Nr. 44.
Samſtag, den 3. Juni 1876.
Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf Einzelne Nummer à 6 Pf. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Lanbboten und Poſtanſtalten. *
Der Kloſterteich.
Von B. M.
Cdortſehung.
Weit entfernt, durch ihre Thränen beſäaftigt zu wer-
den, fuhr er mit ſteigender Heftizkeit foꝛt — ö
„Was für Gedanken machſt Du Dir eigentlich über
die Sache? Mit welchen Vermuthungen zerbrichſt Du
Dir den Kopf? Sag mir die Wahrheit rund heraus.“
„Was ſoll ich vermuthen?“ ſigte ſie erſtaunt. „Du
biſt mir heute wirklich unbegreiflich, Robert.
hat irgend Jemand den Ring verloren; aber er fieht
jenen Ring ſo ähnlich, den ich damals —“ erſchreckt
heelt ſie inne, aus Farht, ſeine Eiferſacht auf's Nuue
zu erregen. Begütigend fuhr ſie fort: „Glaub' mir,
Rozert, Jeder wäre an meiner Stelle beſtürzt geweſen;
es iſt nicht recht von ODir — es iſt nicht recht —“
. Neue heftig ſchluchzend ſank ſie in den Seſſel
zurüͤck. ö ö
Mit drönenden Schritten darch naß er mehrmals
das Zemmer; daan blieb er plöͤtzlich vor ihr ſtehen und
ſagte: „Elsbeth, höre auf zu weinen; höte aagenblick-
lich auf, oder Du machſt AEawahnfinnig! Weinſt Du
wirklich über mich? * wih h mich wie ein
Wüthender gegen Dich beuonmen. haben Ich, der Dir
ſchwur, Dir nie eine bittere Stunde zbereiten? O,
Du Asgott meiner Seele, mein angebeketes, geliꝛbtes
Weib, vergib mir, was ih Dir gethan!“
Sie lächelte unter Tyränen:
„Ich war nur ſo erſchrocken; es iſt ſchoa wleder
vorüber. Du fiehft Alles zu ſchwarz, Robert.“
„Diſmagzſt Recht haben, Elsbeth! Habe Nachſicht
mit mir; nur meine grenzenloſe Liebe zu Dr reißt
mich zu ſolchen Uebereilungen hin. Komm, trock ꝛe
Deine Augen, vergieb und vergiß mein Unrecht, wenn
Du kannſt und hänge keinen trüben Gedanken mehr nach,
Du armes, armes ſüßes Herz!“
„Alſo khue ich Dir wirklich leid“, ſagte ſie, ſchon
wieder ganz heiter und liebevoll, „es war jn nicht ſo
ſchlimm und ſieh nur, da liegt auch der Riag gaaz un-
faln er iſt zum Glück zwiſch en dem Roſt durchge-
allen.“
„Sieb ihn mir“, ſigte Döraburg, die Hand da iach
ausſtreckend. „Ich will ei e Annonce in die Zeitung
88.
Natüelich
ſetzen laſſen; Du weißt, der Kloſterteich wird viel be-
ſucht, aber dis hat nun ein Ende, ich will das Feld
gänzlich abſperren laſſen.“
„Hier, nimen den Ring“, ſagte Elsbeth, „ich ver-
fichere Dir, er iſt nicht mehr heiß.“ ö ö
„Weßhalb weinſt Du?“
„Weil Da ſo zurückfuhrſt, als wenn Du Dir die
Finger daran verbrannt hätteſt.“ ö
Am nächſten Tage fragte ſie ihren Mann, ob er die
Anzeige ſchon hade eigrücken laſſ m.
Er erwiderte kurz, es ſei Alles in Oronuig.
Di ſie ſehe nachgiebiger Natur war und ihm nicht
gern durch Fragen löſtig fallen wollt, ſo gab fie ſich
mit ſeiner Antwort zufrieden. ö
3.
Dee Fütterwochen waren vorüber, mit ihgen die
unvermeidlichen Hochzeitso fiten und die jangen Gatten
began zen ſich voll Behagen in ihre neue Häuslichkeit
einzuleben. Robert hatte Recht gehabt, als er ſagte,
Elsbeth ſei das einzige Weib, das ihn glücklich machen
könne und täglich wuchs ſeine leidenſchaftliche Liebe zu
ihr. Sein verſchloſſener und doch ſo heftiger Charakrer
bedurfte des beſänftigenden Zuubers edler Wetblichkeit;
und wenn auch Elsbeth nicht durch herv rragende gei-
ſtige Begabung glätizte, ſo hatte ſi: doch mit ſeinem
Takt bald gelernt, auf die Jatereſſen ihres Gatten ein-
zugehen. Er da kte ihr für dieſ: liedevolle Hiagebung
durch die zärtlichſte Aufmerkſ imkeit. Jeden Wunſch las
er ihr aͤn den Augen ab; täglich gab er ihr neue Be-
weiſe ſeiner Liebe. Ja Geſellſchaften ſah ſie, wie er
ihre B.wegungen mit bewundernden Blicken verfolgte,
wie er auf j den Ton ihrer ſanften Stimme lauſchte,
und dennoch war es ihr noch vor Ablauf des erſten
Jſhres klar geworden, daß Robert ſich niht glücktich
fühte, ja, daß er nicht einmal volles Vertrauen in ſie
ſetze. Vergeblich bemü zte ſie ſich, di: Urſache ſeiner
Mißſtim nunz zu enträthſeln.
An einem unerträglich heißen Auguſt⸗Nachm'ttage
überſchritt Dzrnburg raſchen Ganges die Weeſe hinter
ſeinem Hauſe. Obſchon dies der nächſte Weg aus dem
Städtchen war, ſo benutzte er ihn doch faſt nie. Heute
kam er in athemloſer Hiſt, ſprung über das niedrige
Gartenthor und ſtand gleich dar zuf am ſchattigen Fen-
ſter des Wonzimmers. Es ſah kühl und behazlich
Samſtag, den 3. Juni 1876.
Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf Einzelne Nummer à 6 Pf. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Lanbboten und Poſtanſtalten. *
Der Kloſterteich.
Von B. M.
Cdortſehung.
Weit entfernt, durch ihre Thränen beſäaftigt zu wer-
den, fuhr er mit ſteigender Heftizkeit foꝛt — ö
„Was für Gedanken machſt Du Dir eigentlich über
die Sache? Mit welchen Vermuthungen zerbrichſt Du
Dir den Kopf? Sag mir die Wahrheit rund heraus.“
„Was ſoll ich vermuthen?“ ſigte ſie erſtaunt. „Du
biſt mir heute wirklich unbegreiflich, Robert.
hat irgend Jemand den Ring verloren; aber er fieht
jenen Ring ſo ähnlich, den ich damals —“ erſchreckt
heelt ſie inne, aus Farht, ſeine Eiferſacht auf's Nuue
zu erregen. Begütigend fuhr ſie fort: „Glaub' mir,
Rozert, Jeder wäre an meiner Stelle beſtürzt geweſen;
es iſt nicht recht von ODir — es iſt nicht recht —“
. Neue heftig ſchluchzend ſank ſie in den Seſſel
zurüͤck. ö ö
Mit drönenden Schritten darch naß er mehrmals
das Zemmer; daan blieb er plöͤtzlich vor ihr ſtehen und
ſagte: „Elsbeth, höre auf zu weinen; höte aagenblick-
lich auf, oder Du machſt AEawahnfinnig! Weinſt Du
wirklich über mich? * wih h mich wie ein
Wüthender gegen Dich beuonmen. haben Ich, der Dir
ſchwur, Dir nie eine bittere Stunde zbereiten? O,
Du Asgott meiner Seele, mein angebeketes, geliꝛbtes
Weib, vergib mir, was ih Dir gethan!“
Sie lächelte unter Tyränen:
„Ich war nur ſo erſchrocken; es iſt ſchoa wleder
vorüber. Du fiehft Alles zu ſchwarz, Robert.“
„Diſmagzſt Recht haben, Elsbeth! Habe Nachſicht
mit mir; nur meine grenzenloſe Liebe zu Dr reißt
mich zu ſolchen Uebereilungen hin. Komm, trock ꝛe
Deine Augen, vergieb und vergiß mein Unrecht, wenn
Du kannſt und hänge keinen trüben Gedanken mehr nach,
Du armes, armes ſüßes Herz!“
„Alſo khue ich Dir wirklich leid“, ſagte ſie, ſchon
wieder ganz heiter und liebevoll, „es war jn nicht ſo
ſchlimm und ſieh nur, da liegt auch der Riag gaaz un-
faln er iſt zum Glück zwiſch en dem Roſt durchge-
allen.“
„Sieb ihn mir“, ſigte Döraburg, die Hand da iach
ausſtreckend. „Ich will ei e Annonce in die Zeitung
88.
Natüelich
ſetzen laſſen; Du weißt, der Kloſterteich wird viel be-
ſucht, aber dis hat nun ein Ende, ich will das Feld
gänzlich abſperren laſſen.“
„Hier, nimen den Ring“, ſagte Elsbeth, „ich ver-
fichere Dir, er iſt nicht mehr heiß.“ ö ö
„Weßhalb weinſt Du?“
„Weil Da ſo zurückfuhrſt, als wenn Du Dir die
Finger daran verbrannt hätteſt.“ ö
Am nächſten Tage fragte ſie ihren Mann, ob er die
Anzeige ſchon hade eigrücken laſſ m.
Er erwiderte kurz, es ſei Alles in Oronuig.
Di ſie ſehe nachgiebiger Natur war und ihm nicht
gern durch Fragen löſtig fallen wollt, ſo gab fie ſich
mit ſeiner Antwort zufrieden. ö
3.
Dee Fütterwochen waren vorüber, mit ihgen die
unvermeidlichen Hochzeitso fiten und die jangen Gatten
began zen ſich voll Behagen in ihre neue Häuslichkeit
einzuleben. Robert hatte Recht gehabt, als er ſagte,
Elsbeth ſei das einzige Weib, das ihn glücklich machen
könne und täglich wuchs ſeine leidenſchaftliche Liebe zu
ihr. Sein verſchloſſener und doch ſo heftiger Charakrer
bedurfte des beſänftigenden Zuubers edler Wetblichkeit;
und wenn auch Elsbeth nicht durch herv rragende gei-
ſtige Begabung glätizte, ſo hatte ſi: doch mit ſeinem
Takt bald gelernt, auf die Jatereſſen ihres Gatten ein-
zugehen. Er da kte ihr für dieſ: liedevolle Hiagebung
durch die zärtlichſte Aufmerkſ imkeit. Jeden Wunſch las
er ihr aͤn den Augen ab; täglich gab er ihr neue Be-
weiſe ſeiner Liebe. Ja Geſellſchaften ſah ſie, wie er
ihre B.wegungen mit bewundernden Blicken verfolgte,
wie er auf j den Ton ihrer ſanften Stimme lauſchte,
und dennoch war es ihr noch vor Ablauf des erſten
Jſhres klar geworden, daß Robert ſich niht glücktich
fühte, ja, daß er nicht einmal volles Vertrauen in ſie
ſetze. Vergeblich bemü zte ſie ſich, di: Urſache ſeiner
Mißſtim nunz zu enträthſeln.
An einem unerträglich heißen Auguſt⸗Nachm'ttage
überſchritt Dzrnburg raſchen Ganges die Weeſe hinter
ſeinem Hauſe. Obſchon dies der nächſte Weg aus dem
Städtchen war, ſo benutzte er ihn doch faſt nie. Heute
kam er in athemloſer Hiſt, ſprung über das niedrige
Gartenthor und ſtand gleich dar zuf am ſchattigen Fen-
ſter des Wonzimmers. Es ſah kühl und behazlich