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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0089

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

8lr.2v. Zweites Statt.

Dienstag, den 24. Januar

1899.

Der Entwurf des Bankgesetzes.
Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Ge-
letzes betreffend die Abänderung des Bankgesetzes
dom 14. März 1875 zugegangen:
Art. 1. Der § 23 des Bankgesetzes vom 14. März 1875
d>ird durch folgende Bestimmung ersetzt: Das Grund-
kapital der Reichsbank besteht aus 150 Millionen Mark,
Mheilt in 50 000 auf Namen lautende Antheile von je
oOOO Mk. Die Antheilseigner haften persönlich für die
Verbindlichkeiten der Reichsbank nicht.
Art. 2. Der 8 24 des Bankgesetzes erhält unter Auf-
hebung des Art. 1 des Gesetzes vom 18. December 1889
Nachstehende Fassung:
Aus dem beim Jahresschlüsse sich ergebenden Reinge-
winn der Reichsbank wird: 1. zunächst den Antheilseignern
e>Ne ordentliche Dividende von 3'/, Procent deS Grnnd-
'apitals berechnet, sodann 2. von dem Mehrbetrag eine
Quote von 20 Procent dem Reservefond zugeschrieben, so-
lange derselbe nicht zwei Fünftel des Grundkapitals beträgt,
o. der alsdann verbleibende Ueberrest zur Hälfte an die
Antheilseigner und zur Hälfte an die Reichskasse gezahlt,
wweit die Gesammtdividende der Aniheilscheine nicht 5 Proc.
Nbersteigt. Von dem weiter verbleibenden Reste erhalten
Antheilseigner ein Viertel, die Reichskasse drei Viertel.
Erreicht der Reingewinn nicht volle 3*/, Proccnt des Grund-
kapitals, so ist das Fehlende aus dem Reservefond zu er-
gänzen. Das bei Begebung von Antheilsscheinen der Reichs-
°ank etwa zu gewinnende Aufgeld fließt dem Reservefond
Dividendenrückstände verjähren binnen vier Jahren,
dem Tage ihrer Fälligkeit angerechnet, zum Vortheile
°er Bank.
. Art. 3. Der nach Maßgabe der Anlage zum § 9
es Bankgesetzes der Reichsbank zustehende Antheil an dem
^esarnmtbetrage des der Steuer nicht unterliegenden Noten-
Mllaufs, einschließlich der ihr inzwischen zugewachsenen
Antheile der unter Nr. 2 bis 11, 15 bis 17, 21 bis 23
wo 25 bis 33 bezeichneten Banken wird auf 400 000 000
7"ark festgesetzt, unter gleichzeitiger Erhöhung des Gesammt-
°"rags auf 491600 000 Mk.
Art. 4. Dem § 13 des Bankgesctzes Ziffer 3 wird
ater 5 nach den Worten „des Kurswerthes" folgender
^atz beigefügt: diesen Pfandbriefen stehen gleich andere
^ dru Inhaber lautende Schuldverschreibungen der be-
schneien Institute und Banken, welche auf Grund von
-"rlehnen ausgestellt werden, die an inländische kommunale
Korporationen oder gegen Uebernahme der Garantie durch
'w solche Korporation gewährt sind.
Art. 5. Der Bundesrath wird denjenigen Privat-
, wnbanken gegenüber, auf welche die beschränkenden Be-
winungen des § 43 des Vankgesetzes keine Anwendung
^ oen, von dem vorbehaltenen Kündigungsrcchte behufs
lgn^ugniß Zur Ausgabe von Banknoten zum 1. Jan.
. 01 Gebrauch machen, wenn diese Banken sich nicht bis
1. Dezember 1899 verpflichten, vom 1. Jan. 1901
co unter dem Prozentsätze der Reichsbank zu dis-
atiren. Handelt eine solche Bank der Verpflichtung cnt-
§ hbn, so wird die Entziehung der Befugniß zur Notcn-
vgabe gemäß §8 50 ff. des Bankgesetzes durch gericht-
Urtheil ausgesprochen. Mitglieder des Vorstandes,
^ rsteher einer Zweiganstalt, sonstige Angestellte oder
d^wen einer solchen Bank, welche für Rechnung der Bank,
den/"" eingegangenen Verpflichtung entgegen, unter
G .. Prozentsätze der Reichsbank discontiren, werden mit
-?urafe bis zu fünftausend Mark bestraft.

Art. 6. Ten bisherigen Antheilseignern der Reichs-
bank ist der Erwerb der auf Grund des Art. 1 dieses
Gesetzes auszugebenden neuen Antheilsscheine mit der Maß-
gabe anzubieten, daß die Einreichung von je vier alten
Antheilsscheinen zum Bezüge eines neuen Antheilscheines
berechtigt. Der Reichskanzler wird ermächtigt, diejenigen
neuen Antheilsscheine zu begeben, hinsichtlich deren das
Bezugsrecht nicht ausgeübt wird. Die Frist, innerhalb
deren das Bezugsrecht geltend zu machen ist, die Höhe
des bei dem Bezug oder bei der anderweiten Begebung
der neuen Antheilsscheine zu errichtenden Aufgeldes und
die Fristen für die Einzahlung des Gegenwerths bestimmt
ter Reichskanzler.
Art. 7. Z 1. Die Reichsbank zahlt am 1. Januar
1901 an die Reichskasse einen Betrag, welcher dem Nenn-
werthe der dann noch im Umlaufe befindlichen Noten der
vormaligen Preußischen Bank entspricht. 8 2. Das Reich
erstattet der Reichsbank diejenigen Beträge, zu welchen sie
vom 1. Januar 1901 ab Noten der im 8 1 bezeichneten
Art einlöst oder in Zahlung nimmt, oder mit welchen sie
für dieselben nach 8 4 des Bankgesetzes Ersatz leistet.
8 3. Vom 1. Januar 190l ab werden die Noten der
vormaligen Preußischen Bank bei Feststellung des Noten-
umlaufs der Reichsbank gemäß §8 8, 9, 10 und 17 des
Bankgesetzes außer Ansatz gelassen.
Art. 8. Die Artikel 1, 2, 3 und 4 dieses Gesetzes
treten am 1. Januar 1901 in Kraft.
In der Begründung wird ausgeführt, daß gegenwärtig
zu einer durchgreifenden Aenderung des Bestandes der
Reichsbank kein Anlaß vmliege, da die durch das Bank-
gcsetz geschaffene Organisation in langjähriger Bewährung
seiner Aufgabe vollkommen genügt. Dagegen empfehle es
sich, die der Reichsbank zur Verfügung stehenden Mittel
in solchem Maße zu verstärken, daß den in den letzten
Jahren gestiegenen Verkehrsbedürfnissen, deren weitere ^
Steigerung noch erwartet werden dürfe, in vollem Um-
fange genügt werde. Deshalb nehme der Entwurf eine
Verstärkung des Grundkapitals und Reservefonds und eine
Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents in Aussicht,
suche ferner eine einheitliche Handhabung der Discontpolitik
zu sichern, erstrebe weitere Betheiligung des Reichs am
Geschäftsgewinn der Reichsbank, regle das Verhältniß der
Reichsbank zu den noch umlaufenden Noten der vormaligen
Preußischen Bank und enthalte endlich eine dem Bedürfniß
entsprechende Bestimmung über den Lombardverkehr.

Ausland.
Amerika. In einer Rede in Chicago hat sich Carl
Schurz energisch gegen die Ausdchnungspolitik der Ver-
einigten Staaten ausgesprochen. Er bewies das völlig
Unamerikanische der ganzen Expansionspolitik, besonders
hinsichtlich der Philippinnen. Auf den Kostenpunkt über-
gehend, rechnete Schurz, nach einem Bericht der Voss. Ztg.,
seinen Zuhörern vor, daß allein durch die Erhöhung der
Heeresstärke auf 100 000 die Ausgaben von 23 Millionen
Dollars auf 150 Millionen Dollars stiegen. Ferner
kämen zu den 145 Millionen Pensionen noch vom Bürger-
kriege her 20 Millionen neue Pensionen für die Invaliden
des letzten Krieges. Dazu kämen aber noch ungezählte
Millionen für neue Kriegsschiffe und sonstige Ausgaben,
wie sie durch eine kriegerische Politik sich als nothwendig
Herausstellen würden. Zum Schluß schlug der Redner vor,
Cuba und Porto Rico zu unabhängigen Republiken zu
machen und mit San Domingo nich Haiti zu einem An-

tillen-Staatenbund zu vereinigen. Den Philippinen sollte
Neutralität von den Mächten zugesichert werden.

Aus Stadt und Land
^ Aus dem Murgthal, 18. Januar. Der Schaden, den der
Gewittersturm an Ziegeln und ausgeiissenen Obstbäumen
verursachte, wäre nicht gerade erheblich zu nennen; doch im Wald
ist er bedeutender. Da liegen die stärksten Tannen entwurzelt
und sogar manche meterhoch vom Boden abgeknickt. Zur Zeit
des Sturmes wäre es lebensgefährlich gewesen, durch den Wald
zu gehen. — Einige Murgthalgemeinden wollen an maßgebender
Stelle vorstellig werden, daß für den Sommer der Zug 5.10 Uhr
auf dcr Murgthalbahn wieder eingestellt werde. Die Abschaffung
desselben im vorigen Sommer verursachte große Unzufriedenheit
und hatte selbst Einfluß auf die Ergebnisse der Reichstagswahl.
Unsere Murgthalbewohner konnten nämlich durch diesen Zug noch
rechtzeitig die Märkte erreichen, auf die sie gewöhnlich ihre Pro-
dukte bringen, und waren um 4 Uhr Nachmittags wieder zu
Hause. Es konnten somit noch die häuslichen Geschäfte besorgt
und die Maaren für den anderen Tag gerichtet weiden, sodaß
weder Haus noch Markt Noth litten. Mit Abschaffung des
5 Uhr-Zuges war dies aber anders. Die zu Markt Gehenden
mußten am Abend vorher schon abreisen und hatten schon einmal
Auslagen für Nachtquartier rc. Zu Hause war nun schon eine
andere Person »öthig, die früher dem Verdienste nachgehen
konnte, jetzt aber an das Haus gebunden war, wen» man nicht
die häuslichen Geschäfte total vernachlässigen wollte. Es ging
somit viel Zeit und Verdienst verloren und das war bei de»
schlechten Aussichten des vorigen Sommers nicht dazu angethan,
Zufriedenheit zu erzeugen. Es waren ferner viele Arbeiter, die
früher in Kuppenheim und Rastatt Verdienst gesucht und ge-
funden hatten, genöthigt, denselben entweder aufzugeben, oder die
ganze Woche von zu Hause fort zu bleiben. Die Murgthal-
bewohner sind alle der Hoffnung, daß dieser Zug wieder ein-
gestellt werde, und gewiß ist diese Bitte keine ungerechtfertigte
und unschwer zu erfüllen. Die Erfüllung derselben würde gewiß
dazu beitragen, die herrschende Unzufriedenheit um ein gut Theil
zu mindern.
Achern, 19. Jan. Zwei junge Italiener in Sasbach-
walden, welche sich schon wiederholt an Schlägereien betbeiligt
und Drohungen gegen Andere ousgestoßen haben, erhielten einen
amtlichen Ausweisungsbefehl, innerhalb 3 Tagen nach Italien
zurückzukehrcn. Dergleichen Maßregeln können von ruhigen
Bürgersleuten nur begrüßt werden.
Reichenau, 17. Jan. Daß auf der Insel ein gesundes
Klima ist, beweist folgendes Beispiel. Der 73 Jahre alte Her-
mann Blum, Landwirth, und dessen 70jährige Schwester Maria
Anna Heckmann erfreuen sich noch ihrer in rüstiger Gesundheit
lebenden 97jährigen Mutter.
Vad. Rheinfelden. Das Hochwasser hat hier enormen
Schaden ungerichtet. Tie zur Erbauung des Stauwehres er-
stellten Gerüste und Brücken sind vollständig vernichtet. Vom
Wasser angeschwcmmtes Gebälk hat die bei den beiden Turbinen
der Kraftwerke angebrachten Rechen zertrümmert und ist in die
Kammern eingedrungen. Die Erzeugung der Elektrizität ist be-
deutend gemindert. Die Aluminiumfabrik kann kaum arbeiten,
da die nöthige Kraft fehlt. Auch ist sie insofern geschädigt, als
die Bestellungen nicht ausgeführt werden können. Der Schaden
am Stauwehr wird auf über 50000 geschätzt. Von einem
Ingenieur wurde der Gesammtschaden auf etwa 200 600 „/q
geschätzt.
Für die Redaction verantwortlich: F. Montna in Heidelberg.
leaii llarliuami, -mmichms l. Nmgcs,
3 Leopoldstraße (Anlage) 3.
Cigarren: Reichhaltige Auswahl erstklassiger deutscher Fabrikate
sowie importirte Havanas. — Cigaretten: Hauptuiederlage von
Hayden Wwe., Frankfurt a. M., sowie Russische u. Egypt. Marken

Z2«lin. von Lk1ll8tflg,Ilä1l1QZ,
»aupt8trs88s 124.

klrotoxraplrlen aller Llinäsr.
ItLlivQ S.U.6Ü1 üdsr 1000 Llatt.

Ksioksts Lollvetiov vn»
Ileickeldsrxer ctrisisktkn osä
Lrlonerunxvn.
Luplsrstlvkv anä Lmalll«-LUcker von lleiäelberx.
Lusstsllrwg von Laust- uuä kaustTSVsrblrobsu Oogsustauäou

17)

Das Bachstelzchen.
Novelle von Martha Renate Fischer.
(Fortsetzung.)
XII.

Bierguts auf dem Hofe ankam, verfügte er sich
W zur Frau, die in der Küche den Kaffee machte.
'Was gievt's. Vierguts?"
wollt Ihnen man sagen, dat meine Tochter nich
^nn. Frau Wanders."

"A sie krank?'
et geht sozusagen, nich.

°e Ars sagte: „Nu is et woll ooch mit mir nischt, mit
Lrveet?"
, ^anders erwiderte kurz: „Fangt nur an.'
Mck , ll"„dtadam. Un noch eenS. Sie müssen dat nich
Mhrr,"siassen. Dot is so. Ick bin zum Schutze sor das
?c>t i« . bestellt. Und denn wieder anders. Der junge Herr,
»n anständiger Mensch, un der läßt so leicht Keenen
^ Al»^- 2tem: - lassen Se man."
mit ihrem Sohn am Frübstückstische saß. sagte die
Oll» ?T^m alten Viergüts seine Tochter kommt nicht.'
°ln>!,°,,,?^>bieg, aß und trank hastig. Und zu der Be-
. Na6? -1 lam die Angst, Aennchen möge krank sein.
°e>ii, ^ Einer geraumen Weile brachte er heraus: „Warum
— das mußt Du besser wissen. Krank ist sie nicht,"
Cr d,e ^au.
^ Nun seine Brust und seine Kehle eng wurde.
,, b dn ^ ^ für ihn eine Stelle, dahin es ihn zog: das
„bd für'-n^? alte Viergüts arbeitete. Aber er schämte
denOaUE sich aus Sclbstbewußtsein und ging dem Alten

Elber. !A. b?Ehte er: Kerl. Du bist feige! und stellte sich
den Holzstall, wo Vierguts Stubben hieb.
' 4es Arbeit,' sagte er verlegen, machte ein sreund-
llcht und setzte sich auf de» Holzberg.

„Ja, Fleesch essen is bequemer. Aber dat sin wirklich
Rackers. Na, Wat meenen Se, wie alt die all sind?"
„Na — so fünfzig Jahre."
„Nee, ick schätze ihnen sor älter. Der hier — dat is ge-
wiß en Hundertjähriger."
Otto laS die Stubben aus, warf die alten, zähknorrigen
auf einen Haufen, sagte dabei: „Nachmittag Hilst der Knecht.
Der kann sie sich vornehmen. Das ist was für Knochen und
junge Jahre, —" prasselte die Knorren untereinander, und
schien ihm nicht schwerer zu werden, als einem Kind das
Marmclschieben.
Viergüts sah ihm zu und dachte: Ick kann et ihr nich
verdenken — nee l un ihm ooch nich! — dat is en Mensch!
ja. sor den is de Welt da.
Nachher sprachen sie von der Witterung, vom Vieh, wie
die Ernte ausgefallen war und von der Missre eine halbe
Meile tiefer in's Land, mit den schlechten Bodenverhältnissen.
Es war ersichtlich, der Alte trug ihm nichts nach.
Otto holte eine Zigarre hervor: „Hier, Vater Vierguts."
„Schön Dank I Un warten Se mal, Herr Wanders, ick
Hab Ihnen ooch wat abzugeben —' und er zog aus der
weitläufigen Hosentasche ein Päckchen, das er auswickelte.
„Se haben mein klenet Mädel en Paar Ohrringeken geschenkt
— Aber dat geht nich — denn wat soll se damit? Jnziehen?
neel — Von wem hat se die?von 'n jungen Herrn! Nehmen
Sc 't nich übel! — Sehn Se mal, dat Kceuz, dat >s eene
große Ehre sor Annan — dat hat -ihr de Frau gegeben. Aber
de Ohrringeken, selbst wenn ick es nachträglich zugeben würde,
die würden ihr immer auf 't Herz liegen. — Denn spielt
son Mädel en bisken mit — und denn denkt se dabei un si-
mulirt-un denkt an Ihnen. Wenn se ene Bauerntochter
wäre, denn würde ich nischt dagegen haben — denn wäre dat
en zärtliches Einverständniß. Aber Sie können mein kleenet
Mädchen nich heirathen. Lassen Se man."
Otto stand mit bluthrothem Gesicht. Er schämte sich, und
es kochte in ihm, daß er sich hätte vergreifen mögen. An
dem Alten? Nein! Aber doch sich austoben. — Wenn er sich
jetzt hätte über die Knorren hermachen dürfen, das hätte
schnelle Arbeit gegeben- Noch dazu verwickelte er sich mit der
Sprache und stammelte beinahe.

„Das ist ja dummes Zeug- — Das habe ich - ich — bloß
gut gemeint."
„Ja doch! Ick mache Ihnen ja ooch keenen Vorwurf.
Denn ick estimire Ihnen for anständigen Menschen sehr hoch.
Un ick fordere Ihnen nich mal Ihr Wort ab, dat Se mein
kleenet Mädel nich nachstellen werden — denn ick schätze: dat
habe ich ohnedem."
Wanders ging in seine Stube, warf dat Schächtelchen in
einen Schrank. Wenn er heute Rittergutsbesitzer wäre, würde
sich daS kein Taglöhner zu ihm erlauben, was der alte krumme
Kerl sich erlaubt hatte. Dabei sah er, der wohlfundirte Groß-
bauer, auf den Rittergutsbesitzer hinab, der auf der Scholle
klebte, während er eingewurzelt war — daraus hervor-
gewachsen — erbangesessen, er batte immer Geld in der
Tasche, sparte alle Jahr. Jene wurden immer dünner, aus-
gehungerter. Die paar Geschlecht.r hielten sich. Na ja ! Und
halte auch Latein gelernt und sein Einjähriges gemacht! —
Narrenpossen! Vater Bierguts hatte ja recht! Bachstelzchen!
Bachstelzchen! weshalb bist Du keine Bauerntochter! Du
Mädel mit den zierlichen Schritten und zärtlichen Äugen und
mit den kleinen, hübschen. runden Händen und den blank-
geputzten Pantöffelchen.
(Fortsetzung folgt.)

Literarisches.
—8 Im Verlage von Carl Meißner in Dresden ist in Vor-
bereitung und wird Ende Februar erscheinen: „Die Philo-
sophie Friedrich Nietzsches". Von Henri Lichtenberger
und Elisabeth Förster-Nietzsche. Das unlängst in Paris erschie-
nene Buch von Prof. Henri Lichtenberger: „lla pkilosoplus äs
UrstWvirs" hat einen durchschlagenden Erfolg gehabt und ist von
der Kritik fast einstimmig als die beste, für die weiteren Kreise
der Gebildeten verständliche Einführung in die Philosophie
Nietzsches anerkannt worden. Die Schwester des Dichter-
Philosophen, Frau Elisabeth Förster-Nietzsche, hat sich entschlossen,
im Einverständniß mit dem Autor eine selbständige, mit einer
ausführlichen Einleitung aus ihrer eigenen Feder versehene
deutsche Bearbeitung herausgegeben.
 
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