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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0354
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aufzustelleir braucht, u»r Deutschlaud zu
zwr'nqen, den Osten durch eine qler'ch qroße
Macht zu beobachten, und auf dicse Weisc
ser'ne Wl'derstandökraft gegen Westcn ab-
znschwächen. Das'rst der Krei'6 von Ge-
fahren, in wclchen die Napoleouische Di-
ploiilatie Dcutschlaiid ' einqcschlosseii hat,
n,id was geschieht, uin dcusclhen entqegen-
zutreten? Deutschland ist inißtrauisch, be-
unruhigt, unzufrieden init sich; nnein ig i n
Icnen, die es zu leiten bcrufen wären;
führer- niid hecrloS; so weit das Auge
reicht, ohne Duiidesgenosscn, dcn Angrifsen
des bkiitegierigcn Nachbars preisgegebcu.
Noch nieinals 'ist ein großes Land imd cin
großcs Volk in solcher Lagc und schcin-
barer Hilflosigkeit so grvßen Gefahren gc-
qenüber gestanden. Aber trotz allcdein muß
inan bciiiahe wüuschen, daß der Sturin
losbrcche, dainit die zerfahrenden Cleinentc
deS deutschen Volkes sich wieder au ein-
andcr schlicßcn, nnd zur Keiiiituiß> gelan-
qen , daß in ihrcr Einheit allein das Ge-
heiinuiß ihrer Üiiüberwiiidlichkcit liegt.

Wien, 11. April. Uebcr den Zustand!
dcs Grafcn Stephan Szechenpi in der!
letzten Zeit incldet der „Wanderer" §ol-j
gendeS: Schon seit etwa eiuer Wochc!
waren an ihni deutliche Spuren zunehmeii- >
dcn Trübsinns zu benierken; er sprach!
wenig und schicn selbst seine liebsten Frcunve §
nicht qerne bei sich zu sehen. Der Tod
Iosika's, seincs Dusenfrcundes, der un-
mittelbar vor seincr Erkrankung noch bci
Szcchcnpi in Döbling gespeist hatte, brach
dem fast siebzigjährigen Greise vollrnds
das Herz. Bereits scit fünf Tagcn hatcc
er kcine Nahrung zu sich genvinineii; seinc
Likblingsgcgenstände, die vi'elen Uhren nnd
Chronometcr, die er selbst aufzog, nnd
scine Tauben, die er stcts eigeiihändig
füttexte, blieben unbeachtet. Samstag be-
suchte ihn Graf Hcinrich Zichp und fand
ihn in einer niibkschrciblich gedrückien
Stininiung. Zu scincr Fraü hatte er zwei
Tage frühcr gesagt: „Mcine Tage sind
gezählt." Aüch init den Wärtern soll er
hänsig über Selbstniord dnrch Erhenken
n. s. w. gesprochen haben. Alle diesc.
Gcspräche wurdcn jcdoch als der Ausfluß
cines seit lange zerrütteten Geiiiüthes nicht
sondcrlich bcachtet. SainstagAbends spielte
der Graf nik sel'nein in der Stadt 'woh-
ncnden Secrctär Kiß Schach und gcwann
dicseni, einein schr guten Spiclcr, fast
jedc Parlie ab. U,n halb eilf Uhr trat
Kiß dcn Heiniwcg an. Der Graf fixrgte
noch beim Fortgehen, ob sein Sohn Bela
am andern Tagc gewiß „ach Wien komme,
was der Secretär bcjahic. Dald daranf
^ ^'"L'!Wärrer (der greise
anö ö Zimmern

. bestehcnden Wohnung). Bis zwölf Uhr
horte man ihn noch auf- „,w
dann ward Alles stille. Ani nächstrn
Morgen sand man ihn im driiten Zimmcr
m scniein Sorgenstuhle init zerschmercertcm

Schädel. Der Todte war vollständig an-
gckleidet und war somit gar nicht zu Bettc
gegangen. Dcn beiden Wärtern, welchc
ihre Bezahlung iminer nn't Ende des Mo-
nats crhiclten, hatte dcr Graf kurz zuvor
ihrcn Gehalt für April anticiplrt. Man
bcabsichtigt in. ganz Ungarn, 6 Wochen
lang zu trauern und in allen Kirchen
Todtcnmessen lcsen zu lassen.

Wien, II. April. Aus Triest ist die
telegraphische Meldnng cingclaufcn, daß
die Chefs der Häuscr Brambilla, Nivol-
tella und Mandolfo, wie es scheint in
Folge des Epnatten'schen Untcrschlcifs-
prozesses, verhaftct worbcn sind.

D ä n e nr a r k

Aus dem Schleswig'schen, 11.

April. Alle, welche sich ausgezeichnet habcn
in Verfolgung der D eucschge sinn -
tcn im Lande während dcr letzccn Scänbe-
versainmlnng, sind mit Ordcn belohnt
worden.

F r a n k r e i ch.

Pnriö, 11. April. Nach dcm Vor-
anschlagc dcs Bndgets für 1861 belaufen
sich die Auögaben dcs Kriegsministcriums
auf 345,908,744 Fr. (6,450,000 Fr. mehr;
als im Iahre 1860); diese Ausgaben sind
bcrechnet für folgenden Effectivb'estand der
Armee: 326,710 Mann und 67,833 Pferdc
im Innern, 65,690 Mann- und 15,297
Pferde in Algerien.- Das Contingent blcibt
für' 1861 aus 100,000 Mann festgcsetzt.
Untcr den Ausgaben des Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiren figurirt
der Posten „geheime Ausgaben mir 550,000
Franken; unrer dencn dcs Ministeriums
des Inncrn der Posten der „geheimcn Aus-
gaben für die öffenrlichc Sichcrhcit" mir
2,MiIl. Fr. Nach den Voranschlägen für
das Ministerium der Finanzen bclaufen
sich vie jährlich zu zahlendcn Zinscn der
Staatsschuld auf 500 Mill., die Pensionen
auf 70 Mill., die Civilliste dcs Kaisers
auf 25 Millionen Fr.-

Einer Correspvndenz des Constituiionnel
aus Turin vom 8. entnchmen wir fol-
gcnde, wie der Corrcsvondent sagt, genauc
Slacistikder piemontesischen Armee: Liuicn-
Infanterie 52 Neginicnter, mit einem Effec-
tivstande vvn 135,200 Mann, feruer 26
Iägerbataillone (Bersagliari) von 15,600
Mann. Ncitevei: 16 Regimenter gleich
9600; ferncr 5 Schwadrvnen Guiden
gleich 800 Mann. Artillerie: 32 Feld-
barterieu, bcdicnc durch 4200 Mann; 20
Compagnien Bclageruugs-Artillerie und
2 Depo.t-Compagnien 2300 Mann. Genie:
20 Compagnieu und 2 Depol-Compagnicn
3300 Mann; 1 Negiinent OuvricrS 1500
Mann. Die Aeriv-Stärke. einschließlich
von nngesähr 10,000 Mann des Trains,
der Carabjniere und der Diöcipliii-Cvm-
pagnicn bildet einni wirklicheu Effcctiv-
Staud von 183,000 Mann.

Pariö, 11. April. Dic savopische
Angelcgenhcit wird wohl in einigen Tagen
zu den abgcthanen gehören. DicSchweiz
hal rcclamirt und protestirt, dcn Schutz
der Großmächlc' angerufen, außerorbcnr-
liche Gesandtc in allc vier Wcltgegenden
gesandt.' Man wird wohl dem Bunvcs-
rathe nicht vorwerfcn.können,'sich schwach
unv gcfügig gezcigt zu haben. Allein die
Schweiz ist doch immcr nur die Schwciz,
und dcr Eidgcnossenschaft kann wahrlich
nicht zilgcmuthct wcrdcn, allcin dcn Kampf
gegen das übermächtige Frankreich aufzu-
nehmen. Oesterreich hat sich zurückhaltend
gegcnübcr dcn Neclamationen der Schweiz
bcnommcn, -Nußland hnllt sich in Schwci-
gen, England zankt mit Frankrcich, er-
klärt aber ausdrücklich, daß es nicht ge-
meint ist, sich der Schwciz wegcn mit
seinen Nachbarn zu überwcrsen, Preußen
endlich verspricht, dic Bcmcrkungcn des
Bundesrath'es in pflichtmäßigc Erwägung
zu zichcn. Mit solchen Vcrsprcchungen ist
dcr Schweiz nicht geholfcn; sie hal ihre
Anfgabe erfüllt und muß nun natürlich
bcdgcht scin, sich mic Frankreich nicht völlig
zu übcrwerfen. Dic hiesige Regierung hat
von voruherein dcr Schwciz dicses Nesiiltat
vorausgesagt und sie ermahnl, sich un-
.mitlelbar mit Frankreich zu vcrständigcn,
wclches das Mögliche thnn wolle, um der
Eidgenossenschaft gerecht zu werden. Sind
wir rccht iinterrichtet, so handelt es sich
vor Allem darum, die Schweiz wegen der
Position Frünkreichs am Genfcr See zu
beruhi'gen. -Zu diescm Zwecke soll der
ganze savopischc Uferstrich, allerdings nur
in geringer Breite, iieutralisirt werbcn,
d. h. cr soll keinerlei französische Besayung
erhalcen, und die Schweizcr würden den-
sclben im Falle eines Krieges militärisch
zu besetzen haben. Daß dem ganzen nörd-
lichen Savopcn außcrdem ansgcdehnle
Handelsfreiheit niic dem bcnachbarten Genf
gcwährt wird, vcrstcht sich von sclbst; der
Moniteur hat das zu wiederholten Malen
angekündigt. Das P^'iser Cabiner hat
den Wuiisch ausgcdrnckt, daß die Schweiz
eincn besonderen Bcvollinächtigien hersenve,
nm die Angelegenhcit zu ordnen. Damit
ist also das Project einer curopäischen
Cvnfcrenz beseitigt.

Mcrrseille, 11. April. Das Packct-
boot von Neapel überbringr eine Nuin-
mcr des officiellen Ionrnals vom 6. d.,
worin die Uiiterdrückung des Aufstandcs,
welcher am 4. in P a I e r m o statthacrc,
bestätigt wird. Driese füge.n hinzu, daß
die Aufständischen dic Trnppcn um 5 Uhr
Morgens angriffen, 7 Soldaten unv Geii'
darmen tödtdten, dann zurückgeworfen wur-
dcn und sich in.ein Kloster einschlossen, wel-
chcs sie verbarrikadirren. -Ein Bataillon
des 6. Linieiiregimenls wollre daS Klostcr
ini Slurin nehmen und erlitt ansehnlichc
Verluste; sodann öffnete eine Batterie Ar«
cillerie eine Bresche; das Kloster wurve
 
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