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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 18 - Nr- 25 (4. März - 29. März)
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9⁴

„Alſo kam einer zurück!“ rief ich. „Leo, wer war
es? Gim oder Alf?“ Das Thier wedelte und machte
ein Geſicht, als wollte es ſagen: „Wenn ich nur re-
den könnte, ich würde es Dir ſchon erzählen.“ Dann
ſprang es auf und bellte: Komm mit!
Ich kam mir vor wie ein Träumender, der nur auf
das Erwachen geſpannt iſt; denn ich brauchte nicht zu
denken und zu überlegen. Ich that nur, was Leo wollte.
Er beſtimmte den Platz, wo wir die Nacht bleiben
mußten, er führte mich zu den Grog⸗Zelten, die am
Wege lagen, ja, er zeigte mir in einſamen Strecken ver-
borgene Quellen, die ich allein nie gefunden hätte. Eines
Tages führte er mich ganz ab vom Wege, wohl zwei
Meilen ging es durch Dick und Dünn, bis wir plötzlich
vor einem kleinen Blockhauſe ſtanden. Es war Mittag
geworden; Leo war heute beſonders unruhig; er winſelte
und kehrte jede Minute zu mir zurück, um mich zur
Eile anzutreiben. Es war der fünfte Tag unſerer Wan-
derung und wir hatten wohl an die dreißig Meilen zu-
rückgelegt. Auf der letzten Strecke hatte ich viele halb-
verfallene Löcher gefunden und hielt es für wahrſchein-
lich, daß Gim und Alf hier den Boden auf Gold ver-
ſucht hatten. Als wir an die Hütte kamen, benahm ſich
Leo ſo wild, als wäre er toll geworden. Er heulte
fürchterlich und zwei Hunde in dem Blockhauſe ant-
worteten tapfer. Durch den Lärm veranlaßt, kam ein
Mann an die Thür und fragte höchft wüthend, was
mir in die Augen geſallen wäre, um es ihm zu ſtehlen?
„Hältſtr Du mich für einen Spitzbuben, Du Eſel?“
rief ich zornig; ich war gerade in ganz beſonderer Laune.
„Ja wohl!“ rief der Kerl, „wo haſt Du denn
Deine Spießgeſellen?“
„Was für Spießgeſellen 2“ fragte ich.
„Das fragſt Du noch, Du Hallunke?“ rief er in
höchſter Wuth. „Hältſt Du mich denn für einen Grünen?
Denkſt Du, ich kenne den Hund nicht mehr? Der
Teufel hol' die Schufte, die ihn damals hatten, und die
mir den Zucker, den Thee, ſelbſt meine Axt geſtohlen
haben! Jetzt laß ſie nur herkommen; diesmal iſt meine
Büchſe in Ordnung und verflucht will ich ſein, wenn
nicht einer kalt gemacht wird!“
Jetzt beruhigte ich mich. „Iſt das ſchon über ein
Jahr her, Kamerad?“ fragte ich ganz höflich.
„Gewiß, Du Hallunke!“
Nur mit Mühe konnte ich meine Hände ruhig halten.
„Will Dir was ſagen, mein Junge'“ rief er weiter
und dabei legte er auf mich an. „Wenn ich bis zehn
gezählt habe, und Du haſt Dich nicht fortgemacht, ſo
ſollſt Du mein Blei koſten!“
Was ſollte ich mit dem Narren machen? Ich ging
meines Weges. Gedankenvoll trollte ich hinter Leo her.
Er hatte den Schwanz eingezogen, hielt die Naſe tief
auf den Boden und ſaß ſich oft um, ob ich auch folgte.
So waren wir wohl eine gute Stunde gegangen,
als Leo plötzlich ſtillſtand. Als ich herangekommen war,

heulte er laut auf und kratzte dann wüthend mit den
Vorderfüßen die Erde fort. Ich durchſuchte das Gebüſch

und fand eine verroſtete Axt; gewiß die, welche dem
groben Kerl gehört hatte. Ich ſteckte ſie zu mir. Leo
grub noch immer, das Loch war ziemlich tief: ich half
ihm und — einige halbverkohlte Knochen kamen zum
Vorſchein! Leo's Schmerz kannte keine Grenzen mehr,
er heulte, daß mir die Ohren gellten; es war das erſte
Mal, daß ich einen Hund weinen ſah. Jetzt wußte ich,
wie der Mord begangen war, als wenn ich dabei ge-
weſen wäre. Hier hatte mein armer Kamerad geſchla-
fen; dort hatte Alf geſtanden, gierig auf das Gold des-
ſelben, und hatte ihm den Schädel geſpalten. Gute
Nacht, Sandy Gim! Deine Zeit iſt um! Dann hat
Billy Alf ein Feuer gemacht, die Leiche verbrannt und
die Aſche hier eingegraben. — ö
Ich hatte am ganzen Tage noch nichts gegeſſen, aber
hungrig war ich dennoch nicht. Ich war ſo aufgeregt,
daß ich dem Hunde all' meine weiteren Pläne erzählte,
gerade, als wenn ich mit einem Menſchen ſpräche. Bald
jedoch ermannte ich mich und eilte zu dem rorher er-
wähnten Blockhauſe zurück. Mit großer Mühe gelang
es mir, den rauhen Patron zu beſänftigen und ihm mein
Abenteuer zu erzaͤhlen. Er kam mit mir und gab mir
auch einen Sack. Wir packten Alles hinein, was wir
finden konnten, Knochen, einige Metallknöpfe und halb-
verbrannte Lappen.
Dann ging's im Sturmſchritt zurück zum Neuen
Buſch, wo Billy Alf wohnte. Ich kam mitten in der
Nacht an. Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich mich
nicht nach einen Gefährten umſah, ich war wohl zu auf-
geregt. Gerade auf Alf's Zelt ging ich zu, worin ich
noch Licht brennen ſah. Alf, der ſich gerade auszog,
kam mit einem Fluch an die Thür und fragte, wer
da ſei.
ö KLilh Trot!“ rief ich und ſchlug noch einmal gegen
die Thür. Er öffnete und ich eilte hinein, den Hund
hart auf der Ferſe.
„Zum Teufel, Lilly“, rief er, „wo kommſt Du her?
Und da iſt ja mein Hund auch!“ ö
Als er mich darauf anſah, ſchrack er zuſammen;
mein Geſicht muß wohl nicht ſehr beruhigend ausgeſehen
aben. ö
„Weißt Du, was ich in dieſem Sacke habe?“ ſchrie
ich heiſer.
„Wie ſoll ich das?“ ſagte er und quälte ſich, zu
lachen. ö ö
beden will ich Dir's ſagen! Sandy Gim's Kno-
chen ſind darin. Sandy Gim, den Du ermordet haſt!
Baumeln ſollſt Du, Beſtie, wenn noch ein Gott im
Himmel lebt!“ —
Ich hatte kaum ausgeredet, als er mit dem Revol-
ver auf mich zielte. Ich ſchlug ihm denſelben aus der
Hand. Er griff nach einer Schaufel, holte damit aus
und hätte mir den Schädel geſpalten, wenn nicht Leo
wüthend gegen ihn gerannt waͤre, ſo daß er hinfiel und.

Lev's Zähne im Nu ſeine Gurgel gepackt hatten. Ich

eilte zur Thür und feuerte meinen Revol ver in die Luft.
Sofort eilten eine Menge Gräber aus ihren Zelten her-
 
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