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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0581

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr- 82

Xr. 12S


Dicnslis, den K.Iimi

>899.

Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des
gewerblichen Arbeitsverhältnisses.
§ 1. Wer es unternimmt, durch körperlichen Zwang,
Drohung, Ehrverletzung oder Verrufserklärung Arbeit-
geber oder Arbeitnehmer zur Theilnahme an Ver-
einigungen oder Verabredungen, die eine Einwirkung auf
Arbeits- oder Lohnverhältnissc bezwecken, zu bestimmen
oder von der Theilnahme an solchen Vereinigungen oder
Verabredungen abzuhalten, wird mit Gefängniß bis zu
einem Jahre bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden,
so ist auf Geldstrafe bis zu 1000 Mk. zu erkennen.
§ 2. Die Strafvorschriften des § 1 finden auch auf
denjenigen Anwendung, welcher es unternimmt, durch körper-
lichen Zwang, Drohung, Ehrverlust oder Verrufscrklärung
zur Herbeiführung oder Förderung einer Arbeiteraus-
sperrung Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitnehmern
zu bestimmen oder au der Annahme oder Heranziehung
so lcher zu hindern, zur Herbeiführung oder Förderung eines
Arb eiterausstandes Arbeitnehmer zur Niederlegung
der Arbeit zu bestimmen oder an der Annahme oder Auf-
suchung von Arbeit zu hindern (Abs. 3), bei einer Arbeiter-
aussperrung oder einem Arbeiterausstande die Arbeitgeber
oder Arbeitnehmer zur Nachgiebigkeit gegen dabei ver-
tretene Forderungen zu bestimmen.
§3. Wer es sich zum Geschäfte macht,
Handlungen der in den 88 1, 2 bezeichnten Art zu be-
gehen, wird mit Gefängniß nicht unter 3 Monaten bestraft.
8 4. Dem körperlichen Zwange im Sinne der 88 1
bis 3 wird die Beschädigung oder Vorenthaltung von
Arbeilsgcräth, Arbeitsmaterial, Arbeitserzeugnissen oder
Kleidungsstücken gleichgeachtet. Der Drohung im Sinne
der 88 1 bis 3 wird die planmäßige Ueberwachung
von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Arbeitsstätten, Wegen,
Straßenplätzen, Bahnhöfen, Wasserstraßen, Hafen- oder
sonstigen Verkehrsanlagen gleichgeachtet. Eine Verrufs-
crklärung oder Drohung im Sinne der 88 1 bis 3 liegt
nicht vor, wenn der Thäter eine Handlung vornimmt, zu
der er berechtigt ist, insbesondere wenn er befugterweise
ein Arbeits- oder Dienstverhältniß ablchnt, beendigt oder
kündigt, die Arbeit einstellt, eine Arbeitseinstellung oder
Aussperrung fortsetzt, oder wenn er die Vornahme einer
solchen Handlung in Aussicht stellt.
8 5. Wird gegen Personen, die an einem Arbeiter-
ausstand oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht
dauernd theilnehmen oder theilgenommen haben, aus Anlaß
dieser Nichtbetheiligung eine Beleidigung mittels Thätlichkeit
eine vorsätzliche Körperverletzung oder eine vorsätzliche Sach-
beschädigung begangen, so bedarf es zur Verfolgung
keines Antrags.
8 6. Wer Personen, die an einem Arbeiterausstand
oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd
theilnehmen oder theilgenommen haben, aus Anlaß dieser
Nichtbetheiligung bedroht oder in Verruf erklärt, wird mit
Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. Sind mildernde
Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu eintausend
Mark zu erkennen.
8 7. Wer an einer öffentlichen Zusammen-
rottung, bei der eine Handlung der in den 88 1 bis 6
bezeichneten Art mit vereinten Kräften begangen wird, theil
nimmt, wird mit Gefängniß bestraft. Die Rädelsführer
find mit Gefängniß nicht unter drei Monaten zu bestrafen.
8 8. Soll in den Fällen der 88 2, 4 ein Arbeiter-
ausstand oder eine Arbeiteraussperrung herbeigeführt oder
gefördert werden und ist der Ausstand oder die Aus-
sperrung mit Rücksicht auf die Natur oder Bestimmung des
Betriebes geeignet, die Sicherheit des Reichs oder eines

Josephineus Glück.
16) Erzählung von A. von der Elbe.

(Fortsetzung.)

. Endlich war Josephine von den Auseinandersetzungen
Uber die neuen Anlagen erlöst- Sie eilte ins Eßzimmer, um
>«r Buch, das ihr immer im Sinne gelegen, wieder an sich
»u nehmen.
Nun stand sie vor dem Nähtische und zog die Schieblade
?us- Ihr Blick überflog entsetzt das enge Gelaß. — Kein
ulaues Heft zu sehen I —
^ Wo war das Buch — ihr Heiligthum — ihr Gebeimniß?
Ne, griff in blindem Schrecken zwischen die wohlgeordneten
Neinigkeiten, kehrte sie um. wühlte sie durcheinander, obwohl
?e wußte, daß sich ihr Büchlein nicht darunter verstecken
wnnte.
.Dann trugen sie Plötzlich ihre Kniee nicht mehr, sie brach
Mammen, iaß mit schwindelndem Sinn auf ihrem Arbeits-
auhle und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
. O, sie war bestohlen — verralhen I Von wem? Wer
Mte ihr das gethan? Sie konnte nicht zweifeln, beraubt
ihm — von ihm, der ihr der Liebste war! Scham und
9°rn fielen über sie wie ein Bergsturz und raubten ihr fast
Arhem. Es war ja unerträglich!-

Bruno kam aus seinem Eitelkeitstraum zu sich.
H Vor allen Dingen mußte er das Entführte an seinen
Zswtz zurückbringen, fühlte er doch, daß es eine peinliche
Auseinandersetzung, ja eine Demüthigung für ihn geben
unrie, wenn sie merken sollte, was er gethan.

r.^Er glaubte Josephe noch mit dem Vater im Garten,
me also seine Absicht unbemerkt ausführen zu können.
Hastig betrat er, mit dem Heftchen in der Hand, das Eß->
"'Uimer.
. Er fuhr zurück. Es gab ihm einen Stich — er sah sie
Nammengebrochen, mit dem Kopfe auf der Fensterbank, vor
«rein Nähtische sitzen.

Bundesstaates zu gefährden oder eine gemeine Gefahr für
Menschenleben oder für das Eigenthum herbeizuführen, so
tritt Gefängnißstrafe nicht unter einem Monate, gegen die
Rädelsführer Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten
ein. Ist infolge des Arbeiter-Ausstandes oder der Ar-
beiter-Aussperrung eine Gefährdung der Sicherheit
des Reichs oder eines Bundesstaats einge-
treten oder eine gemeine Gefahr für Menschen-
leben oder das Eigenthum herbeigeführt
worden, so ist auf Zuchthaus bis zu drei Jahren, gegen
die Rädelsführer ans Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu
erkennen. Sind in den Fällen des Abs. 2 mildernde
Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter
sechs Monaten, für die Rädelsführer Gefängnißstrafe nicht
unter einem Jahre ein.
8 9. Soweit nach diesem Gesetz eine gegen einen
Arbeitgeber gerichtete Handlung mit Strafe bedroht ist,
findet die Strafvorschrifl auch dann Anwendung, wenn die
Handlung gegen einen Vertreter des Arbeitgebers ge-
richtet ist.
8 10. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden An-
wendung: 1. Auf Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die unter
den 8 152 der Gewerbeordnung fallen; 2. auf alle Ar-
bcits- oder Dienstverhältnisse in solchen Reichs-, Staats-
oder Kommunalbetrieben, die der Landesvertheidigung, der
öffentlichen Sicherheit, dem öffentlichen Verkehr oder der
öffentlichen Gesundheitspflege dienen; 3. auf alle Arbeits-
oder Dienstverhältnisse in Eisenbahnunternehmungen.
8 11. Der 8 153 der Gewerbeordnung wird aufge-
hoben.
Das ist das vom Kaiser in seiner Ocynhauser Rede
angekündigte Gesetz, das seitdem als „Zuchth aus v or-
lage" in sozialdemokratischen und demokratischen Blättern
verurtheilt worden ist, noch ehe es das Licht der Welt er-
blickt hatte. Es wird versichert, daß die Vorlage noch in
dieser Session des Reichstags zu gründlicher Berathung
in erster Lesung gebracht werden solle. Auf ihre Er-
ledigung in dieser Session ist nicht zu rechnen.

Deutsches Reich.
— Der Verband deutscher Post- und Telegraphen-
Unterbeamten hat sich aufgelöst, nachdem ein
Komito des Vereins bei Herrn v. Podbielski eine lange
Audienz gehabt hatte. Der Verband bestand erst seit einem
Jahre, hatte aber bereits 5000 Mitglieder und ein ange-
sammeltes Vermögen von 11000 Mark. Das Geld soll
an die einzelnen Bezirks- und Ortsverbände zurückgezahlt
werden. Zu diesem Zweck wurde eine Liquidationskom-
mission eingesetzt.
— Zur Beschießung von Zielen hinter Deckungen haben sich die
Sprenggranaten nicht erfolgreich genug erwiesen. Es wurde des-
halb auf die frühere Haubitze znrückgegriffen, und es gelang,
ein Geschütz zu koustruiren, welches allen Anforderungen im weitest-
gehenden Maße entspricht und mit der geforderten Wirkung auch
die gehörige Treffsicherheit verbindet. Die Ergebnisse mit der
neuen Feldhaubitze, wird den Ham. Nachr- von militärischer Seite
geschrieben, sind auf dem Schießplatz der Feldartillerieschule fort-
dauernd ausgezeichnet. Dazu kommt noch, daß cs mittels eines
verbesserten, langsamer funktionirenden Zünders gelungen ist, ihr
Geschoß, wenn es zur Wirkung innerhalb von Deckungen, wie
Gebäuden, Erdwällen u. s. w. bestimmt ist, diese Deckungen durch-
schlagen zu lassen und erst nach dem vollen Eindringen in die-
selben, also mit größter Wirkung zum Krepiren zu bringen,
während die Wirkung bisher in der Regel an der Oberfläche des
Ziels erfolgte und daher erheblich geringer blieb. Unsere Feld-
artillerie ist daher auch in dieser Hinsicht allen übrigen Feld-
artillericen bedeutend voraus und nimmt zur Zeit unbestritten die
erste Stelle ein.

Sein Fuß stockte. Sollte sie ihr Eigenldum bereits ver-
missen?
Doch was konnie alles Zögern nützen? Mit unwidersteh-
licher Gewalt zog eS ihn zu ihr.
Jetzt stand er neben ihr: „Josephe I"
Ihr blasses, verstörtes Gesicht blickte zu ihm auf.
.Josephe, Verzeihung I'
Da fuhr eine jähe Röthe über ihr schmerzverzerrtes Antlitz,
und mit fremder, harter Stimme rief sie: „Gehen Sie —
Sie sind ein Elender!'
Er schrack zurück, das hatte er nicht von ihr erwartet.
Wenn er auch mhlte, daß er Tadel verdiene, so wurde doch
seine Eigenliebe empfindlich getroffen.
„Ich hoffe, Sie find nicht unversöhnlich" — stammelte er.
.Ich gebe zu, eine kleine, dock beglückende Indiskretion" —
.Das nennen Sie klein? Es ist eine Infamie I"
Sein Uebermuth regte sich, stachelte ihn. Ihre Beleidi-
gungen entsprangen ja aus gekränkter Liebe. So wagte er
es, die Ueberlegenheit des Mannes herauszukehren: »Joseph-
chen," flüsterte er — .bin ja glücklich — sehr geehrt — auf
meine Diskretion können Sie rechnen." Er wogte cs sogar,
ihr zutraulich die Hand auf die Schulter zu legen.
Da sprang sie auf, zornglühend, außer sich, und sprudelte
hervor: .Wenn ein Hungernder Brod stiehlt, will ich nicht
richten" —
.Er unterbrach sie: „Auch dies war mir Brod — Labsal
- Wonne
Sie sprach, ohne auf ihn zu achten, mit tiefer Erbitterung
weiter: „Wenn aber ein Mann von Erziehung, in einem
Hause, wo man ihn mit vollem Vertrauen wie einen Ver-
wandten aufnahm, dies Vertrauen mit Füßen tritt, so" —
„Halten Sie ein I" — beschwörend erhob er die Hand, „es
war ja nur das wärmste, das innigste Interesse für Sie,
theuerste Josephe, das" —
„Das Sie veranlaßte, sich einen Eingriff zu erlauben, eine
indiskrete Frechheit, die — die — nicht hart genug" —
„Die Sie vergeben werden!"
„Nie — nie; gehen Sie, Herr von Delbitz, ich verachte

Baden. Karlsruhe, 5. Juni. Eine Verständigung
zwischen der reichsländischen Regierung und Baden in Be-
zug auf die Rheincorrcktion ist, wie man der Straß-
burger Post berichtet, außer Zweifel; späterhin wird vor-
aussichtlich eins weitere Berathung in München stattfinden.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hobest der Großherzog haben dem
Gymnasiasten Hans Leser m Lahr, Sohn des Fabrikanten Otto
Heinrich Leser daselbst, die silberne Rettungsmedaille verliehen.
— Obertelegraphist Emil Dennig in Villingen wurde nach
Karlsruhe versetzt.
Karlsruhe, 5. Juni. Der Großherzog und die
Grobherzogin begaben sich, einer Einladung des Volks-
trachtenvereins Freiburg und Umgegend folgend, gestern
Mittag von hier nach Haßlach, um daselhst dem Volks-
trachtenfest anzuwohnen. Die Ankunft daselbst erfolgte
gegen 3 Uhr. Die Großherzoglichen Herrschaften wurden
am Bahnhof von dem Landescommissär, Geheimer Ober-
regierungsrath Reinhard, dem Amtsvorstand, Oberamtmann
Flad, und dem Bürgermeister Hättich empfangen und durch
die Stadt nach dem Festplatz geleitet. Daselbst besichtigten
Ihre Königlichen Hoheiten den Trachten-Festzug, der von
einer großen Zahl von Abordnungen der Gemeinden des
Kinzigthales und der weiteren Umgebung zusammengesetzt
war. Von hier aus besuchten dieselben die Gemälde-
Ausstellung im Fürstenberger Hof und wohnten sodann
dem Festakt des Trachten-Vereins mit Preisverthcilung
bei. Vor der Abreise, die um 7 Uhr erfolgte, nahmen
Ihre Königlichen Hoheiten eine von der Stadt Has-
lach angebotene Erfrischung im Gasthof zum Kreuz an.
Von Haslach fuhren die Großherzoglichen Herrschaften
nach Baden zum Besuch der Fürstin von Wittgenstein und
kehrten am späteren Abend nach Karlsruhe zurück. Der
Kronprinz von Schweden und Norwegen wohnte heute
früh der Besichtigung von drei Batterieen des 1. Badischen
Feld-Artillerie-Regiments Nr. 14 auf dem Forchheimer
Uebungsplatz an. Die Ankunft des Prinz-Regenten Luitpold
von Bayern wird am Mittwoch, den 7. Juni, Mittags
12 Uhr 10 Minuten mittelst Extrazugs erfolgen. Seine
Königliche Hoheit verbleiben hier bis Donnerstag den 8.
Abends und sind von drei Herren des Gefolges begleitet.
Am Mittwoch Abend wird der Prinz-Regent das Großh.
Hoftheater besuchen, wo die Oper Lobetanz bei festlich
erleuchtetem Hause aufgeführt werden wird.

Ausland.
Frankreich. Paris, 5. Juni. Die Gräfin Torni -
elli, die sich auf dem Rennplatz zu Auteuil neben
dem Präsidenten Loubct befand, erzählt die dortigen Auf-
tritte folgendermaßen: „Während der Kundgebungen sah
ich plötzlich einen jungen Mann aus der Gruppe der
Schreier sich ablösen. Er war fein gekleidet, trug eine
weiße Binde und eine Blume im Knopfloch. Er stieg die
Treppe hinan, indem er jedesmal zwei Stufen nahm. Da
er mit erhobenem Stock ankam, stand ich instinktmäßig
auf und dies schien ihn daran zu verhindern, in Loubets
Loge einzudringen. Der Stock des Angreifers
fiel auf den Hut Loubets nieder, als er ein
zweites Mal fallen wollte, griffen Brugöre, Zurlinden und
Bailloux ein. Es bestätigt sich nicht, daß Loubet auf dem
Rückwege geschmäht wurde. Er wurde vielmehr mit Bei-
fallsbezeugungrn begrüßt. Es geht das Gerücht, die Zahl
der Ve rh a ft eten sei größer, als man amtlich angegeben
hat; auch Offiziere in Civil seien darunter gewesen.
In der Nähe des Polizeigefängnisses spielten sich,
am Abend und in der Nacht komische Auftritte ab.
Die lieben Väter, Mütter und Gattinen kamen in ihren

Sie!" Josephine riß das blaue Notizbuch an sich, das er
auf den Nähtisch gelegt hatte und verließ hastig, ohne zu ihm
aufzublicken, den Äartensaal.
Delbitz blieb, wie vor den Kopf geschlagen, stehen.-
Sowie sie ihn nicht mehr neben sich sah, ließ ihre auf
das Aeußerste gesteigerte leidenschaftliche Spannung nach.
Mühsam schleppte sie sich die Treppe hinauf und in ihr
Zimmer. Sie schloß hinter sich ab und sank wie vernichtet
auf den nächsten Stuhl.
Nie hatte sie, auch nur annähernd, einen Jammer empfun-
den, wie er jetzt ihr Herz zerriß! Ihn zu verlieren — so zu
verlieren — ihn so klein und erbärmlich zu finden, und da-
neben die Schmach zu ertragen, das zarte Empfinden ihrer
scheuen, keuschen Seele an's Licht gezerrt zu sehen, es war
eine entsetzliche Erfahrung. —
Während Josephine so schwer litt und rang und um Er-
gebung betete, ging Bruno gleichfalls verstört und aus seinem
selbstzufriedenen Gleichgewicht aufgeruttelt, in seinem Gemach
hin und her.
Sem erstes Gefühl war Aerger, Aerger über ihre „Zimper-
lichkeit", wie er ihr Verhalten nannte. Er wußte ja doch,
daß sie ihn liebte, und nun that sie, als ob sie ihn nicht
leiden könne.
Vermochte er auch sein Unrecht gegen sie nicht von sich
abzuleugnen, so wußte er sich doch mit einer Menge von
Entschuldigungsgründen zu entlasten. Wahrscheinlich hatte
er sich eben in seinem Ton gegen sie vergriffen?
Nach längerer Uebcrlegung kam er zu der Ueberzeugung,
daß es jetzt nur zweierlei für ihn gebe: entweder Josephine
kniefällig um Vergebung bitten und um ihre Hand werben,
oder mit vollen Segeln zu Cora und ihren Millionen hinüber-
zusteuern.
Er fühlte, daß er Josephine immer sehr gern gehabt habe,
daß er sich schwer von ihr trenne. Allein eine verblühte
Frau, ohne alle gesellschaftliche Geltung, heirathen, hieß sich
unsterblich lächerlich machen. Er kühlte sich nicht dazu ver-
pflichtet. Es war ihre Sache, wenn sie sich in ihn verliebte.
(Fortsetzung folgt.)
 
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