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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0621

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

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Freiing, dm 18. Zimi

I8S9.

Die Bäreninsel.
Kaum ist der Ankauf der Karolinen und Marianen
durch das deutsche Reich aus der spanischen Thronrede
und aus den Mittheilungen des Staatssekretärs von Bü-
low bekannt geworden, da tritt die Nachricht von einer
anderen ohne besonderen Aufwand und ganz in der Stille
vollzogenen Erwerbung an die Oeffentlichkeit, die Deutsch-
land im vorigen Jahre gemacht hat. Sie liegt im euro-
päischen Norden und ist bekannt unter dem Namen Bären-
insel (Björn-Oe). Schon im Jahre 1896 war durch
Ausländer festgestellt worden, daß der westliche Theil des
Spitzbergener Archipels reich an mineralischen Schätzen ist,
besonders an Steinkohlen. Diese Thatsache genügte, um
sowohl Rußlands wie Englands Begehrlichkeit auf Spitz-
bergen zu lichten. Auch Deutschlands Augenmerk richtete
sich auf die Möglichkeit, einen Stützpunkt im nördlichen
Polarmeere sich zu sichern. Im Jahre 1898 unternahm
auf dem Dampfer „Helgoland" eine kleinere Anzahl
deutscher Mänper unter Führung des Kapitäns z. S.
Rüdiger angeblich einen Jagdausflug in den Norden.
Nach der Kreuz-Zeitung, die in der Lage ist, ausführliche
Mittheilungen über die Expedition zu bringen, fiel den
Reisenden die Aufgabe zu, die allgemeinen Voraussetzungen
für eine deutsche Landerwerbung im Polarmeere zu prüfen,
aber unter loyaler Wahrung aller fremden Besitzrechte das
deutsche Vorgehen im Rahmen strengster Gesetzmäßigkeit zu
halten. Gerade deßhalb ließ man das von England und
Rußland umstrittene Spitzbergen ganz außer Betracht.
Die Bäreninsel hat einen Reichthum an Steinkohlen,
der den Spitzbergens eher überragt, als ihm nachsteht;
außerdem sind durch seine Lage südlich von Spitzbergen
und durch seine vom warmen Golfstrom stark beeinflußte
Temperatur die klimatischen Verhältnisse so günstig, daß eine
dauernde, nicht bloß auf einen Theil des Jahres beschränkte
Ausbeutung der Mineralschätze möglich ist. Die Insel
liegt unmilteibar an der südlichen Grenze des Treibeises
unter 73—74 Grad n. Br. und etwa 19—20 Gr. ö. L.
und inmitten des von Archangel ausgehenden Seeverkehrs,
sie mag einen Flächeninhalt von reichlich 1000 Quadrat-
kilometern haben. Die Expedition hat mit solcher Umsicht
gehandelt, daß jede nachträgliche Einmischung Dritter von
vornherein ausgeschlossen ist. Sie hat nicht die ganze
Insel occupirt, sondern Namens des Reiches nur von der
einzigen Zugangsstelle der Insel, von dem Südhafen, Besitz
genommen. Dieser hat solche Ausdehnung, daß auch eine
große Panzerflotte gefahrlos ein- und ausfahren kann.
Die Nordd. Allg. Ztg. erklärt ausdrücklich die Bäreninsel
als ein bis dahin herrenloses Land. Dagegen erhebt nun
freilich Norwegen Einspruch, aber ohne die leiseste An-
deutung, worauf dieser angebliche Besitzanspruch sich grün-
den könnte. Für Deutschland ist die Erwerbung von
hoher Bedeutung, sowohl in politischer Hinsicht an der
Seite Rußlands, das dort seiner Herrschaft immer weitere
Ausdehnung zu verschaffen sucht, als im Interesse unserer
Hochseefischerei. Und dieses wird man auch eifersüchtigen
Ansprüchen gegenüber mit vollem Nachdruck zu vertreten
verstehen.
Der Karolinen-Archipel.
Uebcr den Werth der neuesten deutschenKolonial-
erwerbungen in der Südsee äußert sich in der
Neuen Stettiner Ztg. ein pommerischer Schiffskapitän
Namens Prager, den sein Berus lange Jahre in jene
Gegenden geführt hat, folgendermaßen:
„Die Frage, was sind uns in kultureller Hinsicht diese
Inseln werth, kann mit dem Wort „Alles" beantwortet
werden, denn in Wahrheit sind die 3000 Fuß hohen, im

Schmuck ewigen Grüns prangenden Inseln, als Kusai,
Ponapc, Ruck, Jap und andere ein Erdenparadtes, auf
denen der äußerst fruchtbare Lavaboden tausendfältigen
Segen bringt und nur der fleißigen Hand wartet, die die
verborgenen Schätze heben soll. Selbst die an Zahl den
hohen Vulkaninseln weit überlegenen niedrigen Korallen-
atolle und -Inseln sind ein werthvoller Besitz, obschon sie
heute noch nicht genügende Beachtung finden. Zum Theil
öde, arm und wenig bewohnt, mit Busch, Gesträuch und
Palmen bedeckt, erwecken sie die Vorstellung, der steinige
Korallenboden sei zu weiterer Ertragsfähigkeit nicht geeig-
net. Allein wer je auf Koralleninseln angelegte Palmen-
plantagen gesehen, weiß, wie ungemein reichlich die poröse
Koralle namentlich der Palme die nöthigen Existenzmittel
gibt, und ohne Ausnahme kann jede Koralleninsel der
Tropenzone in einen Palmenwald verwandelt werden;
nicht die Pflugschar, nicht die Egge ist von Nöthen, ein
Loch im porösen Gestein genügt, um die keimfähige Kokos-
nuß aufzunehmen, die dann ihre Wurzeln einsenkt, und
das durch die Koralle filtrirtc Seewasser gibt der jungen
Pflanze die Kraft, sich zu einem hohen, fruchttragenden
werthvollen Baum zu entwickeln. Und weiter baut die
winzige Koralle, weiter heben sich Landstrecken aus der
Tiefe des Ozeans empor, und die Zeit wird kommen, in
der rauschende Palmenwälder auch über die so werthlos
scheinenden Koralleninscln sich erheben."

Weibliche Stadtväter.
Weibliche „Sladtväter" wird es nun bald in England
geben. Das Unterhaus verlieh mit 196 gegen 161 Stimmen
den Frauen das Recht, zu Stadt- und Gcmeinde-
räthen erwählt zu werden. Die Berathung drehte sich um
die Vcrwaltungsvorlagc für London und die durch dieselbe
geschaffenen neuen Verwaltungskörper. Courtney brachte
den Zusatzantrag ein, daß keine Person durch Ge-
schlecht, Heirath oder Alter von der Wählbarkeit zum
Stadtrath (Aldermann) oder Gemeinderath rc. ausgeschlossen
werden sollte. Boulnois bekämpfte die Gleichberechtigung
der Frau am schärfsten und frug schließlich: „Was ver-
stehen Frauen von Häuser- und Wegebau?" Darauf
betonte Sir Fowler, der Frau könne man nie die wich-
tigeren Stellungen als Bürgermeister, Magistrat, Erzbischof,
Polizeipräsident, Armeekommandanten oder Parlaments-
mitglied öffnen, da sie besonders das Parlament lächerlich
und die Berathung der öffentlichen Angelegenheiten un-
möglich machen werde. Aber als Stadt- und Gemeinde-
rath ließ Fowler doch die Frau gelten. Heiterkeit erregte
die Rede des radikalen Abg. Laboirchäre, der erklärte:
Kein Mann der Welt schwärmt so für die Frauen, als ich
(große Heiterkeit); sie ist stets die rechte Person, vorausgesetzt,
daß man sie auf den rechten Platz stellt; aber der Gemeinderath
ist alles andere denn der rechte Platz. Mögen die Mitglieder
dieses hohen Hauses fest bleiben — mögen sic sich als Mann zeigen
in dem Widerstand gegen diesen Versuch, die Spitze des Keils
in die öffentlichen Einrichtungen des Landes zu treiben. Ich
bleibe auf der alten Lehre, daß die Frau der Engel des häus-
lichen Herdes sein soll. Ich protestirc gegen die Forderungen
derer, welche, weil cs ihnen nicht gelingt, Frau zu sein, miß-
lungene Männer werden möchten. Ich bedauere, daß Mitglieder
auf der linken Seite des Hauses sich so schwach zeigen, aber ich
bin zufrieden, daß auf der rechten (konservativen) Sette mannhafte
Abgeordnete sich befinden. (Der Abgeordnete Williams beglück-
wünscht die Torys (Konservativen) ironisch zu dieser glänzenden
Konvertirung eines der „überzeugtesten und hervorragendsten
Radikalen".) Ich bin kein Konvertit und war gegen all diese
Fraucn-Emanzipirerei schon zu einer Zeit, wo die meisten auf der
rechten Seite dieses Hauses noch gar nicht geboren waren.
Nun schritt man zur Abstimmung. Die alten Partei-
formen zersplitterten wie Glas am Felsen dieser Frauen-
rechtsfrage, für die sich aus Liberalen, Konservativen,

Unionistcn und Radikalen die neue Majorität der 196
„Frauenkämpfer" bildete, die einen Markstein in der
Geschichte der Frauenbewegung Englands darstellt. In
der Mehrheit für die neuen Frauenrechte stimmten neben-
einander der konservative Minister Balfour und der radikale
Führer Campbell-Bannermann, während die Minderheit
vom konservativen Sir Hicks-Beach geführt wurde und
meist aus Unionisten bestand. In dieser Minderheit finden
sich von bekannten Radikalen nur Labouchöre und der be-
kannte Gewerkschaftsführer Broadhurst.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser geht am 17. d. in Cuxhafen an
Bord der „Hohenzollern". Sieben Wochen wird er un-
unterbrochen seine Jacht bewohnen. Er wird zunächst nach
Helgoland fahren, um die Theilnchmer an der am 19. Juni
beginnenden Wettfahrt Dover-Helgoland zu begrüßen, und
am 22. Juni in Kiel eintreffen. Von da geht es nach
Travemünde und am 4. Juli wird die Nordlandsreise
angetreten. Zwei Torpedoboote dampfen zur Einholung
der Post vorauf; der kleine Kreuzer „Hela" folgt als
Begleitschiff.
— Die Germania erklärt, die Mittheilung bestätigen
zu können, das Centrum habe beschlossen, die Com-
missionsberathung des Gesetzentwurfs betreffend Schutz des
gewerblichen Arbeitsverhältnisses abzulehnen.
— Am 14. d. Mts. ist in Berlin eine Schantung-
Eisenbahngesellschaft gegründet worden durch ein
vereinigtes Syndikat von Bankhäusern, Industriellen und
anderen Interessenten, denen die betreffende Konzession vom
auswärtigen Amt zugesagt wurde. Das Aktienkapital be-
trägt 24 Will. Mark. Zweck des Unternehmens ist der
Bau verschiedener Haupt- und Nebenbahnen in Schautung.
Den Vorstand bildet der wirkliche Geh. Rath Fischer,
Oberingenieur Gaederz, sowie Direktor Erich. Der Sitz
der Gesellschaft ist zunächst Berlin; er wird demn ächst nach
Tsintau verlegt werden. In Tsintau, wo die V erarbeiten
bereits längere Zeit im Gang sind, wird eine besondere
Betriebsdirektion eingesetzt, bestehend ans dem kgl. Bau-
und Betriebstnspektor Hildebrand und Karl Schmidt.
Potsdam, 15. Juni. Heute Vormittag fand in
Gegenwart des Kais er Paares, sowie der Prinzen August
Wilhelm und Oskar im Mausoleum eine Gedächtniß-
eier für Kaiser Friedrich statt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 15. Juni. Das Haus
ctzt die dritte Berathung desJnvalidenversicherungs-
gesetzes fort bei Z 130.
Zu 8 130» liegt ein Antrag Al brecht (Soz.) und Genossen
vor, wonach die von der Kommission beschlossenen Schutzvor-
chriften, welche vom Plenum in der zweiten Berathung abgelehnt
wurden, wieder eingesetzt werden sollen.
Nach kurzer Diskussion werden die Anträge Albrecht gegen die
Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt, und die Kompromiß-
anträge angenommen. Ebenso wird der Rest des Gesetzes ange-
nommen. Die namentliche Abstimmung wird sogleich vorgenommen.
Das Haus nimmt das Gesetz mit großer Mehrheit an;
dagegen stimmten nur die konservativen Abgeordneten Graf Kanitz,
v. Staudy und v. Dewitz, sowie drei welfische Abgeordnete. Die
Berathung der Resolution wird auf Antrag Singers zurückgestellt.
Bei der Berathung des Nachtragsetats erklärte Abg. Hauß
(Elf.), daß die elsaß-lothringischen Abgeordneten sich eifrig an den
Arbeiten betheiligten, und erhebt Beschwerde, daß die Gemeinden
im Reichslande durch große Einquartierungen ungebührlich belastet
würden.
Abg. Gröber (Centr.) drückt seine Freude aus, daß die Ab-
geordneten des Reichslandes ihre Bereitwilligkeit, an den Arbeiten
des Reichstages thätig theilzunehmen, bekunden-
Der Nachtragsetat des Reiches wird hierauf angenommen.
Beim Etat der Schutzgebiete kommt Abg. Graf v. Arnim
(Reichsp.) aus die Landabtretungen in Kamerun und Ostafrika zu
sprechen.

Josephiuens Glück.
25) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
„Noch ein Bettler mehr," murmelte Bruno dumpf vvr sich
hin, alS das Geschrei eines kleinen Kindes aus Coras Zimmer
an sein Ohr tönte. Dann betrat er seine Räume, die durch
einen Gesellschaftssaal von denen seiner Frau getrennt lagen.
Ein Druck aus den Knopf der elektrischen Leitung ver-
schaffte ihm Licht, dann verschloß er die Thür nach dem
Korridor, er wollte von Niemandem belästigt sein.
In einem neuen schweren Kampf mit dem über ihn
heremgebrochenen Mißgeschick schritt er im Zimmer auf und
ab. Er trat an's Fenster und stieß es auf. Ties athmend
sog er die duftige, warme Lust ein. Schien es ihm doch wie
ein Abschied.
ES gab ja für ihn keine Hoffnung, keinen Lichtpunkt, keine
Rettung! Entbehrungen, vergebliches Ringen, Elend, wohin
er sah.
Weshalb dies alles abwarten, über sich hereinbrechen
lassen?
Wenn er nicht mehr war, fühlte sich der Onkel, der reiche
Erbe, vielleicht veranlaßt, für die Nichte und ihre Kinder zu
sorgen. Er wollte ihm diese Pflicht an's Herz legen.
Rasch setzte er sich an seinen Schreibtisch und warf einige
Zeilen >ür Pieter auf's Papier.
Er dachte nicht daran, ein Lebewohl an Cora zu schreiben,
ne erschien ihm fremd. Es hatte nie eine rechte Liebe zwischen
ihnen geherrscht.
Weshalb weiter kämpfen, da er doch abgeschlossen hatte?
Religiöse Bedenken gab es in seinem Gemüth keine. War
er doch stets nur dem Leben mit seinen Annehmlichkeiten zu-
gewandt gewesen.
Er nahm aus dem Schrankfach seines Schreibtisches ein
Volirtes Kästchen, öffnete es und lud mit ruhiger Hand eines
der beiden Pistole. Dann hob er die Waffe, ein leises Zittern
durchrann seinen Körper, blauer Nebel flatterte vor seinem

Auge, er biß die Zähne zusammen, richtete die Mündung des
Pistols gegen seine Brust und drückte los — —
Cora, die mit fieberheißen Wangen in ihrem spitzenum-
hangenen Bette lag, hatte erregten Sinnes ihres Mannes
Schritte gehört.
„Er ist wieder da I" rief sie Luisen entgegen, „ich weiß es
— was sagt er — welche Nachricht?"
„Herr Assessor hat mir nichts anvertraut. Er ist gleich in
seine Stube gegangen," erwiderte das Fräulein.
„So lauf hin und ruf ihn her — ich muß wissen —" ,
„Herr von Delbitz hat hinter sich abgeschlossen, da mag ich
ihn nicht stören."
„Ach, Du kannst ja durch den Saal" —
„Dann käme ich erst in sein Schlafzimmer, und vielleicht
zieht er sich um." ^
„Bist Du solch' prüder Affe, so klingele ich Minna oder
die Wartesrau" — i
„Der Herr Assessor wird gewiß gleich kommen. Sie sollten
sich nur nicht wieder so schrecklich aufregen." !
„Geh wenigstens an seine Thür und ruf ihm zu. er sollte
und müßte kommen. Ich wollte nicht länger warten — es
ist schändlich von ihm, daß er mir nicht Bescheid bringt!"
Die junge Frau saß ausrecht im Bette, ihre Augen glühten,
und sie focht mit den Händen in der Luft. , . j
Luise sah sie erschrocken an, sie wußte, daß jetzt kein Be-
gütigen mehr half, sie konnte ja auch vor der Korridorthür
stehend, den Wunsch ihrer Herrin ausricbten; brannte sie ^
doch selbst darauf, zu erfahren, welche Kunde Delbitz aus !
Amsterdam mitbringe. Viel Gutes mochte es, nach seinem
Gebühren zu schließen, nicht sein.
Kaum hatte die Moser das Zimmer verlassen, so sprang >
Cora, von fieberhafter Ungeduld getrieben, aus dem Bette.
Mochte Bruno sie schelten, es geschah ihm recht, wenn ihr i
Thun ihn verdroß, weshalb war er nicht gleich zu ihr ge- j
kommen? Sie warf ihren rothseidenen Schlafrock über und ^
lies in bloßen Füßen durch ihr Kabinett in den Saal, um so !
ihres Mannes Zimmer zu erreichen.
Kaum nahte sie sich seiner Thür, so hörte sie drinnen

einen Schuß fallen- Wie von einem Blitz erhellt, wurde ihr
alles klar: Er und ihr Besitz — verloren! Sie stieß einen
gellenden Schrei aus und brach ohnmächtig zusammen.
Die Moser krümmte eben den Finger, um an des Herrn
Thür zu klopfen, als auch sie drinnen den Schuß fallen hörte.
Tödtlich erschrocken rüttelte sie mit beiden Händen an dem
Schloß. Es gab nicht nach.
In diesem Augenblicke ertönte Coras Schrei aus dem
Saale. Als sie dahin eilte, kamen auch schon die Leute des
Hauses mit verstörten Gesichtern die Treppe herauf.
Luise betrat mit mehreren Personen zugleich den Saal.
Jemand entzündete das elektrische Licht und der große
broncene Kronleuchter erstrahlte mit allen Kerzen und warf
seinen blendenden Schein über den leeren Prachtraum, das
spiegelnde Parket und das rothe Gewand der lang ausgestreckt
Liegenden.
Luise, die Wartefrau und ein paar Mädchen trugen die
Bewußtlose in ihr Bett zurück und bemühten sich um sie.
Kutscher. Diener und Köchin liefen durch des Herrn
Schlafzimmer und sanken ihn zusammengesunken im Schreib-
stuhl hängen. Das Pistol lag auf der Erde, seine Kleider
waren mit Blut befleckt, allein er lebte noch und akhmete
schwer. Auch ihn trug man auf sein Bett, dann wurde für
beide Ehegatten nach Aerzten geschickt.
„Gleichviel, wen Ihr trefft!" rief die Moser den Davon-
eilenden nach, dann kehrte sie zu Cora. die in Krämpfen lag,

zurück.
Die resolute Köchin blieb anfänglich bei ihrem Herrn. Ihr
graute aber bald, so allein bei dem Sterbenden zu sein. Er
stöhnte so jämmerlich und wußte ja doch nichts von sich.
Sie sah drüben Sleinbcrgs Grete Vor ihrer Hausthür
stehen. Was die wohl zu allen diesen gräßlichen Geschichten,
hier hei ihrer Herrschaft, sagen würde?
Sie widerstand nicht länger ihrer Plauderlust, sondern
lief hinüber, der Nachbarin zu erzählen, was sich Schreckliches
bei ihnen zugetragen habe. —
(Fortsetzung folgt.)
 
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