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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 103 - 109 (2. Dezember - 16. Dezember)
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gheidelberger Volksblatt.

Nr. 165. F +

+. — 1

Donnerſtag, den 7. Dezember 1376.

9. Jahrg.

Erſcheint jeden Dienſtag, Donnerſtag und Samſtag. Preis monatlich 86 Pf. Einzelne Nummer 4 6 Pf. Man abonnirt beim Ver-
leger, Schiffgaſſe 4 und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö

Das verkaufte Derz.
Eine Erzählung von Max Ring.
(Fortſetzung.)

Dieſelben Menſchen, die noch geſtern ihm die Hand
gedrückt und mit ihm aus einem Glas getrunken, wollten
ihn heute nicht mehr kennen und wendeten ihm den Rücken
zv. Mitleidsvoll wurde er jetzt verdammt, von der öͤffent-
lichen Meinung fuͤr einen Verbrecher, für einen Mörder
gezalten und die Bandemꝛier, die Flunker, wilche ihn
verrathen und allein ſein Unglück verſchuldet, bl:iben ſtraf-
los und golten für Ehren nänner. Die Frechheit und
Semeinheit trinmphirte, das Laſter und die Schlechtigkeit
wohnte in Paläſten, ſchwelgte im Vergnü zen, prunkte in
Sammt und Seide, wurde bewundert und verehrt und
die Ehrlichkeit, die Unſchuld verachtet, verſpottet und ein-
gekerkert. ö
„Mit jeder Stunde, mit jedem Tag, den er im Ge-
faͤngniß zubrachte, wuchs ſeine Verbitterung, ſeine Ab-
ſcheu vor der Welt, ſein Menſchenhaß, ſein Lebensüber-
druß. Selbſt der Anblick ſtiger Schweſter, der es end-
lich nach vieler Mühe geſtattet war, vermochte ihn nicht
aus ſriner verzwrifelten Stimmung zu reißen, ſondern
ſteigerte nur noch ſeine Wath gegen die ganze erbärm-
liche Geſellchaft. Wie ihn Frau Schwarzkopf unter
Thränen mittheilte, war an ſeiner Verurtheilung kaum
noch zu zweifeln; was auch, wie er bereits wußte, die
Gh Eli ther war.
„ recklich“, klagte ſie, „daß Dich ein
Unglück treffen wujte er Du Ritlen Die 34*
ſer vorſehen ſollen. Wenn Du aleich die noͤthigen Schritte
gethan hätteſt, ſo würde es nicht ſo weit gekommen ſein.
Die Saq verſtäadegen meinen, daß Du nicht ohne Schuld
biſt. daß der Bau nicht ſo ſolide und regelrecht war, wie
er 0 luſ müſſen, daß —“
„Du wirſt mich noch toll mit dieſem Geſchwätz machen“
unterbrach er ſie hefch. 9095 O fere
ſagen haft, ſo konnteſt Du Dir den Beſuch erſp ꝛen“.
„Mein Gott!“ rief ſie erſchrocken. „Ich verſtehe ja
nichts davon und bin auch weit entfernt Dir Vorwürfe
zu machen, odgleich mein armer Mann Deinetwetzen ſeine
Stelle bei der Geſellſchaft zur Beſchaff ung billiger Woh-
mnugen derloren hat und nicht weiß, was er anfangen
ſoll. Daras iſt vur allein dieſer miederträchtize Bande-

Aber Du hätteſt Dich auch beſ-

„Wenn Du nichts B fferes zu

mtier Schuld. Wenn Du nicht in dieſe gemeine Familie
geheirathet hätteſt, ſo wäre Schwa zkopf noch heute kögig-
licher Geheimſekretär und brauchte nicht die Srzen zu
haben, wo er ein Urterkom nen finden wird“.
„Auch das noch!“ grollte Rodert. „Du ſcheinſt nur
vergeſſen zu haben, das JIer es wart, die mich zu dieſer
Partie überredet halt. Ohne Dich und Deinen Maun
hätt' ich ſchweclich daran gedacht, dieſ s Weid zu heirathen.
Haſt Du mich nicht gedrängt, den reichen Mau rmeiſter
zu beſuchen und Natalie bis in den Hi amel erhoben?
Wem verdank ich denn“, fügte er mit Bitterkeit hinzu,
„dies Glück, als Dir und Deinem Narnn?“
„Oz!“ ächzte Fran Schwarzkopf. „Ich habe gewiz
nur Dein Beſtes guwollt und keine Neden ibſichten ge-
habt. Aber die Heuchlerin hat mich ge äuſcht, wie ſie
Oich betrogen hat. Früher wußte ſie nicht, wie ſie mit
mir thun ſollte und ſie war die Güte, die Freundlich-
keit, die Beſcheidenheit ia Perſon und jetzt ſieht ſie uns

nicht an uad will ſich von Dir ſcheiden laſſen, um den

Kerl, den Flunker zu heirathen —“
„Sie mag ſich von mir ſchiden laſſen“, verſetzte er
finſter drohend. „Aber ſie werd nicht wieder hetrathen,
dafür ſteh ich ihr. Ich werde ihr die Laſt dazu be-
nehmen..
„Wenn ſie einzal von Dir geſchi⸗den iſt, wird ſie
nicht uach Dir fragen. Daan kannſt Du ſehen, wo
Du bleibſt. Du mußt ihre Mit ift herausgehen und
verlierſt das ganze ſchöͤne Geld.“
„Zum Teufel mit ihrem Geld!“ ſchrie Robert wild.
„Ich verwünſche die Stunde, wo ich ich von dem elen-
den Mammon blenden ließ und mein Herz verkauſt
habe. Mir geſchieht nur Recht. Wa um war ich ein
ſolcher Thor? Warum lietß ich mich ven dem ſchnöden
Reichthum verführen? Hätte ich mir ein armes Maͤd⸗
chen aus Liebe genommen, ſo wäre ich nicht ſo unglück-
lich geworden. Sie würde mich nicht verlaſſen, mich nicht
verrathen haben wie dieſes Weib, das der Fluch meines
Lebens iſt.“ ö
DOer Eintritt des Gefangenen wärters, der vor der
Thür Wache ſtand, beendete das peinliche Geſpräch und
nöthigte Frau Schwarzloßf, ihren Bruder zu verlaſſen,
da die geſtattete Friſt verſtrichen war. Ihr kurzer Be-
ſuch und die Nachrichten, welche ſie ihm mitgetheilt, er-
füllten ihn nur von Neuem mit Haß urd Verachtung

gegen die ganze Welt und ſteiger ten nur noch ſeine Wuth

gegen das treuloſe Weib und den verrätheriſchen Freund.
 
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