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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 18 - Nr- 25 (4. März - 29. März)
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undzwanzig Unzen Geld wuſchen und wir hätten reiche
Leute werden können, wenn wir gewollt hätten. Aber,
wie das nun ſo iſt, wir hielten uns an's Trinken und
Wetten, gerade ſo wie die Andern. Wir fanden das
Gold ſo leicht, wir kümmerten uns ſo wenig um den
Werth des Goldes, daß, wenn wir in der Kneipe waren,
es uns gar nicht darauf ankam, für zwei oder drei
Glas Grog eine ganz gehörige Priſe Gold zu zahlen.
Hemden und Zeug zogen wir im Laden an und bezahl-
ten, was gefordert wurde; auf feine Waſſerſtiefeln waren
wir beſonders erpicht und zahlten dafür Preiſe, die Sie
mir nicht glauben würden, wenn ich Sie Ihnen ſagte.
Was uns in die Augen fiel, wurde gekauft und dann
holten wir eine hölzerne Schachtel mit Goldkörnern aus
der Taſche und ließen den Kaufmann ſo viel heraus-
nehmen, als ihm gut dünkte. Natürlich that derſelbe
dann immer ſo, als wäre er der ehrlichſte Menſch von
der Welt. Er nahm nur wenig, ſtahl heimlich, während
wir plauterten, fünfmal ſoviel und gab uns dann die
Schachtel zurück mit den Worten: „Bei mir haben Sie
keinen Betrug zu fürchten, aber bei Anderen möchte ich
Ihnen doch rathen, ſelbſt die Goldkörner abzuwiegen!“
„Wir lachten darüber, nannten ihn einen elenden
Schurken, gingen unſeres Weges und kümmerten uns
den Teufel darum, ob er die Schachtel ganz geleert
hatte, oder nicht. War roch etwas darin, ſo wurde es
im rächſten Branntweinladen für Schnaps weggegeben,
Kein Menſch hat ſo gut Gold gegraben wie die Krämer
die niemals die Schaufel in die Erde ſtießen.“
„Jeden Abend kamen wir Alle in einer elenden Ba-
racke zuſammen, welche die „Immer⸗drauf⸗Kneipe“ hieß;
nüchtern ging ſelbſtverſtändlich kein Menſch von da nach
Hauſe. Prügeleien kamen nicht vor, nur Meſſerſtiche,
aber dieſe ſo tüchtig, daß Mancher des andern Morgens
nicht mehr au's Aufwachen dachte.
„Das Spiel war die Hauptſache; Priſen Gold, Un-
zen Gold, ja ſogar nußgroße Stücke Gold wurden ge-
ſetzt und oft Tauſende von Unzen in einer Stunde ge-
wonnen und verſpielt. Ein Spieler beſonders war ein
ganz origineller Kerl; er hieß nur: „Doppelt oder
Quitt“, weil, wenn er verlor, er rezelmäßig doppelt oder
quitt rief. Das ihat er den ganzen Abend, bis er das
letzte Goldkorn verſpielt batte. Er war einer der glück-
lichſten Goldgräber: wo er nur ſeine Picke einſchlug,
leuchtete das Gold ihm entgegen, gerade als ob es ſagen
wollte: Haben Sie doch die Güte, mich mitzunehmen.
Am Tage arbeitete er wie ein Pferd, und hatte er fünf-
zig oder ſechszig Unzen zuſammen, ſo ging er hin und
verſpielte ſie in „Doppelt oder Quitt.“
Einſt war er ordentlich betrunken, was ihm höchſt
ſelten paſſirte, und in dem Rauſche küßte er die Kuh-
magd. Die gab ibm ſo ordentlich Eins in's Geſicht,
daß er beinahe umfiel; er blieb vergnügt, ſchrie doppelt
oder qutt und umarmte ſie noch inmal, daß ihr die
Rippen krachten. Hat aber ein komiſches Ende gehabt,
der arme Teufel. Eines Abends hatte er einen bölli-
ſchen Zank mit einem andern Gräber. Man kam über-

ein, ſich am andern Morgen zu ſchlagen. Das geſchah.
Doppelt oder Quitt ſiegte und ſchlug den Gegner nie-
der. Damit aber nicht zufrieden, rief er doppelt oder
quitt! Der Gegner nahm es an, nächſten Tages kam
es zum zweiten Treffen und Doppelt oder Quitt bekam
einen Hieb. Doppelt! rief er und that einen Ausfall.
Quitt! ſchrie der Andere und — ſtieß ihn nieder. Man
brachte ihn in's Bett und nach acht Tagen ſtarb er.
Während ſeines Fiebers hatte er den Verſtand verloren,
tobte furchtbar und ſpielte immer im Geiſte Karten.
Eine Minute ehe er ſtarb, ſprang er auf, ſah ſich ſtarr
um und ſprach wit weicher Stimme, wie ich ſie nie von
ihm gehört: „Marie! Wärſt Du nicht treulos ge-
weſen, ſo wäre ich nicht hier! Mein Fluch hat nicht
Dich getroffen, er traf mich! Ich liebe Dich doch, doch,
doch!“ Dann ſiel er in ſein Kiſſen, doch nur für einen
Augenblick; er ſprang noch einmal auf, das Blut ftrömte
ihm aus dem Munde und er ſchrie mit wirrem Blick:
„Kanaille Tod! Doppelt oder quitt!“ Er ſtreckte die
Arme hoch auf und wie ein Baum fiel er hin auf's
Geſicht; er war todt für immer. —
Eines Abends ſaßen wir wieder in der „Immer-
drauf⸗Kneipe“ und ein Gräber erzählte gar ſeltſame
Geſchichten von einem Eingeborenen, der einige zwanzig
Meilen ab ganz mächtige Goldklumpen gefunden hätte,
und zwar ganz frei auf der Oberfläche des Erdbodens.
Derſelbe habe nach der Richtung des Murray⸗Stromes
gedeutet und geſagt: „Weiß⸗Geſichter viel gelben Stein
dort finden!“ Während des ganzen Abends kam kein
anderes Geſpräch an die Reihe; Alle ergingen ſich in
Vermuthungen über die Stelle. Als wir nach Hauſe
gingen, waren Sandy Gim und Billy Alf ganz aufge-
regt und fie drangen in mich, mit ihnen nach dem Mur-
rayſtrom aufzubrechen. Ich hatte keine Luft dazu. Das
Goldoräberleben gefiel mir nicht mehr und ich wollte
nach Melbourne gehen. Obgleich ſie auch erſt mitge-
wollt hatten, dachten ſie jetzt nicht mehr daran; Billiy
Alf wollte keinen Jag mehr in Bendigo bleiben. Sandy
Gim ſchloß ſich ihm an; ich blieb aber feſt und ſo trenn-
ten wir uns in derſelben Nacht,
Am nächſten Morgen machte ich mich nach Mel-
bourne auſ; das Gold hatte ich in der Geldkatze um
meinen Leib geſchnallt und der Lebensvertheidiger hing
am Handgelenk. Alf und Gim waren ſchon in der Nacht
nach ihrem Eldorado aufgebrochen, damit nicht noch An-
dere auf denſelben Gedanken kämen.
Mir war es ganz recht, den Billy Alf losgeworden
zu ſein; er war ein verrätheriſcher, heimtückiſcher Schurke.
Der Abſchied von Sandy Gim aber ging mir nahe; wir
hatten ſo manche Gefahren mit einander getheilt und er
war immer freundlich und hilfreich gegen mich geweſen.
Wir Beide waren auch einmal im Buſch verhungert,
und ſolche Sachen bringen zwei Menſchen recht feſt zu-
ſammen. Natürlich, große Redensarten machten wir
nicht beim Abſchiede; ich ſchenkte ihm eine kleine me-
tallene Streichholzbüchſe, an die ich ſeit zehn Jahren ge-
wöhnt war, und die kein Anderer bekommen hätte; er
 
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