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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr- 82

>!-. 13k.

Misiimch, den 14. Juni

I8S9.

Ausschreitungen bei den Arbeitskämpfen der
letzten Jahre.
IV.
Unzulänglichkeit der bestehenden Straf-
bestimmungen. (Schluß.)
Eine fernere Schwierigkeit für die Anwendung des
Z 153 erwächst daraus, daß dieser Paragraph nur von
Verabredungen spricht, während § 152, auf den hier ver-
wiesen wird, Verabredungen und Vereinigungen behandelt.
Ueber die Frage, ob demnach 8 153 nur auf solche Fälle
anwendbar ist, in denen ein- besondere Abmachung für
einen einzelnen, bestimmten Arbeitskampf vorliegt, oder
ob er auch den Zwang zum Beitritt zu einer auf die
Dauer berechneten Vereinigung, wie z. B. zu einer
Gewerkschaft, einem Fachverein und dergleichen behandelt,
sind noch in letzter Zeit entgegengesetzte Entscheidungen
ergangen.
In vielen Fällen von Ausschreitungen und namentlich
in den allerschwersten Fällen der Anwendung von Gewalt
und Zwang hat allerdings eine Sühne nach den Vor-
schriften des Strafgesetzbuchs, sei es allein, sei es
in Konkurrenz mit 8 153, eintreten können. Namentlich die
Strafbestimmungen über Hausfriedensbruch, Beleidigung,
Körperverletzung, Nöthigung und Bedrohung, Erpressung
und Sachbeschädigung sind aus Anlaß von Arbeitskämpfen
häufiger zur Anwendung gekommen. Andererseits aber
lassen die zahlreichen ernsten Ausschreitungen, die weder
nach dem Strafgesetzbuch noch nach der Gewerbeordnung
bestraft werden konnten, erkennen, wie wenig das allge-
meine Strafrecht zur Ausfüllung der Lücken hinreicht, die
sich aus der engen Fassung des 8 153 ergeben. So sind
z. B. von den 26 im Bezirke des Polizeipräsidiums Berlin
ermittelten Terrorisirungsversuchen 16 unbestraft geblieben,
weil ein nach den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen
zu verfolgendes Delikt nicht vorlag. Die Bestrafung aber
von Strcikausschrcitungen auf Grund des 8 240 des St.-
G.-B. ist ungemein erschwert durch das Erforderniß des
Nachweises, daß der Thäter eine Einwirkung auf den
Willen des Betroffenen nach einer bestimmten Richtung be-
zweckt habe. Vor Allem ist jedoch 8 240 zum Ersatz für
die Mängel des 8 153 der G.-O. deshalb ungeeignet,
weil er, was die strafbaren Mittel der Nöthigung anlangt,
nur in sehr engen Grenzen Anwendung findet, nämlich,
abgesehen von den Fällen der Anwendung von Gewalt,
nur dann, wenn mit einem Verbrechen oder Vergehen ge-
droht wird. Seine Anwendung ist aber auch in denjenigen
Fällen ausgeschlossen, in welchen die Drohung in einer
undeutlichen Weise erfolgt, wie z. B. in Form der Be-
merkung, man werde den Bedrohten „schon kriegen", er
solle sich nicht wieder blicken lassen rc., oder in welchen
nicht mit einem Verbrechen oder Vergehen, sondern mit
einem anderen Ucbel, z. B. mit Nachtheilen wirthschaftlicher
Natur, gedroht wird.
Bei Ausschreitungen, welche als Hausfriedensbruch,
Beleidigung, leichte Körperverletzung oder einfache Sach-
beschädigung zu charakterisiren sind, hat das allgemeine
Strafrecht nach den von den berufenen Organen der Staats-
gewalt gemachten Erfahrungen in bedenklicher Weise ver-
sagt und eine empfindliche Lücke insofern aufgewiesen, als
die Verfolgung derartiger Verfehlungen von dem Anträge
des Verletzten abhängig gemacht ist. Wie die Erfahrung
lehrt, nehmen die den Ausständigen gegenüberstehenden Ar-
beiter aus Furcht vor weiteren Ausschreitungen ihrer strei-
kenden Kameraden und aus Besorgniß vor den nach der
Beendigung des Arbeitskampfes zu gewärtigenden Verfol-
gnngen häufig lieber die Angriffe auf ihre Person, ihre

Ehre oder ihr Eigenthum ruhig hin, als daß sie sich ent-
schließen, durch Strafantrag das Eingreifen der Behörden
hcrbcizuführen.
Die Theilnahme an öffentlichen Zusammenrottungen,
welche vielfach in Zusammenhang mit der von den Strei-
kenden ausgeübten Ueberwachungsthätigkeit vorgekommen
sind und wiederholt schwere Ausschreitungen im Gefolge
gehabt haben, soll nach der Vorlage mit Gefängniß bestraft
werden. Zur Bekämpfung dieses Treibens bietet das all-
gemeine Strafrecht keine genügende Handhabe. Denn nur
in seltenen Fällen ist cs möglich, die einzelnen Thäter der
bei solcher Gelegenheit verübten Exzesse genau festzustellen.
Jedenfalls wird die gegenwärtige Rechtslage in der Praxis
als mangelhaft empfunden. Auch in dieser Beziehung führt
die Denkschrift eine Reihe beweiskräftiger Beispiele an.
Eine loyale Beurtheilung des in der Denkschrift bei-
gebrachten Materials wird zugestehen müssen, daß es sich
hier nicht um eine Aufzählung lose aneinandergcreihter
einzelner Thatsachen, sondern um eine prinzipielle Sichtung
und objektive Bewerthung der tatsächlichen Grundlagen
handelt, von denen aus die Einbringung der den verstärk-
ten Schutz des freien Arbeitsvertrages bezweckenden Vor-
lage sich mit zwingender Noth'vendigkeit ergibt.
Deutsches Reich.
— Die Köln. Ztg. schreibt: Das Reuter'sche Bureau
verbreitet aus Washington die Nachricht, die deutsche
Regierung verhalte sich auf der Haager Konferenz
gegenüber den Anträgen auf Einsetzung eines ständigen
Schicdsgerichtshofs unbedingt ablehnend. Nach den von
uns eingezogenen Erkundigungen ist diese Nachricht unbe-
gründet, und zählt zu denjenigen Ausstreuungen, die den
von deutscher Seite erfolgten Antrag zur Folge gehabt
haben betreffend alsbaldige regelmäßige Veröffentlichung
der amtlichen Sitzungsprotokolle, um dadurch die Veröffent-
lichung derartiger falscher Meldungen dauernd unmöglich
zu machen. Deutschland steht zunächst auf dem Stand-
punkte des der Konferenz zu Grunde liegenden russischen
Arbeitsprogramms, welches, die Einsetzung eines Schieds-
gerichts von Fall zu Fall regelt. Darüber hinaus be-
antragen England und andere Staaten die Einsetzung eines
ständigen Schiedsgerichtshofcs. Die deutschen Vertreter
haben nach Prüfung kein Hehl daraus gemacht, daß die
wcitergehenden Anträge an einem schweren Fehler leiden,
dessen Wegräumung erforderlich sei. Der Fehler besteht
darin, daß in dem Anträge keine Bestimmungen vorgesehen
sind, welche die unbedingte Unparteilichkeit des Schiedsge-
richts gewährleisten. Sobald Bürgschaften einer solchen
Unparteilichkeit gegeben sein werden, wird Deutschland auch
den über den russischen Vorschlag hinausgehenden Anträgen
zustimmen können.
— Zur Zeit herrscht ein Arb eit er Mangel in
Berlin, gegen den die vielbeklagte Leutenoth der östlichen
Landwirthschaft den Vergleich kaum aushalten dürfte. Eine
Berliner Köhlengroßfirma hatte zum Verladen mehrerer auf
der Oberspree angelegter Kohlenkähne Arbeiter engagirt,
welche dafür pro Centner 2 Pfg. erhielten und sich dabei
auf einen Tagesverdienst von 8 Mark standen.
Die Arbeiter verlangten dann aber pro Centner 2^ Pfg-,
und da ihnen diese Mehrforderung nicht bewilligt wurde,
traten sie in den Ausstand ein. Die Firma wandte sich
hierauf an das Centralburcau für Arbeitsnachweis an der
Stadtbahn mit dem Aufträge, ihr schleunigst Arbeiter zum
Entladen der Kohlenkähue zu senden. Sie erhielt aber den
Bescheid, daß ihrem Verlangen unmöglich entsprochen werden
könne, da in ganz Berlin und Umgegend gegenwärtig über-
haupt keine Arbeiter zu erlangen seien und überhaupt hier

ein vollständiger Mangel an Arbeitskräften herrsche. In-
folgedessen sah sich die Firma genöthigt, ihren alten Arbeitern
die Forderung zu bewilligen.
— Vom 1. October ab erhalten die F e ld a r t ille r ie, die
Te legravhenbataillone und die Betriebsabtheilung der
Eisenbahnbrigade neue Uniform-Abzeichen. Die
Feldartillerieregimenter erhalten namentlich an Stelle der bisher
durchweg rothen Schulterklappen solche in den Farben der
Infanterieregiment er ihres Armeecorps. Die Telegraphenbatail-
lone erhalten Pionier-Uniform mit poncean-rothen Schulter-
klappen und als besonderes Abzeichen auf denselben ein senkrecht
stehendes, gelbes Blitzbündel nebst der Bataillonsnummer in
römischer Ziffer. Die Uniform der Betriebsabtheilung der Eisen-
bahnbrigade ist gleich der der Eisenbahnregimenter; auf der
poncean-rothen Schulterklappe wird als Abzeichen ein gelbes ge-
flügeltes Rad getragen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 13. Juni. Das Haus
nimmt die Vorlage betreffend den Reichsinvaliden-
fonds unverändert und ohne Debatte in dritter Lesung an.
Es folgt die dritte Lesung des Hypothekenbank-
gesetzentwurfs.
Nach unerheblicher Debatte erfolgt auf Antrag die An-
nahme des Gesetzes.
Hierauf tritt das Haus in die zweite Berathung des
Jnvalidenversicherungsgesetzes ein.
Es liegen Abänderungsanträge des Centrums vor,
ferner sieben von den Sozialdemokraten und zwei von
Rösicke.Dessau.
Das Haus erledigte heute die Generaldebatte und ver-
tagte die Weiterberathung auf morgen 1 Uhr.
Baden. Karlsruhe, 13. Juni. Eine gestrige Ver-
trauensmännerversammlung überließ den endgiltigen Beschluß
über die Ausübung des Vorkaufsrechts bei der Bad.
Land.-Ztg. dem engeren nationallib. Partei-
ausschuß. (Die Franks. Ztg. weiß zu erzählen, daß
die Kaufsumme von 115 000 Mk. schon bis auf Weniges
aufgebracht sei, und daß Herr v. Scheffel, der Sohn des
Dichters, in der Versammlung als Verleger genannt wor-
den sei.)
Bayern, ff Aus der Pfalz 12. Juni. Die
Winzer und Winzerin nen der Pfalz sollen in eine
Lohnbewegung eintreten. Den Anfang hat Neustadt a. H.
gemacht. In einer daselbst abgehaltenen zahlreich besuchten
Versammlung wurden folgende Forderungen aufgestellt:
Es sollen betragen: der Baulohn 60 Mk. pro Morgen,
der Tagelohn vom 1. März bis 1. November 3 Mk., vom
1. November bis 1. März 2 Mk. 50 Pf., die Löhne für
Mistgräben pro Viertel 5 Mk., für Spätjahrsaufziehen
2 Mk. 50 Pf., für Hochräume 2 Mark. Bei den außer-
ordentlichen Arbeiten, die nach gegenseitiger Uebereinkunft
entlohnt werden sollen, ist eine Arbeitszeit von 7 Uhr
Morgens bis 7 Uhr Abends einzuführen; etwaige Ueber-
stunden sind mit 50 Pf. pro Stunde zu bezahlen. Ueber-
stunden oder abgekürzte Tagelöhne, die durch die Witterungs
bedingt werden, sind mit 30 Pf. pro Stunde zu vergüten.
Der Wein ist in der seither üblichen Weise zu stellen,
jedoch soll es ein trinkbarer Wein sein. Der Tarif soll
sofort in Kraft treten mit Ausnahme des Tarifs für den
Baulohn, der mit dem 1. März n. I. Geltung er-
langen soll.
Coburg-Gotha. Gotha, 13. Juni. Im gemein-
schaftlichen Landtage brachte Heusinger einen Dring-
lichkeitsautrag ein, welcher die Regierung auffordert, noch
vor der demnächstigen Vertagung.vonden über die Thron-
folge getroffenen Bestimmungen dem Landtage Kenntniß
zu geben und nach der Vertagung des Landtages dem
Landesausschuß über alle weiteren die Thronfolge betreffen-
den Vorgänge Mittheilung zu machen. Der Landtag nahm
den Dringlichkeitsantrag einstimmig an, der auf
die Tagesordnung der nächsten Sitzung kommen soll.

Der gequälte Mann rief die Moser und übergab ihr die
Fassungslose. Dann stürmte er fort, vielleicht war auf dem
Gerichte ein Dokument deponirt und der Depositenschein
verlegt?
Auch diese Hoffnung trog.
Die ihm bekannten Herren waren erstaunt, den Assessor
so erregt zu sehen, und trösteten ihn, daß ja auch ohne Testa-
ment die Erbschaftsangelegenheit vollkommen glatt und ein-
fach liege.
Vom Gericht eilte Delbitz zu einem der ersten Rechts-
anwälte, theilte ihm offen die Sachlage mit und bat um
seinen Rath.
Der Anwalt wurde sehr ernst. Besprach hin und her mit
dem Assessor die Thatsachen und meinte endlich:
„Sollte Herr Jan van Hasten vielleicht bei seinem früheren
Aufenthalt in Amsterdam, dort eine letztwillige Verfügung
gerichtlich hinterlegt haben?"
„Es wäre möglich!" rief der Bedrängte aufathmend. Das
war doch endlich ein Hoffnungsstrahl!
„Oder," riet der Advokat. „Sie versuchen einen gütlichen
Vergleich vorzuschlagen."
Als er nach Hause kam, fand er Cora noch in demselben
aufgeregten Zustande. Nachdem er berichtet hatte, überhäufte
sie ihn mit Vorwürfen, daß er keine erfreuliche Gewißheit
bringe.
„Du bist ungeschickt und schlaff!" rief sie jammernd, «ich
habe es lange gemerkt, daß mit Dir nichts auszurichten ist!"
„Wir müssen die Möglichkeit, arm zu werden, uns ein-
zuschränken, ins Auge fassen," warf er trübe hin.
„Ich will mich nicht einschränken, ich kann es nicht!"
„Was thun?"
„Du hast mich gebeiratbet, Du mußt für mich sorgen k
Ich hasse Dich, wenn Du es nicht thust!"
Bruno verließ empört das Zimmer.
(Fortsetzung folgt.)

Josephineus Glück.
23) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
Als Bruno sich nach der Erklärung Pieters wieder etwas
gefaßt hatte, warf er mit bleichen Lippen ein: „Sollte mein !
Schwiegervater wirklich versäumt haben — so liegt doch auf I
der Hand — so war eS doch gewiß sein Wunsch" —
Der Andere zuckte die Achseln: „Was er wünschte, hätte i
er aussprechen, seststellcn können. Was hinderte ihn? Viel- ^
leicht sollten auch die Seinen — da die Tochter versorgt i
war" —
Versorgt? dachte Bruno mit einem Seufzer; er konnte ^
und wollte an die Möglichkeit des Enterbtseins nicht glauben. ,
«Findet sich nichts Rechtskräftiges," schloß der Holländer» !
„so bin ich meines verstorbenen Bruders alleiniger Erbe." ^
„Es werden — es muffen sich Dokumente finden," stam-
melte Bruno.
„Lassen Sie uns gemeinschaftlich suchen. Ist nichts da,
bleivt Ihnen die Nachfrage auf dem Gerichte."
Es geschah.
Beide Männer durchforschten in großer Spannung den
Geldschrank mit seinen Werthpapieren, und alle Fächer und
Laden des Schreibtisches. Nichts — nichts I Geld und ^
Papiere in Menge. Nicht das kleinste Blättchen, das einem
letzten Willen ähnlich sah. Die Holländer lachten sich ver-
stohlen an. Es schien also doch so, wie sie heimlich gehofft !
hatten.
Bruno hielt sich nur mühsam aufrecht. Immer auf's !
Neue durchftöberte er die wohlgeordneten Schubfächer.
Endlich schlug Mynheer Pieter vor. den Raum unter i
beiderseitigen Verschluß zu nehmen und gerichtliche Versiege- i
lung zu beantragen.
Dann gingen die Fremden.
Bruno hatte sich bis zuletzt seine gute Haltung bewahrt. !
Unter der Wucht dieses Schicksalsschlages zusammenbrechend, ^
barg er nun verzweifelnd das Gesicht in den Händen. Wo

sollte er noch suchen? Wo einen Weg der Rettung aus dieser
furchtbaren Lage finden?
Wie aus einem wüsten Traum erwachend, sah er sich um.
Sein Zimmer mit der prächtigen Einrichtung kam ihm Plötz-
lich fremd vor. Sein Blick schweifte durch's Fenster und fiel
aus das zierlich hergerichtete Gärtchen mit seiner Fontaine,
den Teppichbeelen und blühenden Rosen. Er hatte alles seit
Jahren als sein sicheres Eigenthum angesehen, war denn
wirklich nichts von alledem sein? Ein unfaßbarer, entsetz-
licher Gedanke!
So sollte er diese leere unglückliche Ehe für nichts ertragen ?
Dem Gespenst der Armuth gegenüberstehen mit einer ver-
wöhnten, kindischen Thörin wie Cora?
Es mußte sich der Besitz retten lassen. Der Verstorbene
mußte rechtskräftige Bestimmungen getroffen haben, es war
nicht anders denkbar! —
Als er sich eben aufraffen wollte, um auf dem Gerichte
nachzuforschen, tönten vom Korridor her wilde Schreie an
sein Ohr. Die Thür des Zimmers wurde aufgestoßen und
Cora stürmte in fassungslosem Zustande herein.
Der schwarze Krepp an ihrem Trauerkleide flatterte zer-
rissen um sie her, ihr Auge glühte zornig, ihre kleinen Fäuste
fuhren zuckend durch die Lust. Abgebrochen und kaum ver-
ständlich schrie sie:
„Der schändliche Pieter — vertheidige mich — schütze
mich I Solche Beleidigung — ich nicht legitim — ich nicht
erben — Schmach meinem Vater — wenn er mir das gethan!"
Sie warf sich in einen Lehnstuhl und begann maßlos zn
schluchzen.
Bruno neigte sich über sie und versuchte sie zu trösten.
Er war empört über des Onkels Rücksichtslosigkeit, der Armen
unvorbereitet und ehe die Entscheidung feststand, diese auf-
regende Mittheilung gemacht zu haben.
Sein freundlicher Zuspruch erschien ihr aber viel zu zahm.
Ungeduldig stieß sie ihn fort:
«Schaff Rath — straf den Verleumder Lügen — es kann
nicht sein — es kann ja nicht sein" — und wieder folgte ein
wilder Ausbruch von Wuth und Thränen.
 
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