unruhig — lärmten Masken durcheinander — um ſo
lauter, je näher die Stunde zum Schlafengehen heran-
rückte. Und wo mochte die Mutter ſein?
Er blickte fſinnend auf die flinken Vewegungen der
geſchickten Finger und erſchien ſich in dieſer Umgebung
faſt wie im Traume, oder gar wie ein verwünſchter
Prinz. Der Sturm, der in ihm gegährt hatte, ſtillte
ſich allmählig ab zu einer ungewohnten, ſüßen Ruhe,
obwohl er ſein Rachevorhaben keineswegs aufgab. Er
ſprach nur nicht mehr davon, dachte nech kaum mehr
darau, ſondern plauderte mit dem jungen Mädchen in
harmlos freundlicher Weiſe über Dinge, die ſonſt ſeinem
Sinn ziemlich fernab liegen mußten.
Die Urſache der Unruhe, mit welcher ſie zuweilen
aufhorchte, verſchwieg ſie auf ſeine Fragen nicht — die
Abweſenheit der Mutter. Aus den wenigen Worten des
Mädchens und dem, was er von der Frau ſelber gehört
und geſehen hatte, deutete er es ſich unſchwer heraus,
was Alle wußten, die ſie kannten und blickte nur mit
um ſo lebhafterem Antheil auf das holde Kind einer
Geiſtesgeſtörten.
Endlich ließ ſich Geräuſch drunten vernehmen. „Tretet
in die Kammer“, bat ſie ängſtlich.“
Er gehorchte, doch war die Vorſichtsmaßregel nicht
nöthig — die Schmiedsfamilie kehrte heim, Käthe kem
aber nicht mehr herauf, ſondern ſchlüpfte an ihr Bett
und beeilte ſich mit dem Einſchlafen. Der Nachtſchmied
hämmerte wieder rüſtig — ſie ſcheute ſich, länger wach
zu ſein, als die Ihrigen.
Während der Nacht komme ich nicht hinaus — kein
Wächter öffnet mir das Thor,“ bemerkte Thymo, da es
nun ſtiller wurde auf dem Obermarkt. ö
„Daß die Mntter nicht daheim iſt!“ ſeufzte Benigna
und ſtand auf, um deren Lagerſtätte für ihn herzurich-
ten, die ihrige aber in der Kammer aufzuſchlagen.
Das gab er indeß nicht zu und wollte ſelber in der
Kammer ſchlafen, ohne daß ſie ſich geringſte Mühe ver-
urſache. Jenes war allerdings am ſicherſten — ſchon
wegen einer etwaigen Entdeckung des Flüchtlings. Die
Hammerſchläge, welche von unten heraufdröhnten, lauter
als bisher, erinnerten ihn wieder an den Nachtſchmied.
Sie mußte die Geſchichte erzählen, die von dieſem Hauſe
im Umlauf war und Hörer und Erzähler mit gleichem
Grauen zu erfüllen pflegte. ö
Einſt gehörte die Schmiede einem armen, doch flei-
ßigen Manne, der Tag und Nacht arbeitete, um das
Brod für ſich und ſein junges hübſches Weib zu er-
werben. Wie im Paradieſe die Aeltermutter des Men-
ſchengeſchlechts Adam zu dem verhängnißvollen Apfelbiß
verleitete, ſo gab auch hier die Frau die Veranlaſſung
zum Uebel. Es mißfiel ihr, daß ihr Mann im Schweiße
ſeines Angeſichts vom Morgengraueu bis in die ſpaͤte
Abendſtunde arbeitete und geſtändig rußig und unſauber
war. „Du könnteſt Dir wohl einen Geſellen und Mit-
arbeiter nehmen“, rieth ſie. Ihn dünkte der Rath gut
und da gleich darauf ein baumlanger Geſelle eintrat und
um Arbeit anſprach, behielt er ihn, obwohl der Meuſch
brandrothes Haar und einen widerlich ſcheuen, ſchielen-
den Blick hatte. Es gereute ihn auch nicht, daß er ihn
behalten, wenigſtens vorläufig nicht. Die Arbeit ging
dem Burſchen wie gehext von den Händen; ſpielend, im
Umſehen, verrichtete er das Tagewerk von Dreien. Für
den Meiſter blieb nichts zu thun übrig,; und der Ge-
ſelle nöthigte ihn, ſeine Arbeit angenehmer hinzubringen,
als am Amboß, da er ja allein vollbringen könne, was
die Kunden heiſchten und beſtellten. Und Meiſter Wol-
precht ließ ſich nicht beſonders dazu nöthigen; es gefiel
ihm bald ausnehmend gut, müßig zu gehen, im Bier-
hauſe beim Brettſpiel zu ſitzen oder mit den Würfeln zu
bechern. Nicht minder gab ſich ſein Weib der Ueppigkeit
und Hoffarth hin. Da wollte denn zu dem Schlemmer-
leben des Paares das Geld doch nicht ausreichen, das
der fleißige Geſelle erarbeitete und Geldnoth bei Müßig-
gang und üppigen Gewohnheiten iſt noch ſchlimmer, als
bei fleißiger Armuth — die Seele geht dabei verloren.
— Eines Nachts, als der Schmied eben vom Gelage
heimkam, erſchien ein fremder Junker bei ihm, ſchwarz
gekleidet, mit rother Hahnenfeder auf dem Barett. Er
bot dem Meiſter eine große Summe Geldes an, wenn
er ihm in drei Tagen ein eiſernes Gitter liefere. Be-
reitwillig ſagte es Wolprecht zu und griff freudig nach
dem blinkenden Golde, das jener ihm bot, mit dem Be-
deuten, binnen drei Tagen um die nämliche Stunde habe
er ſein Eigenthum. Es ſchlug gerade Mitternacht, als
er die Stiege hinabging. Der Geſelle lachte am Mor-
gen, als er die Arbeit erhielt und begann ſie rüſtig zu
fördern; eine der mächtigſten Eiſenſtangen nach der an-
dern bog ſich, wie von unſichtbarer Hand geformt, zu“
Ringen zuſammen. Sorgles ging der Meiſter ſeinem
Vergnügen nach, verpraßte ſeine Zeit und das Geld des
Junkers bei Trunk und Spiel. Erſt am dritten Tage
fiel es ihm ein, nach der Arbeit zu ſehen. Sie war
vollendet bis auf einen Ring. Triumphirend zog er wie-
der in das Schenkhaus — die Kleinigkeit ſchaffte der
Geſelle wohl auch noch allein. Abends aber ertzriff ihn
Bangigkeit — er verließ früher, als ſonſt die Zechge-
noſſen. Der rothhaarige Geſelle war verſchwunden, das
Gitter ſtand da, fertig, wie er es vorhin geſehen, bis
auf den einen Ring. Dieſen wollte er nun ſelber ſchmie-
den. Doch vergebens. Bald ſprang der Hammer, bald
die Eiſenſtange; wie er ſich auch mühte und haftete —
Stunde auf Stunde verrann, ohne daß der Ring ſich
runde. Angſt und Verzweiflung erfaßte Volprecht —
ſo hatte er noch nimmer gearbeitet in ſeinem Leben: der
Schweiß perlte in Strömen von ſeiner glühenden Stirn.
Umſonft — den Ring vermochte er nicht zu vollenden.
Da klangen die Stundenſchläge von den Zeigerthürmen
— die Mitternacht war da. Mit ihr anch der unheim-
liche Junker. Einen Schrei börten die Nachbarn, einen
herzzerbrechenden Schrei und einen lauten Krach, Dann
ward es ſtill in der Schmiede. Der Meiſter aber war
verſchwunden ſammt dem Junker, wie früher der Geſelle.
Doch Nachts, wenn der fleißige Arbeiter ſanft ſchlum-
mert nach des Tages Laft und Anſtrengung, dann hoͤrt
lauter, je näher die Stunde zum Schlafengehen heran-
rückte. Und wo mochte die Mutter ſein?
Er blickte fſinnend auf die flinken Vewegungen der
geſchickten Finger und erſchien ſich in dieſer Umgebung
faſt wie im Traume, oder gar wie ein verwünſchter
Prinz. Der Sturm, der in ihm gegährt hatte, ſtillte
ſich allmählig ab zu einer ungewohnten, ſüßen Ruhe,
obwohl er ſein Rachevorhaben keineswegs aufgab. Er
ſprach nur nicht mehr davon, dachte nech kaum mehr
darau, ſondern plauderte mit dem jungen Mädchen in
harmlos freundlicher Weiſe über Dinge, die ſonſt ſeinem
Sinn ziemlich fernab liegen mußten.
Die Urſache der Unruhe, mit welcher ſie zuweilen
aufhorchte, verſchwieg ſie auf ſeine Fragen nicht — die
Abweſenheit der Mutter. Aus den wenigen Worten des
Mädchens und dem, was er von der Frau ſelber gehört
und geſehen hatte, deutete er es ſich unſchwer heraus,
was Alle wußten, die ſie kannten und blickte nur mit
um ſo lebhafterem Antheil auf das holde Kind einer
Geiſtesgeſtörten.
Endlich ließ ſich Geräuſch drunten vernehmen. „Tretet
in die Kammer“, bat ſie ängſtlich.“
Er gehorchte, doch war die Vorſichtsmaßregel nicht
nöthig — die Schmiedsfamilie kehrte heim, Käthe kem
aber nicht mehr herauf, ſondern ſchlüpfte an ihr Bett
und beeilte ſich mit dem Einſchlafen. Der Nachtſchmied
hämmerte wieder rüſtig — ſie ſcheute ſich, länger wach
zu ſein, als die Ihrigen.
Während der Nacht komme ich nicht hinaus — kein
Wächter öffnet mir das Thor,“ bemerkte Thymo, da es
nun ſtiller wurde auf dem Obermarkt. ö
„Daß die Mntter nicht daheim iſt!“ ſeufzte Benigna
und ſtand auf, um deren Lagerſtätte für ihn herzurich-
ten, die ihrige aber in der Kammer aufzuſchlagen.
Das gab er indeß nicht zu und wollte ſelber in der
Kammer ſchlafen, ohne daß ſie ſich geringſte Mühe ver-
urſache. Jenes war allerdings am ſicherſten — ſchon
wegen einer etwaigen Entdeckung des Flüchtlings. Die
Hammerſchläge, welche von unten heraufdröhnten, lauter
als bisher, erinnerten ihn wieder an den Nachtſchmied.
Sie mußte die Geſchichte erzählen, die von dieſem Hauſe
im Umlauf war und Hörer und Erzähler mit gleichem
Grauen zu erfüllen pflegte. ö
Einſt gehörte die Schmiede einem armen, doch flei-
ßigen Manne, der Tag und Nacht arbeitete, um das
Brod für ſich und ſein junges hübſches Weib zu er-
werben. Wie im Paradieſe die Aeltermutter des Men-
ſchengeſchlechts Adam zu dem verhängnißvollen Apfelbiß
verleitete, ſo gab auch hier die Frau die Veranlaſſung
zum Uebel. Es mißfiel ihr, daß ihr Mann im Schweiße
ſeines Angeſichts vom Morgengraueu bis in die ſpaͤte
Abendſtunde arbeitete und geſtändig rußig und unſauber
war. „Du könnteſt Dir wohl einen Geſellen und Mit-
arbeiter nehmen“, rieth ſie. Ihn dünkte der Rath gut
und da gleich darauf ein baumlanger Geſelle eintrat und
um Arbeit anſprach, behielt er ihn, obwohl der Meuſch
brandrothes Haar und einen widerlich ſcheuen, ſchielen-
den Blick hatte. Es gereute ihn auch nicht, daß er ihn
behalten, wenigſtens vorläufig nicht. Die Arbeit ging
dem Burſchen wie gehext von den Händen; ſpielend, im
Umſehen, verrichtete er das Tagewerk von Dreien. Für
den Meiſter blieb nichts zu thun übrig,; und der Ge-
ſelle nöthigte ihn, ſeine Arbeit angenehmer hinzubringen,
als am Amboß, da er ja allein vollbringen könne, was
die Kunden heiſchten und beſtellten. Und Meiſter Wol-
precht ließ ſich nicht beſonders dazu nöthigen; es gefiel
ihm bald ausnehmend gut, müßig zu gehen, im Bier-
hauſe beim Brettſpiel zu ſitzen oder mit den Würfeln zu
bechern. Nicht minder gab ſich ſein Weib der Ueppigkeit
und Hoffarth hin. Da wollte denn zu dem Schlemmer-
leben des Paares das Geld doch nicht ausreichen, das
der fleißige Geſelle erarbeitete und Geldnoth bei Müßig-
gang und üppigen Gewohnheiten iſt noch ſchlimmer, als
bei fleißiger Armuth — die Seele geht dabei verloren.
— Eines Nachts, als der Schmied eben vom Gelage
heimkam, erſchien ein fremder Junker bei ihm, ſchwarz
gekleidet, mit rother Hahnenfeder auf dem Barett. Er
bot dem Meiſter eine große Summe Geldes an, wenn
er ihm in drei Tagen ein eiſernes Gitter liefere. Be-
reitwillig ſagte es Wolprecht zu und griff freudig nach
dem blinkenden Golde, das jener ihm bot, mit dem Be-
deuten, binnen drei Tagen um die nämliche Stunde habe
er ſein Eigenthum. Es ſchlug gerade Mitternacht, als
er die Stiege hinabging. Der Geſelle lachte am Mor-
gen, als er die Arbeit erhielt und begann ſie rüſtig zu
fördern; eine der mächtigſten Eiſenſtangen nach der an-
dern bog ſich, wie von unſichtbarer Hand geformt, zu“
Ringen zuſammen. Sorgles ging der Meiſter ſeinem
Vergnügen nach, verpraßte ſeine Zeit und das Geld des
Junkers bei Trunk und Spiel. Erſt am dritten Tage
fiel es ihm ein, nach der Arbeit zu ſehen. Sie war
vollendet bis auf einen Ring. Triumphirend zog er wie-
der in das Schenkhaus — die Kleinigkeit ſchaffte der
Geſelle wohl auch noch allein. Abends aber ertzriff ihn
Bangigkeit — er verließ früher, als ſonſt die Zechge-
noſſen. Der rothhaarige Geſelle war verſchwunden, das
Gitter ſtand da, fertig, wie er es vorhin geſehen, bis
auf den einen Ring. Dieſen wollte er nun ſelber ſchmie-
den. Doch vergebens. Bald ſprang der Hammer, bald
die Eiſenſtange; wie er ſich auch mühte und haftete —
Stunde auf Stunde verrann, ohne daß der Ring ſich
runde. Angſt und Verzweiflung erfaßte Volprecht —
ſo hatte er noch nimmer gearbeitet in ſeinem Leben: der
Schweiß perlte in Strömen von ſeiner glühenden Stirn.
Umſonft — den Ring vermochte er nicht zu vollenden.
Da klangen die Stundenſchläge von den Zeigerthürmen
— die Mitternacht war da. Mit ihr anch der unheim-
liche Junker. Einen Schrei börten die Nachbarn, einen
herzzerbrechenden Schrei und einen lauten Krach, Dann
ward es ſtill in der Schmiede. Der Meiſter aber war
verſchwunden ſammt dem Junker, wie früher der Geſelle.
Doch Nachts, wenn der fleißige Arbeiter ſanft ſchlum-
mert nach des Tages Laft und Anſtrengung, dann hoͤrt