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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 18 - Nr- 25 (4. März - 29. März)
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heidelberger Volksb

latt.

Nr. 24.

Samſtag, den 25. März 1876.

9. Jahrg.

erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf Einzelne Nummer à 6 Pf. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Streichholzbüchſe.

Reiſeabenteuer in Auſtralien.
(Fortſetzung.)

„Wahrhaftig?“ fragte ich; wir waren Alle Beide
ſehr gut bekannt. „So macht man es hier?“
„Hierher kommen, ohne zu heirathen, geht gar nicht!“
antwortete er.
„Wer iſt denn das fette Mädchen da in Deiner
Kutſche?“ fragte ich weiter.

„Das iſt die Klapper⸗Betty. Komm' mit hinein und

mach' ihr die Kur; zeige ihr Deine Goldpriſen und ſie
nimmt Dich!“
Mir leuchtete das vollkommen ein.
in den Wagen und ehe es Abend war, hatten wir uns
über die Hochzeit geeinigt.
Ein ganz durchtriebenes Mädchen war die Betty;
ſie wollte ſich durchaus nicht anders trauen laſſen, als
in weißer Seide; und nach der Trauung mußte ich mit
ihr durch die Stadt fahren und jeden Gräber einladen,
den ſie oder den ich kannte. Sie war am Hochzeits-
abend ſinnlos betrunken; ich konnte mit ihr nicht zanken,
weil es mir nicht heſſer ging. 4
Damals wußke ich natürlich nicht „ was ich heute
ganz beſtimmt glaube, nämlich, daß ſie ſich ſchon zwan-
zigmal ebenſo verheißathet hatte. Ich wußte nur, daß
ſie ein durchtriebenes- Mädchen war; Augen, ſo ſchwarz
wie Heidelbeeren, langes Haar, das bis an die Ferſe
reichte. Häßlich war ſie wirklich nicht. Sie redete mir
vor, daß ſie mich ſchon um meines hübſchen Pfeifens
halber ganz fürchterlich liebe; ich glaubte ihr, als ein
richtiger Narr. Wenn ſie ſagte: „Pfeife, lieber Trot!“
ſtellte ich mich vor ſie hin wie ein Steineſel und pfiff.
Dabei lächelte ſie; ich glaubte, es war Liebe, aber ſie
lachte mich nur aus. Nicht mein Pfeifen, ſo dern mein
Gold war der Magnet, der ſie anzog. Sie wollte das
Gold nun einmal haben, und hat es, der Teufel weiß
es, auch richtig belommen. Gerade das gefällt mir noch
heute an der Klapper⸗Betty, wenn ich an ſie denke;
denn Zimperlichkeit haſſe ich wie die Sünde.
Wir waren gerade drei Tage verheirathet — ich
wüßte es nicht ſo genau, wenn ich es nicht vorher auf-
geſchrieben hätte, denn ich war die ganze Zeit über,
Tag und Nacht, betrunken — als ein Freund mir auf

Ich ſtieg mit

die Schulter klopfte und ſagte: „Heda, Lilly Trot! Die
Klapperbetty iſt mit Deinem Golde und einem andern
Gräber davongeklappert!“
Glücklicherweiſe hatte ich ein paar Unzen Gold vor-
her auf die Bank zu Melbourne getragen. Die holte
ich mir wieder und verbrauchte ſie beim Aufſuchen von
Betty. Natürlich fand ich ſie nicht; ſie war nämlich
wahrſcheinlich nach Sidney gegangen, wohin ich aus
perſönlichen Rückſichten nicht gehen konnte. Ja, ja, es
war ein tüchtiges Mädchen! Beiläufig geſagt, ich habe
nie etwas wieder von ihr geſehen oder geyört.
Jetzt ging ich wieder zurück nach der Eſel⸗Grube,
fand aber hald, daß dort gehörig aufgeräumt ſei. Ich
wanderte nun von einer Grube zur andern, grub bald
dort, konnte aber niemals ſo viel verdienen, wie mit
Sandy Gim und Billy Alf zuſammen. Kein Menſch
wußte etwas von ihnen und ich dachte oft darüber nach,
ob ſie wohl die Stelle gefunden hätten, wo das Gold
in Klumpen auf der Erde frei umherliegen ſollte.
Ungefähr nach fünfzehn Monaten rannte ich, ſo zu
ſagen, dem Billy Alf gerade in's Geſicht. Er war im
neuen Buſch, ungefähr dreißig Meilen von Bendigo.
„Hallo, Alf!“ rief ich und war ganz erfreut, den
alten Kameraden wieder zu ſehen. „Alter Sohn, wie
geht's denn?“ ö
„Wahrhaftig! Lilly!“ rief er laut und that ſo, als
wollte er vor lauter Freude aus der Haut fahren, ob-
gleich ich ihm am Geſicht anſah, daß ich ihm höchſt un-
gelegen kam. ö
Natürlich thaten wir das, was zwei alte Kamera-
den immer thun, wenn ſie ſich wiederſehen: wir gingen
in's Bierhaus. Ich fragte dann ſofort nach Sandy
Gim, und Alf erzählte mir mit einiger Verlegenheit, daß
ſie ſich ſchon auf dem Hinwege veruneinigt und in Folge
deſſen getrennt hätten. Darüber wunderte ich mich weiter
nicht; das aber ftel mir auf, daß Sandy Gim wieder
nach Europa gegangen ſein ſollte. Hundertmal wohl
hatte er mir erzählt, daß, wenn er noch teuſend Jahr
zu leben hätte, er doch niemals Ausſtralien verlaſſen
würde; er konnte wohl auch nicht, eben ſo wenig wie
ich, aber er hatte eben ſo gut einen Freipaß, den De-
tentionsort zu verlaſſen und in Auſtralien umher zu
wandern, wie ich. ö
Billy Alf erzählte mir, daß es ihm jetzt ganz gut
gehe, daß er im neuen Buſch ein Stück Land gekauft

habe und das Goldgraben ganz aufgeben wolle. Das
 
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