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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Xr. 40.

Politische Umschau.
Heidelberg, 16. Februar.
Für die zur Zeit in Frankreich herrschende Stimmung
^ ein Aufsatz sehr charakteristisch, den der Dichter Ra-
^eau un Gaulois veröffentlicht. Herr Ramcau will von
s^r durch Herrn Dupny unternommenen angeblichen Be-
^wichtigungspolitik nichts wissen und begründet seine
Anschauungen wie folgt:
Die Aerzte huldigten früher der Ansicht, daß die Menschen
°?n Zeit zu Zeit einen Aderlaß nothwendig hätten, um sich
Mer soliden Gesundheit zu erfreuen. Die Theorie ließe sich
Anso gut auf die Nationen anwenden. Es gibt im Völker-
kver, wie in dem der Individuen Perioden des Unbehagens und
?snn muß sich fragen, ob das System des Aderlassens, von dem
Zk Wissenschaft für die Personen nichts mehr wissen will, für
^krankhaft veranlagten Völker nicht unentbehrlich ist. Wer
^°>ß, ob ein wirklicher Bürgerkrieg nicht vor zwei
drei Jahren ein Glück für Frankreich gewesen
?mre? Tausend Individuen mit angefaulten Seelen genügen,
M die Faulniß über ein ganzes Land zu verbreiten. Wenn

Tausend von Individuen die Ungerechtigkeit, den Haß und
z, Wildheit weit genug getrieben hätte, so wäre zweifellos eine
'Maktion eingetrcten und die ehrlichen Leute hätten sie am Galgen
.Mehängt. Wirkliche Kugeln hätten diese Schmutzherzen durch-
.^cherl. Wir wären jetzt von ihnen befreit, wir wären gesund,
^ wären friedfertig und wir könnten fröhlich arbeiten ... Und
Inhalt, fragen sich einige unter uns, wie barbarisch und unmensch-
, w das auch erscheinen mag, ob cs nicht besser wäre, anstatt nach
Mr immer problematischer werdenden Einigung zu seufzen, eine
?ffrschljmmerung des Hasses und der Wildheit zu wünschen, ein
swön es Aufkochen der Wuth, kurz das große ,6imm-
^aswöllt", einen rothen und plötzlichen Aderlaß,
i" uns in wenigen Tagen von Allem befreit, was uns lang-
tödtet. Man sage garnicht, daß das ein zu grausamer
Wunsch ist. Keine blutige Bartholomäusnacht, keine morddren-
Msche Kommune hat uns mehr Unheil verursacht als diese
Jahre scheinbarer Ordnung und oberflächlichen Friedens,
seiche Bürgerkriege haben unserem Handel schwerere Schäden
gefügt? Welche Niederlagen sind für unser Prestige verhäng-
. svollcr gewesen? Gab es je verheerende Schlachten, die einer
.'"blichen Nation jährlich eine Million Menschen entrissen hät-
Das ist die Ziffer, die wir wirklich verlieren, da es die ist,
2/unsere Gegner gewinnen. Ja, wünschen wir sie lieber, die
°mtze Erschütterung! Wünschen wir kühn die barba-
r'iche, aber befreiende Thal herbei! Hundertmal
mjjrx eine schöne Blutrakete als dieser schwarze
e>unamm, der immer höher steigt, der sich immer weiter über
«,.-5"kreich ausbreitet und der auch die etwas höheren Seelen zu
'"lcken droht!"
Es stimmen diese seltsamen Ausführungen mit den
. Pachtungen überein, die gestern über Wien mitgetheilt
^"rden. Frankreich lechzt förmlich nach einem Manne,
Nil elementarer Gewalt, etwa wie ein Hagelsturm,
.Anfahrt und das Unkraut der unleidlich gewordenen
"mischen Zustände in Frankreich zu Boden schlägt und
sichtet. Ob sich aber ein solcher Mann findet, das ist
s ^ 8rage. Er müßte doch aus sehr festem Holz geschnitzt
v " und derartige Naturen sind überall selten. Speziell
i, ^ Frankreich der Mundhelden scheint völligen Mangel
^°n zu haben.
^0 2ni englischen Unterhaus beantragte am 13. d. der
A- Labouchsre einen Zusatzantrag zur Adresse be-
^ mich die Beschränkung des Vetorechtes des Ober-
H?"ses auf eine Session. Wal ton beantragt, Labou-
iyZusatzantrag durch einen anderen zu ersetzen, in
4eni erklärt wird, die jetzige Befugniß des Oberhauses,
Beschlüsse des Unterhauses zu beherrschen, erheische
^.'gcnd die Aufmerksamkeit des Parlaments,
u - liberale Campbell-Bannerman unterstützte den
tz ^"hantrag Waltons und erklärte, er könne den Antrag
hj^cheres nicht unterstützen. Die Liberalen wünschten,
kiti ^te der präsentaliven Kammer zu wahren, glcich-
^'8 aber dem Oberhause eine billige Befugniß
s^ Kritik zu lassen. Der erste Lord des Schatzes, Bal-
" bekämpfte beide Zusatzanträge und führte aus,

5) In der Falle.
Humoreske von Paul Bliß.
(Fortsetzung und Schluß.)
ging jn ein Geschäft der Potsdamer-Straße und
° Delikatessen.
Augenblick überlegte er. Dann trat er auch in das-

lsihE Geschoss. Er kaufte alles Mögliche zusammen, ließ es
'>>iin-?'chicken und hatte nicht einmal Gelegenheit finden
-I »fo- sich ihr beniprtbnr m ninrben. Okne >km einen Blick

si.

°tt

" gz«' 5'ch ihr bemerkbar zu machen. Ohne ihm einen Blick
L!!"en, ging sie wieder fort.
bin war er nahe daran, die Geduld zu verlieren, als
t 'Mich eins der vielen kleinen Packele fallen ließ. So-
m s-?" er bei ihr, hob das Packetchen auf, überreichte es
! An« und jagte; .Bitte, gnädige Frau!"
lchh-tz," sah sie ihn an, zuerst erstaunt, dann verwirrt, und
tz°''ch sagte sie lächelnd: „Ich danke sehr."
r fix aber sortgehen konnte, sagte er schnell: .Sie
, llleich wieder eins der vielen Päckchen verlieren."
^t>e Alnd entgegnete sie: „Es war thöricht von mir.

ich

zusammenpacken sollen." Dabei nestelte sie an den
r. .A>Eadchen der Pallete herum.
^ben Z" Sie mir gestatten, gnädige Frau, dann trag ich
- Tix Maaren."

?"n 0, '"urde verlegen. „Oh, ich danke sehr. — aber ich
'ch ün, 0"ch einen Wagen nehmen." Und suchend sah sie
i> es war keine leere Droschke zu sehen.
'"chsl»""" erlauben Sw mir wenigstens, daß ich Sie zum
Jh>iz" Wagen geleite, gnädige Frau!" Ehe sie noch etwas
gjf," konnte, hatte er ihr schon die Packetchen abgenommcn
i »Tjp "" ihrer Seite weiter.
^üixx' und sehr liebenswürdig, mein Herr," sagte sie,
st, "Abc« .D. k'" wenig verlegen.
">en ,7,'ch bitte Sie, gnädige Frau, ich bin glücklich,Ihnen den
« To veiallen erweisen zu dürfen!"
Uieg fK weiter, ohne einen leeren Wagen finden zu


Jnsertionsgebühr
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Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
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tafcln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

DonilttstA, dt» 18. Februar

1899.

er habe großes Vertrauen zu dem Repräsentativ-System,
das die einzig solide und sichere Methode sei, die Staats-
geschäfte zu führen; wenn aber Campbell-Bannerman er-
kläre, daß von Jahr zu Jahr die Aktion der Wähler nicht
ohne ernste Anomalie gehemmt werden könne, so erinnere
er ihn daran, daß kein großes Land es je ge-
wagt habe, alles Theuerste den Veränderungcn
und Zufälligkeiten einer allgemeinen Wahl
anzuvertrauen. Daß das Oberhaus das Unterhaus
gezwungen habe, konstitutionelle Veränderungen wiederholt
zu erwägen, sei dessen höchstes Lob. Durch die Ver-
zögerung von Maßregeln, welche für das Land nicht
reif sind, verhindere das Oberhaus heftigere Reak-
tionen. (Eine höchst vernünftige, beachtenswerthe Stimme
aus dem Geburtslande des Parlamentarismus über den
Nutzen und Werth der Ersten Kammer. Unserer badischen
Kammer sei dies zum gefl. Nachdenken empfohlen.) Die
englische Geschichte, so schloß Balfour, zeichne sich dadurch
aus, daß solche Reaktionen nicht vorgekommen seien.
Hierauf wurde der Antrag Waltons mit 257 gegen 107
und der Antrag Labouchöres mit 223 gegen 105 Stimmen
abgelehnt.

Deutsches Reich
— In der Budgetkommisston des Reichstages erklärte
Kriegsminister v. Goßler bei der Weiterberathung der
Militärvorlage, er sei der Ueberzeugung, daß wir bei der
zweijährigen Dienstzeit bleiben werden. Der
Grundsatz stehe fest, hinsichtlich der Modalitäten seien
jedoch noch keine Mittheilungen möglich, weil es an Er-
fahrungen mangele; so viel sei sicher, wir wollen zur
vollen dreijährigen Dienstzeit nicht zurückkehren.
— Dem Reichstag ging ein Antrag Stumm zu,
den Reichskanzler zu ersuchen, bei der Revision des Straf-
gesetzbuches aus eine Verschärfung derjenigen Strafen Be-
dacht zu nehmen, die für S i tt l i chkeit s ve r bre chcn,
insbesondere für solche, die gegen Kinder gerichtet sind,
vorgesehen werden.
Deutscher Reichstag. Berlin, 15. Fcbr. Weiter-
berathung des Invalidenges ctzes.
Abg. Payer (deutsche Volksp.): Der Nothstand der ost-
preußischen Anstalt sei nicht ganz unverschuldet, es sei aber das
Beste, durch einen einmaligen Zuschuß zu helfen, und zwar so-
fort. Für den Rentenempfänger, der die Rente als wohlerwor-
benes Recht ansehe, werde die Sache durch die Rentenstellen nicht
populärer. Die Organe der Selbstverwaltung hätten sich bisher
am meisten um den Ausbau des Gesetzes verdient gemacht.
Abg. v- Loebell (kons.): Seine Partei bestehe nicht auf
Herabsetzung der Beiträge. Die vorgeschlagenen Veränderungen
schienen aber nicht glücklich gewählt. Die konserv attve Partei sei
trotzdem bereit, an der sozialpolitischen Gesetzgebung weiter mit-
zuarbeiten. Zum Schluß bemerkt Redner den gestrigen Be-
merkungen Molkenbuhrs gegenüber, er halte allerdings für die
Rohheiten unerwachsener junger Burschen die Prügelstrafe für
das einzige M-ttel. (Lebhafter Beifall rechts; Lärm und Lachen
links.)
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Die Frage der
Au-gleich na aale nur mit den Verhältnissen in Ostpreußen zu
thun, wo Fehler gemacht worden seien, namentlich indem man
in der Uebergangszeit auch Renten bewilligte, die nach strengem
Recht nicht hätten bewilligt wekden sollen. Dieser Fehler sei
aber auch anderswo gemacht worden. Die Vorwürfe gegen die
mathematischen Grundlagen des Gesetzes seien ja richtig; aber
die Materie war damals völlig fremd und man hielt überall die
Verhältnisse im Reiche für annähernd gleich. Das wichtigste
Moment für diesen Rechenfehler sei aber die Massenauswanderung
der jungen Leute nach den Jndustriebezirken. Diese trat erst
später zu Tage und konnte von den Mathematikern nicht berück-
sichtigt werden. Wie sei dem Nothstande abzuhelfen? Eine Er-
höhung der Beiträge sei aus Gründen der Rechtseinbeit unhalt-
bar. Das vorgcschlagene Verfahren sei kaum socialistisch zu
nennen. Es handle sich ja nicht um Versicherungen, sondern um
Verwaltungsstellen für Reichszwecke, die diese Fonds angesammelt
hätten. Auch die einmalige Zahlung eines Pauschquantums sei

nicht zu empfehlen. Redner kommt endlich zu dem Schluffe, daß
der Vermögensausgleich für eine Gesundung der Versicherungs-
anstalten absolut nothwendig sei und daß die Einführung von
örtlichen Rentenstellen eine Verbesserung ist und zugleich den
wichtigsten Punkt für ihre wettere Verbesserung bilden wird.
Abg. Hermanst (Centr.) geht auf die ostpreußischm Ver-
hältnisse ein.
Abg. Wurm (Soc.): Das Gebotene entspreche nur zum ge-
ringen Theil den berechtigten Forderungen der Arbeiter. Die
Vorlage bilde wiederum eine Liebesgabe an die Agrarier. (Wider-
spruch rechts.) Auch seien die Rentensätze zu niedrig. Redner
polemisirt noch gegen die Conservattve» und beantragt Ueber-
weisung an eine Kommission von 28 Mitgliedern.
Abg. Hilbeck (ntl.) schlägt für die Anstalten mit Unter-
bilanz einen allgemeinen Versicherungsfonds vor. Dagegen sehe
er in dem Vorschlag des Ausgleichs eine Beraubung derjenigen,
die ihre Beiträge an Anstalten mit Ueberschuß gezahlt hätten.
Ministerialdirector Wödtke wendet sich gegen die Aus-
führungen des Vorredners. Es handle sich nicht um 10 Millionen,
sondern um ein dauernd wachsendes Deficit.
Abg. H au ß (Elsässer) erklärt, die Rentenanstalten wären
ihm sympathisch, wenn er die Gewißheit hätte, daß sie nicht von
Kreisdirectoren verwaltet werden. Am besten wäre es, die Alters-
grenze ganz zu beseitigen und im 70. Lebensjahre oder früher
Invalidenrente zu gewähren.
Abg. Sachse (Soc.) bespricht die Versicherungsverhältniffe
der Bergarbeiter, die er wegen des Rebeneinanderbestehens ver-
schiedener Lassen als sehr ungünstig bezeichnet.
Hierauf vertagt sich das Haus nach persönlichen Bemerkungen
der Abgg Molkenbuhr. Liebermann und Hilbeck. Weiterberathung
morgen 1 Uhr (Fortsetzung); Interpellation Johannsen; Wahl-
Prüfungen. Schluß 5V. Uhr.
Baden. L. 0. Karlsruhe, 15. Febr. Die hiesige
Ortsgruppe des Alldeutschen Verbands hat einige
Beschlüsse gefaßt, die für die Oeffentlichkeit von Interesse
sind. Wir bringen dieselben nebst Begründung:
1) Dem Flottenverein wird ein Beitrag von 50 Mk.
bewilligt. Begründung: Der Flottenverein erfüllt einen Theil
der Aufgaben, die sich der Alldeutsche Verband gestellt hat. Wir
haben in ihm keinen Wettbewerber, sondern einen Mitstreiter,
gewissermaßen eine Spezialwaffe, zu erblicken, weshalb ein Bei-
trag für angemessen erachtet wird. 2) Einen wetteren Beitrag
von 60 Mk. wenden wir dem deutschen Schulverein zur
Erhaltung des Deutschthums im Auslande zu. Begründung:
Der genannte Verein erfüllt ebenfalls Pflichten unserer Nation,
die auch auf dem Programm des Alldeutschen Verbandes stehen.
Jn der Hauptversammlung unserer Ortsgruppe am 18. Januar
wurde ein Antrag angenommen, worin gesagt ist, wir wollen
unseren Brüdern in Oesterreich zur Seite stehen, um durch die
deutschen Schulen einen Stamm deutschgesinnter Männer daselbst
zu erholt-». Der Antrag bezweckt, den Worten die Thar nach
Maßgabe der Kräfte unserer Ortsgruppe folgen zu lassen. 3) Ein
Beitrag von 50 Mk. soll dem Verein zur Förderung des
Deutschthums in den (preußischen- Ostmarken zur Ver-
fügung gestellt werden behufs Unterstützung einer deutschen
Kirchengemeinde katholischer Konfession in der Ostmark, deren
deutscher Gottesdienst in Gefahr steht, durch den polnischen ge-
schmälert zu werden. Begründung: Es versteht sich, daß unsere
Ortsgruppe keine konfessionelle Politik treibt. Wenn hier eine
katholische Gemeinde unterstützt wird, so geschieht es um des
Deutschthums willen. Die Erhaltung des deutschen Gottes-
dienstes in den gefährdeten Provinzen ist ein außerordentliches
nationales Interesse. Die Einwanderung einer kleinen Anzahl
polnischer Arbeiter in deutsche Gemeinden genügt oft schon, um
die unverhältnißmäßige Einschränkung des deutschen Gottesdienpes
zu begründen. Die eingewanderten deutschen Katholiken können
nur mit größter Mühe die Verpolung ihrer Kinder verhindern.
Die Bedrückung der deutschen Katholiken durch die Nationalpolen
übersteigt beinahe das glaubhafte Maß. Ist doch den Kindern
im Religionsunterricht gelehrt worden, nur in polnischer Sprache
sei dem lieben Gott das Gebet angenehm! Dies ist gerichtlich
sestgestellt. Unter solchen Umständen hat die Hauptleitung des
Ostmarkenvereins, sehr erfreut über unser Vorhaben, ihrerseits
beschlossen, weitere 50 Mk. hinzufügen, damit eine Gemeinde mit
100 Mk. unterstützt werden kann. Es wäre sehr wünschenswerth,
daß die Freunde des Alldeutschen Verbandes uns außerordent-
liche Gaben zukommen ließen, damit wir noch weitere Gemeinden
unterstützen können. Viele sind bedürftig. Gegenwärtig wird ge-
prüft. wo die Hilfe am nöthigsten ist. Später wird der Name
der Gemeinde bekannt gegeben werden, die unsere Gabe em-
pfangen hat.
L.6. Karlsruhe, 15. Februar. Als Landtags,
candidaten der deutsch-sozialen Reformparte"

„Wenn Sie mir erlauben, gnädige Frau, dann trage ich
Ihnen die Sachen bis zu ihrer Wohnung, — es ist ja nur
eine kleine Strecke weit."
Erstaunt sah sie ihn an. „Sie wissen das?"
Er lächelte. „Durch einen Zufall, jawohl, — sogar Ihren
Namen kenne ich."
Fragend sab sie zu ihm auf.
.Frau Brauwald»" sagte er lächelnd.
Jetzt lachte sie ganz herzhaft und sagte dann: „Nein, mein
Herr, Sie irren sich."
„Aber ich weiß cs ja ganz genau!"
„Wenn ich Ihnen aber versichere, daß Sie sich irren I —
Frau Brauwald wohnt zwar in demselben Hause, aber ich
heiße anders."
Jetzt platzte er heraus: „Aber, gnädige Frau, als Sie
gestern Nachmittag ins Haus gingen, fragte ich unmittelbar
darauf den Portier, wer Sie seien."
Wieder lachte sie: „Den Portier fragten Sie?"
Nun ärgerte er sich, daß er ans der Rolle gefallen war,
und, um die Scharte wieder auszuwetzen, sagte er: „Ich
glaubte nämlich eine Bekannte von früher in Ihnen zu er-
kennen, deshalb fragte ich."
Sie lachte noch immer: „Da hat sich also der Portier
geirrt, denn Frau Brauwald trat kurz vor mir in's Haus —
mich dagegen hat der Portier überhaupt nicht eintreten sehen,
denn ich habe einen Drücker, der mir die Thüre öffnet."
„So, so" — sagte er nur. Bei sich aber dachte er: Aha,
sie will unerkannt bleiben, — nun gut, wie sie will, — da
werde ich mich vorerst auch nicht zu erkennen geben.
Ein paar Schritte gingen sie schweigend neben einander.
Dann begann er wieder: „Der Frühling in Berlin ist doch
herrlich, nicht wahr?"
Lächelnd meinte sie: „Wenigstens draußen im Thiergarten.
— hier in den Straßen ist es doch fast unerträglich warm
und dumpf."
„Ganz recht! Aber im Thiergarten ist es herrlich! —
Sie sind auch wohl eine fleißige Spaziergängern!?"
„Oh ja, so weit es meine freie Zeit gestattet."

„Oh! Sind Sie denn so mit Arbeit überhäuft?"
„Nun, wenn auch das nicht, so hat man doch genug in
der WirthschaK zu thun."
„Aber dann ist es doch^ unbedingt nothwendig, daß Sie
jeden Tag mindestens ein Stündchen im Freien sich erholen!"
„Das thue ich ja auch."
„Ah! Und im Thiergarten?"
„Gewiß."
„Sonderbar, daß ich Sie dort niemals getroffen Habel
Welche Plätze besuchen Sie denn mit Vorliebe?"
„Sie lächelte sehr fein und sagte zögernd: „Je nachdem,
den Goldsischteich, oder Floraplatz, oder auch den Neuen See."
„Kenne ich! Kenne ich alles genau! —Nun vielleicht
fügt es der Zufall, daß ich Sie dort einmal wieder treffe. —
Um welche Zeit sind Sie denn am liebsten dort, meine
Gnädige?"
Und sie mit demselben fein ironischen Lächeln : „Nun, so um
fünf Ubr meistens."
„Sehr schön! Würde mich also glücklich schätzen, meine
gnädige Frau, wenn ich Sie dort zufällig einmal Wieder-
sehen könnte."
Lächelnd nickte sie nur.
Man war vor dem Hause angekommen. Er übctgab ihr
die Packetchen und bekam ein vornehmes Kopfnicken als Dank.
„Also, wo darf ich Sie morgen treffen?" fragte er ganz
leise.
„Am Floraplatz," sagte sie ebenso leise und verschwand
dann schnell im Hause.
Als er fortging wollte es ihm scheinen, als mache der
Portier ein äußerst erstauntes Gesicht, aber er achtete nicht
weiter darauf, weil er mit seinen Gedanken schon bei dem
zugesagten Rendezvous am Floraplatz war.
* * *
Am andern Tage um fünf Uhr war Herr Ewald Bergc-
mann am Floraplatz, — er hatte große Gala angelegt und
war aufgeregt wie ein junger Primaner, der sein erstes
Rendezvous hat. Mit großen Schritten ging er um den
kleinen Platz herum, sah ängstlich, voll Erwartung, nach allen
 
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