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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 61 - Nr. 69 (2. August - 30. August)
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Heidelberger

volksblatt.

Nr. 62.

Samſtag, den 5. Auguſt 1876.

9. Jahrg.

Erſcheint Miitwoch uc Banſtag. Preis Konatlich 36 Pf Einzelne Nummer ä 6 Pf. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaffe 4
und bei den Trägern. Auswaͤrts bei den Bandboten und Poſtanſtalten. * ö

Die Präſideutin.
Kriminalgeſchichte von J. D. H. Temme.
Fortſetzung.)

Unter dieſen hatte während ihrer Abweſenheit ſich
etwas ereignet. Es zeigte ſich ihr ſchon, als ſie aus dem
Vorzimmer in einen kleinen Salon trat, in deſſen Ein-
ſamkeit Müde, oder die gern plaudern wollten, vor dem

Geräuſche der g ößeren Säle ſich zurückzuztehen pflegten.

Es ſtanden in den Winkeln einzelne Gruppen, die ſich
lebhaft aber leiſe unterhielten, bei dem ploͤtzlichen Eiſchei-
nen der Hausherrin plöͤtzlich verſtummten. Aus den grö-
ßeren Sälen kam der Dame gar kein Geräaſch entzegen.
Was iſt geſchehen? mußte die bebende Fau ſich auch
hier fragen. — Sie war im Begriff in den nächſt en grö-

ßeren Saal einzutreten. — Der unheimliche Geheimrath

kam ihr entgegen; er mußte ſie geſehen haben; er hatte
vielleicht auf ihre Rückkehr gewartet. Was war ber
fragten ihn ihre augſoollen Augea. Darf ich un Ihren
Arm bitten, gnädige Frau? — Sie legte den Arm in
den ſetnigen. Er führte ſie in das leere Vorzinmer zu-
rück. — Was hier war, gnädize Fran? begann er hier.
Stahl und Stein ſiad auf einander geplatzt; es wird wohl
Feuer gebn. — Der Herr van Teufen? rief die Dame.
Er iſt der Eine! — Und der Geaf Mozialskl?
Om, ja, dieſer Herr iſt der Andere. — Und was iſt
vorgefallen? — Oer Herr von Teufen hat den aadera
Herrn auf Piſtolen gefordert. Drei Shritt Barrisue
wenn ich recht verſtand, und wenn — Mein Kiad! Wo
iſt Helene? — Im Sale! — Und die beid2rn Herren ?
Noch lebeg fie, gnädige Frau. Erſt morgen werden
ſie ſich ſchlagen, freilich ganz in der Fcühe, deim erſten

Grauen des Morgens. Es wird ein intreſſantes Schau-

ſpiel werden. Uamittelbar vo n Ball in den Tod, in ele-
zau usgeſect — Vorausgeſetzt freilich — ö
Zeſetzt —! wiederholle er nur mit ede
Miene für fh 5 rmit zufried ner
Die Präſidentin war eine Dame, der Anzſt und Schreck
ihre Geiſtesgegenwart RAicht zu rauben bermochten. In
dem Augenblick, da ſie in die ſtille, drückende Schmü le
des Tanzſaales trat, gab ſie einem Diener den Befehl,
die Muſtk ſpielen zu laſſen.
Ennen Galopp! ſetzte ſie hizu. ͤ
Die Muſik ſpielte; in dem Saale wurde es rege.

Die heimlich flüſternden Gruppen löſten ſih auf. Die
jüngeren Herren eilten hin und her, Damen zu dem Ga-
lopp aufzufordern, die ſchon vorhin aufgeforderten in die
Tanzreihe zu führen.
Die Puäfidentin ſuchte ihre Tochter auf. Sie fand
ſte in dem Tanzſaale nicht; es war ihr lieb.
Auf den erſten Ton der Muſik warea die beiden Geg-
ner, der Graf Mogialski und der Herr von Teufen, er-
ſchienen. Der Graf, um mit einer der vornehmſten uod

eleganteſten jungen Damen an dem Tanz! Theil zu neh-

men, der Herr von Teufen auſcheinend um zu beobachten,
was ſich begeben werde; vielleicht auch nar, um ſich zu
zeigen. *
VSein Abenteu er mit dem polniſchen Grafen war be-
merkt, war bek mut geworden; es konate ihm nicht ent-
gangen ſein, daß es mit ſeinen weiteren Folgen den Ge-
genſtaad der heimlichen Uaterhaltungen der Geſellſchaft,
mannigfachſten Kombinatiogen bilde; da ſollte man wiſ-
ſen, wie gleichgeltig iym das Ales; auch ſein Leben, das
in wenigen Stunden auf der Mündung eines Piſtols
ſtehr; er war eiſig kalt ud ruhig. Für den Gezuer hatte
er keinen Blick. ö
Das Benehmen des Grafen Mogialski war doch ein
etwas Anderes. Aach er hatte ſich wohl zeigen wollen;
aber er konnte ſeine Abſicht dabei nicht verbergen; man
ſollte den Helden des Adeads in ijm bewundern; er war
unſtät; ſeine Bewegungen waren haßtig; ſeine Blicke flo-
gen umher, ſollten ſi her und ruhig ſein, verriethen die
innere Aufregung und Unſicherheit. ö
Welchen Erndruck mußte das eine, das andere Be-
nehmen auf Helene machen!
In einem Nebenzimmer fand die Präſidentin ihre Toch-
ter an der Seite des Generals von Waldern.
Helene war blaz, angegriffen, hatte Thränen in den
Augen; der alte General war bemüht, ſie aufzurichten.
Das Herz der Mutter wollte aufjaach en. Sie mußte
den Anblick läager geniren. Das Pꝛar hatte ihr Er-
ſcheinen nicht wahrgenommen. Sie blieb in der halbge-
öffneten Thüre ſteh m, zu betrachten, zu lauſchen. Worte
vernahm ſte nicht; aber mit welcher liebevollen Zärtlich ⸗
keit begleitete der tapferſte Soldat ſeines Königs und
vielleicht der reichſte Mann ſeines Landes das, was er
aufrichtend zu dem Kinde ſprach, und wie treu und innig

und glaubend und vertrau end hingen die Augen Helenens
an den Lippen des — Greiſes!

Aber iſt er nicht noch ein ſtattlicher Mann 2 ſagt
 
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