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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-178 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0006
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doch der Schwerpunkt bezüglich diescr Schule
liege, will jedoch keineu Gegcnantrag einbringen.
Durch die gcmischten Schulen werde in die Jll-
gend ein gewinnbringendcr Keim gelegt, die
confcsstonclle Trennuug werde allmählig mehr
verschwinden und eine andere Zeitgenossenschaft
hcranwachsen. Redner spricht seinc Ansicht für
die gemischten Schulcn offen und unter ein-
gehender Begründung auö, und beklagt in crn-
ster Weise das in neuerer Zeit wieder auftre-
tende Agitire» fir confessionelle Ztvecke. —
Fauler macht darauf aufmerkfam, daß der
Gejetzesentwurf Versöhnlichkeil und Milde athme,
und gerade darin eine besondere Stärke äußere.
Redncr vcrbreitet sich über die Anfeindungen
der Schulreform von Seitc der cxtremcn kath.-
kirchlichen Partei mit kritischer Schärfe und be-
merkt, daß der große Theil des Bolkcs ganz
anderer Anstcht jei. — Oberschulrathdirector
Knies entgegnet dem Abg. Moll- Wenn die
gemischten Schulcn kommcn, so sei es einsach
die Schuld der Geistlichkcit; der Regierungs-
cntwurs greife in keiner Wcise in die confessiv-
nelle Bcstimmtheit dcs Religionsunrerrichtes ein,
weil die großh. Negierung teineswegs die Ab-
stcht habe, in diejer Bezichuug eine Aenderung
herbeiznführen, oder, wie mau sogar gesagt
habe, Rongejchutcn cinzuführeu.

Lamey (v. Pf.)l Dicse Aeußerung von
Seite der Regierungsbank werde manches ängst-
liche Gcmüth im Lande beruhigen. — Ober-
schulrathsdirector Knics entgegnet dem Vor-
redner, daß da, wo im Entwurfe der Ortsyfar-
rcr bczeichnet, auch dcr betr. Ortsxfarrer der
Zsracliten, also der Rabbiner, verstanden jei.
Beck, Moll gebeu kurze Erklärungen. — Auf
Prcstinari's Bemerkung entgcgnct StaatSrath
Dr. Lamey, daß gemischte Schulcn, an dencn
auch die Jjraeliten stch bctheiligten, noch in
weiter Ferne ständcu. — Schaaff: Daö jctzt
schon dcstchende Gesctz für gemischtc Schulcn
werde durch § 3 nicht abgeändert. — Beck:
DeS Abg. Moll Emxsehlung der Einsühruug
von gemischten Schulen könue nicht mit Sliü-
schweigen hingenommen werdcn. Ein Zwang
von obcn herab, also von der Rcgierung sci
nicht zulässtg. Er würde es ticf beklagen, wenn
die großh. Ncgierung in dicser Beziehung eine
moralische Gewalt ausüben wollte. Nur durch
eine Vereiniguug werde sich die Sache allmäh-
lig mache».— Oberschulrathsdireclor KuieS:
Das religiöse Elcmcnt in der Schule sci der
Kirche überwiesen, der Staat könne und wcrde
dariu Nichts thun. Zn.der-Gesetzgcbung jci
nirgends etwaö vorhaude», daß die gemischten
Schulen von obcn gcsördert werdcn könnten.
Das sei eine Sache der Gemeinde, wclche die
Regicrung derselben grundsätzlich überlasse. —
Frick sxricht sich kurz über die gcmischten
Schulen aus. — Kopser weist daraus hin,
dag wir schon gemischte Schulen hätten, Lyccen,
höhere Bürgerschulen rc-, welche zum Segcn der
Schulen wirktc». So lange man ihm nicht dcn
Beweis liescre, daß eS cine kalholische Natur-
geschichtc, Wcltgcschichte rc. gebc, jo lange werde
er an dcm Grundjatz dcr gemischten Schulen
feslhaltcn. — Roßhirt: Es gcbe allcrdings
keine katholische Weltgcschichte, aber die Dar-
stellung derselbcn sei verschieden. — Staatsrath
Dr. Lamey: Die Regicrnng verfolge in dcm
ReligionSunterricht keine Tcndcnz. Es könnten
allerdings tendcnziösc Lcscbücher cingesührt, aber
cbenlo gut auch tendcnziöse Lchrsätze aufgcstcllt
wcrden; diese aber verwerfe die Regierung.
Dann würde sie stch eden beschweren, aber nicht
zum VorauS einen Schutz verlangcn. So be-
ftehe auch katholischer Scits eine Bestimmung
bezüglich der Eheschlicßung, von der cr sagen
müsse, daß er jedeSmal crröthe, so oft cr ste
lese. Die Regierung hätte sich gegcn dicselbe
beschwcren können, allein sie habe eS nicht ge-
than, sondcrn lasse vielmchr der Sache ihren
Lauf. — Berichterstatte Häusser entgcgnet
zunächst dem Abg. gioßhirt, daß nur die An-
sicht der beidcn Kammern den unverfälschten
Ausdruck des LandcS darstellc, und daß ste keinc
Aehnlichkcit mit einem Landcapilel ec. HLttcn.
Der Unterjchied zwischen dem neuen und alten
Gesetze bestehe darin, daß die Geistlichen in
Zukunst das gelten würden, was jie leisteten,
»nd daß, se mehr sie sich der modernen Ent-
wickclung des StaateS anjchlösscn, desto größer
ihr Einfluß auf die Erzichung der Zugcnd sein

würde. Zn der religiöscn Erziehung solle die
Kirche volle Freiheit haben; deni Staate aber
zumuthen, daß er die gemischte Schule fördcrn
jolle, daS heiße, ihm etwaS zu frühe zuzumu-
then. Komme daS gesammte Schulgejrtz zur
Vorlage, dann werde stch Gelegcnheit geben,
diese Frage noch tiefer und breiter zu berathen.
§ 4 handelt von der Wahlpcriode. Ohne Be-
sprcchung angenommen. § 5 regelt den Vorfltz
im Ortsschulrath. —Beck will dem Ortsgeist-
lichen, als geborenem Mitglied, den Vorsitz im
Ortsschulrath zugetheilt wissen, enthält sich jedoch
vorerst der Slellung cineS betr. AntragS. —
Staatsrath Dr. Lamey: Das System des
Vorredncrs sei in Erwägung gezogen, aber nicht
als durchsührbar erachlet worden, denn man
komme durch solches in dieselbe unhaltbare Lage,
in der man sich geradc jetzt befinde. Allch die
Wahl habe hier verschiedene Bedenken, und da-
rum sei die Regierung zu dcm Ernennungs-
systcm übergegaugen; gleichzeitig auch deshalb,
damit der Staat seinen Einfluß auf den OrtS-
schulrath wahren könne. Nach seiner Ansicht sei
das auch der cntsprechendste Weg. — Moll
würde es als eine Znconsequenz des ganzen
Gesetzes belrachtcn, wenn man dem Vorschlage
des Abg. Bcck beistimmen wollte. — Roßhirt
koinmt zu derselben Ansicht, wie der Abg. Beck,
jedoch auf gänzlich verändcrten Grundlagen. —
Prestinari würde einer ähnlichen Bestimmung
untcr Abänderungcn beitreten können. Allein
nach dem Entwurfe wcrde sich die Sache doch
annähernd so gestalten. — Oberschulrathsdirectvr
Knics weist die Unzulässigkeit einer solchen
Bestimmung nach. — Frick spricht sich für die
unbedingte Annahme dcS Paragraphen auS. —
Fischler ist dcrselben Ansicht wic die Abg.
Roßhirt uud Beck, und wenn ein Antrag von
ihrer Scite cingebracht werde, so würde er ihn
gernc untcrstützen. Man HLtte sollen jagen:
Wenn der Pfarrer kommt, so sührt cr dcn Vor-
sttz. — Staatsrath Dr. Lamey und Bcricht-
erstattcr Häujser sprechen sich cntjchikden ge-
gen diesc Ansicht aus, woraus § h angenommen
und dic Forljctzung dcr Berathung auf mvrgen
verschobcn wnrdc.

KarlSruhe, 28. Zuni. 69. öffcntl. Siz-
zung der 2. Kammcr. Vorfltz: Hildebrandt.
Am Ministertische: StaatSräthe Dr. Lamcy und
Obcrschnlraths - Dircctor KnieS. Es wird der
Einlauf einer Petition aus Hornbcrg, Triberg,
St. Georgen und Villingen, dic Schwarzwald-
eisenbahn, und cine andcre auS Wicsloch, die
Schulreform betreffend, angezeigt.

Haagcr zeigt dcn druckscrtigen Bericht über
die Sporteln und Taxe in der CivilstaatSvcr-
waltung an. Dic Tagesordnung führt zur
Fortjetzung der Berathung dcs Abg. Häusser
übcr die AufsichtSbchörden der VolkSschulcn.
§ 6. (Verwaltung dcS SchulvermögenS.)

Spohn ist nicht dämit eiuvcrstanden, daß
dem OrtSschulrathe daS gcsammte örtliche Vcr-
mögen übertragen wcrde, auch das confesstonelle,
wclchcs kirchenvcrfassungSgcmLß, nach seincr
Natur nnd nach historischem und positivem
Rcchte dcr Kirchcngcmeindc gehöre. Dic Schul-
zwecke seicn stets als Kirchenzwecke angcsehen
worden und nach den frühcren Gesetzen sollen
die Schulfonds im Bcsitze und ungestörten Ge-
nusse dcr Kirche jein. Es sci kein Mißlrauen
gegen die SlaatSverwaltung, wenn er wünsche,
dcr Absatz 1 des § 6 möge lauten: Der OrtS-
schulrath vcrwaltet daS Schulvermögcn, „inso-
fern es nicht consessionell ist", eventucll: „in-
sofern es nicht kirchlicher Natur ist." Einen
Antrag wolle er aber vorerst nicht stellen.

Fijchler wäre mit solchem Zusatze einver-
standen und wartet die Erklärung der Regie-
rung ab.

Prestinari: Dcr Zwcck der Richtung ent-
scheide; es handle sich hier also um Kirchcn-
zwcck oder Schulzweck, die öffentlichen Schulcn
seien Staatsanstalten, deren Vermögen habe
also der Staat zu verwalten; das sci schon
lange so. Redner fragt, warum die Regierung
daS Schulvermögen in dcr Verwaltung vom
übrigen weltlichen Stiftungsvermögen getrennt
habe.

Roßhirt gibt der Ansicht dcs Abg. Spohn
gegenübcr der des Abg. Prestinari den Borzug.
Die Schule sei von jcher consejstonell gewesen
u»d uach der altcn Gejctzgcbung auch da«
Schulvermögen als kirchlich bctrachtet wordcn;

dadurch, daß der Ilaat die Ichule zur Staats-
anstalt gemacht, folge uichts b-züglich der Ver-
mögenSvcrwaltung.

Oberjchulrathsdirector Knies war auf solche
Einwendungen nicht gesaßt. Stistuugen, welche
für Schulen gcmacht wordcn,-seien Schulstif-
tungeu, keine kirchlichen Stiftungen, weun ste
auch confessiouell seien, denn coufessionell und
kirchlich sei nicht gleichbedeutend. Wer z. B.
eine Stiftung für kathol. Gesellen mache, der
mache eine consessionelle Stiftung, aber keine
kirchliche, die Kirche habe darüber kein Ver-
waltungSrecht. Auch sei der Ursprnng der
Stiftung nicht mit dem Zwecke derselben zu
verwechseln. Es handle stch hier um ein sehr
weitgehcndes Jntcresse dcr politischen Gemeinde.
Vor 1834 hatten dic Schulen auf Grund der
consesstoncllen Gemeinde bestanden, crst nachher
seien sie auf Grundlage der politischen Gemeinde
aufgestellt wordeu, und die politische Gemeinde
habe allc ihre Schulen ohne Unterschicd der
Consession zu unterhalteu. Dem Abg. Prcsti-
nari erwidert Redner, daß die Trennung der
Schulfonds von der Verwaltung der übrigen
weltlichen Fonds aus ZwcckmäßigkeitSgründcn
erfolgt sei. Es sprcchcn uoch Spohn, Prcsti-
nari, Bcck, Roßhirt, Staatsrath Lamey und
Muth. Ein Antrag ward nicht gestellt, der
Paragraph also angenommen. § 7. (KreiS-
schulräthe.) Frick. Das Land werde 10 bis
12 Kreisschulrälhe erhalten, er habe dabei Be-
denkeu bezüglich des dienstlichen VcrkehrS, da
die KreiSschulräthe möglichcr Weise zwci Dritt-
theile deS Zahrcs auf Reisen sein werdcn, und
cr von Erlasscn und Berichtcn oft 8 Tage und
länger nicht crreicht werden könne, während der
bisherige Bezirksschulvisitator jeden Abend «ic-
der zu Hause sein konnte. Man sollc die Zu-
ständigkeit des Ortsschulraths vermehren und
kleinere Bezirke machen. Man werde das Per-
sonat aus den höhcren Lehranstalten, andercu
Ständen und namentlich auch ans der Geist-
lichkeit gegen Bezahlung gewinnen können.
Einen Antrag wolle cr nicht stellcn.

Prestinari, Walli, Schaaff und Roß-
hirt jprechen sich in Lhnlichem Sinne aus.

ObcrschulrathSdirector KnieS widcrspricht
diesen Ansichten, das Arbeitsqnantum sei nicht
zu groß, man wcrde die Geschäste gehörig unter
dic verjchiedenen Behördcn austhcilcn und die
Bezirksämter werden zur Vermittelung beige-
zogen werdcn. Ein Nebenamt dürse das Amt
dcS KreisschulrathS nicht sein, sonst wären wir
lcdiglich auf die Geistlichen beschränkt und in
Folge dcsscn müsse man Trcnniing nach Con-
fessivnen einlreten lassen. Dieser AuSsührung
schlicßcn sich dic Abgg. Moll, Seitz, Obkircher,
Beck und Häusscr an. § 9. (Vollzug dcs
GejetzcS). Ohne Discusston angcnvmmen. Bci
dcr namenllichen Abstimmung wird das Gesetz
mit allen gegcn 2 Stimmen (Fischler und Roß-
hirt) angenommen und die Sitznng um 2 Uhr
geschlossen.

Karlsruhe, 30. Zuni. 70. öffentl. Sitzung
der 2. Kanimer. Vorjitz: Hildcbraudt. Am
Ministertische: Die StaatSräthe Dr. Vogelmanu
und Mathy und Ministerialrath Turban. Der
Abg. Kihsncr berichtet mündlich über den Ent-
wurf des Finanzgesctzcs für die Jahre 1864
und 1865, und jtcllt NamenS der Budgetcom-
mission den Antrag: 1) Bcrathung in abge-
kürzter Form; 2) Annahme dcS GcsctzcSent-
wurfs in unvcrändcrter Form. Dem 1. Theile
deS Antrags wird sofort von Kammer und Re-
gicrungscvmmisston zugestimmt. Antrag 2 wird
ebensalls ohne Bcsprechuug genehmigt und hie-
rauf in namentlicher Abstimmnng dcm ganzen
Gcsetze die Zustimmung mit allen Stimmen
ertheilt. Bei Art. 11, welcher von Remune-
rationen (Belohnungen der Angcstcllten) han-
dclt, bemcrkt der Bcrichterstatter, oaß unter dcn
Ersparnisscn, wclchc zu diescm Zweck verwendct
wcrden sollen, nicht auch jene auS Dotationen
für neu creirte Stellen, die nicht vcrwendet
werden sollten, zu verstehcn seien. Die TagcS-
ordnnng skhrt znr Berathung des Berichts dcs
Abg. Pickford über den Gcsctzesentwurf, dic
Verleihung deS Rechts zur Ausgabe von Bauk-
noten an die dadischc Bank betr. Walli wcist
auf daS unsägliche Unglück hin, welches dnrch
solche Banken schon mchreren Läudern wider-
sahrcn, sieht abcr in vorlicgcndcm Eiitwursc
hinreichendcn Schutz gegen solche Gefahr für
 
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