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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Mit'mch, den 31. Mai

I8SS.

Des Fronleichnamstages wegen erscheint
die nächste Nummer am Freitag.
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auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Juni
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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15 Pfg. weiter.

Hauptversammlung der deutschen Colonial-
Gesellschast.
Die Hauptversammlung der deutschen Colonialgesell-
schaft wurde am Sonntag in Berlin abgehalten und durch
Herzog JohannAlbrecht von Mecklenburg mit einer Rede
eröffnet. Der fürstliche Redner führte aus, es sei an ihn die
Anregung ergangen, die Gesellschaft möge sich aus Anlaß
der Samoafrage zum Sprachrohr des beleidigten
deutschen Nationalgefühls machen. „Einem solchen Er-
suchen mußten wir Bedenken tragen in dem Umfange, wie
dies vielfach gefordert wurde, zu entsprechen. Noch heute
ist der genaue Sachverhalt der Vorgänge auf Samoa nicht
bekannt, und es würde ein offenbarer Fehler sein, in
schwebende politische Verhandlungen von großer Tragweite
durch vorzeitige leidenschaftliche Kundgebungen einzugreifen,
zumal nach den vom Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes im Reichstag abgegebenen mannhaften Erklärungen
das Vertrauen gewiß gerechtfertigt ist, daß die Ehre und
die Interessen Deutschlands von der Reichsregierung in
vollstem Maße gewahrt werden."
Im weitern Verlauf seiner Rede hob der Herzog her-
vor, daß die von der letzten Hauptversammlung zu Danzig
gefaßten Beschlüsse inzwischen weiter verfolgt worden sind
Und zum Theil bereits zu greifbaren Ergebnissen geführt
haben. Dies ist beispielsweise in der Frage der Usambara-
Eisenbahn der Fall, deren Weiterbau nach erfolgtem An-
kauf durch das Reich nunmehr gesichert ist. Die Hoff-
nung, die er im vorigen Jahre hinsichtlich der segensreichen
Wirksamkeit der Wohlfahrtslo tterie aussprach, hat
bereits zu einem erheblichen Theile Erfüllung gefunden.
Mit Hülfe der durch die Lotterie bereitgestellten Mittel
haben die Hauptbestandtheilc des für den Tanganyika-
see bestimmten Dampfers schon an Ort und Stelle ge-
schafft werden können, und es erscheint die volle Durch-
führung des Dampfer-Unternehmens mit großer Wahr-
scheinlichkeit gesichert. Ferner hat ein bedeutender Betrag
zur Linderung der Hungersnoth in Ufa rama be-
willigt werden können. Nicht minder wichtig erscheint die
Mit Hilfe der Lotterie-Erträgnisse möglich gewordene Unter-
stützung zweier vom colonialwirthschaftlichen Comito aus-
gerüsteten Expeditionen deren eine die Kautschukcultur
und Kautschukgewinnung in Westafrika studiren soll.
Während es der andern obliegt, die alten Kulturen Central-
Uud Südamerikas zu untersuchen und festzustellen, welche
der dort gesammelten Erfahrungen sich für die deutschen
Schutzgebiete verwerthen lassen. Anch für die Unter-
stützung der Uebersiedelung deutscher Frauen und Mädchen
nach Deutsch-Südwestafrika hat die Lotterie Mittel
bereit gestellt, nachdem der vom Vorstand unserer Gesell-
schaft dem Präsidenten überlassene Fonds von 5000 Mark
erschöpft war.
Der Redner gedachte dann der Uebernahme der Ver-
waltung von Neuguinea durch das Reich, der Kabel-

verbindung mit Südwest und der Herabsetzung des Brief-
portos nach den Schutzgebieten. Sodann theilte er noch
mit, daß der Reichskanzler einige Eingaben wegen vor-
gängiger Vollendung der deutsch-ostafrikanischen Central-
bahn vor der das Schutzgebiet berührenden afrikanischen
Südnordbahn folgendermaßen beantwortet hat: „Es besteht
in dieser Beziehung zwischen mir und der Gesellschaft keine
Meinungsverschiedenheit. Ich halte es auch für dringend
wünschenswerth, daß der Bau der Centralbahn dem Bau
der Cap-Kairo-Bahn vorangcht. Aber die Verhand-
lungen, ob eine Gesellschaft sich finden wird, den Bau zu
übernehmen, sind noch nicht zum Abschluß gelangt, und
die Anlage wird sich ohne genügende Gegenleistungen des
Reiches schwerlich verwirklichen lassen."
Geh. Rath Oechel Häuser berichtete über den Ban
der oftafrikanischen Centralbahn, und die Versamm-
lung beschloß: 1. Die deutsche Colonialgesellschaft erachtet
es aus politischen, wirthschaftlichen und civilisatorischen
Gründen für eine unbedingte Nothwendigkeit, die Ostküste
unseres deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes durch eine
Centraleisenbahn mit dem westlichen Seengebiet in Ver-
bindung zu setzen. 2. Sie empfiehlt auf's dringendste,
sofort mit der Ausführung der ersten Baustrecke von Dar-
es-Salaam nach Mkami vorzugehen und beim Reichstag
die Gewährung einer Zinsgarantie für eine zu bildende
Centraleisenbahngesellschaft zu beantragen. 3. Sic an-
erkennt die hohe Wichtigkeit einer das deutsche Interesse
wahrenden Verbindung der Centralbahn mit der von Cecil
Rhodes geplanten großen afrikanischen Transversalbahn.
— Einem Antrag der Abtheilung Schwerin, „die Ver-
waltung der Wohlfahrtslotterie möge aus ihren
Erträgnissen einen Fonds zur Beförderung der Nieder-
lassung deutscher Ansiedler im südwcstafrikanischen Schutz-
gebiete bilden und der Colonialgesellschaft überweisen, um
daraus deutschen Staatsangehörigen, die sich im Schutz-
gebiete dauernd als Landwirthe niederlassen wollen, durch
Gewährung einmaliger Zuwendungen oder zinsfreier, in
kleinen Teilbeträgen binnen bestimmter Frist rückzahlbarer
Darlehen eine möglichst gesicherte Zukunft zu bereiten,"
sagte der Vorsitzende Berücksichtigung zu.
Die Versammlung beschloß ferner auf eine Anregung
aus Colmar i. E.: Dem Reichskanzler ist das Gesuch zu
unterbreiten, dahin zu wirken, daß die Verbindung des
deutschen Kiautschou-Gebietes mit Peking durch die deutsche,
bezw. deutsch-chinesische Bahn möglichst bald herbeigeführt
werde. Ferner in dem ihm geeignet scheinenden Augen-
blick seinerzeit Untersuchungen des Stromgebietes des
Hoangho von Kaifungfu bis zum Uebergang der Bahn-
linie Kiautschou-Tientsin durch deutsche Wasserbautechniker
darüber anstellcn zu lassen, ob und inwieweit sich eine
Regulirung dieses Theils des Hoangho unter deutscher
Leitung als durchführbar und empfehlcnswerth erweist.
Die Abtheilung Homburg v. d. H. beantragte: „Die
Reichsregierung zu ersuchen, die erheblichen deutschen
Handelsintercssen in Trip oli tauten und dessen Hinter-
land zu wahren, insbesondere 1. durch Errichtung eines
deutschen Berufsconsulats in Tripolis; 2. durch Sicherung
der bedrohten Freiheit der Karawanenstraßen von Tripo-
litanicn in der Richtung nach dem Tschadsee für alle
Stationen in der bisherigen Weise; 3. durch Veranlassung
geeigneter Maßnahmen zur Einbeziehung von Tripolis in
den direkten deutschen Dampferverkehr. Von den Waaren,
die durch Tripolitanien nach der Sahara gehen, seien gut
ein Drittel deutschen Ursprungs. Die deutsche Industrie
beherrscht die dortigen Gegenden. Wenn aber Deutschland
nicht Einspruch erhebt, so schneidet ihm Frankreich den
Absatz ab." Der Antrag wurde ebenfalls angenommen.

Bei der Erörterung, an der sich der Vorsitzende be-
theiligte, empfahl er zwar vorsichtige Zurückhaltung in po-
litischen Dingen, aber energisches Eintreten für unsere
Handelsinteressen, und bemerkte dabei: „Die Stimmen der
Colonialgesellschaft wiegen schwerer als einige Vorredner
andeuteten." Die Abtheilung Tilsit beantragte: „Der
Ausschuß wolle, falls dies für zweckmäßig erachtet wird,
bei der Reichsregierung auf Beschleunigung im Ausbau
der deutschen Flotte hinwirken: 1. Die Gesellschaft,
welche bereits in der Hauptversammlung in München vom
12. Juli 1897 für eine Verstärkung der deutschen Flotte
eingetreten ist, spricht der Rcichsregierung und dem Reichs-
tag den wärmsten Dank für den Ausbau der deutschen
Flotte aus. 2. Sie vertraut, daß die Rcichsregierung auf
den Ausbau der deutschen Flotte bedacht sein wird, damit
sie eine der Bedeutung und Ausdehnung unserer Handels-
beziehungen entsprechende Stärke erhält. 3. Sie erwartet
die nachhaltige Förderung der Flotte von der Regierung."
Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.
Als Ort der nächstjährigen Hauptversammlung wird
Koblenz gewählt. Die Herbstversammlung wird in Straß-
burg, die Hauptversammlung von 1901 voraussichtlich in
Lübeck stattfinden. Die Vorstandswahl wurde durch 205
gültige Stimmzettel vollzogen. Auf Herzog Johann
Albrecht zu Mecklenburg fielen sämmtliche Stimmen. Mit
einer Dankansprache des Herzogs Johann Albrecht und
einem auf Seine Hoheit ausgebrachten Hoch schloß die
Versammlung.

Wochen-Chronik.
(Vom 21. bis zum 27. Mai.)
Mai 22.: Der frühere Centrumsabgeordnete Majunke, zur
Zeit des schärfsten Kulturkampfes in Preußen viel-
genannt, stirbt.
„ 23.: Die deutschen Parteien Oe st erreich s, mit
Ausnahme der Klerikalen und Schönertaner, haben ein
gemeinsames Programm aufgestellt.
„ 24.: In Berlin tritt ein Kongreß zur Bekämpfung
der Tuberkulose als Volkskrankheit zusammen.
„ 25.: Zwischen den leitenden Ministern Oesterreichs
und Ungarns finden wiederholt Konferenzen, zum
Theil unter dem Vorsitz des Kaisers, zur Berathung
des Ausgleichs statt. Dieselben zeigen, daß sich die
Habsburgische Monarchie in einer schwer zu über-
windenden Staatskrisis befindet.
„ 25.: Das Kaiserpaar trifft in Kassel zum Gesangs-
wettstreit ein.
„ 25.: Emilio Castelar, ehemals Präsident der spanischen
Republik, stirbt.
„ 26.: Die H a a ger Fri edenskonferen z ist eifrig an
der Arbeit; die Berichterstattung über dieselbe läßt
jedoch sehr zu wünschen übrig, so daß man kein deut-
liches Bild von dem Gange und den Ergebnissen der
Beralhungen erhält.
„ 26.: Die Schweizerische Bundesregierung schlägt ein
Tabakmonopol zu Gunsten einer Kranken- und
Unfallversicherung vor.

Deutsches Reich.
— Auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin fand gestern
die Frühjahrsparade des Gardekorps in An-
wesenheit deS Kaiserpaares statt. Dem militärischen Schau-
piel wohnten u. A. auch der österreichische Thronfolger
bei, der sich z. Zt. zum Besuch seiner Schwester in Berlin
befindet. Das Feld war von ungeheuren Menschenmassen
umsäumt, die dem Kaiserpaar stürmische Huldigungen dar-
brachten. Nach der Begrüßung ritt der Kaiser die Fronten
ab, die Truppen präsentirten. Sodann marschirtcn die
Truppen vorbei, die Infanterie in Kompagniefront, die
Kavallerie in Schwadrons-, die Artillerie in Batteriefront,
die berittenen Truppen im Schritt. Beim zweiten Vorbei

Josephinens Glück.
12) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
Josephine hörte und sab, wie Bruno das Mädchen küßte;
es lief ihr wie Eis durch alle Glieder, ihre -Hände ballten
sich, sie hielt den Athem an: „Die Leichtfertige!" stöhnte sie
leise.
»Jetzt — lassen Sie mich aber los," raunte Elise, „oder
ich — schreie."
Er warf ihr noch eine Kußhand zu und verließ trällernd
das Haus.
Als Elise sich der Treppe zuwandte, um den Kaffee hinauf
zu tragen, floh Josephine in ihr Schlafzimmer, wo sie sich
einschloß.
Sie fühlte sich tief erschüttert. Es schien ihr, als sei
etwas Ungeheures, Unsühnbares geschehen.
Aber das Mädchen hatte mit ihm kokettirt. Das stand
lest. Wie sie los werden? Sollte sie Elise vornehmen, ihr
eingestehen, daß sie Zeugin dieses widerlichen Auftritts ge-
wesen sei?
Das kecke Ding würde es ihm sagen, und dann — dann
— sollte sie ihm wieder gegenüber treten; nein, sie konnte
das nicht!
Die Närrin mochte zu ihrer Mutter reisen, Josephine
wollte ihr Kostgeld und Lohn nachschicken, und sogleich ein
anderes Stubenmädchen annehmen. Sie würde ihr dann
schreiben, der Herr Rath habe gesehen, daß sie mit dem Haus-
genossen liebäugele und dulde das nicht.
Als sie endlich zu ihrem Vater in's Frühstückszimmer
trat, neckte er sie wegen ihres langen Schlafens: „Du stehst
noch ganz verquer und verstört aus. Das Träumen in den
Tag hinein bekommt Dir nicht."
Josephine sann unter bitteren Schmerzen über den Vorfall
vom Morgen nach. Was bedeutete ihr das Mädchen, auf
das sich ihr erster Zorn gerichtet? Äruno hatte ihr den

/ Stachel in die Seele gedrückt. Nur seinetwegen suhlte sic sich
so grenzenlos verstört.
Ihr früheres Urthcil über ihn, das sie längst verworfen
hatte, drängte sich ihr wieder auf.
Wie durfte er hier in ihrem ehrbaren Hanse der Verlockung
des hübschen Mädchens nachgeben? Allein sie bemühte sich
doch, ihn zu entschuldigen. Ihr Herz ward übervoll von Für
und Wider, von Bemülhskämpfen und leidenschaftlichen
Wallungen. ^ ..
Die scheue knospende Liebe der ersten Jugend war ihr
fremd geblieben, jetzt erst ward sie ein heiß empfindendes und
ringendes Weib. ^ .
Sie war reif und klug genug, die Kluft zwischen seiner
und ihrer Natur zu ermessen. Nicht der Altersunterschied
allein trennte sie, — es gab manche Ehen mir ungünstigen
Altersverhältnissen, — weit trennender wirkte die große Ver-
schiedenheit ihres beiderseitigen Wesens. Immer und immer
wieder trat dies grell hervor.
Aber meinte man nickt, daß die Ehen am glücklichsten
seien, in denen zwei gegensätzliche Naturen ausgleichend und
erziehlich auf einander zu wirken vermöchten?
In solche Erwägungen verloren, saß Josephine, nach der
Erschütterung, die ihr der frühe Morgen gebracht, mechanisch
zwischen Briefen und Papieren räumend, vor dem Schreib-
tisch in ihrem Zimmer. Da fiel ihr ein Büchlein in die Hand,
das ihr d,e in Philadelphia verheirathete Schwester vor Jahren
einmal mit anderen Weihnachtsgegenständen geschickt hatte.
Es war spannelang und handbreit, von hellblauem Atlas und
Goldschnitt. Ihr Name stand in Blumcnarabesken gestickt
daraus und ein goldener Stift schloß das elegante Heftchen.
Als dieses Notizbuch damals in Josephinens Besitz ge.
langte, batte sie es, als viel zu zierlich für den Gebrauch,
zur Seite gelegt, heute wog sie es mit einem unbestimmten
Verlangen in der Hand. .
Wie hätte sie zu irgendsemandem aus der Welt von den
Kämpfen sprechen können, die ihr ganzes Gemüthsleben er-
schütterten. Laut auszusprechen war solch ein zartes und
heiliges Empfinden ja garnicht.

Eine plötzliche Lust wandelte sie an, diesem schönen kleinen
Buche ihre inneren Erlebnisse anzuvertrauen. Ja, eine solche
Beichte mußte ihr wohlthun und ihre übervolle Seele ent-
lasten.
Sie öffnete das Buch, folgte ihrem Verlangen, schrieb mit
dem goldenen Stift auf das erste Blatt: „Meine Herzens-
kämpfe", und begann dann auf der nächsten Seite, ohne Wahl
der Worte, all' ihr Denken und Fühlen auSzuströmen.
Nachdem sie eine Weile geschrieben batte, athmete sie auf
und verschloß den Erguß ihres belasteten Gemüths im
Schreibtische.
Als sie sich jetzt erhob, um zum Mittagessen hinunter zu
gehen, zur ersten schweren Begegung mit Bruno nach dem
peinlichen Eindruck von heute Morgen, schien es ihr, als sei
eine gewisse Erleichterung und Festigung ihr zu Hülfe ge-
kommen. Nun wurde es ihr aber doch schwerer, als sie ge-
dacht batte, dem kecken Sünder mit einiger Unbefangenheit
gegenüber zu sitzen. Sein harmlos fröhliches Gesicht, das sic
nur scheu von der Seite anzusehen wagte, und sein lustiges
Geplauder waren aber so unverändert, daß sie kaum mehr
an das, was doch ihre Sinne wahrgenommen batten, glauben
konnte.
Als er ihre Verstimmung bemerkte, legte er seine Hand
auf die ihre, und sagte zutraulich: »Was fehlt denn unserer
Gütigen? Was hat den Sonnenschein aus Ihrem Blick ver-
scheucht. Josephine?"
„Sie ist mit dem linken Fuße aus dem Bette gestiegen,"
meinte der Vater scherzend. ,
Josephine entzog dem sie freundlich Anschauenden ihre
Hand und erwiderte, sie habe etwas Kopfschmerzen. Als
Elise gegangen und ein ältliches Hausmädchen eingetreten
war, verminderte sich Josephinens Unbehagen. Sie konnte
nicht anders als Bruno vergeben und ihm so gut sein wie zu-
vor ; die Macht seiner Persönlichkeit über ihr Empfinden war
zu groß. Sie mußte ihn ansehen, ihn beobachten, sich an
jedem Zuge erfreuen, und indem sie ihn ansah, verklärten
sich, ohne daß sie es wußte, ihre Mienen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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