Beilage zur Heidelberger Zeitung Nr. 3VV.
Heidelberg, den 22. Dezember 1887.
Bekanntmachung.
In Nachstehendem bringen wir das vom Bürgerausschnsse unterm 20. Mai und 2. Dezember d. Js. festgesetzte und von Großherzoglichem
Ministerium des Innern genehmigte Ortsstatut zur öffentlichen Kenntnitz:
chrtsstatut.
Artikel 1. Zur Unterstützung des Stadtraths werden für einzelne Zweige der
städtischen Verwaltung besondere bleibende städtische Kommissionen gebildet, und zwar:
1. für die Angelegenheiten der Volksschulen (Schulkommission);
2. für das Armenweseu (Armenrath);
3. für die öffentliche Gesundheitspflege (Ortsgesundheitsrath);
4. zur Ueberwachung des Kassen- und Rechnungswesens (Finanzkommission):
5. zur Beaufsichtigung der Dienstführung des Grund- und Pfandbuchführers
(Gewähr- und Pfandgerichtskommission);
6. zur Besorgung des Hinterlegungswesens (Hinterlegungskommisston);
7. zur Verwaltung der städtischen Gas- und Wasserwerke (Gas- und Wasser-
werkskommission) ;
8. für die städtischen Bausachen (Stadtbaukommission);
9. für die Angelegenheiten der Friedhöfe in Heidelberg und Schlierbach (Fried-
hofkommission) ;
10. für Meß-, Markt- und Lauersachen (Meß-, Markt- und Lauerkommission);
11. für die Angelegenheiten des Stadtorchesters (Musikkommission);
12. für die Angelegenheiten des Stadttheaters (Theaterkommission);
13. für die Bewirthschaftung der städtischen Feldgrundstücke sowie für die Ueber-
wachung der Feldhut (Feldkommission);
14. für die Angelegenheiten des Stadtwaldes (Waldkommission);
15. für die Verbrauchssteuer-Angelegenheiten (Verbrauchssteuerkommission);
16. für Militärsachen;
17. für die Geschichte der Stadt.
Für den Verwaltungsrath der städtischen Sparkasse, für die zur Verwaltung des
städtischen Leihhauses bestellte Kommission (Leihhauskommissiou), für den Beirath der Real-
schule, für den Aufsichtsrath der höheren Mädchenschule und für den Gewerbeschulrath sind
nicht die Bestimmungen dieses Ortsstatuts, sondern die besonderen, in Gesetz, Verordnung
oder in den Satzungen jener Anstalten enthaltenen Vorschriften maßgebend.
In Bezug auf die oben unter Ziffer 1—17 genanntenKommissionen gelten folgende
Bestimmungen:
A. Allgemeine Bestimmungen.
Artikel 2. Die Mitglieder der Kommissionen werden, insoweit sie nicht schon
Kraft Gesetzes oder Ortsstatuts denselben angehören, vom Stadtrath ernannt. Die Er-
nennung erfolgt jeweils unmittelbar nach der Erneuerung der städtischen Kollegien auf
die Dauer von drei Jahren. Die Ernannten sind nach Ablauf ihrer Dienstzeit wieder
ernennbar.
Die Vorsitzenden der Kommissionen sowie deren Stellvertreter ernennt der Stadtrath
insoweit sie nicht durch Gesetz oder Ortsstatut bestimmt sind, aus seiner Mitte. Im
Uebrigen können sie aus Mitgliedern des Stadtraths, Stadtverordneten und aus anderen
Bürgern zusammengesetzt werden.
Der Oberbürgermeister ist jederzeit berechtigt, den Kommissionssitzungen beizuwohnen
und, wenn es ihm nöthig oder zweckmäßig erscheint, ausnahmsweise den Vorsitz zu über-
nehmen.
Scheidet ein Mitglied während der Dienstperiode aus, so wird für die Restdauer
derselben ein Ersatzmann ernannt.
Reicht die im Ortsstatut fixirte Zahl der Mitglieder der einen oder anderen Kom-
mission zur Bewältigung ihrer dienstlichen Aufgaben nicht aus, so kann der Stadtrath
ausnahmsweise die betreffende Kommission verstärken. Namentlich gilt dies in Bezug auf
die Mitglieder des Armenraths.
Artikel 3. Die Form der Verhandlungen in den Kommissionen ist kollegialisch.
Bei der Beschlußfassung entscheidet die einfache Stimmenmehrheit. Im Falle der Stimmen-
gleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
Die den Kommissionen angehörigen technischen Beamten der Stadt (Direktor der
städtischen Gas- und Wasserwerke, Stadtbaumeister, Oberförster und Vorstand des che-
mischen Laboratoriums) haben in denselben berathende Stimme.
Betrifft der Gegenstand der Berathung ein Mitglied der Kommission oder dessen
Verwandte und Verschwägerte in auf- und absteigender Linie und bis zum zweiten
Seitengrade, so darf dasselbe an der einschlägigen Berathung keinen Antheil nehmen.
In allen andern Fällen darf kein Mitglied von der Berathung ausgeschlossen werden.
Artikel 4. Die Sitzungen der Kommissionen werden von dem Vorsitzenden ange-
ordnet und geleitet. Auf schriftlichen Antrag eines Viertels der Mitglieder muß eine
Sitzung stattfinden.
Zur Gültigkeit eines Beschlusses wird erfordert, daß auf ordnungsmäßige, durch
Umlauf zu bewirkende Einladung sämmtlicher Mitglieder wenigstens mehr als die Hälfte
derselben, den Vorsitzenden eingerechnet, erschienen ist.
Artikel 5. Ueber die gefaßten Beschlüsse wird von einem Kommissionsmitglied oder
von einem vom Stadtrath zu bestellenden Schriftführer ein Protokoll aufgenommen, welches
von allen Kommissionsmitgliedern, die in der Sitzung anwesend waren, zu unterzeichnen
ist. Die Ausfertigung der Beschlüsse vollzieht der Vorsitzende.
Artikel 6. Alle Kommissionen haben die Verpflichtung, die Interessen der Stadt-
gemeinde Heidelberg nach Kräften zu fördern und die ihnen übertragenen Geschäfte nach
bestem Wissen zu besorgen.
Sie sind dem Stadtrath untergeordnet, welcher über Beschwerden gegen dieselben zu
beschließen hat.
Artikel 7. Die Kommissionen haben die bei ihnen zur Behandlung gelangenden
Geschäfte entweder zur Beschlußfassung durch den Stadtrath vorzubereiten oder selbst zu
erledigen.
Sie haben insbesondere die auf ihren Geschäftskreis bezüglichen Fragen, insoweit
sie solche nicht selber zu erledigen befugt sind, vor ihrer Erledigung durch den Stadtrath
zu begutachten, falls nicht etwa der Stadtrath ausnahmsweise ohne Anhörung der Kommis-
sion entscheidet.
Zn den von ihnen vorzubereitenden Geschäften gehört namentlich der Voranschlag,
welcher von jeder Kommission für ihren Wirkungskreis, thunlichst ins Einzelne gehend,
aufzustellen und — ohne Abwarten einer speziellen Aufforderung — in jedem Jahre
spätestens auf 1. Oktober dem Stadtrath vorzulegen ist. Auch haben sie bei der Auf-
stellung des alljährlichen Rechenschaftsberichtes mitzuwirken.
Die ihren Geschäftskreis berührenden Rechnungen haben die Kommissionen, nachdem
dieselben von dem betreffenden technischen Beamten der Stadt attestirt sind und bevor
deren Vorlage an den Stadtrath zur Anweisung erfolgt, durch ihren Vorsitzenden einer
Durchsicht unterziehen und bestätigen zu lassen. Die Befugniß zur Dekretur auf die
Stadtkasse hat von den Kommissionen nur der Armenrath.
Von den Kommissionen zu erledigen sind diejenigen Geschäfte, welche ihnen durch
Gesetz oder Ortsstatut ein für alle Mal oder welche ihnen durch den Stadtrath im ein-
zelnen iFalle zur Erledigung zugewiesen werden.
i erner hat jede Kommission die Obliegenheit, wegen Ausführung derjenigen Her-
Die Einrichtung und den Wirkungskreis der städtischen
Kommissionen betr.
stellungen, Anschaffungen und sonstigen Aufwendungen, welche 'nach dem Voranschlag
oder in Folge besonderer Beschlußfassung der städtischen Kollegien bewirkt werden sollen
und ihrer Natur nach in den Geschäftskreis dieser Kommission gehören, innerhalb der
durch den Voranschlag oder durch den betreffenden Beschluß gezogenen Schranken daS
Erforderliche zu veranlassen und namentlich auch den Vollzug — nötigenfalls im Be-
nehmen mit anderen Kommissionen — in geeigneter Weise zu überwachen. Arbeiten oder
Lieferungen, welche bei derartigen Anlässen erforderlich werden, darf die Kommission
selber vergeben, insoweit sie nicht den Werthbetrag von 2000 Mark überschreiten, in
welch' letzterem Falle die Vergebung dem Stadtrath Vorbehalten bleibt. Die Entschlie-
ßung des Stadtraths ist auch dann einzuholen, wenn die Kommission Herstellungen oder
Anschaffungen für nothwendig hält, für welche keine budgetmäßig«: Mittel zur Ver-
fügung stehen.
Ueber Kredite, deren Zweckbestimmung im Voranschlag nur im Allgemeinen ange-
geben ist, so daß deren Verwendung im Einzelnen noch besonderer Beschlußfassung be-
darf, haben die zuständigen Kommissionen innerhalb der voranschlagsmäßigen Grenzen
zu verfügen, insoweit nicht im gegebenen Falle die Verwendung eines Betrages von
mehr als 500 Mark in Frage steht, in welch' letzterem Falle die Entschließung des
Stadtraths einzuholen ist.
In all' den Fällen, in welchen hiernach die Kommissionen zur Erledigung einer
Angelegenheit zuständig sind, kann indeß der Stadtrath, wenn es ihm nöthig oder zweck-
mäßig erscheint, die betreffende Sache ausnahmsweise an sich ziehen und selbst erledigen,
und zwar ohne daß eine Beschwerde gegen die Kommission vorliegt. Auch haben die
Kommissionen das Recht, in all' den Fällen, welche sie an und für sich zu erledigen be-
fugt wären, die Sache dem Stadtrath zur Erledigung zu unterbreiten, wenn sie aus
irgendwelchen Gründen, namentlich wegen Zweifelhaftigkeit des Falls, Bedenken tragen,
selbst die Entscheidung zu erlassen.
Artikel 8. Wegen Nebernahme von Rechtsstreiten, Erwerbung oder Veräuße-
rung von Liegenschaften, Gebäuden oder dinglichen Rechten sowie in Bezug auf An-
stellung, Gehalt und Entlassung von Beamten und Bediensteten — mit Ausnahme der
gegen Taglohn Beschäftigten — haben die Kommissionen keine selbständigen Entschlie-
ßungen zu treffen, vielmehr beim Stadtrath das Nöthige zu beantragen.
Urlaubs-Ertheilung an städtische Beamte und Bedienstete ist Sache des Stadtraths.
L. Besondere Bestimmungen.
Artikel 9. §1. Die Schulkommission besteht aus dem Vorsitzenden und
sechs bis acht Mitgliedern, ferner aüs dem Rektor der Volksschule und zwei Haupt-
lehrern, welche der Stadtrath ernennt, je einem Geistlichen der hier vertretenen christlichen
Bekenntnisse, sofern die betreffende Kirchenbehörde denselben als Mitglied bezeichnet und
dem Bezirksrabbiner.
Z 2. Die Schulkommission führt die Aufsicht über die Volks- und Fortbildungs-
schulen der Stadt und übt in dieser Beziehung unter Oberaufsicht des Stadtraths die
Befugnisse aus, welche letzterem durch 8 19, Ziffer 1 der St.-O. übertragen sind.
Artikel 10. Z 1. Der Armenrath besteht aus dem Vorsitzenden, drei weiteren
Mitgliedern des Stadtraths und 14 Stadtbürgern, ferner aus dem Polizeibeamten des
Großh. Bezirksamts, je einem Geistlichen der hier vertretenen christlichen Bekenntnisse,
sofern die betreffende Kirchenbehörde denselben als Mitglied bezeichnet, dem Bezirks-Rab-
biner und dem Armenarzt.
Von den zu Mitgliedern des Armenraths ernannten Stadtbürgern sollen mindestens
drei Viertel Stadtverordnete sein.
§ 2. Der Armenrath erledigt alle diejenigen Geschäfte, welche durch Gesetz oder
Verordnung den örtlichen Armenbehörden zugewiesen sind oder denselben der Natur der
Sache uach obliegen.
Der Armenrath führt die Aufsicht über die städtischen Armenhäuser sowie über das
Waisen- und über das Erziehungshaus. Die Leitung der inneren Angelegenheiten dieser
Anstalten wird durch zwei vom Armenrath gewählte und demselben unmittelbar unter-
stellte Kommissionen für die Armenhäuser, bezw. für das Waisen- und Erziehungshaus,
denen der Hausarzt genannter Anstalten angehören soll, besorgt. Dem Stadtrath bleibt
die Bestätigung der Wahl Vorbehalten.
§ 3. Zur Ausübung der Armenpflege für diejenigen Armen der Stadt, welche
sich nicht in Anstalten befinden, ist die Stadt in Armenbezirke eingeteilt.
Die Abgrenzung dieser Bezirke erfolgt nach Anhörung des Armenrathes durch den
Stadtrath. Die Fürsorge für die Armen wird in jedem Armenbezirk durch einen Armen-
pfleger ausgeübt. Die Armenpfleger werden aus der Zahl der Armenraths-Mitglieder
vom Stadtrath ernannt.
8 4 In Betreff der Grundsätze und Regeln, nach welchen bei Verwaltung der
städtischen Armenanstalten sowie bei Ausübung der Armenpflege in den Armenbezirken zu
verfahren ist, find die bestehenden oder vom Armenrath noch zu erlassenden, der Bestäti-
gung des Stadtraths unterliegenden Satzungen und Dienstweisungen maßgebend.
8 5. Der Armenrath übt durch zwei seiner Mitglieder eine fortlausende Controle
über das Kassen- und Rechnungswesen der Armenkasse aus, wie sie bei der Stadtkasse
nach Art. 12 8 2 lit. d durch zwei Mitglieder der Finanzkommission besorgt wird.
8 6. Der Armenrath hat sich in der Regel alle 14 Tage einmal zu versammeln,
wenn nicht außerordentliche Veranlassungen weitere Sitzungen nöthig machen.
Artikel 11. 8 1- Der OrtsgesundheitSrath besteht aus dem Vorsitzenden,
drei bis fünf Mitgliedern, dem Polizeibeamten des Großh. Bezirksamts, dem Großh.
Bezirksarzt, dein Armenarzt der Stadt, dem Vorstand des städtischen chemischen Labora-
toriums und dem Stadtbaumeister.
Der Ortsgesundheitsrath hat das Recht, in einzelnen Fällen weitere Sachverständige
zu berufen.
8 2. Der Ortsgesundheitsrath ist berufen, bei allen auf die öffentliche Gesundheits-
pflege sich beziehenden Angelegenheiten die zuständigen Behörden begutachtend zu unter-
stützen. Er soll insbesondere gehört werden, wenn es sich um Erlassung gesundheitspoli-
zeilicher Vorschriften oder um Einrichtungen handelt, welche den Gesundheitsstand berühren.
Er hat sich über die gesundheitlichen Verhältnisse der Stadt genaue Kunde zu verschaffen,
die Beseitigung vorhandener Mißstände zu veranlassen und die erforderlichen Maßregeln
gegen etwa ausbrechende ansteckende Krankheiten bei Zeiten vorzubereiten, sowie die
Epidemiebaracken, speziell auch die Dienstführung des Verwalters derselben, zu überwachen.
Der Ortsgesundheitsrath ist verpflichtet, alljährlich einen für die Oeffentlichkeit bestimm-
ten Bericht auszuarbeiten.
8 3. Der OrtsgesundheitSrath hat sich wenigstens alle zwei Monate einmal zu ver-
sammeln, wenn nicht außerordentliche Veranlassungen weitere Sitzungen nöthig machen.
Artikel 12. ß 1. Die Finanzkommission besteht aus dem Oberbürger-
meister als Vorsitzenden und sechs bis 8 Mitgliedern, von welchen zwei aus der Zahl
der Stadtverordneten vom Stadtverordnetenvorstand zu ernennen sind. Im Falle per-
sönlicher Verhinderung des Oberbürgermeisters führt sein gesetzlicher Stellvertreter den
Vorsitz.
Heidelberg, den 22. Dezember 1887.
Bekanntmachung.
In Nachstehendem bringen wir das vom Bürgerausschnsse unterm 20. Mai und 2. Dezember d. Js. festgesetzte und von Großherzoglichem
Ministerium des Innern genehmigte Ortsstatut zur öffentlichen Kenntnitz:
chrtsstatut.
Artikel 1. Zur Unterstützung des Stadtraths werden für einzelne Zweige der
städtischen Verwaltung besondere bleibende städtische Kommissionen gebildet, und zwar:
1. für die Angelegenheiten der Volksschulen (Schulkommission);
2. für das Armenweseu (Armenrath);
3. für die öffentliche Gesundheitspflege (Ortsgesundheitsrath);
4. zur Ueberwachung des Kassen- und Rechnungswesens (Finanzkommission):
5. zur Beaufsichtigung der Dienstführung des Grund- und Pfandbuchführers
(Gewähr- und Pfandgerichtskommission);
6. zur Besorgung des Hinterlegungswesens (Hinterlegungskommisston);
7. zur Verwaltung der städtischen Gas- und Wasserwerke (Gas- und Wasser-
werkskommission) ;
8. für die städtischen Bausachen (Stadtbaukommission);
9. für die Angelegenheiten der Friedhöfe in Heidelberg und Schlierbach (Fried-
hofkommission) ;
10. für Meß-, Markt- und Lauersachen (Meß-, Markt- und Lauerkommission);
11. für die Angelegenheiten des Stadtorchesters (Musikkommission);
12. für die Angelegenheiten des Stadttheaters (Theaterkommission);
13. für die Bewirthschaftung der städtischen Feldgrundstücke sowie für die Ueber-
wachung der Feldhut (Feldkommission);
14. für die Angelegenheiten des Stadtwaldes (Waldkommission);
15. für die Verbrauchssteuer-Angelegenheiten (Verbrauchssteuerkommission);
16. für Militärsachen;
17. für die Geschichte der Stadt.
Für den Verwaltungsrath der städtischen Sparkasse, für die zur Verwaltung des
städtischen Leihhauses bestellte Kommission (Leihhauskommissiou), für den Beirath der Real-
schule, für den Aufsichtsrath der höheren Mädchenschule und für den Gewerbeschulrath sind
nicht die Bestimmungen dieses Ortsstatuts, sondern die besonderen, in Gesetz, Verordnung
oder in den Satzungen jener Anstalten enthaltenen Vorschriften maßgebend.
In Bezug auf die oben unter Ziffer 1—17 genanntenKommissionen gelten folgende
Bestimmungen:
A. Allgemeine Bestimmungen.
Artikel 2. Die Mitglieder der Kommissionen werden, insoweit sie nicht schon
Kraft Gesetzes oder Ortsstatuts denselben angehören, vom Stadtrath ernannt. Die Er-
nennung erfolgt jeweils unmittelbar nach der Erneuerung der städtischen Kollegien auf
die Dauer von drei Jahren. Die Ernannten sind nach Ablauf ihrer Dienstzeit wieder
ernennbar.
Die Vorsitzenden der Kommissionen sowie deren Stellvertreter ernennt der Stadtrath
insoweit sie nicht durch Gesetz oder Ortsstatut bestimmt sind, aus seiner Mitte. Im
Uebrigen können sie aus Mitgliedern des Stadtraths, Stadtverordneten und aus anderen
Bürgern zusammengesetzt werden.
Der Oberbürgermeister ist jederzeit berechtigt, den Kommissionssitzungen beizuwohnen
und, wenn es ihm nöthig oder zweckmäßig erscheint, ausnahmsweise den Vorsitz zu über-
nehmen.
Scheidet ein Mitglied während der Dienstperiode aus, so wird für die Restdauer
derselben ein Ersatzmann ernannt.
Reicht die im Ortsstatut fixirte Zahl der Mitglieder der einen oder anderen Kom-
mission zur Bewältigung ihrer dienstlichen Aufgaben nicht aus, so kann der Stadtrath
ausnahmsweise die betreffende Kommission verstärken. Namentlich gilt dies in Bezug auf
die Mitglieder des Armenraths.
Artikel 3. Die Form der Verhandlungen in den Kommissionen ist kollegialisch.
Bei der Beschlußfassung entscheidet die einfache Stimmenmehrheit. Im Falle der Stimmen-
gleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
Die den Kommissionen angehörigen technischen Beamten der Stadt (Direktor der
städtischen Gas- und Wasserwerke, Stadtbaumeister, Oberförster und Vorstand des che-
mischen Laboratoriums) haben in denselben berathende Stimme.
Betrifft der Gegenstand der Berathung ein Mitglied der Kommission oder dessen
Verwandte und Verschwägerte in auf- und absteigender Linie und bis zum zweiten
Seitengrade, so darf dasselbe an der einschlägigen Berathung keinen Antheil nehmen.
In allen andern Fällen darf kein Mitglied von der Berathung ausgeschlossen werden.
Artikel 4. Die Sitzungen der Kommissionen werden von dem Vorsitzenden ange-
ordnet und geleitet. Auf schriftlichen Antrag eines Viertels der Mitglieder muß eine
Sitzung stattfinden.
Zur Gültigkeit eines Beschlusses wird erfordert, daß auf ordnungsmäßige, durch
Umlauf zu bewirkende Einladung sämmtlicher Mitglieder wenigstens mehr als die Hälfte
derselben, den Vorsitzenden eingerechnet, erschienen ist.
Artikel 5. Ueber die gefaßten Beschlüsse wird von einem Kommissionsmitglied oder
von einem vom Stadtrath zu bestellenden Schriftführer ein Protokoll aufgenommen, welches
von allen Kommissionsmitgliedern, die in der Sitzung anwesend waren, zu unterzeichnen
ist. Die Ausfertigung der Beschlüsse vollzieht der Vorsitzende.
Artikel 6. Alle Kommissionen haben die Verpflichtung, die Interessen der Stadt-
gemeinde Heidelberg nach Kräften zu fördern und die ihnen übertragenen Geschäfte nach
bestem Wissen zu besorgen.
Sie sind dem Stadtrath untergeordnet, welcher über Beschwerden gegen dieselben zu
beschließen hat.
Artikel 7. Die Kommissionen haben die bei ihnen zur Behandlung gelangenden
Geschäfte entweder zur Beschlußfassung durch den Stadtrath vorzubereiten oder selbst zu
erledigen.
Sie haben insbesondere die auf ihren Geschäftskreis bezüglichen Fragen, insoweit
sie solche nicht selber zu erledigen befugt sind, vor ihrer Erledigung durch den Stadtrath
zu begutachten, falls nicht etwa der Stadtrath ausnahmsweise ohne Anhörung der Kommis-
sion entscheidet.
Zn den von ihnen vorzubereitenden Geschäften gehört namentlich der Voranschlag,
welcher von jeder Kommission für ihren Wirkungskreis, thunlichst ins Einzelne gehend,
aufzustellen und — ohne Abwarten einer speziellen Aufforderung — in jedem Jahre
spätestens auf 1. Oktober dem Stadtrath vorzulegen ist. Auch haben sie bei der Auf-
stellung des alljährlichen Rechenschaftsberichtes mitzuwirken.
Die ihren Geschäftskreis berührenden Rechnungen haben die Kommissionen, nachdem
dieselben von dem betreffenden technischen Beamten der Stadt attestirt sind und bevor
deren Vorlage an den Stadtrath zur Anweisung erfolgt, durch ihren Vorsitzenden einer
Durchsicht unterziehen und bestätigen zu lassen. Die Befugniß zur Dekretur auf die
Stadtkasse hat von den Kommissionen nur der Armenrath.
Von den Kommissionen zu erledigen sind diejenigen Geschäfte, welche ihnen durch
Gesetz oder Ortsstatut ein für alle Mal oder welche ihnen durch den Stadtrath im ein-
zelnen iFalle zur Erledigung zugewiesen werden.
i erner hat jede Kommission die Obliegenheit, wegen Ausführung derjenigen Her-
Die Einrichtung und den Wirkungskreis der städtischen
Kommissionen betr.
stellungen, Anschaffungen und sonstigen Aufwendungen, welche 'nach dem Voranschlag
oder in Folge besonderer Beschlußfassung der städtischen Kollegien bewirkt werden sollen
und ihrer Natur nach in den Geschäftskreis dieser Kommission gehören, innerhalb der
durch den Voranschlag oder durch den betreffenden Beschluß gezogenen Schranken daS
Erforderliche zu veranlassen und namentlich auch den Vollzug — nötigenfalls im Be-
nehmen mit anderen Kommissionen — in geeigneter Weise zu überwachen. Arbeiten oder
Lieferungen, welche bei derartigen Anlässen erforderlich werden, darf die Kommission
selber vergeben, insoweit sie nicht den Werthbetrag von 2000 Mark überschreiten, in
welch' letzterem Falle die Vergebung dem Stadtrath Vorbehalten bleibt. Die Entschlie-
ßung des Stadtraths ist auch dann einzuholen, wenn die Kommission Herstellungen oder
Anschaffungen für nothwendig hält, für welche keine budgetmäßig«: Mittel zur Ver-
fügung stehen.
Ueber Kredite, deren Zweckbestimmung im Voranschlag nur im Allgemeinen ange-
geben ist, so daß deren Verwendung im Einzelnen noch besonderer Beschlußfassung be-
darf, haben die zuständigen Kommissionen innerhalb der voranschlagsmäßigen Grenzen
zu verfügen, insoweit nicht im gegebenen Falle die Verwendung eines Betrages von
mehr als 500 Mark in Frage steht, in welch' letzterem Falle die Entschließung des
Stadtraths einzuholen ist.
In all' den Fällen, in welchen hiernach die Kommissionen zur Erledigung einer
Angelegenheit zuständig sind, kann indeß der Stadtrath, wenn es ihm nöthig oder zweck-
mäßig erscheint, die betreffende Sache ausnahmsweise an sich ziehen und selbst erledigen,
und zwar ohne daß eine Beschwerde gegen die Kommission vorliegt. Auch haben die
Kommissionen das Recht, in all' den Fällen, welche sie an und für sich zu erledigen be-
fugt wären, die Sache dem Stadtrath zur Erledigung zu unterbreiten, wenn sie aus
irgendwelchen Gründen, namentlich wegen Zweifelhaftigkeit des Falls, Bedenken tragen,
selbst die Entscheidung zu erlassen.
Artikel 8. Wegen Nebernahme von Rechtsstreiten, Erwerbung oder Veräuße-
rung von Liegenschaften, Gebäuden oder dinglichen Rechten sowie in Bezug auf An-
stellung, Gehalt und Entlassung von Beamten und Bediensteten — mit Ausnahme der
gegen Taglohn Beschäftigten — haben die Kommissionen keine selbständigen Entschlie-
ßungen zu treffen, vielmehr beim Stadtrath das Nöthige zu beantragen.
Urlaubs-Ertheilung an städtische Beamte und Bedienstete ist Sache des Stadtraths.
L. Besondere Bestimmungen.
Artikel 9. §1. Die Schulkommission besteht aus dem Vorsitzenden und
sechs bis acht Mitgliedern, ferner aüs dem Rektor der Volksschule und zwei Haupt-
lehrern, welche der Stadtrath ernennt, je einem Geistlichen der hier vertretenen christlichen
Bekenntnisse, sofern die betreffende Kirchenbehörde denselben als Mitglied bezeichnet und
dem Bezirksrabbiner.
Z 2. Die Schulkommission führt die Aufsicht über die Volks- und Fortbildungs-
schulen der Stadt und übt in dieser Beziehung unter Oberaufsicht des Stadtraths die
Befugnisse aus, welche letzterem durch 8 19, Ziffer 1 der St.-O. übertragen sind.
Artikel 10. Z 1. Der Armenrath besteht aus dem Vorsitzenden, drei weiteren
Mitgliedern des Stadtraths und 14 Stadtbürgern, ferner aus dem Polizeibeamten des
Großh. Bezirksamts, je einem Geistlichen der hier vertretenen christlichen Bekenntnisse,
sofern die betreffende Kirchenbehörde denselben als Mitglied bezeichnet, dem Bezirks-Rab-
biner und dem Armenarzt.
Von den zu Mitgliedern des Armenraths ernannten Stadtbürgern sollen mindestens
drei Viertel Stadtverordnete sein.
§ 2. Der Armenrath erledigt alle diejenigen Geschäfte, welche durch Gesetz oder
Verordnung den örtlichen Armenbehörden zugewiesen sind oder denselben der Natur der
Sache uach obliegen.
Der Armenrath führt die Aufsicht über die städtischen Armenhäuser sowie über das
Waisen- und über das Erziehungshaus. Die Leitung der inneren Angelegenheiten dieser
Anstalten wird durch zwei vom Armenrath gewählte und demselben unmittelbar unter-
stellte Kommissionen für die Armenhäuser, bezw. für das Waisen- und Erziehungshaus,
denen der Hausarzt genannter Anstalten angehören soll, besorgt. Dem Stadtrath bleibt
die Bestätigung der Wahl Vorbehalten.
§ 3. Zur Ausübung der Armenpflege für diejenigen Armen der Stadt, welche
sich nicht in Anstalten befinden, ist die Stadt in Armenbezirke eingeteilt.
Die Abgrenzung dieser Bezirke erfolgt nach Anhörung des Armenrathes durch den
Stadtrath. Die Fürsorge für die Armen wird in jedem Armenbezirk durch einen Armen-
pfleger ausgeübt. Die Armenpfleger werden aus der Zahl der Armenraths-Mitglieder
vom Stadtrath ernannt.
8 4 In Betreff der Grundsätze und Regeln, nach welchen bei Verwaltung der
städtischen Armenanstalten sowie bei Ausübung der Armenpflege in den Armenbezirken zu
verfahren ist, find die bestehenden oder vom Armenrath noch zu erlassenden, der Bestäti-
gung des Stadtraths unterliegenden Satzungen und Dienstweisungen maßgebend.
8 5. Der Armenrath übt durch zwei seiner Mitglieder eine fortlausende Controle
über das Kassen- und Rechnungswesen der Armenkasse aus, wie sie bei der Stadtkasse
nach Art. 12 8 2 lit. d durch zwei Mitglieder der Finanzkommission besorgt wird.
8 6. Der Armenrath hat sich in der Regel alle 14 Tage einmal zu versammeln,
wenn nicht außerordentliche Veranlassungen weitere Sitzungen nöthig machen.
Artikel 11. 8 1- Der OrtsgesundheitSrath besteht aus dem Vorsitzenden,
drei bis fünf Mitgliedern, dem Polizeibeamten des Großh. Bezirksamts, dem Großh.
Bezirksarzt, dein Armenarzt der Stadt, dem Vorstand des städtischen chemischen Labora-
toriums und dem Stadtbaumeister.
Der Ortsgesundheitsrath hat das Recht, in einzelnen Fällen weitere Sachverständige
zu berufen.
8 2. Der Ortsgesundheitsrath ist berufen, bei allen auf die öffentliche Gesundheits-
pflege sich beziehenden Angelegenheiten die zuständigen Behörden begutachtend zu unter-
stützen. Er soll insbesondere gehört werden, wenn es sich um Erlassung gesundheitspoli-
zeilicher Vorschriften oder um Einrichtungen handelt, welche den Gesundheitsstand berühren.
Er hat sich über die gesundheitlichen Verhältnisse der Stadt genaue Kunde zu verschaffen,
die Beseitigung vorhandener Mißstände zu veranlassen und die erforderlichen Maßregeln
gegen etwa ausbrechende ansteckende Krankheiten bei Zeiten vorzubereiten, sowie die
Epidemiebaracken, speziell auch die Dienstführung des Verwalters derselben, zu überwachen.
Der Ortsgesundheitsrath ist verpflichtet, alljährlich einen für die Oeffentlichkeit bestimm-
ten Bericht auszuarbeiten.
8 3. Der OrtsgesundheitSrath hat sich wenigstens alle zwei Monate einmal zu ver-
sammeln, wenn nicht außerordentliche Veranlassungen weitere Sitzungen nöthig machen.
Artikel 12. ß 1. Die Finanzkommission besteht aus dem Oberbürger-
meister als Vorsitzenden und sechs bis 8 Mitgliedern, von welchen zwei aus der Zahl
der Stadtverordneten vom Stadtverordnetenvorstand zu ernennen sind. Im Falle per-
sönlicher Verhinderung des Oberbürgermeisters führt sein gesetzlicher Stellvertreter den
Vorsitz.