Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0073

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienvätern
monatlich 50 Pf.
frei in'S Hans gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl. 1.25
ausschließlich Zustellgebühr.






Telephon-Anschluß Nr. 82.


JnsertionSgebühr
15 Pf. s,.r die Ispaltige
Petitzene oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der'Jnserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 821

M. 17.

Freitag, den 2V. Zaauar

1898.

Aus Nordschleswig.
Der schon mehrfach genannte Spezialberichterstatter des
Berliner Tageblattes hat auf seiner Erkundigungsreise einen
angesehenen dcutschfreisinnigen Kaufmann in Hadersleben,
der einer altangesesscnen dortigen Familie angehört, aus-
gesucht und ihn nach seiner Meinung gefragt. Es ist sehr
interessant zu hören, welche Auskunft er von diesem frei-
sinnigen Kaufmann, er heißt v. Brinken, erhalten hat.
Herr v. Brinken, der nicht nur bei den Deutschen, sondern
auch bei den Dänen sehr angesehen ist, hat ihm Folgendes
erklärt:
„Ich selber habe eben so viel Freunde und Bekannte
auf deutscher wie dänischer Seite. Der Unterschied zwischen
uns giebt höchstens einmal zu einem Scherz Veranlassung.
Ich komme zum Beispiel in ein Bierlokal, wo die
Dänischen sitzen, und da rufen sie: „Jetzt kommt der
große Deutsche!" — „Na, was wollt Ihr denn, Ihr
Dänenjungens?" sag' ich zu ihnen. Dann trinken wir
rin Glas Bier mit einander. Das sind ganz harmlose
Menschen. Ihr ganzes Dänenthum besteht darin, daß sie
ihre dänische Sprache und dänischen Gewohnheiten be-
wahren wollen, wie denn jeder andere Volksstamm in
Deutschland, der Mecklenburger, der Schlesier, der Rhein-
länder und so weiter sich gleichfalls seine Art, die Sprache,
den Dialekt, den Heimathsklang erhalten will und darf.
Hiermit wäre also alles gut. Nun aber giebt es eine
Sorte Leute hier wie überall, die sonst auf keine Weise
zu etwas kommen können und die, um was aus sich zu
Machen, die Politik dazu benutzen, ja eine solche überhaupt
erst künstlich schaffen. Dazu dient ihnen in unserem Lande
als gegebener Stützpunkt eben der Unterschied von deutsch
und dänisch. Gerade deshalb, weil das deutsche Element,
wenigstens in den Städten, also den Sitzen der Intelligenz,
fortwährend zunimmt und die Grenzlinie sich immer mehr
zu verwischen droht, suchen sie diese Linie zu einem Ab-
grund auszuschachten, über den keine Brücke führen soll.
Abgesehen von der Presse, geschieht dies namentlich in
den Vereinen, wo diese Art Agitatoren die Parole
ausgiebt: „Kau ft nicht bei Deutschen undmeidet
mit ihnen den Verkehr!" Das wird dann auch von
denjenigen Mitgliedern befolgt, die an und für sich deutsch-
freundlich geblieben sind, die aber die Angst vor dem
landsmännischen Boykott dazu treibt. Aber auch durch
öffentliche Schmähungen in den Gastwirthschaften
und dadurch, daß sic politische Wähler zur Rede
stellten, ob sie dänisch oder deutsch gewählt hätten,
Und auf andere Weise mehr hat sich der Uebermuth
dieser Agitatoren verderblich kund gethan. Noch jetzt trete
ich für die Interessen der sich mit altem Vertrauen an
Mich wendenden dänischen Staatsangehörigen von HaderS-
leben, soweit sie nichts Feindliches gegen die Deutschen
unternommen haben, mit allen meinen Kräften und Be-
ziehungen ein. Ich helfe ihnen zur Beschaffung der jetzt
für sie nothwendigen Papiere, und schon Ausgewiesenen
habe ich zur Ordnung ihrer Geschäfte wenigstens eine zeit-
weilige Rückkehr erwirkt. Meine Freunde sagen schon von
jeher über mich zum Spaß, ich werde nächstens ganz
Däne werden. Ich schone das dänische Gefühl und habe
als Vorsitzender der freiwilligen Feuerwehr den Antrag
auf Betheiligung derselben an dem Fackelzug für Herrn
d. Köllcr zur Ablehnung gebracht, weil in ihr dänische
Mitglieder sind. Aber trotzdem ist mir mehr als einmal
wit ostentativer Undankbarkeit gelohnt worden.
Ein dänischer Unterthan, dem ich, weil er mir
disher als ein friedlicher Mann bekannt war, mit gutem
Gewissen die preußische Staatsangehörigkeit mit erwirken

! konnte, hat sich dann, als er sich nun so geschützt sah, zn
einem Aufwiegler schlimmster Sorte entwickelt;
wenn er mich jetzt sieht, wird er weiß und roth. Es
handelt sich in unserem ganzen Lande vielleicht um 100
bis 150 Menschen, die einzigen und wahren Schuldigen.
Die müßte man loszuwerden suchen, aber das Schlimme
ist eben, da sie preußische Staatsangehörige sind, so kann
man nicht an sie heran, und statt der unzulänglichen u n-
mittelbaren Wege gegen sie hat Herr v. Köller eben die
mtttelbaren beschritten.
Was den dänischen Uebermuth so gekräftigt
hat, war die nachsichtige Regierung. Im Großen und
Ganzen hat sie wohl auch genützt, wie man an der Aus-
breitung des Deutschthums ja ersehen kann. Die Agitation
aber glaubte, ungestraft nun alles thun zu dürfen. Das
wurde ärger und ärger. Deshalb hat der Wille
des Herrn v. Köller, in allen deutschen Kreisen große
Befriedigung erweckt. Ich sage vorläufig „der
Wille". Wir Alle möchten hier in Frieden leben, den
brauchen wir schon für unsere Erwerbsvcrhältnissc. Das
sieht auch die dänische Bevölkerung, soweit sie nicht im
Heerbann der Agitatoren steht, ein, und sie wünscht aus
leicht begreiflichen Gründen noch mehr als wir Deutschen,
dieser Unruhestifter ledig zu werden. Bangend, aber auch
mit frohen Hoffnungen, hat sie deshalb zu Hrn. v. Köller
aufgesehen.
Man muß unterscheiden zwischen Willen und Weg.
Herrn v. Köllers Weg sind die Ausweisungen gewesen.
Das eine Gute haben sie bisher erzielt, daß sie der
dänischen Ueberhebung doch sehr den Mund ge-
stopft, wohl aber auch das minder Gute, daß sich die
Zustände unter ihrer Wirkung sehr zugespitzt haben, auch
dort, wo die Versöhnung schon ganz im Gange war. Ob
sie ein Rezept für die Dauer bleiben können, das tyuß
ganz gewiß bezweifelt werden, schon deshalb, weil sie
gegen die eigentlich Schuldigen ja zum größten Thcil nicht
angewendet werden können. Einmüthig aber, um das
nochmals zu sagen, haben wir Herrn v. Köllers gute
Absicht begrüßt. Was den Diplomaten in ihm be-
trifft, um diese Absicht auch zu einer praktischen Aus-
führung zu bringen, das steht ja freilich auf einem anderen
Blatt."
Also sprach, so rcsumirt sich der Berichterstatter des
Berl. Tagebl., einer der besten deutschen Haderslebener
Männer — nicht ganz den Worten, aber ganz dem Sinne
nach. Hadersleben ist in Nordschlcswig die Stadt, die
des ganzen Haders Lebens- und Mittelpunkt ist. Deshalb
wird diesen Worten aus dem Kerne ihrer Bürgerschaft
ihre besondere Bedeutung beizumessin sein.

Deutsches Reich
— Bei der Defilircour im Berliner Schlosse am
18. d. passirten über 5000 Personen; die Cour dauerte
3 Stunden.
— In der B udg ctcommissio n des Reichstages gab
Staatssekretär v. Podbielski weitere Aufklärungen über den
Fall Grünen thal, des vormaligen Oberfaktors der Reichs-
druckerei, der sich kurz vor der Gerichtsverhandlung durch Selbst-
mord dem irdischen Richter entzog. Der Gesammtbetrag der
Veruntreuungen beziffert sich nach neueren Prüfungen auf
483 000 Mk., wovon 144300 Mk. ungedeckt sind.
— Wie die Dtsch. Spir.-Jnd. mittheilt, machen die
Vorbereitungen zur Begründung der Central-Spiri-
tus-Verw crth ungs-Gesellschaftso gute Fortschritte,
daß in etwa 14 Tagen die Veröffentlichung und die Be-
treibung der Angelegenheit in den Provinzialversammlungen
erfolgen können. Nach dem Blatte sollen auch die Händler

und Großdestillateure dem Projekt freundlich gegenüber«
stehen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 19. Jan. Fortsetzung
der zweiten Berathung des Etats des Reichsamts des
Innern.
Abg. Rö ficke (wild-liberal): Der Staatssecretär sagte, daß
von einem Stillstand der socialen Gesetzgebung nicht die Rede
sein könne, und berief sich dabet auf die Thronrede. Die in
dieser allgekündigten Gesetze seien aber noch nicht eingebracht
und steckten noch im Buudesrathe. Das Coalitionsverbot werde
noch immer aufrecht erhalten. Bedenklich sei das angckündigte
Gesetz wegen des angeblichen Terrorismus bei Streiks. Terroris-
mus komme vor, auch bei Arbeitgebern. Uebrigens habe man
schon jetzt genügend Handhaben gegen Ausschreitungen. Seit
1890 hätten sich die Verhältnisse bedeutend gebessert. Die
Arbeiter blieben in den gesetzlichen Schranken. Außerdem wollten
sich ja auch beispielsweise d e Sozialdemokraten Berlins an dem
ueugegründeten Centralarbeitsuachweis auf paritätischer Grund-
lage betheiligen. Er müsse den Staatssecretär dringend bitten,
dem Kaiser über die Verhandlungen der Arbeitgeberverbände in
Leipzig zu berichten. Pflicht der Regierung und des Reichstags
sei es, dafür zu sorgen, daß Deutschland auf socialem Gebiete
nicht hinter England und dem übrigen Ausland zurückstehe.
Abg. Wurm (Soc.t: Den Optimismus des Vorredners be-
züglich der Regierung lheile er nicht; vorläufig werde Stumms
Wille weiter geschehen. Der Arbeitsnachweis müsse unparteiisch
gestaltet werden. Der Reichsbericht theile aus den Berichten der
Fabrikinspectoren nur das den Arbeiterorganisationen Ungünstige
mit. Letztere seien ein Culturclement, nicht, wie der Staats-
secretär meine, ein Mittel, der Industrie zu schaden, wie auch
von gegnerischer Seite, namentlich in Süddeutschland, anerkannt
worden sei. Sie trugen dazu bei, Ausstänae zu verhindern. In
Süddeutschland sei es für die Aufsichtsbeamten selbstverständlich,
mit der Beschwerdecommission in Verbindung zu treten, in
Preußen sei man anderer Meinung. Auf polnische Arbeiter
z. B., die nicht deutsch sprechen, werde keine Rücksicht genommen.
Trotzdem die Sonntagsruhe dem Arbeiter so nöthig sei, erfolgten
doch noch Einschränkungen. Die Zahl der Aufsichtsbeamten sei
zür ihre Arbeit sehr gering. Nur 3000 der gewerblichen Anlagen
wurden revidirt. Auch die Gerichte zeigten wenig Achtung vor
dem Institut der Gewerbeaufsichtsbeamten. Die lächerlich ge-
ringen Geldstrafen, die den Unternehmern auferlegt würden,
ließen die Arbeiter nicht an die Unparteilichkeit der Gerichte
glauben. Zu dem Arbeiterschutz sei nur wenig gethan; nach den
Ausweisen der Krankencassen sind die Proletarierkrankheiten, wie
Schwindsucht, im Steigen; ebenso wachsen Unfälle und Todes-
fälle. Auf allen Gebieten bestehe kein Fort-, sondern ein Rück-
schritt. (Beifall der Socialdemokraten.)
Möller (natl.): In der Frage der Berufsvereine stehe er
auf einem andere-: Standpunkte als Rösicke, selbst Z153 der Ge-
werbeordnung genüge in der Mehrzahl der Fälle. Nur vereinzelt
sei eine Verschärfung nöthig. Gegen den Terrorismus der Aus-
ständigen müsse eingeschritteu werden, wie dies auch in anderen
Ländern geschehen sei. Bei Streiks, wie z. B. dem Hamburger,
seien die Streitfragen zu Machtfragen ausgewachsen. Die schweren
Arbeiterkämpfe haben dazu beigelragen, die Gegensätze zu ver-
schärfen. Die Arbeitgeber erhöhten vielfach bereitwillig die Löhne,
um gute Arbeiter zu bekommen. Hinsichtlich der Arbetterversiche-
rung stehe Deutschland allen anderen Ländern weit voraus. Von
einem Stillstand der Sozialpolitik könne keine Rede sein; Wurm
habe in seinem Urtheil über den Bericht der Gewerbeinspektoren
wohl nach seiner Elle gemessen. Es sei gut, daß in Preußen
die Kesselrevision mit der Gewerbeinspektion verbunden sei; die
jüngeren Beamten kämen dadurch in den praktischen Betrieb und
könnten Erfahrungen sammeln. In der Großindustrie seien die
Fabrikeinrichtungen im Ganzen tadellos. Für weibliche Aufsichts-
beamte könne er sich nicht begeistern. Die tägliche Arbeitszeit
sei durchschnittlich zurückgegangen und die Löhne gestiegen.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky führt aus, er
könne den Vorwurf, daß die soziale Gesetzgebung stocke, nur als
unbegründet zurückweisen. Kein Bundesstaat kann so schnell Ge-
setze schaffen wie ein Einzclstaat. Auf der linken Seite des
Hauses habe man geklagt wegen lleberlastungen mit Vorlagen;
das erkenne er an; gehen wir langsam aber besonnen vor. Sach-
verständige Männer aus dem praktischen Leben können sich nicht
immer mit neuen Gesetzen beschäftigen. Wir haben eben im
Haus und im Berus große Aufgaben. Belasten wir das Volk
mit unpraktischen Gesetzen, so trägt die Reichsregierung die folgen-
schwere Verantwortung. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen,
daß wir die Industrie in dem Konkurrenzhandel mit
dem Auslande nicht schädigen. Der Entwurf der Ver-
ordnung liegt dem Bundesrath vor, aber überlegen wir
alles sorgfältig, damit wir keinen Schaden anrichten.

Das Bachstelzcheu.
15) Novelle von Martha Renate Fischer.
(Fortsetzung.)
Als er die tief brennenden Augen hob, sah er, daß Nenn-
ten den Arm auf den Tisch gelegt hatte, und mit dem Kopfe
darauf ruhte. Ja — sie mußte drüber sortkommen.
^ Er klappte die Bibel zu, berührte das Mädel bei der
Schulter und sagte: „Geh zu Bettl Dat is schon Elfe."
»Ja, Vater."
. Er wartete nicht, bis sie ausstand, denn er hatte Er-
?armen mit ihrem armen betrübten Gesicht, und ging sogleich
B leine Kammer. Da warf er die Kleider ab und legte sich
chlasen. Während er dalag, dachte er wieder an seine himm-
"iche Freuden. Das junge Kmd nebenan mußte sich abfinden.
konnte er nicht helfen.
^ Er verfiel in Schlaf, wurde wach und hörte Geräusch aus
Ar Stube. Es war ein Uhr; er sah durch sein Fensterchen
" Deichsel des großen Himmelswagens.
Es war, als spräche jemand in der Stube.
A Der alte Mann taumelte empor, riß unbeholfen ein paar
Aachen aus seinen Körper, ertastete den Drücker und stand in
A Stube. Aennchen saß im Hemdchen auf der Bettkantc
I" verweintem Gesicht, hielt etwas in der Hand, das sie an»
siarrte, darüber sie schluchzte und dazu sie stammelte. Die
-lllnpe stand neben dem Bett auf dem Schemel.
„-.„Als sie den Vater erblickte, wollte sie erschreckt auslöschcn;
>rr der alte Mann rief: -Dat laßt Del Laß dat Licht
avei, I Un sitzen bleibst De I" Denn sie war schleunigst
Beuchen geschlüpft. „HastDir vorher ooch nich Verkält'.
^at hast De da?"
»Nischt."
»Wat? Ick versteh nich l Red' hochdeutsch! Ick bin taub."
»Ich habe nichts!" flüsterte Aennchen im Weinen.
1^»^>o? Du hast nichts! Sieh mal! So weit bist De also
^vn, daß De Deinen ollen Vater belügst. — Laß man, De

olle Vierguls gehr Dir ja ooch eigentlich nischt an. Wal
will der Olle? Der is reis for't Grab."
Sie legte den Arm vor ihr Gesicht und schluchzte lämmcrltch.
„Anneken, sagg'n ollen Vater, wegen wat De weenst, mein
Kind- Zeig mal, wat De da in der Hand hast. , Sieh mal,
der olle Vater weeß besser in der Welt Bescheid wie Du,
Anneken. Un der möchte nich. dat De in de Irre gehst.
Aennchen öffnete die Hand und legte ihr Geheimniß auf
ihre Kniee. Da lag es wie auf einem Tischlein, und das
Hemdchen stellte das Tischtuch vor.
Vater Vierguls sah das goldene Ehrungskreuz und zwe:
blaue Ohrringe: er hatte sich einen Stuhl heran geholt, saß
Aennchen gegenüber- . ^ .
„Dat is von de Frau." sagte er und seine Stimme klang
zugeschnürt. „Un wo is dat her?"
„Dat bat mir der Herr geschenkt.
„Wenn denn?"
„Dat is schon lange her."
„Wie lange denn?" .... . ,
„Vor de Kartoffelernte — wie er hierher kam un hat ge-
sagt, ick sollte backen kommen."
„Wegen wat — bat er Dir denn dat geschenkt?
„Ich weeß nich."
„Wat hat er denn gesagt?"
„Er hat gesagt, er schenket et mir."
„Und denn bat er Dir umarmt-"
„Nee, Vater." Aennchen schlug ihre Hände vor das Ge-
sicht und schluchzte zum Herzbrechen. „Nee, Vater — aber er
hat mit mir getanzt un dazu gepfiffen —"
„Un denn-?" .
Aennchen sah den alten Mann treuherzig an: „Denn is
er hem gegangen."
Vater Vierguts rief: „Red hochdeutsch! Ick bin taub, ick
verstehe kenne Silbe!" Aber seine Stimme, klang laut und
warm. War noch ein Stück Jünglingslon verirrt in einem
Winkel seines Herzens zurückgeblieben. Und der Ton war
jetzt frei geworden.
„Dann ist er nach Hause gegangen.

„Na ja, Aenneken, sich mal-steh mal-"
„Wat denn?"
„Präsenter mußt De Dir aber nich machen lassen, mein
Kind. Du hast et ja wohl ooch gewußt — item: sonst hättest
De doch 'n ollen Vater etwas davon gesagt. — Un wat de
Bauern sin, die heirathen keen Mädchen, so wie Du bist,
die blos ihr schönes Gesicht hat un ihre Tugend. Dat is nu
mal so. — Un wegen wat hat hast De nu geweent?"
„Wegen nischt."
„Wat?"
„Wegen nischt."
„Mädchen, ick bin taub, ick versteh Dir nich."
„Ich habe keinen Grund," sagte Aennchen und nahm wie-
der ihr Gesicht in beide Hände.
„Sie mal, Aenneken, dat muß De nich — De mußt den
ollen Vater nicht Vorreden. Dat schickt sich nich. Wenn De
nich reden willst, denn sagst De: Nee — ick will nich! —
Denn is das grob und ungehörig: aber dat is bei de Wahr-
heit geblieben — denn De willst wirklich nich. — Aber stehst
De — nu ängstige ick mir — un ick gräme mir ooch — weil
De keen Vertrauen hast, Anneken. Un ick Hab' Dir doch so-
zusagen erzogen." Der Alte saß ganz zusammengeduckt, hing
beinah mit dem Kopf aus den Knieen.
_ (Fortsetzung folgt.)

Stadt-Theater.
O Heidelberg, 20. Januar.
„Der Salontyroler." Lustspiel in 4 Akten von
G. v. Moser.
Wer kennt nicht das entzückende Genrebild Defreggers „Der
Salontyroler"? Es wird kaum Jemand geben, dem es nicht in
irgend einer Reproduktion, und sei es auf der Innenseite des
Deckels einer Cigarrentiste, zu Gesicht gekommen und der sich
nicht an dem alpcnfrischen Humor, den eS athmet, erfreut hätte.
Sich hingegen an dem Moser'schen Lustspiel zu erfreuen, das
den gleichen Titel trägt, gelingt nicht Jedermann- Obwohl das
Defrcgger'sche Gemälde dem Verfasser die Idee zu diesem Stücke
 
Annotationen