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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 18 - Nr- 25 (4. März - 29. März)
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Heidelberger Vollsblatt.

Nr. 28.

Mittwoch, den 22. März 1876.

9. Juhrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf. Einzelne Nummer 8 6 Pf. Man abonntrt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
ö und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. *

Die Streichholzbüchſe.

Reiſeabenteuer in Auſtralien.
(Fortſetzung.)

„Als ich eben aus dem Hauſe treten will, höre ich
das alte Weib nach mir ſchreien. Die beiden Anderen
waren ſchon voraus; ich kehrte um. Da lag ſie und
konnte ſich nicht bewegen; die Stricke waren ſo feſt ge-
zogen, daß ein Mann ſteif geworden wäre, geſchweige
eine alte Frau von ſechszig Jahren. „Du biſt ein er-
bärmlicher Kerl!“ rief ſie mir zu, „aber ſo ſchlecht biſt
Du nicht, wie die Schufte da draußen“, und dabei warf

ſte den Kopf, daß er gegen den Fußboden aufſchlug;

„in Dir lebt noch ein Funke von Gotiesfurcht!
Dueine Mutter?“

Hajt

„Kamerad“, ſprach Lilly Trot jetzt halblaut vor ſich
hin und ſtierte gedankenvoll in das Feuer, „bei der

Frage bekam ich einen Ruck, als hätte mich eine Büchſen-
kugel getroffen. Mir war die Kehle wie zugeſchnürt;
der Fluch blieb mir im Halſe ſtecken; ſchweigend ſchnitt

ich ihre Stricke entzwei und eilte wie ein Feigling aus

dem Hauſe. Sandy Gim und Alf meinten, als ich zu
ihnen kam, ich ſähe aus wie Kreide.
„Als wir eine Strecke weitergeritten waren, ſtiegen
wir ab von den Pferden und lagerten uns bequem bei
den mitgebrachten Speiſen. Als wir beinahe mit der
Mahlzeit fertig waren, ſpreagte plötzlich ein Reiter durch
das Gehölz, gerade auf uns zu. Wir waren ſofort auf
den Beinen und im nächſten Augenblick lag der Kerl am
Boden und bat um Gnade. Selbſtverſtändlich hatten wir
das zu unſerer eigenen Sicherheit gethan, und aus dem-
ſelben Grunde mußten wir ihn auch nach Waffen durch-
ſuchen. Wir fanden in ſeinen Taſchen einen hübſchen
kleinen Revolver, ein Bowie⸗Meſſer und einen kleinen
ledernen Beutel, der mit gelben, wie es ſchien Meſſing-
ſtückchen angefüllt war.
„„Was zum Teufel!“ rief Sandy Gim, „wozu woll-
teſt' Du denn das Meſſing gebrauchen, Kamerad?“
„Meſſing?“ antwortete der Dummkopf, „wenn das
Meſſing iſt, biſt Du auch Meſſing! Es iſt Gold! Ja,
ja Gold iſt es!“ ö
„Dummkopf oder nicht — jedenfalls muß der Kerl
verrückt geweſen ſein, ſolch' einem grauftgen Kleeblatt,
wie wir waren, von Gold zu ſprechen. Wäre ich nicht

Bily!

geweſen, hätte der Kerl keine fünf Minuten mehr ge-
lebt, denn Billy Alf war ihm ſofort an die Kehle ge-
ſprungen und wollte ihn würgen; ein Teufelskerl, der
Sein beſter Freund war vor ihm nicht ſicher;
er konnte Jemand von hinten würgen und nachher ganz
gemüthlich ſeine Pfeife rauchen. ö
„Ich hatte meine liebe Noth, den armen Kerl aus
Billy's Griff zu befreien; endlich war's mir gelungen,
das Geſicht war aber ſchon ganz blau geworden. Ich
bin zwar ſelbſt kein Engel, aber weßhalb ſollte ich den
armen Menſchen würgen laſſen? Er hatte uns nichts
gethan, konnte nus auch gar nicht ſchaden und außer-
dem hoffte ich, den Ort zu erfahren, woher er das Gold
geholt; wir hatten ſchon viel von Goldſuchen gehört,
aher waren dem Dinge noch nie auf die Spur gekom-
men. Wir verſprachen nun dem Befreiten, daß ihm
nichts geſchehen würde, wenn er uns den nöthigen Auf-
ſchluß gäbe. Er erzhlte, daß er das Gold in Bendigo
gefunden habe; dort ſeien über hundert Mang, dis alle
ſo viel Gold fänden, als ſie brauchten, auch für uns
würde noch genug da ſein.
„Natürlich verurſachte dieſe Nachricht die größte Auf-
regung-bei uas. Wir brachen ſozleich auf und nahmen
unſeren neuen Kameraden mit. Er wollte erſt nicht,
doch mit uns war ſchlecht ſpaßen; er mußte wohl ein-
geſehe haben, daß es uns auf ein Menſchenleben nicht
ankommen würde; ſo fügte er ſich denn in das Unver-
meidliche und zeigte uns den Weg. Wir machten einen
kleinen Umweg, um in dem nächſten Orte Handwerks-
zeug zu kaufen und waren auch ſo glücklich, zwei Schau-
feln und eine Doppel⸗Picke aufzutreiben. —
„Bendigo war bald erreicht und friſch gingen wir an
die Arbeit. In Golden⸗Guly, der einträglichſten Stelle,
konnten wir freilich nicht mehr ankommen; ſchade, dort
gewannen die Goldgräber durchſchnittlich zwanzig Unzen
an einem Tage. Wir arbeiteten drei Fuß tief in den
Boden, und fanden, was wir ſuchten; unſere Stelle
nannten wir die todte Hunde⸗Grube, weil zwei todte
Hunde das Erſte waren, was wir dort fanden. Später
gruben wir in der Eſelgrube und fanden dort ein Stück
Gold von fiebenzig Unzen Gewicht.
„Uns ging es im Allgemeinen recht gut; wir fanden
überall Gold, wo wir nur ſuchten, viele Goldgräber

waren auch nicht dort und ſo hatten wir nicht erſt um

unſere Gruben auf Leben und Tod zu kämpfen. Oft
kam es vor, daß wir aus einem Kübel Sand hundert-
 
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