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D'r Nagglmaier.
Es werd alle Dag ſchee⸗ü
ner uff d'r Welt, Männer *
Nit genug, daß ich in d'r
Zeitung lees, die Manne-
mer Bäcker, denne die Hei-
delberger wohl ſofort uff'm
Fuß folge werre, wollte
am 1. Juni mit'm Brod
widder emool uffſchlage,
weil die Frucht dheierer
worre woͤr — nee, ich muß
aach noch in d'r Gartelaub
jolgende Warnung leeſe:
„Vor einigen Monaten
ſandte die Firma Heeze-
manns & Co. in Rotter-
dam an verſchiedene Muͤh⸗
kenbefitzer in der Provinz
Hannover Proben von
Kunſimehl. Die Begleit-
ſchreiben, die mit den Pro-
ben zur Verſendung kamen,
waren in holländiſcher ** —
Sprache und bei jeder Offerte befanden ſich àwei Muſter
in folgender Weiſe bezeichnet: „Kunſtmehl Nr. 1 und
„Kunſtmehl Nr. 2“. Die Verwendbarkeit der einge-
ſandten Waare fand in dem Empfehlunge ſchreiben wohl-
weislich keine Erwähnung; man hatte der Einſicht der
Mühlenbeſitzer das Vertrauen geſchenkt, vie richtige Ver-
wendung ſofort zu errathen. Da jedoch die betr. Pro-
ben von Kunſimehl in ihrer äußeren Beſchaffenheit eine
täuſchende Aehnlichkeit mit Kornmehl zetgten, womit wir
das tägliche Brod backen, das für die Ernährung des
Organismus ſo unentbehrlich iſt, ſo hielt ich es für nicht
unintereſſant, das künſtliche Mehl auf ſeinen Naͤhrwerth
zu prüfen. Dieſe Unterſuchung ergab das Reſultat, daß
nicht der geringſte Werth für die Ernährung in den betr.
Kunſtprodukte enthalten war; denn die mikroſ kopiſche und
chemiſche Prüfung ließ beide Proben des Kunſtmehls in
unzweideutiger Weiſe als ungeglüͤhten ſchwefelſauren Kalk
erkennen, dem wohl Niemand eine ernährende Kraft zu-
ſchreiben wird. Von Kocnmehl oder einer andern orga-
mſchen Subſtanz war nichts darin zu entdecken und die
beiden Muſter unterſchieden ſich nur in Betreff der Fein-
heit und Farbe. „Kunſtmehl Nr. 1“ war ſehr fein und
ſchneeweiß und „Kunſtmehl Nr. 2“ beſaß bei etwas grö-
berer Beſchaffenheit ein ſchwach gelblichen Schein. Be-
ſonders beachtenswerth iſt der billige Preis des künſtli-
chen anorganiſchen Mehls im Vergleiche zum Kornmehle.
100 Kilo Kunſtmehl Ne. 1 koſten ab Rotterdam 8 M.
50 Pf. und daſſelbe Quantum von Nr. 2 7 M. 50 Pf.
Hiemit vergleiche man die Preiſe von Roggen und Wai-
zenmehl, die 3—4 mal ſo hoch ſind und man wird be-
greifen, welcher Vortheil erzielt wird, wenn aus Verſehen
oder aus einer andern Urſache das Kunſtmehl ſich mit
Holland aus in die Rheinprovinz
dem Kornmehl mit zuſammen begibt und als reines Mehl
verkauft wird. Vielleicht haben wir es mit dem nämli-
chen Kunſimehl zu thun, das vor nicht langer Zeit von
eingeführt wurde und
nun ſeine Wanverung nach dem Norden angetreten hat.
Es iſt nicht anzunehmen, daß derartige Muſterſen-
dungen von Kunſtmehl ſich auf einzelne Prodinzen Deutſch-
lands beſchränken werden. Man wird ſie überall zu
verbreiten fuchen und es wird ſich dieſes Mehl, das
nur zur Beſchwerung des Magens beiträgt und den
Nahrungsgehalt unſeres Brodes herabſetzt, doch hier und
da Eingang verſchaffen. Es ſcheint daher geboten, das
Publikum zu ermahnen, beim Ankauf von Mehl vor-
ſichti zu ſein, zumal auch noch ein anderer Feind im
Anzug iſt, der mit ſeinen gewichtigen unverdaulichen
Maſſen ebenfalls das tägliche Brod zu verderben ſucht.
Ich meine den pulveriſtrten Schwerſpath, der ſich vor-
zugsweiſe in Elſäſſer und franzöfiſchen Mehlſorten ge-
zeigt hat. In Altbaiern ſollen derart gefälſchte Mehle
maſſenhaft zum Verkauf gekommen ſein und haben dort
die Diſtricts⸗ und Ortspolizeibehörden bereits Weiſung
erhalten, Prüfungen vornehmen zu laſſen und etwaige
Fälſchungen des Mehls ſofort anzuzeigen. Es iſt ein bekla-
genswerthes Zeichen der Zeit, daß die Verfälſchungen der
Genuß⸗ un Nahrungsmittel immer mehr um ſich greifen.
Man fälſcht das Mehl, die Milch, die Butter, den Thee,
den Kaffee, den Eſſig, den Pfeffer, den Zimmt und
manches andere, und dürfte es auch in hieſiger Stadt
Sache des Ortsgeſundheitsrathes ſein, den Handel mit
Nahrungsmitteln ernſtlich zu üͤberwachen, um einem Un-
weſen zu ſteuern, das täglich mehr an Ausdehnung zu
gewinnen ſcheint. Durch eine ſcharfe Controle würden
die Verzehrer vor Betrügereien geſchützt, da ſie außer
Stand ſind, ſich ſelbſt davor zu ſchützen, indem nicht
Jeder in der Lage iſt, eine chemiſche oder mikroſkopiſche
Prüfung vornehmen zu konnen oder für die Uaterſuchung
der täglichen Bedürfniſſe an Genuß⸗ und Nahrungsmitteln
Geld zu opfern. Es iſt daher dieſe angeregte Frage gewiß
von höchſter Wichtigkeit und dazu angethan, daß die zu-
ſtändige Geſundheitsbehörde ihr Augenmerl ſteengſtens
darauf richte.
Unner ſo kinſchtliche Brodausſichte heert for heit
d'r Witz uff, Männer. Meege uns die betreffende
Behörde for dem Kunſchtmehl bewahre. — Es mag
ſein, wie's will — d'r Herr Parre hott doch recht:
— Die Welt muß ball unner gehn!
Zur gefl. Beachtung.
Die Abonnenten vom „Heidelberger Volks-
blatt“ erhalten den täglich erſcheinen den „Neuen
Heidelberger Anzeiger“ gratis zugeſtellt.
Druck, Verlag und für die Redaction verantwortlich: G. G etſendörfer.
D'r Nagglmaier.
Es werd alle Dag ſchee⸗ü
ner uff d'r Welt, Männer *
Nit genug, daß ich in d'r
Zeitung lees, die Manne-
mer Bäcker, denne die Hei-
delberger wohl ſofort uff'm
Fuß folge werre, wollte
am 1. Juni mit'm Brod
widder emool uffſchlage,
weil die Frucht dheierer
worre woͤr — nee, ich muß
aach noch in d'r Gartelaub
jolgende Warnung leeſe:
„Vor einigen Monaten
ſandte die Firma Heeze-
manns & Co. in Rotter-
dam an verſchiedene Muͤh⸗
kenbefitzer in der Provinz
Hannover Proben von
Kunſimehl. Die Begleit-
ſchreiben, die mit den Pro-
ben zur Verſendung kamen,
waren in holländiſcher ** —
Sprache und bei jeder Offerte befanden ſich àwei Muſter
in folgender Weiſe bezeichnet: „Kunſtmehl Nr. 1 und
„Kunſtmehl Nr. 2“. Die Verwendbarkeit der einge-
ſandten Waare fand in dem Empfehlunge ſchreiben wohl-
weislich keine Erwähnung; man hatte der Einſicht der
Mühlenbeſitzer das Vertrauen geſchenkt, vie richtige Ver-
wendung ſofort zu errathen. Da jedoch die betr. Pro-
ben von Kunſimehl in ihrer äußeren Beſchaffenheit eine
täuſchende Aehnlichkeit mit Kornmehl zetgten, womit wir
das tägliche Brod backen, das für die Ernährung des
Organismus ſo unentbehrlich iſt, ſo hielt ich es für nicht
unintereſſant, das künſtliche Mehl auf ſeinen Naͤhrwerth
zu prüfen. Dieſe Unterſuchung ergab das Reſultat, daß
nicht der geringſte Werth für die Ernährung in den betr.
Kunſtprodukte enthalten war; denn die mikroſ kopiſche und
chemiſche Prüfung ließ beide Proben des Kunſtmehls in
unzweideutiger Weiſe als ungeglüͤhten ſchwefelſauren Kalk
erkennen, dem wohl Niemand eine ernährende Kraft zu-
ſchreiben wird. Von Kocnmehl oder einer andern orga-
mſchen Subſtanz war nichts darin zu entdecken und die
beiden Muſter unterſchieden ſich nur in Betreff der Fein-
heit und Farbe. „Kunſtmehl Nr. 1“ war ſehr fein und
ſchneeweiß und „Kunſtmehl Nr. 2“ beſaß bei etwas grö-
berer Beſchaffenheit ein ſchwach gelblichen Schein. Be-
ſonders beachtenswerth iſt der billige Preis des künſtli-
chen anorganiſchen Mehls im Vergleiche zum Kornmehle.
100 Kilo Kunſtmehl Ne. 1 koſten ab Rotterdam 8 M.
50 Pf. und daſſelbe Quantum von Nr. 2 7 M. 50 Pf.
Hiemit vergleiche man die Preiſe von Roggen und Wai-
zenmehl, die 3—4 mal ſo hoch ſind und man wird be-
greifen, welcher Vortheil erzielt wird, wenn aus Verſehen
oder aus einer andern Urſache das Kunſtmehl ſich mit
Holland aus in die Rheinprovinz
dem Kornmehl mit zuſammen begibt und als reines Mehl
verkauft wird. Vielleicht haben wir es mit dem nämli-
chen Kunſimehl zu thun, das vor nicht langer Zeit von
eingeführt wurde und
nun ſeine Wanverung nach dem Norden angetreten hat.
Es iſt nicht anzunehmen, daß derartige Muſterſen-
dungen von Kunſtmehl ſich auf einzelne Prodinzen Deutſch-
lands beſchränken werden. Man wird ſie überall zu
verbreiten fuchen und es wird ſich dieſes Mehl, das
nur zur Beſchwerung des Magens beiträgt und den
Nahrungsgehalt unſeres Brodes herabſetzt, doch hier und
da Eingang verſchaffen. Es ſcheint daher geboten, das
Publikum zu ermahnen, beim Ankauf von Mehl vor-
ſichti zu ſein, zumal auch noch ein anderer Feind im
Anzug iſt, der mit ſeinen gewichtigen unverdaulichen
Maſſen ebenfalls das tägliche Brod zu verderben ſucht.
Ich meine den pulveriſtrten Schwerſpath, der ſich vor-
zugsweiſe in Elſäſſer und franzöfiſchen Mehlſorten ge-
zeigt hat. In Altbaiern ſollen derart gefälſchte Mehle
maſſenhaft zum Verkauf gekommen ſein und haben dort
die Diſtricts⸗ und Ortspolizeibehörden bereits Weiſung
erhalten, Prüfungen vornehmen zu laſſen und etwaige
Fälſchungen des Mehls ſofort anzuzeigen. Es iſt ein bekla-
genswerthes Zeichen der Zeit, daß die Verfälſchungen der
Genuß⸗ un Nahrungsmittel immer mehr um ſich greifen.
Man fälſcht das Mehl, die Milch, die Butter, den Thee,
den Kaffee, den Eſſig, den Pfeffer, den Zimmt und
manches andere, und dürfte es auch in hieſiger Stadt
Sache des Ortsgeſundheitsrathes ſein, den Handel mit
Nahrungsmitteln ernſtlich zu üͤberwachen, um einem Un-
weſen zu ſteuern, das täglich mehr an Ausdehnung zu
gewinnen ſcheint. Durch eine ſcharfe Controle würden
die Verzehrer vor Betrügereien geſchützt, da ſie außer
Stand ſind, ſich ſelbſt davor zu ſchützen, indem nicht
Jeder in der Lage iſt, eine chemiſche oder mikroſkopiſche
Prüfung vornehmen zu konnen oder für die Uaterſuchung
der täglichen Bedürfniſſe an Genuß⸗ und Nahrungsmitteln
Geld zu opfern. Es iſt daher dieſe angeregte Frage gewiß
von höchſter Wichtigkeit und dazu angethan, daß die zu-
ſtändige Geſundheitsbehörde ihr Augenmerl ſteengſtens
darauf richte.
Unner ſo kinſchtliche Brodausſichte heert for heit
d'r Witz uff, Männer. Meege uns die betreffende
Behörde for dem Kunſchtmehl bewahre. — Es mag
ſein, wie's will — d'r Herr Parre hott doch recht:
— Die Welt muß ball unner gehn!
Zur gefl. Beachtung.
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