse machte
er auf die iiiuige Verbindung zwischen
Sprache nnd Vaterland aufmerksam vnd
auf die Größe und Macht des dentschen
Volkes, wenu scine Stämme, wie sie in
der Sprachc einig scicn, cs anch in Ge-
siuiiiingcn iiiid Handlungcn sind. Hicrauf
zeigte Herr vr. Otto wie man auch in

der Dichtung wicder ncuc Fremdwörter
euifnhrcn möchtc, wie Freiligrath eö qe-
than. Als Gcgcnstück las er ein vou ih,q
jelbst verfaßtcs Gedicht vor, „der gerade
Dcutsche", das lebhaften Bcifall fand.
Hcrr Or. Lhoina machte in seinein Vor-
tragc daranf aufincrksam, vaß man bei
dcm Verdrängen der Frcmdwörtcr wicber
auf Ersatz ans dem cigcncn Sprachschatze
denkcn müsse. A.n Schlusse mcldeten sijh
Mehrere zum Beitrittc, mit dem Wunsche
bald wicdcr an ciner solchcn Vcrsamm-
lnng Thcil nehmen zn könuen.

Mannheim, 29. Fcbr. Die 14jähri-
gcn Söhne zweier angesehncr Fainilien
haben sich hcimlich entfcrnt, nm zu Gari-
baldis Herr zu stoßen. In Speper wur-
den sic aufgcfangen nnd heimgcliefcrt!

Bom bnd. QberrheLn, 27. Febr.
Dic aiisschließlich evangclischen Geinein-

den nnsercs Großhcrzogthums bcqniiqen

sich jetzt nicht mehr damit, daß sic nur
P e ti t i o n c n gegen das K o n k o rda t bei
dcr zweiten Kainmer cinreichen, sondern
dem Beispiele der evangelischen Profcfforen
der Universität Frcibnrg folgend, leqen sie
zngleich auch solche in dcuiselbcn Betreff
dem evangelischcii Oberkirchenrathc, als
dcr obersten Behörde unsercr evangelischei,
Landeskirchc, des Jnhalts vor, daß der-
selbc mit allen gesetzlich ihm zustehendeu
Mitteln dahin wirken möge, daß kein Ar-
tikel der Landesverfaffnng und überhaupt
kei'nc bisherige gcsetzlich? Bestimmiing zu,
Gunsten bes Konkordats anfgehoben, viel-
mehr dcr bisherige Rechtsznstand und die
Sclbstsiändigkeit der evangelischen Kirche
Badens Nom gegenüher aiisgesprochen nnd
vcrkündigt werde, unv zwar dieses um
so mehr, da weder das Konkordat, noch
desscn Verkündl'guna im Regiernngsblatte
anch nur Ein Wort enthalte, wodurch die
bisherige koiifessionellc Gleichbercchtigling
gcwahrt wäre, dagegcn häufig genng un-
'sichcre Beruflingen auf die kanonischen
Gesetze, welche die Besti'mmungen der
Päpsie enthielten. Aeußerem Vernchmen
nach werdcn solche Petitioucn beifällig
vom evangclischen Oberkirchenrathe anf-
genommen und soll sich -bereits derselbe
auch sehr kräftig der oben crwähuten Frei-
bnrger Profefforeu höheren Ortö augc-
nommen haben. Jst dieses gegrüudet, so
wird anch dcr Direktor dcs evangelischcn
Oberkirchenraths, welcher in seiner Eigen-
schaft alS Prälat Sitz und Stimme in
der ersteu Kammer hat, entschieden gegen
das Konkordat sich aussprechen.

Bremen, 29. Febr. Hente Morgen
ist der Polizci-Inspeetor von Hunkeln
vor der Stadt erschossen gefundeii^ wor-
den. Man nimint allgemein ei'nen Selbst-
mord an.

München, 29. Febr. Die Studiren-
deu der Uuivcrsit'ät haben diesen Abcnd
ci'utii großartigen Fackelzug nach dein
Grabc Friedrichs v. Thiersch abgehalten,
 
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