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Geſpräch wollte nicht recht in Gang kommen; Alf ſchien
das ſo gut wie ich zu fühlen und holte deßhalb ſeine
Pfeife aus der Taſche, um mit Rauchen die Zeit zu
vertreiben. ö
Es grenzt an das Wunderbare, was für große Ge-
ſchichten manchmal aus der kleinſten Kleinigkeit ent-
ſiehen! Hätte Alf ſeine Pfeife nicht herausgeholt, hätte
ich die meinige auch ſtecken laſſen und Sie hätten jetzt
nicht die Geſchichte zu hören bekommen, die ich Ihnen
erzählen werde.
Die Sache iſt naͤmlich dieſe: Wenn Sie eine Pfeife
rauchen wollen, müſſen Sie dieſelbe anzünden; zum An-
zünden gehärt ein Streichholz und Streichhölzer hat man
in ſeiner Streichholzbüchſe. Die Streichholzbüchſe nun,
welche Billy Alß aus der Taſche nahm, war ganz genau
dieſelbe, die ich Sandy Gim bei unſerer Trennung ge-
ſchenkt hatte.
Wie ein Blitz fuhr es durch meinen ganzen Körper,
als- ich das kleine Ding in Alf's Händen erblickte. Ich
weiß ſonſt nicht, was Nerren ſind, weiß überhaupt nicht,
wie Jeman dem zu Muthe iſt, der einen Schreck bekommt,
aber in dem Ayvgenblick erſchrack ich. Einfach deßhalb,
weil Sandy Gim ein Merſch iſt, den ich genau kenne
und der für keinen Preis der Welt ein Andenken von
mir verſcherkt haben würde. Ich kannte ihn, wie mich
ſelbſt, und ich hätte lieber mein Leben in die Schanze
geſchlagen, als daß ich einem Anderen des Meſſer von
Sandy Gim geſchenkt hätte. Dann, ſagte ich mir weiter,
wenn Sandy Gim die Büchſe nicht freiwillig gegeben
hat, hat er ſie gezwungen hergeben müſſen, und wenn
er ſo mit Alf auseinander gekommen iſt, was weiter?
Alle dieſe Gedanken flogen wir durch den Kopf,
als ich meine Pfeiſe anzündete und ich gab mir das
Wort, auszuforſchen, ob Gim nach Europa gegangen,
oder was aus ihm geworden, komme was da wolle. Ich
fragte ſo recht harmlos den Billy Alf, wie denn die Ge-
ſchichte geweſen wäre, daß ſie ſich ſo ſchnell getrennt
hätten.
„Ach“, meinte er verlegen, „wir waren zwei Tage
geritten und dann zankten wir uns über die Richtung,
die einzuſchlagen war, und da zog Sandy Gim rechts
und ich links.“
Ich fragte ihn nun weiter, woher er denn wüßte,
daß Gim nach Europa gegangen ſei.
„Ein anderer Kamerad hat es mir erzählt, der aus
Melbourne kam und ihn rech auf dem Schiffe geſpro-
chen hatte; das iſt Alles, lieber Trot, was ich von
ihm weiß!“
Ich nickte gutmüthig, als wenn ich ſeiner Erzäh-
lung Glauben ſchenkte und bedauerte, daß ich den guten
Jungen ucht noch einmal vor ſeiner Abreiſe geſprochen
hätte. Ueber die Streichholzrüchſe aber verlor ich kein
Wort. ö
„Sage mal, Alſf“, frhr ich nach einer kleinen Weile
fort, „kann ich wohl dieſe Nacht bei Dir ſchlafen?“
„Das thut mir wahrhaftig leid!“ antwortete er und
verdrehte die Augen, als wenn er ſich ordentlich da-
rüber grämte, „mein Zelt iſt nur acht Fuß breit und
zehn Fuß lang und ich habe noch zwei Leute bei mir,
die auch in mrinem Zelt ſchlafen!“
Aha! dachte ich. Er hat etwas in ſeinem Zelt,
das ich nicht ſehen ſoll. Ich wünſchte ihm eine gute
Nacht und wir trennten uns. Natürlich folgte ich ihm
und ließ ihn richt aus den Augen. Er ging zu ſeinem
Zelte; es war gerade uoch einmal ſo groß, als er ge-
ſagt hatte. Und was meinen Sie wohl, war dicht da-
neben angebunden? Sandy Gim's Hund! Meines
alten Freundes Sandy Hund Leo, der ſeinen Herrn nicht
verlaſſen hat e, ſelbſt wenn man ihn todtprügeln wollte!
„Ich ſagte mir ſofort: „Sandy, mit Dir haben Sie
falſch geſpielt; aber warte, ich werde ſchon erfahren,
wie die Sache liegt!“ —
Lilly Trot ſchwieg jetzt nach der langen Erzählung.
Die Nacht war bereits vorgerückt und das ferne Rollen
des Donners ließ einen nahe bevorſtehenden Sturm ver-
muthen. Ich konnte nur das Geſicht meines Reiſege-
noſſen erkennen, wenn die züngelnde Flam me unſeres Holz-
ſcheites boch aufſchlug, und dann hatte daſſelbe einen
eigenthümlichen, ich möchte ſagen hexenhaften Ausdruck.
Er ſtieß mit dem Fuße in den brennenden Klotz und die
Funken flogen tauſendfältig in die Höhe und auf die
Erde. Das Feuer ergriff einen Aſt nach dem andern,
hell flammte es auf, wurde wieder dunkel und an einer
neuen Stelle zeigte ſich das dämoniſche Element. End-
lich fuhr Lilly Trot in ſeiner Erzählung fort:
„Der Anblick des Hundes war nicht dozu angethan,
mich ruhiger zu ſtimmen; ich fühlte, wie mir das Blut
nach dem Kopfe ſtrömte. Die' verſchiedenſten Bilder
beſtürmten meine Seele; das ſchrecklichſte war das, wo
ich Sandy Gim todt auſ der Erde liegen ſah und das
teufliſche Geſicht von Billy Alf über ihn gebeugt. Leo
war der treueſte, ſchönſte Hund, den ich jemals geſehen,
und oft hatte Gim geſart: „Ich will lieber ein Bettler
ſein und Leo beſitzen, als reich werden ohne Leo.“ Es
war nicht leicht, aus ſeinen Fängen herauszukommen,
wenn er einmal angepackt hatte. Jeder andere Hund
zog ſich vor ihm furchtſam zurück; mit Narben war er
über und über bedeckt, ſo oft war er im Kampf arf
Leben und Tod gew ſen. Mir war es ein unlösbares
Räthſel, wie Alf ihn hatte bändigen und an ſich feſſeln
können.
Ich ging fort zur nächſten Kneipe und überlegte
beim Glaſe Grog, was zu thun ſet; leicht war es nicht,
ohne Geräuſch und ohne daß mich Leo erblickt hatte,
meinen Rückzug zu nehmen. Ich erkundigte mich bei
Dieſem und Jenem über Alf. Niemand konnte ihn lei-
der, er ging auch mit keinem Goldgräber um, ſondern
lebte ſtill für ſich hin und ſuchte jedes Geſpräch zu ver-
meiden. Alle meinten, er müſſe ein ganz kapitaler, ſpitz-
bübiſcher Hallunke ſein. Als ich meinen Grog getrun-
ken hatte, ſtand es bei mir fefſt, daß ich noch in der-
ſelben Nacht Leo erlangen müßte, koſe es, was es wolle.
Als die Nacht weiter vorgerückt war, kroch ich be-
hutſam bis an Alſ's Zelt; er ſchlief dort allein und
Geſpräch wollte nicht recht in Gang kommen; Alf ſchien
das ſo gut wie ich zu fühlen und holte deßhalb ſeine
Pfeife aus der Taſche, um mit Rauchen die Zeit zu
vertreiben. ö
Es grenzt an das Wunderbare, was für große Ge-
ſchichten manchmal aus der kleinſten Kleinigkeit ent-
ſiehen! Hätte Alf ſeine Pfeife nicht herausgeholt, hätte
ich die meinige auch ſtecken laſſen und Sie hätten jetzt
nicht die Geſchichte zu hören bekommen, die ich Ihnen
erzählen werde.
Die Sache iſt naͤmlich dieſe: Wenn Sie eine Pfeife
rauchen wollen, müſſen Sie dieſelbe anzünden; zum An-
zünden gehärt ein Streichholz und Streichhölzer hat man
in ſeiner Streichholzbüchſe. Die Streichholzbüchſe nun,
welche Billy Alß aus der Taſche nahm, war ganz genau
dieſelbe, die ich Sandy Gim bei unſerer Trennung ge-
ſchenkt hatte.
Wie ein Blitz fuhr es durch meinen ganzen Körper,
als- ich das kleine Ding in Alf's Händen erblickte. Ich
weiß ſonſt nicht, was Nerren ſind, weiß überhaupt nicht,
wie Jeman dem zu Muthe iſt, der einen Schreck bekommt,
aber in dem Ayvgenblick erſchrack ich. Einfach deßhalb,
weil Sandy Gim ein Merſch iſt, den ich genau kenne
und der für keinen Preis der Welt ein Andenken von
mir verſcherkt haben würde. Ich kannte ihn, wie mich
ſelbſt, und ich hätte lieber mein Leben in die Schanze
geſchlagen, als daß ich einem Anderen des Meſſer von
Sandy Gim geſchenkt hätte. Dann, ſagte ich mir weiter,
wenn Sandy Gim die Büchſe nicht freiwillig gegeben
hat, hat er ſie gezwungen hergeben müſſen, und wenn
er ſo mit Alf auseinander gekommen iſt, was weiter?
Alle dieſe Gedanken flogen wir durch den Kopf,
als ich meine Pfeiſe anzündete und ich gab mir das
Wort, auszuforſchen, ob Gim nach Europa gegangen,
oder was aus ihm geworden, komme was da wolle. Ich
fragte ſo recht harmlos den Billy Alf, wie denn die Ge-
ſchichte geweſen wäre, daß ſie ſich ſo ſchnell getrennt
hätten.
„Ach“, meinte er verlegen, „wir waren zwei Tage
geritten und dann zankten wir uns über die Richtung,
die einzuſchlagen war, und da zog Sandy Gim rechts
und ich links.“
Ich fragte ihn nun weiter, woher er denn wüßte,
daß Gim nach Europa gegangen ſei.
„Ein anderer Kamerad hat es mir erzählt, der aus
Melbourne kam und ihn rech auf dem Schiffe geſpro-
chen hatte; das iſt Alles, lieber Trot, was ich von
ihm weiß!“
Ich nickte gutmüthig, als wenn ich ſeiner Erzäh-
lung Glauben ſchenkte und bedauerte, daß ich den guten
Jungen ucht noch einmal vor ſeiner Abreiſe geſprochen
hätte. Ueber die Streichholzrüchſe aber verlor ich kein
Wort. ö
„Sage mal, Alſf“, frhr ich nach einer kleinen Weile
fort, „kann ich wohl dieſe Nacht bei Dir ſchlafen?“
„Das thut mir wahrhaftig leid!“ antwortete er und
verdrehte die Augen, als wenn er ſich ordentlich da-
rüber grämte, „mein Zelt iſt nur acht Fuß breit und
zehn Fuß lang und ich habe noch zwei Leute bei mir,
die auch in mrinem Zelt ſchlafen!“
Aha! dachte ich. Er hat etwas in ſeinem Zelt,
das ich nicht ſehen ſoll. Ich wünſchte ihm eine gute
Nacht und wir trennten uns. Natürlich folgte ich ihm
und ließ ihn richt aus den Augen. Er ging zu ſeinem
Zelte; es war gerade uoch einmal ſo groß, als er ge-
ſagt hatte. Und was meinen Sie wohl, war dicht da-
neben angebunden? Sandy Gim's Hund! Meines
alten Freundes Sandy Hund Leo, der ſeinen Herrn nicht
verlaſſen hat e, ſelbſt wenn man ihn todtprügeln wollte!
„Ich ſagte mir ſofort: „Sandy, mit Dir haben Sie
falſch geſpielt; aber warte, ich werde ſchon erfahren,
wie die Sache liegt!“ —
Lilly Trot ſchwieg jetzt nach der langen Erzählung.
Die Nacht war bereits vorgerückt und das ferne Rollen
des Donners ließ einen nahe bevorſtehenden Sturm ver-
muthen. Ich konnte nur das Geſicht meines Reiſege-
noſſen erkennen, wenn die züngelnde Flam me unſeres Holz-
ſcheites boch aufſchlug, und dann hatte daſſelbe einen
eigenthümlichen, ich möchte ſagen hexenhaften Ausdruck.
Er ſtieß mit dem Fuße in den brennenden Klotz und die
Funken flogen tauſendfältig in die Höhe und auf die
Erde. Das Feuer ergriff einen Aſt nach dem andern,
hell flammte es auf, wurde wieder dunkel und an einer
neuen Stelle zeigte ſich das dämoniſche Element. End-
lich fuhr Lilly Trot in ſeiner Erzählung fort:
„Der Anblick des Hundes war nicht dozu angethan,
mich ruhiger zu ſtimmen; ich fühlte, wie mir das Blut
nach dem Kopfe ſtrömte. Die' verſchiedenſten Bilder
beſtürmten meine Seele; das ſchrecklichſte war das, wo
ich Sandy Gim todt auſ der Erde liegen ſah und das
teufliſche Geſicht von Billy Alf über ihn gebeugt. Leo
war der treueſte, ſchönſte Hund, den ich jemals geſehen,
und oft hatte Gim geſart: „Ich will lieber ein Bettler
ſein und Leo beſitzen, als reich werden ohne Leo.“ Es
war nicht leicht, aus ſeinen Fängen herauszukommen,
wenn er einmal angepackt hatte. Jeder andere Hund
zog ſich vor ihm furchtſam zurück; mit Narben war er
über und über bedeckt, ſo oft war er im Kampf arf
Leben und Tod gew ſen. Mir war es ein unlösbares
Räthſel, wie Alf ihn hatte bändigen und an ſich feſſeln
können.
Ich ging fort zur nächſten Kneipe und überlegte
beim Glaſe Grog, was zu thun ſet; leicht war es nicht,
ohne Geräuſch und ohne daß mich Leo erblickt hatte,
meinen Rückzug zu nehmen. Ich erkundigte mich bei
Dieſem und Jenem über Alf. Niemand konnte ihn lei-
der, er ging auch mit keinem Goldgräber um, ſondern
lebte ſtill für ſich hin und ſuchte jedes Geſpräch zu ver-
meiden. Alle meinten, er müſſe ein ganz kapitaler, ſpitz-
bübiſcher Hallunke ſein. Als ich meinen Grog getrun-
ken hatte, ſtand es bei mir fefſt, daß ich noch in der-
ſelben Nacht Leo erlangen müßte, koſe es, was es wolle.
Als die Nacht weiter vorgerückt war, kroch ich be-
hutſam bis an Alſ's Zelt; er ſchlief dort allein und