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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 18 - Nr- 25 (4. März - 29. März)
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Heidelberger Vollsblatt.

Nr. 25.

Mittwoch, den 29. März 1876.

9. Jahrg.

Frſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf Einzelne Nummer à 6 Pf. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö

Die Streichholzbüchſe.
Reiſeabenteuer in Auſtralien.
Schluß.)

Ich kroch näher heran und rief ihn beim Namen.
Jetzt erkannte er mich; er leckte mir die Hand, wäadelte
und riß ſo an der Kette, daß ich glaubte, er würde ſie
zerreißen. Nur mit Mühe beruhigte ich ihn und brach
dann die Kette auseinander.

Dann lief ich, ſo ſchnell ich konnte, direkt hinein in

den Buſch; das Raſſeln der Kette ſagte mir, daß Leo
mir folgte. Als ich mich in Sicherheit fühlte, ließ ich
das Thier herankommen und befreite es von Kette und
Halsband. Nun, Leo, rief ich, als er ſeine Vorderpfoten
auf meine Schultern ſetzte, nun wollen wir auskund-
ſchaften, was aus Deinem Herrn geworden iſt!
Ich will darauf ſchwören, der Hund hatte mich ver-
ſtanden; er winſelte leiſe und ſah mich dabei mit ſeinen
glühenden Augen an, als verſpräche er mir zu helfen.
Nach acht Tagen war ich wiander in der Eſelgrube,
gerade da, wo ich vor fünfzehn Monaten mich von den
beiden Kameraden getrennt hatte. Das alte Zelt ſtand
noch, war freilich ſehr zerriſſen, aber ein alter Mann
hatte es trotzdem inne, der mir leider keine Auskunſt
geben konnte. Meine Mittel waren zu Ende und ich
mußte zuvörderſt wieder Gold graben; ich ging an unſere
alte Stelle, und fand auch nach zehnfacher Arbeit wie
früher, einige Unzen. Ich brauchte nicht mehr und machte
mich nun auf in der Richtung, welche die Beiden da-
mals genommen hatten. Schon am Nachmittag wußte
ich nicht weiter, denn der Weg theilte ſich. Ich beſchloß
den zu nehmen, der am meiſten benutzt ſchien. Kaum
war ich zwanzig Schritt gegangen, als mir Leo nach-
ſprang und an meinem Rocke zerrte. Ich achtete zuerſt
nicht darauf; bald aber fing er an zu winſeln und ſtellte
ſich ſo dicht vor meine Füße, daß ich nicht vorwärts
konnte. Als ich ſtehen blieb, lief er zurück bis zum an-
dern Wege und ſtand dort ſtill, als ob er mich erwarte.
Jetzt, hol's der Teufel, wußte ich woran ich war: der
Hund kannte den Weg, den die Beiden genommeen hatten!
Wenn mir heute Jemand ſagt, daß der Hund keinen
Verſtand hat, dem ſage ich, daß er noch dummer iſt
wie ein Hund.
Daß aber Leo, der noch heute ſeinen alten Herrn

Steuern aufzuerlegen.

nicht vergeſſen hatte, bei Billy Alf geblieben war, ohne
ihn zu beißen, war mir ein Räthſel. Ich beſchloß jetzt,
dem Hunde blindlings zu folgen. Die Schnur, an der
ich ihn führte, machte ich länger und ſtreichelte ihn.
Nitmals blieb das Thier auch nur einen Augenblick
ſtehen, um ſich zu beſinnen, ſelbſt wenn der Weg ſich
in drei oder vier andere theilte.
Am zweiten Tage kamen wir an ein geräamiges Zelt,
vor dem einige Flaſchen Ingwer⸗Bier auf einer Bank
ſtanden. Hier machte Leo Halt. Ich trat hinein und
fragte den Beſitzer, ob er nicht etwas „Kräftigeres“ habe
als Ingwer⸗Bier.
Der Mann ſah mich eine Wei e mißtrauiſch an, ob
ich nicht ein geheimer Poliziſt ſei, denn er hute heimlich
Grog zu verkaufen, worauf die Polizei beſonders Jagd
machte, um die Strafen für nicht bezahlte Taxen und
Bald aber ſchien er ſich über-
zeugt zu haben, daß ich kein Spion ſei, und gab mir
das Gewünſchte. ö
Als ich ihn bezahlte, trat er mit vor die Thür und
ſah Leo. „Den Hund habe ich ſchon einmal geſehen!“
meinte er.
„Iſt's ſchon lange her?“ fragte ich leichthin, ob gleich
mein Herz hörbar klopfte.
„Vielleicht etwas über ein Jahr!“
„Es waren ihrer Zwei?“ frazte ich und machte mir
an des Hundes Halsband zu ſchaff en.
„Ja wohl. Aber Sie waren nicht dabei!“
„Nrin“, und im Weitergehen fragte ich: „Haben
Sie die Beiden auch geſehen, als ſie zurückkanen?“
„Nur einen“, erwiderte er.
Mir lief es eiskalt über den Rücken. Welchen denn?“
fragte ich.
Der Mann lachte laut auf und ſah mich von der
wöhn an; er war an ſo eindriagliches Fragen nicht ge-
wöhnt. ö
„Wie ſoll ich das wiſſen!“ meinte er endlich.
„Der Hund war ja bei ihm!“ entgegnete ich.
„Ja, richtig, der Hund war bei ihm, aber wie:
ganz blutig war das arme Thier; es muß mörderliche
Prügel bekommen haben.“
Nun wußte ich genug. Ich rief ihm „Guten Tag“
zu und ging weiter. ö
Als ich ihm aus dem Geſichte war, warf ich mich
auf die Erde und Leo legte ſich zu meinen Füßen und
beobachtet: mich mit ſeinen blutrünſtigen Anz en.
 
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