Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0564

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
marsch passtrten letztere im Trab, die Infanterie in Re-
gimentskolonne. Die Haltung der Regimenter war vor-
züglich, und der Vorbeimarsch gelang beide Male aufs
glänzendste. Der Kaiser führte beide Male das 2. Garde-
regiment vor, Erzherzog Franz Ferdinand das Kaiser
Franz-Grenadierregiment, dem er fl In snits gestellt wurde,
worauf der Kaiser mit ihm nochmals die Front des Kaiser-
Franz-Grenadierregiments abritt, Der Kaiser kehrte dann
unter jubelnden Hochrufen der Menge an der Spitze der
Fahnen und Standarten ins Berliner Schloß zurück.
— Das Amtsblatt des Reichspostamtes veröffentlicht
nachstehenden Erlaß des Staatssekretärs v. Podbielski:
An vielen Orten des Reichspostgebietes bestehen Post-
unterbea mtenvereine, die der Pflege kameradschaft-
licher Geselligkeit und der Hebung der wirthschaftlichen Lage
gewidmet sind. Alle diese Vereine können, wenn sie sich
auf einzelne Orte und deren Umgebung beschränken, in vielen
Fällen segensreich wirken und wohl geeignet sein, die
Berufsfreudigkeit ihrer Mitglieder zu fördern. Bei der
Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den einzelnen Bezirken
und im Hinblick auf die Größe des Reichspostgebiets erachte
ich aber die Ausdehnung solcher Postunterbeamtenveretne
über mehrere Postdirektionsbezirke nicht für richtig und
bestimme gleichzeitig, daß in die Vorstände und sonstige
leitende Stellen der Vereine, also besonders für die Ver-
waltung der Vereinsgelder nur solche Mitglieder gewählt
werden dürfen, die noch im Dienste stehen. Vorstehender
Erlaß ist sämmtlichen Unterbeamten alsbald gegen Aner-
kenntniß bekannt zu geben.
— Der Verband deutscher Eisenwaaren-
händler hielt seine diesjährige Generalversammlung am
28. Mai in Würzburg ab. Von allgemeinem Interesse
war die Besprechung über die Regelung der Arbeitszeit
und Arbeitsverhältnisse in den Ladengeschäften. Es ge-
langte eine Resolution zur Annahme, welche sich für eine
reichsgesetzliche Regelung der Arbeitszeit ausspricht und die
Ladenschlußzeit von 9 Uhr Abends bis 5 Uhr Mor-
gens als angemessen bezeichnet.
Wilhelmshaven, 26 Mai. Mit dem gestern an Bord
des Lloyddampfers Darmstadt eingetroffenen Ablösungstransport
sind etwa 680 Mannschaften des dritten Seebataillons und des
Artilleriedetachements aus Ostasim zurückgekehrt, welche die ersten
Pioniere waren, die Ende Dezember 1897 unter dem Kommando
des Majors Kopka v. Lossow hinausgingen und mithin IV, Jahre
in Tstntau und anderen Plätzen unserer neuen Kolonie gestanden
haben. Der den Heimgekchrten bereitete Empfang war überaus
herzlich. Heute wurden die Leute, welche mit einem Hnrrah von
ihrem Schiffe Abschied nahmen, ausgeschifft und mit klingendem
Spiel in die Kaserne geführt, von wo aus die Entlassung in einigen
Tagen erfolgt. Die Kiautschou-Mannschaften kommen daher vier
Monate früher zur Entlassung als ihre Kameraden, wodurch sie
für die Anstrengungen der langen Seereise und die Pionierarbeit
im Schutzgebiete reichlich entschädigt sind. Wie die Köln. Ztg.
hört, liegt es in der Absicht des Gouvernements, Eingeborene
militärisch auszubilden und eine Kompagnie aus ihnen zu for-
miren, welche dem dritten Seebataillon zu attachiren sein würde.
Baden. L. 0. Karlsruhe, 80. Mai. An Stelle
des zum Präsidenten der Oberrechnungskammer ernannten
Geh. Raths Joos wurde (siehe Amtliches) der Ministerial-
direktor im Ministerium des Innern, Geh. Rath Dr.
Schenkel, zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes
ernannt. Schenkel ist 1845 in Schaffhausen geboren und
seit 26 Jahren ununterbrochen im Ministerium thätig, in
das er 1873 von Heidelberg, wo er Amtmann war, be-
rufen wurde. Zu seinem Nachfolger wurde der erst kürz-
lich zum Landeskommissär für die Kreise Karlsruhe und
Baden designirte Geh. Oberreg.-Rath Heil bestimmt, an
dessen Stelle der seitherige Referent für das Gewerbewesen,
Geh. Oberreg.-Rath Braun, die Funktionen eines Landcs-
kommissärs übernimmt. Neu ins Ministerium des Innern
berufen wurde Oberamtmann Seubert in Donaueschingen,
ein geborener Karlsruher, Bruder des Ministerialdirektors
Seubert, früher in Lörrach, Konstanz, Mannheim, Säckingen,
Müllheim und Sichern als Amtmann bezw. Amtsvorstand
thätig. Der neue Ministerialrath steht im 47. Lebensjahr.
Ans der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Ministerialdirektor im Ministerium des Innern, Geheimerath II.
Klasse Dr. Karl Schenkel, znm Präsidenten des Verwaltungs-
gerichtshofs und den Landeskommissär Geh. Oberregierungsrath
Karl Heil in Karlsruhe unter Entbindung von der Stelle des
Landeskommissärs für die Kreise Karlsruhe und Baden zum
Ministerialdirektor im Ministerium des Innern ernannt, dem
Geheimen Oberregierungsrath im Ministerium des Innern Otto
Braun die Stelle des Landeskommissärs für die Kreise Karlsruhe
und Baden mit dem Wohnsitz in Karlsruhe übertragen und den
Amtsvorstand Oberamtmann Moritz Seubert in Donaueschingen
zum Ministerialrath im Ministerium des Innern ernannt.
Karlsruhe, 30. Mai. Gegen 2 Uhr reisten der
Kronprinz, die Kronprinzessin und Prinz Gustav von
Schweden und Norwegen nach Koblenz ab. Die Groß-
herzogin begleitete dieselben zum Hauptbahnhof und besuchte
darnach die Prinzessin Wilhelm. Die Abreise der Groß-
herzoglichen Herrschaften nach Kiel erfolgt um halb 6 Uhr.
Dieselben sind begleitet von der Hofdame Freiin v. Schönau,
dem Oberhofmarschall Grafen von Andlaw, dem General
fl In, ouits Generalmajor Müller und dem Hofarzt Dr
Dreßler. Die Erbprinzessin von Anhalt reist mit Ihren
Königlichen Hoheiten bis Frankfurt und kehrt dann nach
Dessau zurück.
ÄH land.
Oesterreich-Ungarn. Bemerkcnswerth ist, wie sich ein
maßgebendes Organ der mehrsprachigen Schweiz, der
Berner Bund, über die national-politischen Forderungen
der Deutschen in Oesterreich äußert. Er schreibt:
„Es herrscht in außerösterreichischen Landen vielfach die
Ansicht, daß die Czechen eigentlich nichts Ungebührliches
verlangen. Man verweist da öfters auf das Beispiel der
Schweiz. Nichts ist ungereimter als das. In der Schweiz
fällt es keiner Nationalität ein, zu fordern, was die Cze-
chen in Böhmen, Mähren und Oesterreichisch-Schlesien ver-
langen. Nur in den gemischtsprachigen Kantonen haben
wir eine gemischtsprachige Verwaltung. Keinem Menschen
fällt es ein, im Kanton Waadt oder Neuenburg eine ge-

mischtsprachige Verwaltung zu verlangen, obwohl die Zahl
der Deutschsprechenden daselbst sehr groß ist. Umgekehrt
verlangt Niemand im Kanton Solothurn, Aargau oder
Zürich von den Beamten den Gebrauch der franz. Sprache,
obwohl dort viele französisch-sprechende Einwohner leben.
Dabei ist noch zu bemerken, daß Französisch und Deutsch
Kultursprachen sind, deren Kenntniß in der Schweiz bei
der Mehrzahl der Gebildeten vorausgesetzt wird, während
das Czechische im Weltverkehr keine Rolle spielt. Die czechi-
schen Forderungen gehen auf eine allmähliche Verdrängung
der deutschen Beamten aus der Verwaltung hinaus, denen
die Erlernung der äußerst schwierigen czechischen Sprache
viel schwerer fällt, als umgekehrt den Czechen die
Erlernung des Deutschen, das immer noch die Reichs-
sprache bildet und dessen Kenntniß daher unumgänglich
nothwendig ist. Durch die Czechisirung der Verwaltung
soll die völlige Czechisirung des Landes eingeleitct werden,
das ist das Endziel der czechischen Bestrebungen. Die
Deutschen ihrerseits verlangen nichts Unbilliges. Die
Lösung des Sprachenstreites, wie sie von den Deutschen
angestrebt wird, würde ungefähr dem in der Schweiz
geltenden Rechtszustande entsprechen."
Frankreich. Paris, 30. Mai. Im Prozeß
Drehs ns führte zunächst der Referent des Kassations-
hofes Ballot-Beauprs seine Berichterstattung zu Ende. Er
sei, sagte er, fest überzeugt, daß Esterhazy das Bordereau
geschrieben habe. Das sei eine neue Thatsache, wie sie
das Gesetz für die Revision verlangt. Er beantrage die
Kassation des Urtheils vom Jahre 1894 und die Ver-
weisung des Dreyfutz vor ein neues Kriegsgericht. Hierauf
ergriff der Generalstaatsanwalt Manau das Wort und
sprach nach einer ergreifenden Einleitung seine Freude aus,
daß endlich die Zeit angebrochen sei, in der ein schreck-
licher Justizirrthum wieder gut gemacht wer-
den solle, trotz der Beschimpfungen und Beleidigungen,
die gegen die Vertheidiger der Justiz und gegen die Richter
angewandt worden seien. Er erinnerte an das Wort
Zurlindens, daß die Armee keineswegs gegen die Revision
sei, und kündigte an, daß auch er die Kassation des
Urtheils von 1894 und die Verweisung des Dreyfus
vor ein neues Kriegsgericht beantragen werde. Er be-
spricht sodann das theatralische Auftreten Henrys im
Jahre 1894 und erklärte die Fälschung Henrys für eine
neue Thatsache. Diese Fälschung thue die Unschuld des
Dreyfus im Sinne des Gesetzes dar. Er ging sodann
auf das Bordereau ein und stellte fest, daß es von
d'Ocmescheville vom April datirt wurde, was vom
Generalstab in August umgeändert wurde für das Be-
dürfniß den Anklage gegen Dreyfus. Auch diese
Datumsänderung sei eine neue Thatsache. Uebrigens seien
neue Thatsachen in Menge vorhanden, und der Kassations-
hof werde bei ihrer Auswahl in Verlegenheit kommen.
Auch er halte Esterhazy für den Urheber des Bordereaus.
Die weitere Verhandlung wurde dann auf morgen vertagt.
Das Colonialministerium im Verein mit den militärischen
Behörden ist gegenwärtig damit beschäftigt, alle Vorkeh-
rungen zu treffen, um die Rückkehr des Dreyfus
nach Frankreich sofort nach dem Spruche des Kas-
sationshofes in die Wege zu leiten. Die Militärbehörde
besteht darauf, daß Dreyfus als Gefangener zurück-
gebracht wird. Formell ist sie dabei im Recht, denn wenn
auch das Urtheil des Kriegsgerichts auf Degradirung
und Verbannung durch den Kassationshof aufgehoben wird,
so bleibt doch die Anklage auf Landesverrath gegen den
Hauptmann Dreyfus noch immer bestehen, und Dreyfus
kehrt nicht als Freigesprochener, sondern als Angeschuldig-
ter von der Teufelsinsel in die Heimath zurück. Anders
läge die Sache, wenn das Urtheil des Kassationshofes
einfach auf Aufhebung des kriegsgerichtlichen Urtheils
(ohne Verweisung an ein neues Kriegsgericht) lauten
würde. In diesem Falle wäre Dreyfus sofort frei.
Paris, 30. Mai. In der heißen Sehnsucht nach
einem Nationalhelden haben die Franzosen sich augenblick-
lich dem General Gallien i, der Madagaskar unterjocht hat,
und dem Major March and, der Afrika durchquert hat,
zugewandt. Marchand, der bis Faschoda kam, den Punkt
aber aufgeben mußte, weil Frankreich sich den Engländern
nicht zu widersetzen wagte, ist heute in Toulon eingetroffen
Die Regierung hat Befehl gegeben, daß er sofort mit
Sonderzug nach Paris komme. Sie will dadurch alle
Demonstrationen verhindern.
Belgien. Für die erfreuliche Thatsache, daß die
50 000 Deutschen Belgiens nicht rettungslos der Ver-
wischung anheimgefallen sind, liefert eine neue Zeitschrift:
Deutsch-Belgien einen vollgültigen Beweis. Der Kampf
zur Erhaltung ihres Volksthums datirt vom Jahre 1893,
wo in Arel (Arlon) der Hauptstadt Deutsch-Belgiens, ein
„Deutscher Verein zur Hebung und Pflege der Mutter-
spräche" gegründet wurde, dessen Organ die neue, von dem
Lütticher Professor Gottfried Kurth herausgegebene Zeit-
schrift ist. Ueber den Ursprung und die bisherige Tätig-
keit des deutschen Vereins, des Trägers der deutschen Be-
wegung in Belgien, berichtet in fesselnder Weise der Schrift-
führer, Friedensrichter Jungert in Arel. Der von Kurth
gegründete, anfänglich nur 18 Mitglieder zählende Verein
hatte mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, wovon
die bedeutendste die allgemeine Gleichgültigkeit war, mit der
seine Bestrebungen in Deutsch-Belgien selbst infolge der
allzu stark eingefressenen Verwischung ausgenommen wurden.
Nach und nach glückte es jedoch dem Verein, diese Gleich-
gültigkeit zu brechen. Es gelang ihm, jährliche, gut be-
suchte Versammlungen der Deutsch-Belgier abzuhalten,
öffentliche Vorlesungen und dramatische Abendunterhaltungen
zu veranstalten, einen für das Volk bestimmten, öffentlichen
Lehrgang der deutschen Sprache in Arel einzurichten, zwei
deutsche Volksbibliotheken zu gründen, im Jahre 1896 eine
Flugschrift herauszugeben und gelegentlich der Erörterung des
/ niederländischen Sprachengesetzes im vorigen Jahre eine all-
> gemeine Bittschriftenbewegung des deutsch-belgischen Volkes

an die Regierung behufs amtlicher Anerkennung der deutschen
Sprache ins Werk zu setzen. Inzwischen stieg die Zahl
der Mitglieder auf 86. Mit froher Zuversicht blickt der
Berichterstatter in die Zukunft. Der Bestand des Vereins
ist nunmehr gesichert, und sein erstes Ziel, nämlich die
Wiedererweckung des deutschen Bewußtseins im deutschredenden
Theile Belgiens, ist in ziemlich befriedigender Weise erreicht-
Die amtlichen Erfolge der Bewegung sind hingegen bis-
heran noch ganz geringfügig. Energisch wird das Recht
auf deutschsprechende Beamte und auf eine gründliche Uw«
Wandlung des Unterrichswesens in Deutsch-Belgien betont.
Spanien. Madrid, 27. Mai. Die Zeitungen ver-
öffentlichen einen Abriß des Gesetzentwurfes über die
Heeresreform. Hiernach soll der Militärdienst künftig
obligatorisch sein; ferner sollen die Auneecorps
reorganisirt und in den Regimentern dritte Bataillone ge-
schaffen werden. Durch diese Reform würde sich die
Friedensprüsenzstärke des Heeres auf 250 000 bis 300 000
Soldaten stell n. Es ist außerordentlich interessant, daß
das sehr zurückgegangenc spanische Volk zu der allgemeinen
Militärdicnstpflicht greift, um sich wieder in die Höhe zu
schaffen. Das sollte allen Abrüstungsfreunden zu denken
geben.
Asien. Der Times wird aus Peking vom 29. d.
gemeldet: In der Angelegenheit der Forderung Ruß-
lands, eine direkte Eisenbahn von der Mand-
schurei nach Peking zu bauen, hat sich nichts geändert.
Die Russen lassen die Weigerung Chinas, ihnen dieses
Recht einzuräumen, unbeachtet und betonen, daß ihre
Forderung in Uebereinstimmung stehe mit der Zusatznote
zum englisch russischen Abkommen. Durch unglückliche Ab-
fassung dieses Abkommens, sagt der Berichterstatter, seien
die englisch-russischen Mißhelligkeitcn gesteigert, der britische
Einfluß in China geschwächt und große Unzufriedenheit
bei den Japanern hervorgerufen worden.
Peking, 30. Mai. Der deutsche Gesandte v. Hey-
king wurde heute vom Kaiser in Audienz empfangen
und überreichte demselben den Schwarzen Adlerorden und
der K a i s er in-W i tt w e zwei in der Berliner könig-
lichen Porzellanmanufaktur hergestellte Girandolen.
Amerika. New-Jork, 29. Mai. Nach einer amt-
lichen Depesche aus Manila ist eine Truppenab-
theilung unter Führung des Hauptmanns Tilley, die
znm Zwecke einer Kabelausbesserung in Escalante auf oer
Negrosinsel gelandet war, von den Eingeborenen ange-
griffen worden; Hauptmann Tilley wird vermißt. Nach
einem Bericht des New-Aork Herald ist eine Anzahl
malaiischer Seeleute, die mit Tilley gelandet waren, von
den Aufständischen gefangen genommen und in Stücke
geschnitten worden. Der Herald meldet ferner, General
Otis habe erklärt, der Feldzug auf den Philippinen werde
während der Regenzeit mit äußerster Energie fort-
geführt werden._
Äus Stadt und Land.
Heidelberg, 31. Mai.
m Vom Kohlenmarkt. Die Lage des Kohlenmarktes ist Heuer
eine gegen die früheren Jahren wesentlich veränderte. War es
die Hausfrau gewöhnt, bei den Kohleneinkäufen des Frühjahrs
mit billigeren Preisen als denen des vorausgegangenen Winters
zu rechnen, so ist schon diese Rechnung dieses Jahr zu nichts ge-
worden, da die Preise trotz des gelinden Winters eine Ver-
theuerung erfahren haben, die indes nur den kleineren Theil
dessen vorstellt, was den Kohlenverbrauchern noch bevorsteht. Der
von Jahr zu Jahr steigende Bedarf an Kohlen für Hausbrand,
noch mehr aber der flotte Gang der Industrie erleichtern es dem
Ruhrkohlen-Syndikat ungemein, die diesjährigen Verkäufe zn
wesentlich theuereren Preisen zu thätigen, wie im verflossenen
Jahre. Die Grossisten mußten sich dabei schon eine starke Be-
schneidung der von ihnen verlangten Mengen gefallen lassen, da
das Syndikat in der That nicht im Stande war, die Mengen
alle zu erzeugen, die von ihm verlangt wurden. War damit die
Grundlage für einen allgemeinen Preisaufschlag gegeben, so ge-
sellte sich dem noch der Streik in Belgien hinzu, der große Mengen
Ruhrkohlen nach Belgien zog, wo dieselben natürlich mit großem
Preisvortheil verkauft und dem um Kohle selbst verlegenen Deutsch-
land entzogen wurden; aber nicht genug damit, setzte auch an der
Saar, die vorzugsweise die süddeutsche Industrie mit Brennstoff
versieht, der S.ceik ein, damit abermals die Verlegenheit der
Verbraucher um Kohlen vermehrend und — wiederum die Preise
in die Höhe treibend. Unter solchen Verhältnissen ging die In-
dustrie dazu über, die früher ausschließlich dem Hausbrand
dienenden Sorten ebenfalls zu konsumiren, sodaß ein recht bedeu-
tender Mangel an Ruhrfettnüssen für Hausbrand heute schon
mit Bestimmtheit für Spätjahr und Winter sich vorher sagen
läßt. Die Folge davon werden wiederum Preisaufschläge sein
und wir können es daher denen, die es mit ihrem Geldbeutel gut
meinen, nicht dringend genug an's Herz legen, ihren Bedarf an
Kohlen sofort einzulegen, und dessen Deckung nicht auf die lange
Bank zu schieben. Die Leser werden uns für diesen guten Rath
noch Dank wissen.
X Rudersport. Der Heidelberger Ruder-Klub veranstaltet
morgen Nachmittag eine Regatta unter seinen Mitgliedern. Es
sollen 5 Vierer- und ein Zweier-Rennen gefahren werden. Der
Start ist an der Groß°Mantelgasse, das Ziel unterhalb der neuen
Brücke. Während der Regatta findet Konzert der Heidelberger
Militärkapelle auf dem Vorland vor dem Boothaus statt. Freunden
des Rudersports dürfte ein genußreicher Nachmittag bevorstehen.
A Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Die Firma A.
Hamm hier (Maschinenfabrik und Eisengießerei) wird in eine
Actiengesellschaft umgewandelt. Das Aktienkapital beträgt
Mk. 1000000. Zum Vorstand wurden bestellt Herr Wilhelm
Müller und Herr Earl Geiger. Der Aufsichtsratb besteht aus den
Herren W. Molitor als Vorsitzender, Rechtsanwalt Hammer hier
als Stellvertreter und den Bankiers Hermann Soherr in Mann-
heim und S. Katz in Hannover.
X Des Fronleichnamstages wegen fällt der Donnerstags
auf dem Wilhelmsplatz stattsiudende Wochenmarkt
morgen aus.
— Unfall. Ein Dienstmädchen wurde gestern in der Bismarck-
straße von einem Radler überfahren; sie erhielt dabei am ArM
eine Rißwunde und mußte sich im akademischen Krankenhause
verbinden lassen.
m Schöffengerichtsfitzung vom 30. Mai. 1) Ludwig Renner
von Leimen erhielt wegen Körperverletzung 2 Wochen Gefängniß'
2) Weber Johann Henrichs von Gezkerath und Heizer Wolfgang
Adam Zimmermann von Eslarn, erhielten wegen Körperverletzung
Henrichs eine Geldstrafe von 20 »«t, Zimmermann eine solche
von 35 3) Adam Doersam von Rohrbach, wegen Beleidigung'
Körperverletzung und Ruhestörung 4 Wochen Gefängniß. 4) Jakob
Krambs und Peter Gottfried von Kirchheim sind wegen Belei-
digung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und Ruhestörung
angeklagt; Krambs erhielt 5 Wochen Gefängniß, Gottfried wurde
fceigesprocheu. 5) Jakob Krambs, Michael Schwebler, Georg
 
Annotationen