Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0415

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
monatlich SO Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25
ausschließlich Zustellgebühr.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.



Insertionsgebühr
15 Pf. f-r die Ispaltige
Petitzetle oder deren Raum!
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der'Jnserate auf oen Plakat«
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82

wr. 92.

DonilttstW, den 2V. April

I8SS.

Politische Umschau.
Heidelberg, 20. April.
Ohne die Lehrer der katholischen Theologie, Professor
Schell von der Universität Würzburg und Professor
Knöpfler von der Universität München zu nennen, hat
gegen die durch diese Männer vertretene deutsch-
nationale Richtung in der katholischen Theologie der
gesammte bayerische Episkopat in einer Konferenz in
Freising Stellung genommen. Die sogenannte „Ansprache",
die nun als Frucht ihrer Konferenz der Oeffentlichkeit als
Ergebnis der Berathungen übergeben wird, ist ein würdiges
Seitenstück zu dem bekannten Beschluß der Jndcxkongrega-
tion, und ist besonders lehrreich für die weisen konserva-
tiven Politiker, die das Heil Preußens und Deutschlands
in der gemeinsamen Vertretung protestantischen und katho-
lischen Kirchenthums suchen und sich über die fundamentalen
Gegensätze des römischen Katholizismus und des deutschen
Protestantismus mit klugen, nichtssagenden Tafeltoastcn
klerikaler Parteiführer und katholischer „Kirchenfürsten"
hinwegtäuschen möchten. Klipp und klar konstatiren die
bayerischen Bischöfe eine „katholische Wahrheit".
Sehr lehrreich ist im Anschluß daran der Satz, daß nicht
die Freiheit einer gesunden und richtigen Forschung, son-
dern nur die „zügellose Forschung" verworfen wird.
„Zügellos" aber ist die Forschung, die nicht zu der
„Wahrheit" führt, welche die katholische Kirche lehrt.
Lehrreich ist auch der Satz, daß der Presse kein Urtheil
über „die Erziehung des katholischen Klerus zusteht, weil
dies Sache der Kirche sei. Die Wahrheit aber, wie sie
die katholische Kirche lehrt, ist allgemein und göttlich; es
wäre darum eine thörichte Anmaßung, der katholischen
Wissenschaft einen nationalen Charakter beilegen zu
wollen." Der Traum der Schell und Genossen ist damit
ausgeträumt und der Gegenwart wieder in Erinnerung ge-
bracht, daß zwischen Wissenschaft und Gewissensfreiheit uns
römischem Katholizismus Friede niemals bestehen kann.
Die Amerikaner haben bis jetzt noch keinen Grund
sich zu der Erwerbung der Philippinen Glück zu
wünschen. Es war leicht die hölzernen spanischen Schiffe
dort in den Grund zu schießen, es war auch leicht die
Spanier zur Abtretung der Inseln zu nöthigen, es ist aber
schwer, die Eingeborenen zur Anerkennung der amerikanischen
Oberherrschaft zu zwingen. Bis jetzt sind die Anstrengungen
der Amerikaner zur Unterwerfung der Eingeborenen nahezu
erfolglos gewesen. Sie haben wohl einige Punkte auf
den Inseln besetzt, damit ist aber sehr wenig erreicht.
Mehrere der besetzten Orte haben sie wieder aufgeben
wüssen. So wird eben erst gemeldet, daß General
Lawton seinen Feldzug im Süden von Manila eingestellt
habe. Die Schwierigkeiten, so erklärte er einem Bericht-
erstatter, denen die Bekämpfung der Gucrillabanden in den
Tropen begegne, seien sehr groß. Er bedauere die ein-
genommenen Städte wieder aufgeben zu müssen, allein die
Garnisonirung derselben würde alle Streitkräfte seines
Kommandos beanspruchen. Der General meinte, zur Er-
oberung der Philippinnen sei 100 000 Mann nöthig. Ein
schlimmes Zeichen ist auch, daß ein Theil von Lawtons
Leuten verwendet wird, um Mac Arthurs Truppen bei
Malolos zu verstärken. Erst kürzlich meldete General Otis,
Mac Arthurs 12 000 Mann seien mehr als genügend, um
den Feind aus den Distrikten zwischen Malolos und Ca-
kumpjt zu vertreiben. Jetzt zeigt sich aber, daß Mac Arthur
keine zwei Meilen über Malolos hinausgekommen ist.
überhaupt wird ein sehr veränderter Ton in den Depeschen
bemerkt. Kürzlich hieß es noch, die Freiwilligen seien
sreudig bereit, weiter Dienst zu thun, jetzt aber meldet

Der Herrgotthändler.
b) Eine Hochlandsgeschichte von Friedrich Dolch.
(Fortsetzung.)
Einige Stunden später, die Sterne begannen bereits zu
Ablassen und ein frischer, kalter Lnfthauch schauerte tagver-
sUndend vor der Sonne einher, schritt ein kleiner Trupp Be-
waffneter, Castl als Führer an der Spitze, auf die Sennhütte
?er Baumgartenalm zu. Bald war dieselbe erreicht, und
Wahrend der Landarzt sich von der kleinen Schaar loslöste und
so die Hütte trat, um nach dem Verwundeten zu sehen,
Awenkten die Uebrigen rechts ab, stiegen rasch den ziemlich
witen Pfad, der zum Hochwald emporführte, hinan und ver-
schwanden bald darauf hinter den Felsen-
,, Geraume Zeit war es still in der Sennhütte und um
?wse herum- Die Sonne stand schon ziemlich hock, als
?Er Jager Castl allein den Bergvsad herunterkam. Rasch
chritr er auf die Hütte, vor der die Sennerin stand und ihm
^geduldig entgegenblickte, zu-
- ..Wie stehtS mit dem Kranken?" rief er schon von weitem.
»>ls der Doktor noch bei ihm?"
^ „Schon wieder fort," erwiderte Vroni, „vor einer halben
c^tund' schon! Er hat d' Wund'n gereinigt und ein' Ver-
bund angelegt, nachher hat er sich wieder auf 'n Heimweg
uwachr. Er wird morg'n wieder herausschan'n, hat er
8 lagt —«
„No, und der Kranke?"
„«-er is wohl aufg'wacht, liegt aber jetzt im Wundfieber.
Doktor sagt, die Wund'n sei zwar net lebensg'tährlich.
"-fr die Heilung thät sich doch reckt lang hinauszieh'n. Er
"Pt vorerst m der Hütt'n bleib'n, in dem Zustand könnt'
wn ihn net heruntertransportir'n."
«, „Wirst Du ihn aber pflegen können? Bei Deiner vielen
«trbejt —"
-.--Ick werd's schon fertig bringen l Und der Ander! is ja
"ck da ! Aber jetzt erzähl', was ös (ihr) ausgericht' habi's!"
„Wir haben den Raubmörder schon —"

man, sie protestiren dagegen, daß man sie gesetzwidrig festhält.
Die Stimmung der Amerikaner, wenn sie an die Philip-
pinen denken, wird begreiflicher Weise recht verdrießlich.
Der Gouverneur von Minnesota und ein republikanischer
Senator von Süd-Dacota haben öffentlich das dringende
Verlangen ausgesprochen, daß die Freiwilligen-Regi-
menter aus ihren Staaten, die auf den Philippinen
Kriegsdienste thun, zurückberufen werden, da die
längere Zurückhaltung im Dienste ungesetzlich sei und die
Mannschaften selbst die Rückkehr dringend wünschen. In
Kuba scheint die Einsetzung der amerikanischen Oberherr-
schaft sich ziemlich glatt zu vollziehen. Den Kubanern ist
der Gedanke, daß Kuba einst ein Bundesstaat in der Union
sein soll, nicht unangenehm. Die Philippiner wollen aber
von einer amerikanischen Fremdherrschaft nichts wissen, sie
wollen einen selbständigen nationalen Staat bilden. Wenn
die Amerikaner sie nun mit Gewalt hieran hindern, so
handeln sie gegen das demokratische Prinzip, mit dem sie
sonst prunken. Kurz die Philippinenangelegenheit bringt
für die Amerikaner viel Unerfreuliches.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser ist Mittwoch Vormittag zur Jagd
nach der Wartburg abgereist.
— Die P o stk o mm is s i o n des Reichstags,
die sich letzten Dienstag konstituirt hat, ernannte zu ihrem
Berichterstatter den nationalliberalen Abg. Or. Paasche
und nahm dann nach längerer Debatte Artikel I des Post-
taxgesctzeS an, worin das Maximalgewicht für den gewöhn-
lichen Postbrief auf 20 A festgesetzt wird. Bei unzureichend
oder gar nicht frankirten Briefen soll ein Zuschlagsporto
von 10 Pfg. eintreten, wie der Staatssekretär v. Podbielski
hinzufügte, um darauf hinzuwirken, daß schon bei der Ab-
sendung die Briefe genügend frankirt werden. Dann
wurde die Bestimmung angenommen, wonach die Ortstaxe
vom Reichskanzler auch auf Nachbarorte ausgedehnt werden
kann. Wie in der Begründung der Vorlage hervorgehoben
ist, sollen zu diesem Zwecke einige hundert Ortsgruppen
gebildet werden. Der Staatssekretär gab zu Protokoll die
Versicherung ab, daß diese Erleichterungen für den Nachbar-
ortsvcrkehr zugleich mir dem Postgesetze in Kraft treten
sollen. Des Laugen und Breiten wurde dann darüber
debattirt, ob nicht bei Massensendungen namentlich für
Wohlthätigkeitsanstalten eine Portoermäßigung cinrreten solle.
Wie der Staatssekretär mittheilt, ist die Postverwaltung
indeß nach eingehender Erwägung zu dem Entschluß ge-
kommen, solchen Ausnahmen wegen der unvermeidlichen
Konsequenzen nicht stattzugeben. Bei der Beralhung über
den Zeitungstarif wurde abgebrochen. Am Mittwoch berieth
die Kommission die Bestimmungen betreffend die Beförderung
von Briefen und politischen Zeitungen durch Expreßboten
und -Fuhren (Z 2 Art. 2). Die Bestimmung wurde nach
langer Erörterung mit 20 gegen 5 Stimmen abgelehnt.
Die verschiedenen Anträge zu dem Paragraphen wurden
hierauf zurückgezogen.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Ueber die in der
Baumann'schen Schmähschrift „Afrikanische Galgenskizzen"
enthaltenen Anschuldigungen gegen deutsche
Kolonialbeamte und Offiziere fanden eingehende
Erhebungen durch das Gouvernement in Dar-es-Salaam
statt, welche ergaben, daß nicht der geringste Anlaß zu
derartigen Beschuldigungen deutscher Beamten in Ostafrika
vorliege. Das Blatt führt verschiedene von Baumann
mitgetheilte Einzelheiten an, die als absolut unwahr
sich herausstellten. (Bei Baumann ist inzwischen eine
Geisteskrankheit ausgebrochen. Er war sicher schon nicht
mehr gesund, als er die Skizzen schrieb. Rev.)

„Habl's ihn schon?" rief das Mädchen rasch. „Und wer
is's? Der — der Sepp am End?"
„Hast's net erraihen! Der Stöcker Hies is's g'wesen, die
Gendarm' hab'n ihn schon bandelt (gefesselt) hinunter ins
Dorf."
„Der Stöcker Hies?" rief das Mädchen aul's äußerste
erstaunt. „O Du mein Himm'el! Auf den wär' ich doch mei-
ner Lebtag net 'kommen!"
„Ich auch net", bekräftigte der Jäger. „Ick weiß wohl,
daß er sein G'wehr da drod'n wo versteckt hat und daß er
sich Nachts diemal heimlick Pon sein'm Arbeitsplatz weg-
schleicht und Wlldschieß'n geht, aber für ein' Räuber und
Mörder hätt' ich ihn doch net ang'ichaut. Aber laß mich
weiter erzähl'n! Wie wir also hinaus'kommen sind ins Ro-
nackerhölzl, haben wir die drei Kumpan' g'rad' beim Suppen-
koch'n an'troffen. Wie's uns g'seh'n hab'n, sind's alle Drei
erschrocken — natürlich, a gutes G'wissen hat ja keiner von
die Lump'n! Wir sind gleich her über sie und hab'n 's Aus-
sragen ang'fangt. Der Niederhofer Sepp war der Erste.
„Ich bin g'rad raus'kommen", hat der g'sagt. „Bin gestern
frühzeitig am Abend noch zum Slraßwirth hinunter und dort
'blieben schier bis in der Früh'." Der Zweite is der Gradier
Vincenz g'wesen- Du kennst 'n ja, 'n Vincenz! Er sieht
zwar blitzdumm aus, aber ich glaub', daß er's trotzdem faust-
dick hinter die Ohr'n hat. ,Wo bist Du g'wesen gestern
Abend?' fragt der Kommandant. ,Jn meiner Rinderhüll'n'.
sagt der Vincenz, ,Hab'mich frühzeitig niederg'legt gestern.'
,Und der Stöcker Hies?' »Der wird wohl auch in seiner
Hütt'n gewei'u sein.' Der Kommandant hat g'ieh'n, daß der
Vincenz auseinmalganzverleg'n ausg'schaut hat, is her'gangen,
und hat dem Stöcker Hies ganz allein auf d' Seiten genom-
men. ,Wo bist Du gestern Abend g'wesen, Hies?' fragt er.
,Daheim in meiner Hütt'n', giedt der Hies d'raus zur Ant-
wort. ,Net wahr is 's', fahrt jetzt der Kommandant auf.
,Der Vincenz hat mir's g'rad' in der stad (stille) g'sagt, daß
Du Dich gestern Abend ganz heimlich vom Arbeitsplatz weg-
g'schlichen hast.' Kaum hat der Kommandant das g'sagt, da
fahrt der Hies schon wüthend in die Höh': ,Der Lump, har >

Deutscher Reichstag. Berlin, 19. April. Erste Be-
rathung des Gesetzentwurfes betreffend Abänderung
der Gewerbeordnung in Verbindung mit dem An-
träge des Abg. Frhrn. Heyl zu Herrnsheim (natlib.) be-
treffend Arbeiterschutz in den Werkstätten der Hausgewerbe-
treibenden, sowie die Arbeitszeit der in offenen Verkaufs-
stellen und Schank- und Gastwirthschaften beschäftigten
weiblichen Personen, und dem Anträge des Abg. Basser-
mann (natlib.) betreffend Abänderung und Ergänzung der
Gewerbeordnung.
Abg- Frhr. Heyl zu Herrnsheim begründet seinen An-
trag: Der Regierungsentwnrf zeige nicht überall Fortschritt. Die
Beschäftigung weiblicher Arbeiter m den Werkstätten der Confec-
tions- und Wäschebranche bedürfte einer weiteren gesetzlichen
Regelung. Aus den seit 21 Jahren veranstalteten Untersuchungen
über die Heimarbeit liege genügend Material vor, um Schutzbe-
stimmungen zu treffen für die Kinderarbeit, die Heimstättenindustrie
und die in Schank- und Gastwirthschaften beschäftigten weiblichen
Personen. Er beantrage Einsetzung einer Commission von 21
Mitgliedern.
Abg. Bassermann: Sein Antrag wolle die Wohlthat des
Handelsgesetzbuchs den Privatbeamten der Industrie verschaffen.
Die Bestimmungen des Regiernngsentwurfs über Bauerlaubniß
für Fabrikanlagen, Concessionspflicht der Gesindemakler und Be-
fugnisse der Sachverständigen seien freudig zu begrüßen. Die
Theateragentnren befänden sich ini allgemeinen in vertrauens-
würdigen Händen. Die Vorschriften über die Handlungsgehülfeu
und die offenen Verkaufsstellen seien im ganzen zu billigen. Eine
Verminderung der Erwerbsgelegenheit trete nicht ein. Auch der
8-Uhr-Ladenschluß sei wünschenswerth nach den Mittheilungen der
Commission für, Arbeiterstatistik. Gesetzliche Feststellung einer
Mindestruhezeit sei wünschenswerth. Die Bestimmungen über die
Ausbildung der Lehrlinge genügten nicht. Er empfehle die An-
stellung von Handelsinspectoren.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Die Regierung
bringe fast jedes Jahr eine Novelle zur Gewerbeordnung ein.
Durch die Verschiebungen im Fabrik- und Gewerbebetriebe und
der Hausarbeit entständen fortgesetzt soziale Erscheinungen, die
Aufmerksamkeit erforderten. Solche Gelegenheitsgesetze seien
praktischer als theoretische Gesammtgesetze, die nachher durch
Thatsachen überholt würden. Eine Ausnahme davon sei, daß
die Angestellten im Handelsgewerbe unter die Bestimmungen der
Gewerbeordnung zu stellen seien. Die Theateragenturen seien
vielfach nicht so vertrauenswürdig, wie der Abgeordnete Basser-
mann angenommen habe. Unterrichtete Personen behaupten, daß
manche Schauspieler durch Verträge gebunden seien, die den
Charakter der Leibeigenschaft tragen. Man müsse daher auch
diesen Betrieben scharf auf dis Fiuger sehen. Die Frage, wes-
halb nicht auch die Krankenversicherung der Hausarbeiter in der
Novelle ausgenommen worden sei, lasse sich dahin beantworten,
daß diese bisher in besonderen Gesetzen behandelt worden sei.
Die Einbeziehung der Angestellten des Handelsgewerbes in die
Gewerbeordnung sei ein großer sozialpolischer Schritt. Ander-
seits sei es bedenklich, Verordnungen zu erlassen, die bei den
Betheiligten allgemein Widerstand finden. Es bestehe gegen den
8-Uhr-Ladenschluß in kaufmännischen Prinzipalkreisen ein außer-
ordentlicher Widerwille. Man solle daher zunächst den Gehilfen
mit etwas milderen Mitteln zu helfen suchen. Die Thätigkeit
dieser Gehilfen sei auch in den großen Städten und den stillen
Provinzialstädten himmelweit verschieden. Deshalb könne man
nicht eine Maximalarbeitszeit, sondern nur eine Minimalruhezeit
festlegen. Handelsinspektoren würden die Sache nur unpopulärer
machen. Dem Anträge Bassermann ständen ernste Bedenken wohl
nicht entgegen. Dagegen lasse in dem Anträge Heyl das Verbot
der Frauen- und Kinderarbeit in dieser Ausdehnung keine sichere
Kontrole zu. Auch die Bestimmungen der Regierungsvorlage
über die Arbeitszeit in der Konfektionsbranche lasse noch Ueber-
tretnngen zu; der anständige Theil der Unternehmer gewöhne
sich aber allmählich daran. Der Antrag Heyl wünsche eine an-
gemessene gesunde Verpflegung in der Hausindustrie — wie sei
damit der Sturm der Entrüstung zu vereinbaren, der sich gestern
gegen die Einführung der Fleischbeschau bet Hausschlachtungen
erhob? Im Allgemeinen dürfte man sich in dieser Materie
Selbstbeschranknng auferlegen müssen.
Abg. Frgr. v. Stumm (R.-P.): Der Antrag Heyl verlange
vielfach Undurchführbares.
Abg. Pfannkuch (Soz.): Die Haus- und Heimarbeit nütze
die Knochen der Arbeiter vom zartesten Kindesalter bis zur Er-
schöpfung des Greisenalters aus. Die Gewerbeaufsicht müsse
auf sie ausgedehnt werden. Die Minimalruhezeit für Handlungs-
gehilfen müssen 12 Stunden betragen, die Mittagspause l'/z bis
2 Stunden.

er mich verrathen?' ,Also is 's lvahr?' sagt der Komman-
dant. ,Er lügt', schreit d'rauf der Hies und beißt die Zähn'
übereinander. Jetzt is 's ans Suchen 'gangen! Zuerst hab'n
wir die drei Rindenkobel (Hütten) von unten bis oben durch-
sucht, aber durchaus nix Verdächtiges g'funden. Nachher
hab'n wir den ganzen Platz abg'suckt und 's Handwerkszeug
von die Drei vffitirt. Hmter'm Rindenkobel, der 'in Lies
g'hört hat, is ein Streuhaufen g'legen. Wir hab'n ihn aus»
einanderg'riffen, und was» meinst, hab'n wir da g'funden ? Eine
Axt, die über und über voll Blut g'wesen is und 'm Hies
g'hört hat und eing'wickelt in ein altes Schnupftüchel, ein
paar Silbersach'n eine Halsketl'n und drei oder vier Ringerln
und Kreuzerln. Die Sach'n bab' ich aus 'n ersten Blick
wieder 'kennt, Hab' 's ja erst am Abend vorher g'seh'n g'habt.
Wie der Hies die Bescheerung steht, wird er weiß wie die
Wand; der Kommandant aber is jetzt noch amal über den
Vincenz her und hat ihn aufs Neue ins Gebet genommen.
Jetzt erst bat der 's zu'geben, daß der Hies sich wirklich am
Abend vorher heimlich weag'lchüchen g'haöl hat vom Aroeils-
platz. Der Hies. wie er g'sehen hat, um was es sich eigent-
lich handelt, iS jetzt freilich heraus mit der Sprach' und hat
hock und theuer versichert, daß er nur ein' Pirschaang g'macht
hätt' auf ein' Hirsch. Aber die Ausred' hat der Kommandant
net gelten lassen. Sie hab'n ihn in d' Mttl' g'uommen und
hab'n ihn 'bandelt, und die Sack'n, die blutige Axt und das
Silberzeug haben's auch mit. Morgen wird er nach Mün-
chen »'liefert, und wenn der Hagendacher herg'stellt is und
seine Aussag mach'n kann, kommt die Sach' vor's Schwur-
gericht." — (Sortse tzung folgt.)
Literarisches.
—8 Festgabe der Greifswalder Juristenfakultät
für E. I. Bekker zum 17. Februar 1899. Inhalt: Vierling:
„Gesammtwille und Gesammthandlung". Stampe: „Der letzte
Negulirungsprozeß auf Rügen". Stoerk: „Das bürgerl. Gesetz-
buch und der Gesetzgebungsapparat des deutschen Reichs". (Greifs-
wald, Jul. Abels Verlag.)
 
Annotationen