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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Xr. 48. Erstes Klatt. Ämlag, den 25. Mm

I8SS.

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bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agenten, bei
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Blatt bis Ende dieses Monats gratis.
Der neue ungarische Ministerpräsident.
Koloman Szell, der neue ungarische Ministerpräsi-
dent, stammt aus einer alten ungarischen Familie. Er ist
am 8. Juni 1843 geboren, vollendet also demnächst sein
sechsundfünfzigstes Lebensjahr. Franz Deak hat ihn s. Z.
als Pflegesohn angenommen; er bildete den Charakter des
talentvollen Mannes und führte ihn in das politische Leben
ein, wo er die Hoffnungen, die man an ihn knüpfte, rasch
erfüllen zu wollen schien. Szell wurde mit 24 Jahren
im Jahre 1867 zum Abgeordneten gewählt und zwar mit
Akklamation nach altungarischem Wahlmodus, der nur bei
den populärsten Persönlichkeiten üblich ist. Mit 32 Jah-
ren wurde Szell 1875 als Finanzminister ins Ministerium
Tisza berufen, obwohl er mit Tisza politisch nicht über-
einstimmte. Szell entwarf einen Plan zur Sanirung der
damals arg zerrütteten Finanzen Ungarns, der sich schon
in den ersten Jahren glänzend bewährte.
Da trat ein Ereigniß ein, welches einen dicken Strich
durch seinen Plan machte: die bosnische Okkupation. Be-
kanntlich hatte sich Graf Andraffy die Sache sehr leicht
gedacht und Szell hatte ihr nur widerwillig und unter
der Bedingung zugestimmt, daß die Okkupation sich wirk-
lich rasch vollziehe und geringe Kosten verursache. Die
Entwicklung der Geschichte war aber eine ganz andere, sie
dauerte sehr lange und kostete Hunderte von Millionen.
Das erste Geld hatte Szell bereitwillig angewiesen in dem
Glauben, die Sache sei damit abgethan. Als der Kriegs-
minister zum zweiten Male ein paar Dutzend Millionen
verlangte, und zwar binnen 36 Stunden, verlangte Szell
die Zusicherung, daß dies die letzte Forderung sei. Der
Kriegsminister konnte sie nicht geben. Darauf verschaffte
Szell wohl die dringend nothwendigen Summen, reichte
aber dann sein Demissionsgesuch ein.
Kaiser Franz Joseph hat Herrn Szell die Demission
sehr übel genommen. Zehn Jahre lang hat er an ihn
das Wort nicht gerichtet, obgleich er bei vielen offiziellen
Gelegenheiten mit ihm zusammen traf. Aber die Zeit hat
da versöhnend gewirkt, und werthvoll mag dem Monarchen
später der Freimuth erschienen sein, den Szell bezeigte.
Nach seiner Demission nahm Szell eine hervorragende und
Maßgebende Stellung in der ungarischen Finanzwelt als
Präsident zweier der größten Finanzinstitute Ungarns, der
Ungarischen Hypothekenbank und der ungarischen Wechsel-
Und Escomptebank, ein. Das Aufgeben dieser Posten zu
Gunsten der Ministerpräsidentschaft bedeutet für Szell ein
großes finanzielles Opfer.
Die Stellung eines ungarischen Ministerpräsidenten ist
sine sehr dornenvolle; die heißblütigen Magyaren machen
ihrem Ministerpräsidenten das Leben nicht leicht. Wer
Empfindlich ist, hält es auf dem Posten nicht drei Wochen
aus. Szell bringt großes Talent und politische Erfahrung
iu sein Amt mit, er war schon vor seiner Ernennung der
Einflußreichste und angesehenste Politiker Ungarns. Auch
hat er ja schon insofern einen Erfolg erzielt, als die
Opposition sich bereit zeigt, einer schärferen parlamen-
tarischen Geschäftsordnung zuzustimmen. Vielleicht hält er
^ auf seinem schwierigen Posten länger aus, als Banffy
Und dessen Vorgänger.

Deutsches Reich
Deutscher Reichstag. Berlin, 24. Febr. Vor Eintritt
Ui die Tagesordnung erklärt VicepräsidentSchmidt,
^ach dem stenographischen Bericht habe der sächsische
Bundesrathsbevollmächtigte Rüger gesagt, der Vorwärts
habe Behauptungen gebracht, die er als Lügen kennzeichnen
tuüsst; Abgeordneter Heine hätte diese Lügen berichtigen
Fussen, er habe die Lügen aber nur in der Luft flattern
taffen. Diese letzteren Worte konnten bei der Unruhe des
Hauses nicht verstanden werden. Er nehme an, daß Rüger
u>cht habe sagen wollen, der Abgeordnete Heine habe
öffentlich oder absichtlich die Verbreitung von Lügen
U'chl gehindert. Andernfalls müßte dies Wort als un-
varlamentarisch und der Ordnung des Hauses nicht ent-
wrechend bezeichnet werden.
. Hierauf wird die zweite Berathung des Justizetats
Mgesctzt. Präsident Graf Balle st rem bittet, beim
kV'tel Staatssekretär sich an die Sache zu halten; andere
Ttusführnngen werde er als von der Sache abweichende
Ehandeln. Man möge bedenken, daß der Etat bis zum
gNiärz fertiggestcllt werden müsse.
f-j.'Ubg. Stadthagen (Soz.) bespricht in längeren Aus-
^"Uiigen die Ueberlastung des Reichsgerichts.
8eri^m"^krctär ^ Nieberding: Wenn auch beimNcichs-
dorn ^ Strafsachen die Civilsachen überwiegen, so dürfe
ün>>» nicht geschlossen werden, daß die Criminalsenate darum
"er belastet würden. Im Gegentheil seien zur Zeit die Civil-

senate am meisten belastet. Die Belastung müsse nach den rück-
ständigen Sacken beurtheilt werden. In dem Sinne sei es
schon jetzt nöthig, den Civilsenaten zu Hülfe zu kommen, noch
mehr aber nach der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches.
Der Rest des Etats wird hierauf angenommen.
Beim Etat des Reichstages rügt Abg. Beckh-Koburg
(fr. Vg.) den Mangel an Etsenbahnabtheilen 1. Klasse, der so
oft das eigentliche Benefiz der Abgeordneten, die freie Eisenbahn-
s fahrt, illusorisch machte.
Der Etat wird bewilligt.
Abg. Münch-Ferber (nat.-lib.) wünscht im Interesse der
sächsischen Industrie eine schnellere Verbindung zwischen Chemnitz
und London. Die Belgier und Franzosen hätten sich die Mängel
unserer Etsenbahnverwaltung schon längst zu Nutzen gemacht zum
Schaden unserer Industrie.
Präsident des Reichseisenbahnamtes Dr. Schulz erkennt
die Bedeutung der Sache an. Die Regierung habe sich mit ihr
beschäftigt. Der ermäßigte Tarif hätte am 1. October eingeführt
werden können. Die Dauer der Fahrt für Güter sei für die
Strecke Chemnitz-Vlissingen-London auf 81 Stunden gebracht.
Allerdings seien die Beschwerden über Nichteinhaltung dieser Zeit
begründet. Der Grund hierfür sei die Ueberlastung einzelner
Uebergangsbahnhöfe. Das Reichseisenbahnamt werde die An-
gelegenheit im Auge behalten.
Abg. Dr. Pachnike (fr. Volksp.) berührt die Frage der
Eisenbahnunfälle, Fahriädertransport und tritt endlich für die
Abschaffung der 4. Klasse ein-
Präsident Dr. Schulz: Wegen Schutzmaßregeln gegen Un-
fälle seien die Vorschläge des Reichseisenbahnamtes von dem
Bundesrath angenommen und eingeführt worden. Bei den großen
Kosten der Maßregeln werde ihre völlige Durchführung noch
einige Zeit beanspruchen. Die Bestimmungen über den Fahrrad-
transport seien wegen Einhaltung der Fahrpläne und der Be-
triebssicherheit geboten. Auch bezüglich der Personentarife dürfte
bei dem guten Willen der Regierungen schließlich eine Einigung
erzielt werden.
Abg. Bräsi cke (freist Volksp.) wünscht allgemeine Durch-
führung der Staffeltarife.
Präsident Dr. Schulz: Die Befugnisse des Reiches auf das
Tarifwesen seien durch die Verfassung festgelcgt.
Abg. Stolle (Soc) wünscht einheitlichere Tarife und Re-
form des Fahrkartenwesens. Die Unterbeamten seien durch über-
mäßige Dienstzeit überanstrengt.
Geheimralh von Misani wendet sich gegen letztere Be-
hauptung.
Abg. G amp (Rp.): Ein großer Theil der vorgebrachten
Wünsche sei schon im preußischen Eisenbahnetat erfüllt. Das
Wagenmaterial in Deutschland sei besser als irgendwo anders.
Die Fahrgelegenheit 4. Klasse sei gut und billig. Man sollte
aber die Viehrransporttarife ermätzigen, auch das Fahrkarten-
wesen vereinfachen.
Abg. Möller (ntl.) wünscht Besserungen im Stückgüterver-
kehr und längere Dauer der Rückfahrkarten.
Abg. Graf Stolberg-Wernigcrode (cous.) will Ver-
einfachung des Rückfahrt- und Rundreisekartenweseus; auch
müsse der allgemeine Personentarif herabgesetzt werden.
Abg. Schräder (fr. Vp.) wünscht Ausdehnung der Kompe-
tenzen des Reichseisenbahnamtes.
Abg. Frhr. v. Stumm (Rp.): Die Staffeltarife hätten
mit der Tarifrevision nichts zu thun. Leider wirkten die Staffel-
tarife durch Vertheuerung auf kurzen und Verbilligung auf wei-
ten Strecken nur zum Nutzen der großen Städten.
Abg. Graf v. Kanitz (const): Die Tarife müßten einheit-
licher werden. Der Getreidepreisbildung könne nur geholfen
werden bei gleichzeitiger Aufhebung des Identitätsnachweises
und Fortbestehen der Staffeltarife. Die Personentarife seien
durch Stadtbahnen und Vorortbahnen für die großen Städte so
verbilligt worden, wie es für die kleinen niemals der Fall sein
würde. Daher dürfte die Reform der Güter« und Personentarife
niemals getrennt werden.
Präsident Graf Balle st rem ruft den Abg. Stolle nachträg-
lich zur Ordnung, weil er gewisse Polizeimaßregeln als eine
Schande für das Königreich Sachen bezeichnet hatte, und bittet
die Redner zur Sache zu sprechen.
An der Debatte betheiligen sich noch Beckh (fr. Vp.1, Dr.
G crsten b er g er (südd. Bauernb.), Dr. Hahn (B. d. Landw.);
es folgen persönliche Bemerkungen und endlich wird der Etat
angenommen.
Morgen 1 Uhr: Rest der heutigen Tagesordnung.
Baden. Die Sitzung des Landesausschusses der
nativ nal lib erale n Partei findet Sonntag, den 5.
März, Vormittags 11 Uhr, im Hotel „Erbprinz" in
Karlsruhe statt.
— Der vom Abgeordneten Breitner erstattete Bericht
der Justizkommission über den Gesetzentwurf „Die Zwangs-
vollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geld-
forderungen betr." ist soeben erschienen. Danach ist
die neue Vorlage nothwendig geworden, weil die Civil-
prozeßordnung durch das Reichsgesetz vom 17. Mai 1898
in mehrfacher Hinsicht einer Aenderung unterzogen wurde,
die zum Theil mit der Einführung des Bürgerlichen Ge-
setzbuches im Zusammenhang steht. Dadurch hat sich die
Reihenfolge der einzelnen Paragraphen der Civilprozeß-
ordyung verschoben und die Verweisungen sind nicht mehr
zutreffend; außerdem wurde die seitherige landesrechtlich
geregelte Zwangsvollstreckung durch neue Bestimmungen
(W 864—871 Z.-P.-O.) reichsgesetzlich normirt. Die
Aenderungen des alten Gesetzes bestehen demgemäß zum
Theil in der richtigen Anordnung der Verweisungen, theils
in Zusätzen, die auf Grund der seitherigen Erfahrungen
geboten erscheinen. Die Kommission beantragt unverän-
derte Annahme der Vorlage mit einigen redactionellen Ab-
änderungen.
L.X. Karlsruhe, 24. Februar. Die Centrums-
fraction hat gestern nach eingehender Berathung in der
Angelegenheit der Dotationsfrage sich auf folgende
Formulirung des Fieser'schen Antrages geeinigt: „Reicht
der Staatszuschuß von 300 000 Mark und ein Zuschuß
aus dem Ertrag der allgemeinen Kirchensteuer in der Höhe
von einem Fünftel des Gesammtertrages derselben, jedoch
im Höchstbetrag von 100 000 Mark, nicht hin, um die
römisch-katholischen Pfarrer in der durch 8 6 Absatz 4 bis
7 bezeichnten Weise aufzubessern und den Pfarrern mit

mehr als 25 Dienstjahren eine Alterszulage mit 2800 M.
zu gewähren, so erhöht sich der Staatszuschuß um die
fehlenden Beträge. Derselbe darf jedoch in diesem Falle
die Summe von 350000 M. jährlich nicht überschreiten.
Preußen. Schleswig, 24. Febr. Gestern fand ein
großer Fackelzug der Bürger, Gewerbe und Vereine der
Stadt Schleswig nach dem Oberpräsidium statt, wo der
Provinziallandtag, die Offiziere, die Regierung, die Geist-
lichkeit und die Landrälhe der Provinz zu einem Bierabend
versammelt waren. Oberpräsident v. Köl ler empfing
sodann eine Abordnung unter Führung des Bürgermeisters
Heiberg, welch letzterer in einer Rede der Staatsregierung
für die Maßnahmen gegen die dänische Agitation den Dank
der Bevölkerung aussprach. Oberpräsident v. Köller nahm
den Dank Namens der Staatsregieruug entgegen und
brachte ein Hoch auf den Kaiser aus.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß her zog haben dem
Königlich Württembergischen außerordentlichen Gesandten und
bevollmächtigten Minister Freiherrn von Soden das Großkreuz
des Ordens vom Zähringen Löwen; dem Geheimen Hofrath
Professor Dr. Ottokar Lorenz in Jena das Kommandeurkreuz
zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen; dem Maler
Georg Maria Eckert in Karlsruhe das Ritterkreuz zweiter
Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen; die Steuer-
kommissäre Maximilinn F u ch s und Heinrich G utf lei s ch landes-
herrlich angestellt.
— Seine Königliche Hoheit der Großberzog haben dem
Inhaber des Prädikaturbenefiziums zu Offenburg, Prediger
Edmund Reuschling daselbst, das Ritterkreuz 1. Klasse des
Ordens vom Zähringer Löwen und dem Beirath des Ludwig-
Wilhelm-Pflegehauses in Baden, Bankdirektor Franz Funck
daselbst, das Ritterkreuz 2. Klasse des Ordens vom Zähringer
Löwen verliehen; dem Erzbischof Dr. Thomas No erb er in
Freiburg die Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen des ihm
verliehenen Großkreuzes des Königlich Württembergischcn
Friedrichsordens, dem Großherzoglichen Kammerherrn und
Kaiserlich Deutschen Gesandten in den La Plata-Staaten, Frei-
herrn von Me ntzin gen, die Erlaubniß zur Annahme und
zum Tragen des ihm verliehenen Königlich Preußischen Rothen
Adler-Ordens 3. Klasse mit der Schleife, dem Vorstand der
Großherzoglichen Rheinbauinspektion Freiburg, Wasserbauinspektor
Ferdinand Freiherrn v o n B a b o, die Erlaubniß zur Annahme
und zum Tragen des ihm verliehenen Königlich Preußischen
Rothen Adler-Ordens 4. Klasse und dem Hofmöbelsabrikanten
Adolf Dietler in Freibnrg die Erlaubniß zur Annahme und
zum Tragen des ihm von dem Großherzog von Luxemburg ver-
liehenen Ritterkreuzes des Herzoglich Naffauischen Militär- und
Civilverdienstordens Adolphs von Nassau ertheilt.
Karlsruhe, 24. Febr. Um 1 Uhr folgten heute die
Großherzoglichcn und die Erbgroßherzoglichen Herrschaften
einer Einladung der Fürstin zur Lippe zur Frühstückstafel.
Dieser wohnten auch Ihre Durchlaucht der Erbprinz und
die Erbprinzeffin zu Leiningen an.

Ausland.
Frankreich. Paris, 24. Febr. Ueber das närrische
Vorgehen Döroulsdes wird noch berichtet: Deroulöde, der
an der Spitze von 1500 Anhängern marschirte, fiel dem
Pferde des Generals Rüget in die Zügel und rief aus:
„Nicht hierher, General, nach dem Elisste l" General Roget
riß sein Pferd bei Seite, rief: Platz! Platz! und com-
mandirte zu seinen Truppen gewendet: Nach der Cascrne!
Doroulsde blieb jedoch hartnäckig an der Seite des Gene-
rals und drang inmitten der Soldaten in die Caserne ein.
General Roget, der ihn als Aufrührer betrachtete, befahl
seine Verhaftung. Mehrere Zeitungen glauben, daß Dv-
roulsde tatsächlich die Idee gehabt, sich mit Hilfe des
Generals Roget zum Dictator aufzuwerfen, und bezeich-
nen sein Vorgehen als Hellen Wahnsinn. Es heißt,
daß Roget um 2 Uhr Morgens auf der Polizeipräsectur
mit Tsroulöde confrontirt wurde und erklärte, die Beschul-
digten hätten ihn verleiten wollen, mit den Truppen nach
dem Elisee zu ziehen. Dem Gaulois zufolge fürchten die
Freunde Döroulvdes, daß er vor den Senat als Staats-
gerichtshof gestellt werden könnte.
Paris, 24. Febr. Der Ministerrath beschloß in der
heutigen Kammersitzung die Ermächtigung zur Verfol-
gung der Abgeordneten Döroulsde und Habert zu
verlangen. Dementsprechend verfaßte der Generalstaats-
anwalt Bertrand einen Antrag auf gerichtliche Verfolgung
der beiden Abgeordneten. In dem Schreiben sagt er:
General Roget hat Folgendes ausgesagt: Auf der Place d»- la
Nation warf sich unter der Führung Dsroulödes eine Bande von
200 Mann auf meine Colonne. Ich glaubte zu erkennen, daß
man die Truppen in der Richtung zum Elysöe führen wollte, und
ich gab die Richtung nach der Kaserne an. Ungefähr 15 Per-
sonen drangen mit in die Kaserne ein. Als diese geräumt wurde,
blieben Tsroulöde und Habert mit ihren Abgeordnetenzcichen
versehen zurück. Roget hörte von fern diese beiden etwas rufen,
konnte aber ihre Worte nicht unterscheiden. Die Abgeordneten
wurden aufgefordert, die Kaserne zu verlassen. Sie weigerten sich
jedoch. Generalstaatsanwalt Bertrand theilt weiter mit, daß
Döroulöde selbst in seinem Verhör vor dem Sicherheits-
direktor erklärte, er habe sich nach dem Platze begeben, um
die Menge aufzureizen, eine aufrührerische Be-
wegung ins Werk zu setzen, um die l-tzige Republik zu
stürzen und an ihre Stelle eine ple b ts eitarische zu
setzen. Habert habe erklärt, er trage die Verantwortung für das,
was er gethan habe. Bertrand schließt seinen Bericht mit den
Worten: Diese Thatsachen bilden den Thatbestand des Ver-
brechens zur Aufreizung durch Reden und Aufrufe auf öffent-
lichen Plätzen gegen Militärpersonen zu dem Zwecke, sie von der
Erfüllung ihrer militärischen Pflicht abspenstig zu machen und
sie zum Ungehorsam gegen ihre Vorgesetzten zu veranlassen. Dies
Verbrechen wird bestraft laut Artikel 25 des Gesetzes vom
29. Juli 1889, abgeändert durch das Gesetz vom 12. Decembcr
 
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