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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

M. 73.

Montag, den 27. Mär?

I89S.

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auf die Heidelberger Zeitung für das II. Quartal 1899
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.
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trcten zu lassen, bitten wir dringend, die Bestellung bei
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Politische Umschau.
Heidelberg, 27. März.
Der Londoner Times wird aus Newyork gemeldet, die
samoanischen Unruhen seien wiederum Gegenstand
von Verhandlungen zwischen dem deutschen Botschafter v.
Holleben und dem Staatssekretär H a y. Ersterer
überreichte eine Note. In Berlin tritt man für den deut-
schen Generalconsul ein und bestreitet, daß der englische
und amerikanische Konsul in Apia das Recht haben, zu
verhandeln, ohne die Zustimmung von deutscher Seite.
Ferner wird Klage über die englischen und amerikanischen
Schiffskommandanten geführt , und die Abberufung des
Oberrichters Ehambers neuerdings verlangt. Es wird eine
so entschiedene Haltung gezeigt, daß der ganze Berliner
Vertrag (vom 4. Juni 1889) in Frage gestellt zu sein
scheint. In Washington glaubte man, Deutschland wünsche
eine Theilung der Samoainseln, sodaß Deutschland Upolu,
die beste und vortheilhafteste Seestation, Amerika Tutuila
und England Sawaii zufalle. Man halte aber den Plan
einer Theilung des Samoa-Archipels für undurchführbar,
weil die Vereinigten Staaten und England kaum annehmen
werden, was Deutschland ihnen überlassen wolle. Deutsch-
land aber würde den Verlust wettmachen können durch
das unter dem Berliner Vertrag gewonnene Handelsüber-
gewicht. Aus diesen Auslassungen geht hervor, daß die
Samoaangelegenheit auch fernerhin in der Schwebe bleiben
wird, obgleich dieser Zustand unter den obwaltenden Um-
ständen ganz unerträglich ist.
In Oesterreich ist in letzter Zeit Manches gesagt
worden, was Deutschland übel nehmen könnte. Man
denke z. B. an die Ausweisungsrede des Minister-
präsidenten Thun, der allerdings damit in der Folge einen
recht kläglichen Rückzug hat antreten müssen. Kürzlich
hat nun in einer Versammlung der Wähler des Ministers
Kaizl in Karolinenthal, in der im Namen Kaizls durch
den Jungczechen-Obmann Engel Bericht erstattet wurde,
der czechische Reichsraths-Abgeordnete Breznowski unter
Beifall der Zuhörer gesagt: Preußen lauere auf
Böhmen als Beute. Seit er, der Redner, jedoch in
Rußland die intelligenten russischen Offiziere kennen
gelernt habe, sei ihm für die Existenz des czechischen
Volkes nicht mehr bange. Diesmal beeilt sich das Fremden-
blatt, diese Acußerung in einer besonderen offiziösen Note
sehr scharf als kindisch und unschicklich zurück-
SU weisen. Man könne Niemand gestatten, seine groteske
Phantasie auf einem politischen Gebiete spielen zu lassen,
auf dem nur ernste Gedanken am Platze wären. Freilich,
die Gesinnung der Czechen ist aber durch diese Zurück-
weisung nicht geändert. Je mehr in Oesterreich die Czechen
Und die Polen das Regiment an sich reißen, desto un-

zuverläsfigcr wird Oesterreich, vom deutschen Standpunkt
aus gesehen.

Deutsches Reich.
— Am Abend des 24. d. versammelte der Kaiser
sämmtliche an dem Kriegsspiel dieses Winters bethei-
ligten Herren des Hauptquartiers, des Generalstabes, des
Kriegsministeriums und des Gardecorps im Garde du
Corpssaal des königlichen Schlosses, wo eine Schluß-
besprechung des Kriegsspiels durch den Chef des General-
stabes, Grafen von Schlüffen, stattfand, der dann ein
Herrenabend in der Heinrichshalle folgte, bei dem der
Kaiser und die Offiziere bis Mitternacht zusammenblicben.
— Der commandirende General des 13. (württemb.)
Armeecorps, Generaladjutant des Kaisers v. Linde quist,
ist als commandirender General zum neugcbildeten 18.
Armeecorps in Frankfurt a. M. versetzt.
— Der sozialdemokratische Parte i v o r stand
veröffentlicht im Vorwärts eine Erklärung, worin er mit-
theilt, daß die Nichtaufführung des Urtheils im Löb-
tau er Krawallprozeß in der Zusammenstellung:
„Unterm neuesten Kurs" nicht die Folge eines Versehens
sei, sondern einem Vorstaudsbeschlusse entspreche.
— Vor einigen Tagen richteten die Studirenden der
Medicin in Halle an Rektor und Senat der Universi-
tät das Gesuch, die weiblichen Mediciner von der
Theilnahme am Unterricht auszuschließen. Begründet
wurde dieser Antrag damit, daß seit Zulassung weiblicher
Hörer „ein cynischer, das Scham- und Anstandsgefühl ver-
letzender Ton eingerisscn sei". Dieser Schlachtruf hat, wie
zu erwarten war, Widerhall gefunden namentlich in Oester-
reich, wo die moderne Frauenbewegung in den letzten Jah-
ren besonders erstarkte. DaS Neue Wiener Tagblatt bringt
in einem, die Frage des gemeinsamen medicinischen Studiums
behandelnden, interessanten Artikel einige Zeugnisse berufener
Beurtheilcr aus älterer und neuerer Zeit bei. So schreibt
der Züricher Anatomieprofessor Dr. G. Hermann Meyer
im Jahre 1876: „Auch von dem Standpunkte der Uni-
versitätsdisciplin aus konnte ich durchaus nicht gegen das
Frauenstudium sein, denn weit entfernt, eine Störung der-
selben zu finden, bemerkte ich von der Theilnahme der
Frauen an den Kursen einen günstigen Einfluß auf das
Benehmen und den Wetteifer der Studenten." Achtzehn
Jahre später schreibt gleichfalls aus Zürich, Professor I.
Gaule: „Die Studentinnen haben sowohl das Niveau
des Fleißes wie des Anstandes hier gehoben, und es ist
eine für die moralischen Pessimisten sehr beherzigenswerthe
Thatsache, daß ich zum Beispiel meinen Hörsaal, in dem
etwa 70 Leute beiderlei Geschlechts durcheinander sitzen,
ganz ruhig verdunkeln kann, ohne daß auch nur ein Scherz
vorkäme. In dem Secirsaal arbeiten die beiden Geschlech-
ter bei vollkommen würdiger Haltung zusammen. Diese
ganze, der Sklaverei der Frau entnommene mittelalterliche
Scheu vor dem Wort, dem Schein, dem Nichts, fällt ja
vor der höheren Einsicht." Professor Dr. Eris mann
aus Moskau thut die ganze Frage ab mit den Worten:
„So viel ich persönlich weiß, gesehen und miterlebt habe,
sind mit dem gemeinsamen Studium der Männer und
Frauen keine Nachtheile verbunden. Im Gegentheil —
die Gegenwart der Frauen übt im allgemeinen einen sehr
wohlthätigen Einfluß auf die Studenten aus."
— Wie die Voss. Ztg. aus Stockholm berichtet,
wird die schwedische Staatsbahn versuchsweise Schlaf-
wagen dritter Klasse cinrichten lassen. Die Idee
dazu gab ein Ingenieur in Rußland, das sich in dieser
Beziehung als Fortschrittsland zeigt, denn dort sind Schlaf-
wagen dritter Klasse bereits in Betrieb. Diese Wagen

werden durch einen Längsgang in zwei Reihen Halbcoupss
mit dopvelten Bänken, jede für zwei Personen, getheilt,
und mittels entsprechender Einrichtungen können für die
Passagiere jeder Abtheilung Schlafeinrichtungcn geschaffen
werden. Ein derartiger Schlafplatz kostet auf den russi-
schen Bahnen 3 Mk. In Finland sind seit Mai vorigen
Jahres gleichfalls Schlafwagen dritter Klaffe in Betrieb,
man kann in denselben für etwa 1 Mk. 50 Pf. Kissen,
Decke, Handtuch und Seife bekommen. Wie sehr man in
England bemüht ist, das Reisen bequem zu machen,
zeigt der Bericht, der über die am 9. d. erfolgte Eröff-
nung einer neuen Linie der Great Central Railway, welche
direkt von London nach der Ostküste führt, vorliegt. Die
Züge dieser Eisenbahn bestehen nur aus Waggons dritter
und erster Klasse, und zwar sind die Passagierwagen dritter
Klasse alle auf das eleganteste mit gepolsterten Bänken
und riesigen Fenstern versehen. Außerdem gibt es einen
Speisesalon und einen Küchenmagen für die dritte Klaffe.
In Deutschland ist von derartigen praktischen Neuerungen
nichts zu hören. Vielleicht fügt es sich, daß an die Spitze
der preußischen Bahnverwaltung einmal ein Mann gestellt
wird, der nicht am grünen Tische alt geworden ist; viel-
leicht ein General L In Podbielski. Andernfalls ist zu
befürchten, daß Preußen-Deutschland im Eisenbahnwesen
hinter den übrigen Kulturstaaten immer weiter zurückbleibt.
Preuße». Berlin, 25. März. Der Disciplinar-
hof erkannte heute gegen Professor Hans Delbrück auf
einen Verweis und 500 Mark Geldstrafe. (Das Dis-
ciplinarverfahren war gegen Professor Delbrück eiugeleitet
worden wegen dessen Kritik der Ausweisungspolitik in
Schleswig.)_
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Regierungsbaumeister Arthur Reichel in Freiburg wurde
der Großh. Generaldireklion der Staatseisenbahnen zur Dienst-
leistung zugetheilt.
— In der Sitzung der Zweiten Kammer vom letzten Freitag,
auf deren Tagesordnung die Fortsetzung der Berathung der
Petitionen von Eisenbahn beamten stand, wurde von ein-
zelnen Abgeordneten dem Bedauern Ausdruck gegeben, daß nur
ein einziger Vertreter der Regierung anwesend und „der Haupt-
interessent", die Generaldirektion, bei der Verhandlung nicht durch
ein Mitglied vertreten sei. Bezüglich der letzteren Bemängelung
hat der Vertreter des betheiligten Ministeriums, Herr Geh. Rath
Zittel, sofort mit Recht erwidert, daß die Behandlung der von
den Petenten angeregten Fragen ausschließlich in das Zuständig-
keitsgebiet des Ministeriums gehöre. Thatsächlich ist die Thcil-
nahme von Vertretern der Mittelstellen an den parlamentarischen
Verhandlungen seither nur bei Berathung von Budgetangelegen-
heiten üblich gewesen. Der Chef des der Eisenbahnoerwaltung
Vorgesetzten Ministeriums, Seine Excellenz Herr Minister v.
Brauer, konnte aber den letzten Kammerverhandlungen schon
deshalb nicht anwohnen, weil er zur Zeit noch an den Nach-
wirkungen einer schweren Erkrankung leidet. Herr v. Brauer ist
während der Verhandlungen des Eisenbahnrathes am 13. März,
von einem starken Unwohlsein befallen worden, so daß er am
gemeinschaftlichen Mahle nicht mehr theilnehmen konnte. Der
Herr Minister ist seither an Infl uen za und Lungenent-
zündung erkrankt und wenn er sich auch auf dem Weg der
Besserung befindet, so hat er doch das Haus noch nicht verlassen
dürfen und wird sich, sobald der Arzt es gestattet, behufs völliger
Wiederherstellung nach dem Süden begeben.
Karlsruhe, 25. März. Die Großherzogin
begab sich heute früh nach Baden, von wo dieselbe gegen
1 Uhr wieder hier eintraf. Hierauf folgten die Groß-
herzoglichen Herrschaften einer Einladung der Prinzessin
Wilhelm zur Frühstückstafel. Heute Abend empfängt Seine
Königliche Hoheit den Professor Dr. Steinmann von der
Universität Freiburg, welcher dann vor den Höchsten Herr-
schaften einen Vortrag „über die ältesten Spuren mensch-
licher Kultur im Rheinthal" hält. Zu diesem Vortrag sind
verschiedene Einladungen ergangen.

Ein Frauenherz.
10) Erzählung aus dem Leben von A. M. Witte.
(Fortsetzung.)
Wer da liebt, kann der vergessen?
Wer vergißt — hat der geliebt?
Es war Weibnachtsheiligabend. Der Schnee fiel in dich-
N Flocken aus die hartgefrorene Erde nieder und ließ nur
Dämmerige Schimmer von Tageslicht in das kleine Boudoir,
Welches matt erhellt von dem Schein des Kaminfeuers
wurde; die züngelnden Flammen warfen ihr Licht auf die
"siden Damen, welche vor dem Kamine saßen, von denen die
^pc, in tiefe Trauer gekleidet, bei dem unruhig flackernden
Acht Briefe zu lesen versuchte, die in ihrem Schoße lagen,
und auf welche Thräne auf Thräne hernicderrollte.
»Laß es, Magdalene," erklang die Stimme der andern
Aule, „Du machst Dich nur traurig durch das Lesen, und
'ch vermuthe, Du weißt den Inhalt auch so," Die Angeredete
Wob sich und strich mit der Hand über die Stirn, als wolle
"w gewaltsam die Gedanken verscheuchen.
. »Du hast Recht, Erna, ich werde die Briefe verbrennen,
sw lese ja doch nur das eine aus ihnen, wie glücklich ich ge-
wesen bin, und daß nun alles vorüber ist."
»Arme Magda." sagte Erna voll Mitgefühl die Freundin
sMrmend und ihre Thränen mit denen Magdalenas mi-
»And, „für Dich ist dieser Abend auch zu schwer; — das
Weihnachtsfest ohne Heimath; denn, wenn Du es auch
leicht hattest, das Heimathsgefühl war doch beglückend,
»>A °?un. wäre ich nur nicht so lange fern gewesen. Glaube
ein. udtte ich die geringste Ahnung gehabt, daß dieser Fall
o,uAlen könne, hätte ich meine Hochzeitsreise nicht so lange
tte an-
Baron

d^bdehnt; ich lasse mir das nicht ousreden, alles hätte
kommen müssen, hätte ein Mensch offen mit B-
-neden gesprochen."
of."Au hättest noch weniger ausrichten können, Erna, er
«muvte mir nicht, daß ich so handeln müsse, ich erkannte es '

als Pflicht. Daß er mir nicht vertraute, an mir zweifelte,
das ist das Schwerste dabei."
„Darum baffe ich ihn, denn er hat Dich elend gemacht,
nur weil er Dich nicht zu verstehen vermochte. Ich verstand
Dich auch nicht ganz, aber glaubte an Dich. Wenn Freund-
schaft blindlings vertraut, muß die Liebe es desto mehr. Du
hast der Tante auch nie gezeigt, was Du leidest: ich weiß es
sehr wohl, welcher Selbstbeherrschung Du fähig bist, ich sehe
schärfer und tiefer als die andern, — aber von einem Manne,
der wahrhaft liebt» verlange ich dasselbe. Lasse mich es ein-
mal aussprechen," fügte sie hinzu, die Hand der Freundin,
welche sich beichwichtigend auf ihren Arm legte, zurückwerfend.
„Du willst es nicht hören, niemand darf zu Dir darüber
sprechen, aber ich bitte Dich, gieb Dich dem Schmerze nicht
fo hin, Du darfst es nicht, Leid von Gott gesandt ist ohne
Stachel, und Du trauerst auch am meisten um sein Benehmen,
nicht um den Verlust Deiner Tante, aber er ist dessen nicht
Werth." — „Erna I" tönte es gepreßt von Magdalenes Lippen.
Sie stützte den Kopf in die Hand, damit Erna die Thränen
nicht sehen sollte, welche sich langsam aus ihren Wimpern
stahlen.
„Ja, er verdient es nicht, daß Du ihn noch immer ent-
schuldigst, denn er hat Dir das Glück und den Frieden Dei-
nes Herzens geraubt; ich kann es verstehen, denn nur der,
der es von Anfang an miterlebte, wie ich, weiß, waS Du ge-
tragen! Er bittet Dich um Deine Hand, er schreibt Dir die
zärtlichsten Briefe, er sehnt die Zeit herbei, Dich öffentlich als
seine Braut zu begrüßen, und als er das erste Mal selbst
kommt, endet die Unterredung so." — Sie hielt inne, Mag-
dalene schaute ernst die Freundin an. „Erna, damals habe
ich an dem Wendepunkt meines Lebens gestanden, hätte ich
den Math gehabt, mein Glück über alles zu stellen, einen
raschen egoistischen Entschluß zu fassen, alles wäre anders ge-
kommen. Ich folgte dem Weg, den die Pflicht mir bezeich-
nete, das vergab Lothar mir nicht; er konnte sich nicht den-
ken, daß ich trotzdem ihn liebte, daß er meinem Herzen am
nächsten stand, weil ich von dem kalten Pflichtgefühl zu sprechen
vermochte, wo er mir Liebe, Heimath, — alles bot. Er

forderte offenen Bruch mit ihr, die mich einst in ihr Haus
genommen, der ich alles verdanke, ich konnte ihn nicht über-
zeugen, daß Klagen, Vorwürfe, selbst Bitten sie nicht zu ver-
lassen, es forderten, wie sie mich von neuem stets fühlen ließ,
was die Dankbarkeit ihr schulde.
Ich wußte, welch trauriges Loos ich mir erwählte, aber
müde geworden vom ewigen Kampfe, faßte ich nicht nach der
Hand, die mir mein Paradies erschlossen hätte, ich ließ ihn
gehen, mit dem Vorwurfe gehen, daß ich mit einem Mannes-
herzen ein frevelnd Spiel getrieben, daß ich nicht wisse, was
Liebe sei. Das ist auch das Schwerste für mich, den Gedan-
ken zu ertragen, daß er nicht an meine Treue glaubt." Das
ganze tiefempfundene Lew ihres Lebens lag in diesen tonlos
gesprochenen Worten.
(Fortsetzung folgt.)

Stadt-Theater.
Heidelberg, 27. März.
„Romeo und Julie." Trauerspiel in 5 Aufzügen von
William Shakespeare, übersetzt von Schlegel und Tieck. Erste»
Gastspiel des Herrn Eugen Frank vom kaiserl. und königl. Hof-
burgtheater in Wien.
Die Anhänglichkeit des Herrn Frank an die hiesige Bühne,
die ihm das Sprungbrett war für den gewaltigen Sprung zum
Wiener Hofburgtheater, hat die Theaterleitung in die Lage ver-
setzt, das Publikum gestern mit einer Aufführung von Shake-
speares Romeo und Julie zu erfreuen. Was das für das
hiesige Publikum bedeutete, das lehrte ein Blick in das übervolle
Haus und in die gespannten Mienen der Zuschauer, das lehrte
das Stimmengeschwirr im Zuschauerraum vor Beginn der Auf-
führung und in den Zwischenakten.
Was die Aufführung für die Theaterleitung und für da»
Bühnenpersonal bedeutete, das kann der Unbetheiligte nur schwer
ermessen.
Die Aufführung war, um es mit einem Wort zu sagen, da»
Ereigniß in der diesjährigen Schauspielsaison.
Wie viel wird doch täglich von Liebe gesprochen, wie viel
wird davon täglich geschrieben und gelesen I Auch die Philosophie
 
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