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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. ISO.

Freitag, de« 30. Juni

1898.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das III. Vierteljahr
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
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Fanstkämpfe mit Musik in der belgischen
Deputirtenkammer.
Brüssel, 28. Juni. Um gut zu werden, so schreibt
der Berichterstatter der Köln. Ztg., müßte der Bericht über
die heutige Kammersitzung von drei Fachmännern
verfaßt werden: einem Stenographen, der die Fluth von
Schimpfwörtern aufgefangen hätte, einem Musikkritiker für
den zweiten Theil der Sitzung, wo die Sozialisten mit
Maultrommeln, Pfeifen, Flöten und Trompeten ein Kon-
zert aufführten, das von Haydns Kinderkonzert noch weiter
entfernt ist als die Musik von Richard Strauß, und
schließlich für den tragischen Theil der „Verhandlungen"
einen erfahrenen Faustkämpfer aus Australien. Denn be-
vor sie sich hinauswerfen ließen, waren unsere Ehren-
werthen aufeinander gestürzt und hatten sich, wie cs im
Simplicissimus heißt, „dst Mäuler zerfallen". Doch will
ich versuchen, ein Bild des dreifachen Schauspiels zu
geben. Die sozialistische und liberale Linke war erbittert
über die Maßregeln, welche die Quästur angeordnet hatte,
um zu verhindern, daß das souveräne Volk die Wandel-
gängc und vielleicht gar den Sitzungssaal überschwemmte.
(Die sozialistische Linke soll eine Art von Putsch gegen die
Mehrheit geplant haben. Red.) Beim Beginn der Sitzung
beschwerten sie sich mit einer Entrüstung, die durchaus
natürlich schien, gegen die übermäßige Zahl von Soldaten,
die in den Wandelgängen und auf den Tribünen aufge-
stellt waren.
Vandervelde erging sich mit heiligem Feuer über das
Thema der Freiheit, die namentlich für die Verhandlungen des
Parlaments eine Nothwendtgkett sei und brachte am Ende einen
Antrag ein, wodurch der Vorstand aufgefordert werden sollte,
diese polizeilichen Anordnungen aufzuheben. Des net: Das
Karnickel hat angefangen. Die gestrige revolutionäre Sitzung ist
der Regierung auf das Kerbholz zu schreiben, die ihren Entwurf
über das Wahlrecht nicht zurückziehen will. Wohl, wenn der
Entwurf bestehen bleibt, bedeutet das den allgemeinen
Ausstand wie 1893 und die Revolution noch obendrein.
Die öffentliche Meinung wird Sie für eine Regierung von Mör-
dern erklären.
Bei diesen Worten zuckt ein Ordonnanzoffizier des Königs,
der in einer Loge der Sitzung beiwohnt, heftig zusammen; die
Diplomaten auf ihrer Gallerte verhehlen ihr Entsetzen nicht, und
die zuhörenden Senatsmitglieder scheinen froh zu sein, daß bei
ihnen ein besserer Ton herrscht. Auf den öffentlichen Tribünen,
die hauptsächlich von Freunden der Sozialisten besetzt sind, wer-
den Zeichen der Zustimmung bemerkbar. Auf der Journalisten-
tribüne wird es klar, daß es unten bald losgehen wird. Es
wird noch hin und her über Vanderveldes Antrag geredet, wobei
wiederum der König ungezogen wird und die Sozialisten die
Rechte in einem fort als Diebe und Mörder bezeichnen.
Demblon wirft dem Vorsitzenden Baron Snoy folgendes
Ultimatum entgegen: Wenn Sie Ihre Poltzetmaßregeln nicht auf-
heben, wird die Rechte nicht mehr zu Worte kommen. Das ist gewisser-
maßen das Programm zu dem Konzert. Einer der Quästoren,
De Jonghc, rechtfertigt die Vorkehrungen. Es kommt zur
Abstimmung. Der Antrag Vanderveldes fällt; die Parteien haben
geschlossen gestimmt. Alsbald geht die Musik los, ohrenerschütternd,
herzzerreißend, markergreifend. Die Pfeifen mit Erbsen wett-
eifern mit denen ohne Erbse, während die Spiclleute mit den
Füßen den Takt trampeln. Dann verstummt das Orchester, um
den Gesang der Marseillaise ertönen zu lassen, oder auch die
Leier des „Oh. Vandenpeereboom". Um sich nicht zu sehr zu er-
müden, werden die Sänger weniger laut, und begnügen sich da-
mit, aus die Weise: llss lampiouo die Hochrufe auf die Revolution

und die Republik zu singen. Dann geht es wieder kräftiger los,
und geradezu betäubend wird es, wenn zugleich die einen brüllen,
die anderen die Katzenmusik fortsetzen. Demission I Demission!
rufen die Sozialisten im Chor. Der alte Sozialist im weißen
.Haar, Lson Defuisseaux, sitzt da, das Käppchen auf, roth im Ge-
sicht, wie wenn er von einem guten Mittagessen käme, die Backen
aufgeblasen, und tutet in eine Kindertrompete. Ein anderer Ge-
nosse hat eine Pfeife mitten im Munde und ein Trompetchen in
jedem Mundwinkel.
Während dieses ungeheuren Lärms stand der gestrige Redner,
Renquin, wieder auf der Rednerbühnc und las- Man sah
seine Rede, aber hören konnte sie kein Mensch. Worüber er sprach?
Wer weiß es? Zwei Sozialisten, Furnömont und Hubin, stürzten
auf die Tribüne und näherten sich dem Redner und bliesen ihre
Pfeifen dicht an seinen Ohren, der eine rechts, der andere links.
Renquin legte seine Papiere zusammen, als ob er zu Ende sei.
Auf der rechten Seite und vor der Rednertribüne standen zahl-
reiche Ultramontane, gleichsam um das Bureau gegen einen Hand-
streich zu vertheidigen. Furnsmont sprang über den Steuographen-
tisch in diese Gruppe hinein; die Stenographen hatten sich schon
zurückgezogen. Aber Furnömont kam schlecht weg. Er fiel den
Clericalcn zu Füßen, und die Gegner benutzten die Gelegenheit,
ihn ordentlich durchzubläuen. In demselben Augenblick
stürzte die gesummte sozialistische und liberale Linke in den freien
Halbkreis, um Furnsmont herauszuhauen. Die sämmt-
lichcn Abgeordneten drängten sich in dem engen Raum zusammen.
Bald bildeten sic einen einzigen Knäuel. Es war nicht
Platz genug, um ordentliche Faustkämpfe auszuführen, und so
begnügte man sich vielfach mit gewöhnlichen Püffen, man faßte
sich gegenseitig an, um einander niederzuwerfen, aber in dem Ge-
dränge war solches nicht möglich. Ich sehe, wie Vandervelde und
Furnsmont durch die Saaldiener hinausgezerrt werden. All-
mählich hört der Kampf auf. dank dem Eingreifen der bewaffneten
Macht. Die Sozialisten dringen noch einmal vor und stellen sich
vor die Ministerbank. Der erste Minister Vandenpeereboom
wird angeschrieen. Stumm, blaß wie immer, die Hand in die
Brust seines weiten schwarzen Rockes gesteckt, unverwirrten Blickes
sitzt er da, to ksos tlls muoio, wie Cecil Rhodes sagt. Es hat
den Anschein, als sagte er: Herr, verzeihe ihnen, denn sie wissen
nicht, was sie thun. Der Vorsitzende hatte die Sitzung schon
lange für aufgehoben erklärt.
Aus der Straße werden die Sozialisten von einer großen
Volksmenge begleitet. Im Park versuchen sie zum Volke zu
sprechen, werden aber von den Schutzleuten daran gehindert.
Dann geht es nach dem Rathhausplatz. Dort, auf einer Treppe,
nehmen mehrere das Wort zu revolutionären Ansprachen. Am
wildesten geberdet sich der Lütticher Smeets, der ungefähr folgendes
sagt: Die Revolution hat uns die Verfassung gegeben, die Re-
volution wird sie uns erhalten. Furnömont sagt, die Abgeordneten
hätten gestern und heute in der Kammer ihre Pflicht gethan,
indem sie durch Gewalt der verfassungswidrigen Gewalt der Re-
gierung widerstanden. Sic hoffen, daß die ganze Bürgerschaft
und Arbeiter, sich auf der Straße zu ihnen schaaren würde. Der
belgische Löwe habe eine mächtige Mähne und sei nicht gewillt,
sich daran zausen zu lassen. Die Abgeordneten gaben dem Volk
Stelldichein für heute Abend zu einer Versammlung im Nieder-
ländischen Theater; da man einen zu großen Andrang vorsieht,
wurde sofort eine zweite Versammlung in einem großen Saale
vereinbart, der gegenüber liegt. Das wird einen aufgeregten
Abend geben.
Brüssel, 29. Jnni. Der Stadttheil, in dem sich
die Kammer, die Ministerien und das königliche Schloß
befinden, war gestern von einer Kette von Polizei und
Bürgerwehr bewacht. Ein Trupp von 4—5000 Kund-
gebenden zog sich um diesen Stadttheil zusammen. Die
Polizei hatte große Mühe, sie im Zaum zu halten und
forderte sie vergebens auf, auseinander zu gehen. Die
endlich eintreffende berittene Gendarmerie ging unter allge-
meinem Pfeifen und Johlen der Volksmenge wiederholt
vor. In der Treurenbergstraße ging es am wildesten zu.
Die Gendarmen, die mit Steinwürfen empfangen und fort-
während mit Pflastersteinen beworfen wurden,
gaben schließlich Feuer, ohne die Menge zum Weichen
zu bringen. Schließlich gingen die Fußgendarmen mit
aufgepflanztem Bajonett im Laufschritt vor und drängten
die Menge zurück. Zwei Gendarmen sollen verwundet
worden sein. In der Arenbergstraße mußte die Polizei
gleichfalls mit blanker Waffe Vorgehen. Hier sollen zahl-
reiche Verwundungen vorgekommen sein. Eine Anzahl Auf-

Fürstm Natalie.
Novelle von L. N. Satalin. Aus dem Russischen von
9) Eduard Bansa.
(Fortsetzung.)
Der Diener ging hinaus. — Die wenigen Augenblicke bis
zu Margots Eintreten genügten, um meine volle Fassung
wieder zu gewinnen, und so erwartete ich kühn den Feind. —
Warum den Feind? —Ich weiß es selbst nicht. — Was habe
ich ihr denn gethan, und womit könnte sie mich verletzt haben?
— Kein Grund für irgend eine Gegnerschaft ist vorhanden l
— Und doch zeigt mir mein weiblicher Instinkt, daß sie mich
als ihre Feindin betrachtet, daß sie eine unerbittliche und ge-
fährliche Rivalin ist, voll List und in den Mitteln nicht
wählerisch, um mich aus dem Felde zu schlagen. Eine innere
Stimme raunt mir zu: „Sei vor ihr aus Deiner Hut, Du
könntest sonst leicht in Ungelegenheiten gerochen."
Der Ton schnell sich nähernder Schritte und das Rauschen
eines Kleides weckten mich aus meinen Träumereien. —
Margot war eingetreten. und sofort erfüllte der zarte Duft
von Älkinson's „Vbits ross" das ganze Zimmer. Sie trug
eine ausgesucht kostbare Toilette: Dunkelrothen Sammet mit
gelbem Atlas garnirt, eine so geschmackvolle Farbenzusammen-
stellung, wie ich sie selten gesehen.
Ein breitrandiger Hut, welchen ein buntschillernder, exo-
tischer Vogel schmückte, bedeckte ihr üppiges, rolhblondes
Haar- Ein unangenehmes, süßliches Lächeln umspielte ihre
Purpurlippen, als sie sich mit flötender Stimme an mich
wandte:
„Schon längst wollte ich Ihren liebenswürdigen Besuch
erwidern, aber immer kam etwas dazwischen, da . . ."
Meine Bitte, Platz zu nehmen, unterbrach sie für einen
Augenblick, dann fuhr sie fort:
„Ich bin nämlich so sehr mit den Proben für eine Auf-
führung beschäftigt. Meine Rolle machl mir ganz ungewöhn-
lich viel zu schaffen: ich möchte dieselbe nicht in der alltäg-

lichen, diletlanienbaflen Weise spielen. Ich muß etwas Eigen-
artiges, Selbständiaes schaffen, um mit mir selbst zrnrieden
zu sein. — ll'aims l'art xour I'art! — Sie lieben es wohl
nicht, sei es auch um eines guten Zweckes willen, als Schau-
spielerin aufzutreten?"
„Ich habe es bisher noch nicht versucht und hege Zweifel,
daß ich die nöthigen Anlagen dazu besitze."
„Nun, das kann man nicht wissen. Aber freilich nicht
jedem hat Thalia diese Gabe verlieben."
Sie sah sich im Zimmer forschend um, und, als ob sie sich
auf etwas besonnen hätte, sagte sie nach kurzem Schweigen:
„Ihr Gatte ist ein hervorragender Künstler; noch im ver-
gangenen Winter bat man sich gelegentlich der verschiedenen
Wohlthätigkeitsaufführungen förmlich um ihn gerissen. Ich
persönlich genoß die Ehre, beim Fürsten Uchtowski in
intlmss" mit ihm zusammen wirken zu dürfen, und die unge-
künstelte Leidenschaftlichkeit, mit welcher er seine Rolle in der
berühmten Liebesscene zur Darstellung brachte, hat allgemeinen
Beifall erregt."
„Ein solches Talent habe ich garnicht in ihm vermuthet.
„Hat er Ihnen denn von dieser Aufführung noch garnichts
erzählt? — Sie müssen ihn darauf einmal anreden- Er ver-
steht ja so interessant zu plaudern, und ist doch gegen die,
welche er liebt, stets sehr mittheilsam gewesen."
Eine Blutwelle schoß mir bei diese» von einem hämischen
Lächeln begleiteten Worten ins Gesicht; ich hatte aber
meine Fassung schnell wieder gewonnen und entgegncte ihr
gelassen:
„Noch heute Abend werde ich ihn darum bitten! — Auch
mich zieht die Art und Weise, wie er erzählt, ungemein an."
— Dann fuhr ich, meinen Blick fest auf sie gerichtet, fort:
„Ich liebe alle diese kleinen Episoden aus seinem Junggesellen-
leben sehr- Er weiß so lebendig und natürlich selbst die
scheinbar unbedeutendsten Vorgänge zu schildern, daß man
glauben könnte, man hätte das olles mit ihm erlebt. — Daß
er mir von dieser Aufführung noch nichts erzählt hat, ist
allerdings sonderbar; er muß ihr wohl keinen großen Werth
beilegen."

rührer, denen eine Schaar Gassenjungen vorauslief,
wandte sich von der Treurenbergstraße nach dem Centrum
der Stadt und richtete allerlei Unfug und Verwüstungen
an. Um Mitternacht war die Ruhe wieder hergestellt.
Aus der Provinz ist zahlreiche Gendarmerie eingetroffen.
Brüssel, 29. Juni. Der König besprach sich heute
Vormittag lange mit dem Ministerpräsidenten und dem
Justizminister. Kammerpräsident Beernaert wohnte den
Verhandlungen bei. Der Soir theilt unter Vorbehalt mit,
der Ministerpräsident gedenke seine Entlassung zu geben.
Das Blatt meldet ferner, an dem Tage, wo die sozialistischen
Abgeordneten die Kammer verlassen, breche ein allge-
meiner Aufstand aus; es richtet daher an den König
eine Kundgebung, in der es seine Aufmerksamkeit auf die
Gefahren lenkt, die durch das von der Regierung vorge-
schlagene Wahlrecht einzutreten drohen. In Lüttich fanden
zahlreiche Kundgebungen gegen das Wahlgesetz statt. Der
Bürgermeister verbot die Abhaltung von Versammlungen
im Freien.

Zum Kohlenarbeiterstreik im Ruhrgebiet.
In der Köln. Ztg. giebt die Berwerksgesellschaft
„Hibernia" eine längere Darstellung über den Ausstand,
worin ausgeführt wird, daß der plötzlich ausgebrochene
Streik die Zechenverwaltungen insofern überrascht habe,
als Beweggründe oder irgend welche Anzeichen nicht bemerkt
wurden. Auf Befragen erklärten die Streikenden, daß sie
die schriftliche Zusicherung höherer Löhne verlangten. Die
Gesellschaft verweist auf den soeben erschienenen Jahres-
bericht für die bergbaulichen Interessen, der feststellt, daß
1898 die Löhne eine Höhe erreicht haben, wie nie zuvor.
Seit dem Dezember 1893 seien die Löhne um 23 Prozent
gestiegen und befänden sich in fortschreitender Entwicklung.
Der Bericht sagt zum Schluß: Weil eine Beilegung des
Ausstandes bisher nicht zu erreichen gewesen ist, so hat
sich die Verwaltung der Zechen gezwungen gesehen, den
Ausständigen mitzutheilcn, daß in mehreren Schichten aus-
ständige Arbeiter in der Belegschaftsliste gestrichen werden
und damit entlassen sind. Die Ausständigen sind vor-
wiegend junge Leute und gehören zum größten Theil
der polnisch sprechenden Bevölkerung an. Nach Ansicht
des Essener Bergbauvereins wären untrügliche Anzeichen
dafür vorhanden, daß das Vorgehen der Ausständigen mit
der Vereinigung polnischer Sozialdemokraten in
Berlin vorher verabredet worden sei, welche die polnischen
Sozialdemokraten im westphälischen Kohlenrevier für ihre
Zwecke auszubeuten suche. Das Berliner Centralorgan
der sozialdemokratischen Partei, der Vorwärts, will der
Partei keinerlei Verantwortung für den Ausstand aufge-
bürdet wissen. Die Ausständigen beständen aus un-
organisirten, jungen Leuten, die nur aus Zorn über die
hohen Abzüge bei den geringen Löhnen zum Mittel des
Ausstandes gegriffen hätten und sich über Möglichkeiten und
Voraussetzungen des gewerkschaftlichen Kampfes gar keine
Rechenschaft zu geben vermöchten. Seitens der organisirten
Arbeiter werde dringend vom Ausstande abgerathen, der
aussichtslos sei und keine Verbesserung der Lage herbei-
führen könne.
Herne, 29. Juni. Der Boch. Anz. meldet von hier, daß
heute noch zwei Bataillone des S7. Infanterieregiments aus
Wesel und eine kriegsstarke Schwadron des 4. Kürassier-
regiments aus Münster eingetroffen sind. Ebenfalls heute Vor-
mittag ist der Kommandeur der 14. Division, Generalleutnant
v. Kamptz, mit seinem Stabe aus Düsseldorf hier angekommen.
Dortmund, 29. Juni. Die Zahl der Streikenden
wird jetzt auf insgesammt 7000 angegeben.

Ich hatte heillos gelogen! — Ader was sollte ich in dieser
Lage anders thun? — Um in Madame Turbins Augen
nicht lächerlich zu erscheinen, war ich zu dieser aus Erfindung
beruhenden Ehrenrettung unseres ehelichen Lebens gezwungen
gewesen.
Während ich sprach, hatte sie, ohne mit einer Wimper zu
zucken, meinen fest auf sie gerichteten Blick ruhig ausgehalten.
Jetzt aber, als ich schwieg, wandte sie ihr Auge schnell von
mir ab.
(Fortsetzung folgt).

Literarisches.
—§ In der Schwab acher'schen Verlagshandlung in
Stuttgart sind erschienen: „All Heil! 100 Original-Hilfs-
Verse zur Abfassung gereimter Ansichts-Postkarten bei den ver-
schiedensten Gelegenheiten für Radler und Radlerinnen" von
Walter Runze (Preis 40 Pfg.) und „Wie schreibe ich
humoristische und witzige Bierkarten-Verse?" 100
Original-Hilfs-Verse und Mustertexte zur Abfassung gereimter
Postkarten mit und ohne „Ansichten". Von M. Unterdeck,
Redakteur. Preis 40 Pfg. Beide Büchlein tragen gewiß allen
Wünschen Rechnung. ^
—Z Für die Reise- und Bäder-Saison. Soeben
erschien die zweite Sommer-Ausgabe 1899 (Juli-September) von
„Storms Kursbuch fürs Reick" (Verlag von C. G.
Röder, Leipzig). Beigegeben ist eine neue Eisenbahnkartc, die in
deutlichstem Druck auch die kleineren Stationen zur Veröffent-
lichung bringt. Eine besondere Neuheit ist die Buch-Schutzdecke,
die abwaschbar und damit niemals dem Unanschnlichwerdcn durch
Schmutz u- s. w. ausgesetzt ist. „Storms Kursbuch fürs Reich"
kostet trotz seines Umfanges von fast 600 Setten nur SO Pfg.,
während der Preis für die elegante Patent-Decke gleichfalls nur
50 Pfg. beträgt.
 
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