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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 9 - Nr. 16 (2. Februar - 26. Februar)
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man in der Schmiede hämmern. Bald leiſe, wie aus
der Tiefe herauf, bald laut und lauter, wie in Ver-
zweiflung und Todesangſt. Dann heißt es: der Nacht-
ſchmied arbeite wieder, um den fehlenden Ring zu fer-
tigen bis zur Mitternacht. Dieſen Ring aber kann Nie-
mand anlegen an das Gitter, welches man dem Frem-
den auf dem Kirchhofe zeigt. Entweder verſchwindet er
über Nacht oder ſein Verfertiger werde von ſo heftiger
Seelenangſt geplagt, daß er ihn wieder abnehmen muß.
— So die Sage.
Der Zuhörer ſchüttelte den Kopf. „Die Schmieds-
frau iſt darin ja am Ende vergeſſen und das iſt nicht
galant. Aber Ihr werdet doch nicht behaupten, Jung-
frau Kerbelin, das, was wir da eben hören, wovon
ordentlich die Scheiben zittern, rühre von einem Geſpenſte
her? Es ſind ſo wirkliche Hammerſchläge, wie ſie nur
je der ſehnige Arm eines rußigen Schmiedes hervorrief.
Ein Schalk macht die Nachbarſchaft fürchten.“

Nun war es an ihr, den Kopf zu ſchütteln. „Wenn
Ihr zweifelt, könnt Ihr Euch überzeugen, daß drunten

Niemand iſt. Wer ſollte auch zu ſo vieljährigem Schalks-
ſtreich Luſt und Gelegenheit haben? Verrufen und ge-

mieden ift das Haus darum ſehr — der jetzige Beſitzer
aber, ein bibelfeſter Mann, fürchtet ſich vor teufliſchen

Anfechtungen nicht. Geſehen ward auch nie etwas,

außer, daß ein fremder Geſelle, der einmal, durch das

Hämmern erweckt, in dem Wahne, es ſei ſchon Mor-
gen, hinabeilte, geſehen haben will, daß der große Ham-
mer ſich, ohne daß ihn ein Arm ſchwang, über den Am-
bos auf und nieder bewegte. Er blieb keinen Tag länger
im Hauſe.“
„Und Du fürchteſt Dich nicht vor dem Spuk?“
Sie lächelte. „Muß es denn gerade ein Spuk ſein,
kann es damit nicht ganz natürlich zugehen? Der Gott,

an den ich glaube, verdammt Niemand, auch den Sün-

der nicht. Das darf ich freilich nicht Jedem ſazen, käme
ſonſt bald in den Argwohn, keine gute lutheriſche Chri-
ſtin, ſondern eine calviniſtiſche Ketzerin zu ſein. Aber
ich habe von ſtudirten Leuten ſagen hören —“ Sie
nannte den Namen Sigismunds nicht, weil er ihrem Zu-
hörer unangenehme Empfindungen erwecken mußte —
„das Geräuſch entſtehe vielleicht in den Waſſerröhren,
die vielfach in die Stadt hineingeleitet ſind.“
ͤ (Fortſetzung folgt.) ö

Neues Rhein⸗Wein ⸗Schmier⸗ Lied.
Melodie: Am Rhein, am Rhein.

Am Rbein am Rhein, da wachſen unſ're Reben!
Geſegnet ſei der Rhein!.
Da wachſen am Ufer hin und geben
Uns dieſen Labewein

Wär's wahr, da wär's wahrhaftig nicht ſo übel
— ſchöne, alte diedt altid nicht ſo uben
och wächſt mehr Wein jetzt in dem chem'ſchen Kübel,
Als noch am Ufer bluͤht! Hem ſa

Nam Klavier getroffen.

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Bergißt der liebe Gott einmal zu ſenden
Genuͤgend Sonnenſchein, ö
Dann kommt der Menſch mit frevelhaften Händen
Pfuſcht in's Geſchaft hinein!

Und mit dem eklen Zucker der Kartoffel
Verſüßet er den Moſt;
Drum ſchmeckt auch jetzt ſo hundsgemein, ſo ſchofel
Die edle Baechuskoſt!

Mit Schwefel, Kalk, Bouquet und mit Roſinen
Manipulirt er viel; ö
Und will er ſchnell und viel auch Geld verdienen,
Schmiert er mit Salicyl! ö

„Was thu' ich jetzt hinein?“ ſo denkt er pfiffig,
Der edle Laborant; ö
Ich nehme Seifen ſüß, das macht ihn ſüffig,
Auch „Glycerin“ genannt! 01

Man macht auch Wein — O!unerhörter Schwindel!
Ganz ohne Traubenſaft!
O! holte doch der Teufel das Geſindel,
Das ſolch ein Unding ſchafft!

Ach ging's doch wie zu Offenburg in Baden,
Den Schmierern groß und klein!“
Dort hat man ſie vor das Gericht geladen,
Und ſie geſperrt dann ein!

Mannichfaltiges.
(Angeführt.) — Johann! ſagte Herr Rath X. zu
ſeinem Amtsdiener, — gehen Sie in meine Wohnung,

ich habe mein Schnupftuch zu Hauſe vergeſſen. Das
ſchlaue Weibchen daheim erkannte aber ſofort, was dieſe
Botſchaft bezwecke und erwiderte: — Hier, Johann,
nehmen Sie das zu einem Glaſe Bier und ſagen Sie
meinem Mann, Sie hätten mich mit einem jungen Herrn
Der treue Spion berichtet, was
er nicht geſehen, der Herr Rath aber greift ſofort nach
Hut und Stock und eilt nach Hauſe, wo ihn das über-
triebene Weibchen lachend mit den Worten empfängt: —
Ich wußte es ja,, daß Du ſelber nach Deinem Taſchen-
tuche kommen würdeſt. ö
(Ein Waſhingtoner Poſtbureau.) Einer
Dame, die den Generalpoſtmeiſter der Vereinigten Staa-
ten, Jewell, um eine Anſtellung im Bureau für unbe-
ſtellbare Briefe in Waſhington bat, gab derſelbe folgen-
den brieflichen Kanzleitroſt: „Wir haben in beſagtem
Bureau nur 57 Damen, mit Ausnahme von einigen
Ueberſetzern und Sachverſtändigen, und nur zwei Stellen-
wechſel ſind in den letzten ſechs Monaten vorgekommen.
Keine von ihnen heirathet, ſtirbt oder reſignirt jemals.
In der That, die Abtheilung für unbeſtellbare Brieſe

iſt eine Art Mauſoleum für begrabene Leidenſchaften —

ein Ort, der nicht von natürlichen Geſetzen regiert wird.
Die, welche hier eintreten, verlieren alle Hoffnungen und
allen Ehrgeiz, der die Bürger der Außenwelt beeinflußt.

Ich bedaure, daß dem ſo iſt, aber es iſt ſo.. ö
 
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