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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 103 - 109 (2. Dezember - 16. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0435

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eidelberger

volksblatt.

Donnerſtag, den 14. Dezember 1876.

9. Jahrg.

Erſcheint jeden Dienſtag, Donnerſtag und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf. Einzelne Nummer 4 6 Pf. Man abonnirt beim Ver-
lezer, Schiffgaſſe 4 und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Das verkaufte Gerz.
Eine Erzählung von Max Ring.
CFortſetzung.)

„Robert! Sie — On darfſt nicht flerben.“
„Das Leben iſt mir verhaßt, die ganze Wt gleich-
giitig. Nichts hält mich hier zurück, nur die Sorge um
Oich um mein Kind. Da nimm dieſe Brieſtaſche; ſie
enthält Aare, was ich noch beſitze, mein ganzes GBigen-
thum, wes ich roß gerettet habe. Es gehört Dir, mei-

nem Sohn. Das Geld wied Euch vor Noth bewahren.“

„Behalten Ei: Ihr Geld,“ erwiderte fis, die Brief-
taſche zurückweiſend. „Wir haben es nicht mehr nötzig.
Ich kehre zu dem Vater Wegener mit meinem Kinde zu-
rüc. Er hat miie verztehn und bittet mir ine Zuflucht
ia ſeinem Hauſe ae, wofür ich dem Hia mel dankz.“
„Du haſt kein Recht,“ verſetzte er düſter, „dieſe Gabe
zu verſchnähen. Es is das Erbthel meiaes Sohnes,
Alles, was ich ihm zu hiaterlaſſen habe.“
Mit dem Ausbruck eiuer unbeſchreiblichen Lirbe und
Trauer näherte er ſich der Wiege, in der das ſchlum-
merade Kiud laz. Roſa wagte nicht iyn zu hindern, als

er die Brleftoſche mit ihrem I palt auf das Kiſſen legte

und einen leiſen Kaß auf die Wangen des Kleizen drückte,
der von der Berührunz erwachte den fremden Mann mit
feinen großen Augen verwundert anſtarrte und ihm die
mazeren Häadchen eutgegenſtreckte. Tief erſchüttert durch
den Anplick ſeines Kindes, ſank Robert auf die Wieze
nieder und brach ig miautenlanges, lautes Schluchzen aus.
„Gott ſegne Dich, mein Soyn,“ rief er ſchsierzbe-
wegt, „und mache Dich glückſicher als Deinen Vater.
Verzier, vergieb ihm ſeine Schuld. Leb wohl, leb wohl,

mein geliertes Aiad und auch Du Roſa lebe wohl und

ver iß mich nicht.“ ů
ö Erſt in dieſem Augenblick, wo er wie ein Sterbender
aus deu Keller ſchwankte, durchzuckte Roſa der Gedanke,
daß er für im aer von ihr Abſchied nehmen wollte, ahnte
ſie ſeinen furchtbaren Entſchluß. So ſchneu, als es ihre
Schwaze geſtartete, eilte ſi izm nach, ihre Härte, ihren
Stol vereuend. ö
„Robert, Robert!“ ſchrie ſie laut, aus dem Keller
ihm nach ſtürzend. ö
Aber bevor ſie ihn erreichen konnte, war er wie ein

Geiſt ihren Blicken entſchwunden. Von Schmerz und
Verzwelflung übermannt, ſank ſie auf die Treppe nieder,
wo die durch ihren Schrei herbeigeführte Freondin die
Unglückliche fard, wilche erſt nach einiger Zeit aus ihrer
Ohnmacht wieder erwechte.

14.

Auf den Rath ihres Rechtsanwalts halte Natalie die
Scheidun sklage gegen Rodert eingereicht, während dieſer
noch im Gefaͤrngniß ſaß in der Hoffnung, um ſo leichter
ein für ſie giniies Urtheil gegen ihn zu erlangen. Wider
ihr Erwarten und zu ihren größtes Verdruß wurde ſie
wegen Manzgel an hinreichen den Geünden vorläufig mit
ihrer Kiage abgewi ſen, wie ihr Herr Schneider, ihr Bei-
ſtad, ſo iben mitgethellt hatte. *
Die Vereitlung ihres ſehalichſten Wunſches war ihr
um ſo unangenehmer, de fie ſeit ei iger Zert an ihrem
Freu de Flunker eine Abnahme ſeiner Nigzung zu be-
merken glauete; was ſie nur um ſo mehr aufeuert, den
Schmeitaling durch feſte Bande zu feſſela, und Alles
aufzubieten, um ihre Verbintunz mit ihm zu deſchleunigen.
Sie erwartete da er mit grözter Ungeduld ſeinen Be-
ſac zu der im augegebenen Stunde, um neue Schritte
zur Beſeitizunz der ihe enter zenſtehuden Hinderniſſe mer
ihm z verabreden. Obgleich wegzen ſeiner verſpäteten
Ankunſt verſtimztt, empfing ſie ihn mit dem ganzen Auf-
gebot izrer kokelten Liebenswürdigkit, da ſie unter den
obwaltenden Umſtänden es ſür des Klügſte hielt, iere
Empfindlichkeit ihm zu verdergen. Außerders gedörte Na-
talie zu den nicht ſeltenen Frauen, welche den Mann um
ſo mehr lieben, je ſchlechter er ſie behandelt und je leich-
ter ſis ihn zu verlieren fürchten. ö
„Es thut mir leid,“ ſagte er in einem faſt glelc gil-
tigen Ton, „daß ich richt früßer abkem zen konnte. Ich
war beſchäftit. Weshalb haben Sie mich zu die ſer un-
gewohnten Stunde berbeſtellt? Sie wiſſen doch, daß ich

des Morgess nicht gers zeföet werde.“

„Verzeihen Sie,“ erwiderte Natalie mit rheuchelter
Unterwürſigkeit. „Aler die Sache iſt dringend und für
uns Beide von der größten Wichtigkeit. Wie mnir der
Rechtsanwalt ſchreibt, iſt meine Klage auf Scheidung zu-
rückgewieſen morden“
„Das hab' ich Ihnen ja gleich geſagt, daß Sie ohne
Beweſſe nichts ausrichten werden.“
„Ader Schneider gab mir doch die beſten Hoffr ungen.
 
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