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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0063

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Telephon-Anschluß Nr. 82.





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Telephon-Anschluß Nr. 82.

X>. 15. Erstes Walt. Mitlwich, de« 18. Januar

1899.

Staatssekretär v. Bülow und die Amerikaner.
Der Berliner Korrespondent des Newyork Herald hat
zwei Unterredungen mit einem hohen deutschen Würdenträger
gehabt, unter dem nur der Staatssekretär v. Bülow ver-
standen werden kann. Beide Unterredungen beziehen sich
auf den jüngsten Vorwurf der Amerikaner, Deutsch-
land unterstütze die Tagalen, und berühren auch
die früheren deutsch-amerikanischen Mißverständnisse. Die
erste Meldung des Herald-Korrespondenten vom Freitag
lautet:
Ich bin von der höchsten offiziellen Stelle autorisirt, die Be-
hauptung mehrerer tonangebender amerikanischer Blätter, Deutsch-
land unterstütze die Tagalen und ermuntere sie in ihrem Wider-
stande gegen die Vereinigten Staaten, zu dementiren und als
eine böswillige Erfindung zu bezeichnen.
Mir hat das Original eines Berichtes des deutschen
Konsuls in Manila Vorgelegen, welchen derselbe auf die
Anfrage der deutschen Regierung erstattete, ob etwas Wahres an
den Gerüchten sei, daß deutsche Kaufleute den General
Aguinaldo und seine Anhänger ermuthigt und willkommen
geheißen hätten. Die Antwort lautet, daß die angesehensten
deutschen Kaufleute in keiner Weise Beziehungen zu
den Tagalen unterhalten hätten, und daß dieselben über-
haupt aufrichtig für die amerikanische Herrschaft
find, weil sie hoffen, daß unter derselben ihre Geschäfte einen
neuen Aufschwung nehmen.
Die Ermittelungen des Konsuls haben nur die Thatsache er-
geben, daß d r e i k l e t n e Kaufleute, welche Gefälligkeiten
von den Tagalen gelegentlich ihres Handels im Inneren erhalten
hatten, bei dem Vorrücken der Insurgenten diesen freundliche
Botschaften zugesandt hatten, des Inhalts, sie hofften, daß die
Insurgenten, falls sie die Stadt Manila besetzten, die Häuser der
Fremden nicht beschädigen würden. Der Konsul kann nur an-
nehmen, daß dieses unbedeutende Faktum von deutschfeindlicher
Seite aufgegriffen ist, um damit Unheil zu stiften.
Die deutsche Regierung ist entrüstet über die fortdauernden
Meldungen von deutschen Jntriguen gegen die Verein. Staaten,
welche, wie ich auf das Entschiedenste zu versichern ermächtigt
bin, nicht existire».
In dem zweiten Bericht wird der deutsche Staats-
mann selbst redend eingeführt. Er äußert sich nament-
lich über die angeblichen Jmriguen. Wie der amerikanische
Interviewer ausdrücklich hervorhebt, erkennt der deutsche
Staatsmann die Wichtigkeit der öffentlichen
Meinung in den Vereinigten Staaten an, denn er weiß,
daß dort d e öffentliche Meinung die Regierung lenkt und
nicht die Regierung die öffentliche Meinung. „Er hat zu
mir offen herausgesprochen, und er wünscht, daß auch die
Leser in seinen Erklärungen keiue Hintergedanken suchen."
Uebcr den Inhalt des Gesprächs berichtet der Korrespon-
dent dann seinem Blatte am Sonnabend:
„Gestatten Sie mir. Ihnen zu versichern", begann der deutsche
Staatsmann, „daß die heftige Stimmung gegen Deutschland,
welche thatsächlich in den Vereinigten Staaten vorhanden ist,
völlig aus einem Mißvcrständniß beruht. Ich kann nur
annehmen, daß dasselbe ans f a l s ch e n B e r ich ten von deutsch-
feindlicher Seite beruht, welche den Zweck verfolgen, die
beiden Nationen gegen einander zu verhetze». Aber sie
müssen Freunde bleiben, da die ernstesten Interessen
sie zwingen, einig zu sein, unter anderen die gegenseitigen Han-
delsbeziehungen, welche sich auf den Betrag von 1 Milliarde
Mark belaufen, und die Thatsache, daß fünf Millionen
Deutsche in den Vereinigten Staaten ansässig sind.
Die Annahme, daß Deutschland im Begriff sei, die Tagalen zu
unterstützen und gegen die Amerikaner zu intriguiren, ist also
eine lächerliche und böswillige Idee, welche ich im Namen der
deutschen Regierung absolut bestreite.
Wir sind nur von freundlichen Gefühlen gegen die Vereinigten
Staaten beseelt. Möge das amerikanische Volk also jeden anderen
Gedanken aus seiner Seele verbannen. Möge es den Berichten
der Lügner keinen Glauben schenken, welche es von dem Gegen-
teil überzeugen wollen, und welche aus deutschfeindlicher
Quelle stammen. Unterrichten Sie die amerikanische Nation
davon, daß die amerikanische Re g i e r n n g sehr wohl weiß, wie
korrekt die Haltung Deutschlands während des
ganzen letzten Krieges gewesen ist.
Oft, während dieses Krieges, saß der spanische Botschafter
auf dem Stuhle, auf dem Sie mir jetzt gegenübersitzen, und bat

uns, seinem Lande in dieser oder jener Weise zu Hilfe zu
kommen. Meine Antwort lautete unveränderlich, daß Deutsch-
land in dem Streit streng neutral sei, und daß es unmög-
lich eine andere Politik Anschlägen könne. Es existirte ohne
Zweifel in Deutschland eine gewisse Stimmung, mehr des Mit-
leids, als der Sympathie, für Spanien, ein Land, das
so groß war, und das sich jetzt in einer so verzweifelten Lage
befindet.
Wie kann man da von Jntriguen sprechen? Wenn cs in
dieser Angelegenheit Jntriguen gäbe, dann müßte ich der Jntri-
guant sein. Aber es hat keine Jntriguen gegeben, die Ameri-
kaner können dessen absolut versichert sein. Was hätten wir
durch eine Jntrigue gewinnen können? Unsere Kauf-
leute auf den Philippinen ziehen eine amerikanische Herrschaft
<der der Tagalen. D. Red.) vor, weil sie unter einer solchen ihre
Interessen besser geschützt wissen.
Man hat auch noch die Beschuldigung gegen uns geschleudert,
wir trachteten nach dem Besitz der Philippinen.
Es giebt nichts Absurderes. Wenn die Philippinen uns morgen
angeboten würden, würde ich sagen, nein, Deutschland will sie
nicht. Deutschland könnte dieses Experiment nicht unternehmen.
Es giebt 7 Millionen Tagalen auf diesen Inseln, wir'könnten
nicht den Versuch machen, uns mit ihnen auseinander zu setzen,
wie es die Vereinigten Staaten können.
Die Vereinigten Staaten sind nicht bloß dem Archipel näher
gelegen, sondern sie besitzen auch größere Hilfsmittel als wir.
Als der Krieg ausbrach, gingen uns bald verzweifelte Hilfe-
rufe von Kaufleuten aus Hamburg und anderswoher zu, ihr
Hab und Gut zu schützen. Darum, nur darum, haben wir unsere
Kriegsschiffe entsandt.
Ein Gedanke, wie der eines Krieges zwischen den Vereinigten
Staaten und Deutschland, ist ein Verbrechen, denn es giebt nicht
einmal einen scheinbaren Vorwand für eine Mißstimmung."
Es scheint, daß diese Ausführungen in Amerika schon
etwas gewirkt haben.

Deutsches Reich
— Abg. Limburg-Stirum (kons.) und Genossen brachten
im Reichstage einen Antrag auf Aufhebung des § 2
des Jesuitengesetzes ein, wonach die Angehörigen
der Gesellschaft Jesu oder verwandter Orden oder ordens-
ähnlichcr Kongregationen, wenn sie Ausländer sind, ans
dem Bundesgebiet ausgewiesen werden können, wenn sie
Inländer sind, ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken
und Orten versagt werden kann oder sie felbst ausgewiesen
Werden können.
Deutscher Reichstag. Berlin, 17. Jan. Mehrere
kleine Vorlagen werden ohne wesentliche Erörterung er-
ledigt. Es folgt die zweite Berathung des Etats.
Der Etat des Reichstages wird auf Antrag des Abg.
Dr. v. Frege von der Tagesordnung abgesetzt.
Beim Etat des Reichskanzlers regt Lenzmann
(freis. Volksp) die Besprechung der Lipp eschen Frage an,
die eine allgemeine Bedeutung habe als eminent wichtige Rechts-
frage. Der Initiativantrag der Freisinnigen sei allerdings durch
den Bundesrathsbeschluß überholt worden, werde aber nicht zurück-
gezogen werden. Die Frage sei akut geworden wegen der Lippe-
schcn Landesgesetzgebung. Die Sache habe doch große Aufregung
erzeugt, besonders als der Kaiser sich dazu in einer Weise äußerte,
die erkennen ließ, auf welcher Seite er stand. Die Lippesche Volks-
vertretung habe Grund zu mancher Klage. Die Entmündigung
des Prinzen Alexander wurde dem Volke zwei Jahre lang ver-
heimlicht, der Tod des Fürsten Woldemar vom Morgen bis zum
Mittag, um dem Prinzen Adolf Zeit zn lassen, ins Land zn
kommen. Inzwischen wurden die Verhandlungen über die Thron-
folge geführt. Redner bespricht die Entscheidung des Schieds-
gerichts in dieser Sache, die Gutachen der Staatsrechtslehrer und
die Entscheidung des Bundesraths. Diese habe zum Kopfschütteln
aller Juristen und Laien einen Kompromißweg eingeschlagen und
einen juristischen Entschluß empfohlen, der so aussehe, als ob er
aus der Eschenheimergasse vom alten Bundestag stamme. Er sei
das Schlimmste was Lippe-Detmold und dem deutschen Reich ge-
schehen konnte. Die Ungewißheit dauere fort und das grade sei
für ein so kleines Gemeinwesen das Gefährlichste. (Der Reichs-
kanzler betritt den Saal-) Der Vertreter von Lippe-Detmold im
Bundesrath sei leider nicht anwesend, trotzdem ihm Mittheilung
von der Verhandlung gemacht worden war. (Hört, Hört!) Der
Bundesrath habe nach der Reichsverfassung kein Recht zu seinem

Beschluß. Es liege keine Streitigkeit zwischen Bundesstaaten vor,
sondern nur eine Frage des Privatfürstenrechtes. Schaumburg
hätte sich an die Detmolder Landesgerichte und die höheren In-
stanzen wenden müssen. Den Bundesrath anzurufen, übersteige
alle Begriffe von Recht und Gerechtigkeit: Unter den Richtern
säßen die streitenden Parteien selbst! Der Reichstag sei ver-
pflichtet, hier Stellung zu nehmen. Der Bundesrath könne nicht
die Selbstbestimmung eines Staates ans der Welt schaffen. Er
sei nur eine Konferenz von Gesandten, die keine eigene Meinung
haben dürften. Wir sind geneigt, den Beschluß mit einer gewissen
Verächtlichkeit zu behandeln.
Präsident Graf Ballestrem erklärt diesen Ausdruck für un-
zulässig.
Abg. Lenzmann (forlfahrend): Unsere Pflicht ist es, gegen
diese Konipetenz des Bundesraths zu protestiren. Vielleicht äußert
sich hierzu einmal die Minderheit des Bundesraths. (Gelächter.)
Diese möge hier vortreten. (Heiterkeit.) Geschieht das nicht, so
Wird der Respekt des Volkes vor dem Bundesrath nicht wachsen.
Das Gottesgnadenthum sängt doch nicht erst bei den Ländern
über 20 Quadratmetlen an. Die Grundlage des Volkslebens solle
das unerschütterliche Recht sein.
Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Auf die Ausführungen
des Vorredners habe ich Folgendes zu erklären: Die Reichs-
Verfassung weist in Art. 76 Abs. 1 gewisse öffentlich-rechtliche
Streitigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen dem Bundes-
rathe zur Erledigung zu, der selbständig und allein danach zu
handeln, besonders zunächst über seine Competenz zu entscheiden
hat. Ein solcher Entscheid ist lediglich ein Akt berechtigter
Jurisdiction, und obwohl ich mit dem ergangenen Beschlüsse
völlig einverstanden bin, vermag ich im Hinblick auf diese staats-
rechtliche Stellung des Buudesraths doch nicht in eine Discussion
einzutreten. Indessen scheint mir auch zu dem Beschlüsse über
die Zuständigkeit ein aufklärendes Wort nöthig. Es ist in dem
Beschluß durch Aufführung der einzelnen Thatsache» selbst völlig
klar gestellt, daß bei der allerdings controverseu Auslegung des
Art. 76 Abs. 1 der Reichsvcrfassung der Bundesrath in seiner
großen Mehrheit den Umstand als entscheidend erachtet hat, daß
thatsächlich in seiner äußeren Erscheinung für beide Parteien der
Streit den Charakter einer von ihnen gefühlten Staatsangelegen-
heit angenommen hat und die Bundesinftanz in dieser Streit-
frage anzurufen war. Das Verhältnis der Landesgesetzgebung
gegenüber dem fürstlichen Hausrecht bild t de» Hauptstreupunkt,
und da über diesen die Entscheidung völlig oorbeh >lten ist, muß
ich es mir versagen, durch irgendwelche Erklärung der künftigen
Entscheidung unbefugterwcise vorzugreifen. Endlich ist es be-
mängelt worden, daß der Bundesrath nicht sofort zu einer
materiellen Erledigung des Streites geschritten ist. Würde ein
strittiger Successionsfall bereits eingetreten sein oder nach mensch-
licher Voraussicht näher bevorstehen, so würde es freilich nicht
wohl angehen, von dem Competenzpuukte schon die nächste Frage
zu trennen, unter welchen prozessualischen Modalitäten die
weitere Erledigung erfolgen wird. Indessen ist es zu beachten»
daß bei der Bejahung der Competenz jetzt schon der Rechts-
zustand für beide Theile im Sinne der Ziffer 8 des Beschlusses
sestgelegt worden ist. Die Trennung des Entscheides der Zu-
ständigkeit und der sachlichen Frage hat unter der Herrschaft der
Austrägalordnung des früheren deutschen Bnndesrechtes regel-
mäßig staltgehobt. Es entspricht auch dem Charakter des
Bundesverhältnisses nicht, vorzeitig durch Vereinigung der ver-
schiedenen Prozeßabschnitte die Möglichkeit auszuschließen. daß
in einem neuen Stadium eine Annäherung der streitenden Theile,
sei es durch eigene Vereinbarung eines Austrags, sei es in der
Sache selbst eintretc.
Abg. Dr. Lieber iCentr.): Der Beschluß des BundesrathS
lasse nickt erkennen, wie er dazu gekommen ist, den Streit zwischen
den Negierenden als Streit zwischen Staaten anzusehen. Nichts
ist confuser als der Antrag Schaumburgs. Weil es ein Streit
zwischen Fürstenhäusern ist, ist der Bundesrath auch nicht zu-
ständig; ebensowenig allerdings auch der Reichstag, sondern
allein die lippe'sche Landesgesetzgebung. Lenzmann habe Recht
darin, daß der Bundesralh sogleich hälte entscheiden müssen.
Wenn der Art. 76 der Reichsverfassung die ihm von Schaum-
burg beigelegte Bedeutung hätte, so wäre das verhängnißvoll für
alle Bundesstaaten. Was könnte entstehen, wenn Preußen eine
Regentschaft nöthig hätte und ein Streit zwischen dem ersten und
zweiten Bundesstaat über die Rcichsregenlschaft entstünde. Den
Bundesralh trifft der Vorwurf, das Rechtsbewußlsein aufs
schwerste geschädigt zu haben. Wir müssen constatiren: Recht
muß doch Recht bleiben!
Abg. Dr. v. Dziembowski (Reichsp.) beschwert sich über
einseitige Durchführung verschiedener Gesetze betreffs der betref-
fenden Nameusüberlragung und der Gesindeordnuug.
Staatssecretär Dr. Graf v. Posadowsky: Er müsse gegen
die Ausführungen Lenzmanns Einspruch erbeben. Bundesrath

* Das Romanfeutlleton findet der Leser im heurigen
zweiten Blatt.

2. Sahleuder Abonncinents-Concert.
Heidelberg, 19. Januar.
Endlich, nach vielen Hindernissen kam dieses 2. Concert,
Einen Akt musikalischer Gerechtigkeit übte der Veranstalter und
Dirigent aus, indem er auf Mendelssohns schottische Symphonie
zurückgriff. Dies, einst bis zum Uebcrdruß gehörte Werk ist
durch das Ablagern fast wieder neu geworden. Gewiß ist heute
Unser Ohr an reichere Farben, an größere Tonfülle gewöhnt, wir
sind anspruchsvoller geworden, aber Mendelssohns Klarheit und
Formschönheit haben ihren Reiz nicht eingebüßt. Der Gesang
des Adagios, bet der Ausführung auch am besten gelungen,
hinterläßt heute noch den nachhaltigsten Eindruck.
Das Prolude zur Sündfluth von Saint-Saöns für Streich-
orchester, eine langsame, die dumpfe Ruhe vor dem Sturm charak-
tertstrende Einleitung, mit nachfolgender Cantilene, ist nicht eben
bedeutend, ladet aber zur behaglichen Aufnahme ein.
Den Schluß bildet die Oberon-Ouverture.
Kapellmeister Sohlender hatte viel Fleiß und Liebe ver-
wendet und erntete lebhaften Dank. Als Solistin hatte er sich
eine Künstlerin von bedeutendem Rufe erworben. In Belgien,
Holland und Frankreich besonders kennt man Frau Kutscherra de
Nys seit Langem als hervorragende dramatische Sängerin, die
Kroße Triumphe gefeiert hat.
Sie bedarf der Bühne, welche die Domäne solcher großen
Qrgane ist, um ihre ureigenste Natur zu zeigen. Was die starke
dramatische Arbeit der Stimme an Schmelz und dem Ton an
Absoluter Festigkeit etwas geraubt hat, ersetzt sie durch die große
Arpe, den großen Stil, die Kraft, mit der sie ihr Organ in der
Hohe wirken läßt. Frau Kutscherra, wenn ich nicht irre, von
Nationalität deutsch, ist in ihrer Kunst international und poly-
Pott. Sic sang die Auftritts-Arie der Elisabeth und dann
Arlioz' hier nicht unbekannte Lbssnos. Im Französischen kommt
lhre Deklamationskunst stärker und eindringlicher zur Geltung.

Namentlich mit dem „Lsvrsos, rsvisns", dem langgehaltenen
Piano, verstand sie eigenartige Wirkung zu erzielen.
Dieselbe bestimmt ausgeprägte Deklamationsknnst widmete sie
Liszts ,0b gnaack js ckoro«, einem Lied von raffinirter Senti-
mentalität. „Es blinkt der Thau" wird trotz des aufflammenden
Refrains einer ausgesprochenen Deklamationssängerin nie be-
sonders liegen. Mit dem urdeutschen Löwe und zwar seinem
„Niemand hat's gesehen" ging Frau Kutscherra, so absurd das
klingen mag, in das französische Genre des Pikanten, dabei
auch zur Coloratur über. Die Künstlerin, die stürmischen Beifall
erntete und unzählige Male gerufen wurde, steigerte die Wirkung
mit einer französischen, sehr bekannten Zugabe, ich glaube „Iss
Frau Kutscherra erhöhte die Eindringlichkeit ihres routinirt-
virtuosen Vortrages durch eine erhebliche Dosis mimischer Zu-
gabe, für die ein romanisches Publikum zu sehr, ein deutsches
meist zn wenig zugänglich ist. , ^ ,
Die Solistin wird eine sehr freundliche Erinnerung an das
enthusiastische Publikum mitnehmen, das Publikum freut sich einer
interessanten künstlerischen Bekanntschaft. Or. 8.

Kleine Zeitung.
— Bismarcksäulen. Der Aufruf der deutschen Studenten-
schaft, dem Andenken des Fürsten Bismarck überall in Deutschland
gewaltige Bismarcksäulen zn errichten, von deren Spitze am
Abend des 1. April Feuerfanalen weithin durch das Land leuchten
sollen, hat im ganzen Reiche begeisterten Wiederhall gefunden.
Außer in den 27 Hochschnlstädten, wo die Studentenschaft selbst die
Errichtung einer Säule betreibt, haben sich bisher in nicht weniger
als 46 Städten angesehene Männer zusammengefunden, um der
Verwirklichung der Idee näher zu treten. Tagtäglich wächst ihre
Zahl und kaum zu bewältigen ist die Menge der brieflichen An-
fragen, die an den Ausschuß der deutschen Studentenschaft, in
dessen Händen die Leitung der ganzen Angelegenheit liegt (Sitz in
Bonn), gerichtet werden. Sein Interesse für den Plan hat in
freundlichen Worten Fürst Herbert Bismarck zu erkennen gegeben.
Das Ehrenpräsidium des Ausschusses der deutschen Studentenschaft

hat der greise Patriot Oberpräsident a. D. von Bennigsen ange-
nommen, und der Deputation der deutschen Studentenschaft, die
ihn dieserhalb aufsnchte, seine lebhafte Freude über das nationale
Unternehmen ausgesprochen. In den nächsten Tagen wird zur
Erlangung eines würdigen Entwurfes für die Bismarcksäule ein
Wettbewerb aller deutschen Künstler eröffnet werden. Das Prä-
sidium des Preisgerichts hat Gehcimrath Wallot übernommen.
Als Preise sind für die 10 besten Entwürfe eiserne Lorbeerkränze
ausgesetzt worden. Den Entwurf, den das Preisgericht als den
besten und die Idee am würdigsten verkörpernden bezeichnet, wird
die deutsche Studentenschaft überall zur Ausführung empfehlen.
Allen Interessenten werden zu diesem Zwecke Pläne und Kosten-
anschläge kostenlos übersendet werden, die man von stuck, mock.
G. Ellermann, Bonn, Schänzchen, verlangen wolle. Da der Termin
für die Ablieferung der Entwürfe auf den 1. April festgesetzt ist,
werden bis Ende desselben Monats diese Pläne in aller Hände
sein, und es steht zu hoffen, daß die Ausführung einer großen
Zahl von Säulen dann nicht mehr lange auf sich warten lassen
wird. Mögen alle Städte und Gemeinden, die die Errichtung
eines Erinnerungszeichens für unfern Heldenkanzler planen, die
großartige und volkstümliche Idee in Erwägung ziehen, damit
am 1. April 1900 von allen Höhen die Flammen lodern, unserem
Altreichskanzler zum Gedächtniß.
— Mainz, l7. Jan. Wie das Mainzer Journal meldet, ist
der neu aufgeworfene Eisenbahndamm am Floßhafen ge-
rutscht. Ein auf dem Damm befindlicher Zug, bestehend aus
der Maschine und vier Güterwagen, stürzte ins Wasser.
Das Zugpersonal rettete sich durch Abspringen.
— Breslau, 17. Jan. Wie die Schles. Ztg. meldet, ist die
verwittwete Herzogin von Ratibor, geb. Prinzessin
von Fürstenberg. heute früh im Alter von 77 Jahren in Ratibor
gestorben. sPrinzessin Amelie zu Fürstenberg, eine Tante
des Fürsten Maximilian Egon, geb. um 12. Februar 1821, ver-
mählte sich am 19. April 1845 mit dem Herzog Victor von Ra-
tibor, dem am 30. Januar 1893 verstorbenen ältesten Bruder des
Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst. D. Red.)
 
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