Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0193

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.

Preis
mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's HauS gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!-1.25
ausschließlich Zustellgebühr.

Telephon-Anschluß Nr. 82.



Jnsertionsgcbühr
15 Pf. st.r die Ispaltige
Pctitzerle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatauzeigen bedeutend
ermäßigt.

Gratis-Anschlag
ber-Jnserate auf den Plakat-
V tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

». 44.

Dienstag, de» 2l. Februar

I8S9.

Zur Wahl Loubets.
Es ist kein günstiges Zeichen und erweckt kein sonder-
liches Vertrauen in die Zukunft Frankreichs, daß die Wahl
des Präsidenten von einem Theil der Abgeordneten, einem
Theil der Presse und einem Theil der Pariser Bevölkerung
wit Wuthausbrüchen beantwortet wird. Frankreich be-
findet sich in einem bösen Fieberzustand, der Dreyfus-
bazillus sitzt ihm im Blut, aber auf solche Art, wie man
es versucht, ist er nicht daraus herauszubringen, sondern
nur durch geistige und moralische Diät. Davon will man
in Frankreich indessen heute weniger, denn je wissen.
Die Pariser Zeitungen bieten das Bild eines wirren
aufgeregten Durcheinanders. Mehrere antirevisionistische
Blätter werfen dem Präsidenten der Republik, Loubct, vor,
daß er von den Lertheidigcrn Drcysus' gewählt worden
fei, und bemängeln seine Haltung in der Panamafrage
und die Mittelmäßigkeit seiner Begabung. LemaNre er-
klärt im Echo de Paris, er sei durch die Wahl schmerzlich
berührt. Qucsnay de Beaurepaire nennt Loubets Wahl
ein öffentliches Unglück. Dieser ehemalige Senatspräsidcnt
beim Kassationshof scheint die Führung der Preßangriffe
Segen Loubet übernehmen zu wollen. Seine Sprache über-
irifft sogar die Drumonts und Rochcforts an Schärfe.
Neuerdings schreibt er: Welches auch immer die Taktik
loubets sein möge, den Folgen des Panamazwischenfalls
bürd er nicht entgehen. Mag er auch das Staatsoberhaupt
durch die Gnade der Drcyfusisten geworden sein, ich bin
k>n Mann, und das genügt, damit Frankreich die Haltung
Loubets und-die meinige in der Panama-Angelegenheit er-
fahre. Beaurepaire kündigt alsdann ein Buch über Panama
^u, worin er diese Frage beleuchten werde. Loubet sei
den Männern gegenüber, die seine Wahl herbeigeführt hatten,
Verpflichtungen eingcgangen, auch gegen Brisson, damit
dieser seine Candidatur nicht aufstelle. Der Sieg Loubets
lei ein Pyrrhussieg.
Franyois Coppee sagt im Gaulois gleichfalls, die Wahl
Loubets zum Präsidenten sei ein unglückliches Ereigniß. Er
hätte die Wahl Molines gewünscht und fürchte, daß
Loubets Wahl Unruhe zur Folge haben würde. Der
gaulois meint, Loubet sei nicht der lautere Charakter,
dessen man bedürfe. Die Libre Parole gibt ihm den Rath,
lofort seine Entlassung zu geben, wenn er nicht mit Ge-
walt entfernt werden wolle. Die Blätter, welche An-
hänger der Revision sind, nehmen die Wahl Loubets
freundlich auf. Wie man sieht, drängt sich der „Fall der
der Fälle" auch in die Auffassung der Präsidentenwahl,
als wenn es in der Welt und für Frankreich garnichts
don Bedeutung mehr gebe als die Dreyfusangelegenheit.
Bedenklicher, als das Getöse der Zeitungsstimmen, sind
dle Kundgebungen, die in einigen Straßen von Paris
llottsanden. So mußte am Sonntag gegen 11 Uhr vor
den Bureaus der Rothschild'schen Bank eine Ansammlung
don der Polizei zerstreut werden, nachdem Fenster-
scheiben im Erdgeschosse der Bank zertrümmert
Worden waren. Späterhin sammelten sich vor den Re-
daktionen des Petit Journal und des Antijuif große
Nlenschenmassen, die unaufhörlich lärmten und die Scheiben
"üd Thüreu zertrümmerten. Zu besonders aufgeregten
Scenen kam es vor dem ersten Blatte.
Der neue Verein „französisches Vaterland" und die
-sialriotenliga, vertreten durch ihre Präsidenten Coppse
Und Deroulede, wollen eine Agitation für ein Plebiszit,
d^ h. eine allgemeine Volksabstimmung ins Werk setzen,
.chon fand am Sonntag Abend eine vom plebis-
^.tären Komitee in die Salle Mille Colonnes im
B>ertel Montparnasse einberufene Versammlung mit etwa
<00 Theilnehmern statt. Baron Legoux, Lasies und Cuneo
dOrnano protestirteu gegen die Wahl Loubets
^ud verlangten die Wahl durch das Volk. Die Ver«
lanimlung nahm eine Tagesordnung in diesem Sinne an.
^ Das Wort Plebiszit ruft die Erinnerung an
Napoleon III. wach, der im Jahre 1848 durch ein
Plebiszit, d. h. durch eine Volksabstimmung mit 5 430 000
stimmen zum Präsidenten der Republik gewählt wurde,
^ler Jahre später war er Kaiser. Es ist zweifellos, daß
fue Agitatoren für ein Plebiszit eine ähnliche Entwicklung
^ Sinne haben; man kann ihnen die Möglichkeit der
Wiederholung jenes geschichtlichen Vorganges nicht ab-
iireiten, wenn man auf das heutige Frankreich blickt.
Nicht wenig wird davon abhängen, was Loubet aus seiner
Wellung an der Spitze der Republik macht. Dem Figaro
M°lge äußerte Loubet betreffs der feindseligen Mani-
Mationen zu einer hervorragenden Persönlichkeit: „Ja,
us alles gleicht einer Herausforderung, ich nehme
o an. Ich habe keineswegs gewünscht, unrer den
Menwärtigen Umständen Präsident der Republik zu sein.
^ für mich gestimmt haben, können auf mich rechnen.
haben manchmal von meiner Güte gesprochen, ich
erde Sie durch meine Widerstandskraft in
r staunen setzen." Ferner äußerte Loubet zahlreichen
esuchxrn gegenüber: „Niemand hat das Recht, mich einen
..^hfuststcn oder einen Antidreyfusisten zu nennen, ich
mit der Mehrheit des Volkes für die auf der
Erechtigkeit beruhende Wahrheit."

Deutsches Reich
— Bei der Frühstückstafel am letzten Sonntag empfing
der Kaiser die nach Paris bestimmte Abordnung,
die aus dem Generaladjutantcn General der Artillerie
Fürsten Anton Radziwill, General st la suito General-
major v. Scholl, dem Flügeladjutanten Oberst v. Moltke,
Major im 1. Garde-Regiment v. Plüskow und Oberstall-
mcister Graf v. Wedel besteht.
— Nach einem Bericht der Köln. Volksztg. aus Süd-
'schantung wird Prinz Heinrich im Mai die dortige
Mission besuchen. Der Ingenieur Hildebrandt erhielt
telegraphische Nachricht, die erste Bahn zu vermessen und
schleunigst zu beginnen; die Zweigbahnen werden bald
folgen. Ein Syndikat hat bereits begonnen, Kohlenlager
anzukaufen, im Frühjahr soll der Betrieb beginnen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 20. Februar. Die
Sitzung beginnt mit einer Reihe von Berichten des Re-
ferenten der Wahlprüfungskommission.
Ohne Erörterung werden eine Anzahl Wahlen für giltig
erklärt, darunter diejenige von Faller-Bonndorf. Bezüglich
der Wahlen der Abgeordneten Sachse und Förster-Löbau be-
antragt die Wahlpcüfungskommission, die Entscheidung über die
Wahl auszusetzen und den Reichskanzler zu ersuchen, Beweis-
erhebungen zu veranlassen.
Es folgt darauf die Berathung der Gesetzentwürfe betreffend
Civil- und Strafprozeßordnung, sowie Bestrafung
falscher uneidlichcr Aussagen.
Abg. Rint eleu (Centr.) beantragt die Ueberweisung an die
Justizkommission.
Abg. v. Sa lisch (cons.) hält eine Ueberweisung der Vorlage
für überflüssig.
Abg. Bassermann (nat.-lib.) kann ein Bedürfniß für die
Vorlage nicht anerkennen.
Staatssekretär Nieberding gibt zu, daß gegen die Vor-
lage manche formelle Bedenken beständen und motjvirt die Ein-
bringung der Vorlage mit folgenden Gründen: 1) Sei an die
Stelle des Voreides in der Militärstrafgesetzgebung der Nacheid
getreten, 2) sahen die verbündeten Regierungen voraus, daß die
Anträge auf Abänderung der Beeidigung aus der Mitte des
Hauses wiederkehren würden. Es würde dies nach der Auffas-
sung des Volkes über die Bedeutung des Eides nachtheilig sein,
wenn diese Anträge immer wiederkehren würden, ohne erledigt
zu bleiben, 3) der Umstand, daß in der vorigen Session die
Stimmung dahin ging, die gegenwärtigen Bestimmungen über
den Nacheid abzuändcr». Gegen die Ueverweisung der Vorlage
an eine Kommission bat Redner nichts einzuwenden. Ueberein-
stimmung in der Handhabung der Vereidigung sei nöthia, wenn
die Negierung sich nicht mitschuldig machen wollte an der Unter-
schätzung der Eidesform durch das Volk. Ich bitte, die Vorlage
tm Sinne der Verbündeten Regiernngcn zu erledigen
Abg. Kirsch (Centr.) legt aus religiösen Erwägungen dem
Voreid mehr Gewicht bei als dem Nachcid.
Abg. Müller-Schaumburg meint, daß der Nacheid für den
Richter mehr Gelegenheit biete, Meineide zu verhindern. Red-
ner tritt für die Aufhebung des Zeugnißzwangsversahrens der
Presse ein.
Abg. Herzfeld (Soc.) befürwortet, da auch in den bürger-
lichen Kreisen viele Atheisten seien, die Ausscheidung des religiösen
Elements aus dem Eide. Er spricht sich für den Nacheid aus;
den Zeugnißzwang der Presse müsse man beseitigen. Die Nach-
cide seien nicht nach einer Schablone, sondern nach ihrer Er-
heblichkeit zu beurtheilen. Die deutschen Richter setzten sich aus
den Kreisen der Bourgeoisie zusammen, ihnen fehle das Verständniß
für die besitzlose Klasse.
Vicepräsident v. Frege rügt den Angriff auf den Richter-
stand als unparlamentarisch.
Abg. Herzfeld weist schließlich auf die Mängel der heutigen
Schwurgerichte hin.
Abg. Bernstorff-Lauenburg (Reichsp.) betont dem Vor-
redner gegenüber die Heiligkeit des Eides.
Abg. Riff (Hosp. der fr. Ver.) ist mit der Ueberweisung der
Vorlage an eine Commission einverstanden. Bedenklich seien die
Masseneide.
Abg. v. Salisch (cons) bekämpft diese letzteren Bedenken.
Hierauf wird die Vorlage an die 6. Commission verwiesen.
Sodann vertagt sich das Haus ans morgen 1 Uhr. Tages-
ordnung: Vertrag mit Peru, Justizetat, Eisenbahnetat, kleinere
Etats.
Baden, -f-j- Karlsruhe, 17. Febr. Die im April
hier stattfindenden Stadtvcrordnetenwahlen wer-
den zu einer Kraftprobe der politischen Parteien benützt
werden. Von der Opposition wird nach der Parole vor-
gegangen, das nationalliberale Stadtregiment zu brechen.
Die Sozialdemokraten wollen zum Mindesten die dritte
Klasse ganz für sich erobern. Ob ihnen das gelingen
wird, ist denn doch sehr zweifelhaft; als Bundesgenossen
hätten sie höchstens auf die Demokraten zu zählen. Das
Centrum wird diesmal trotz warnender Stimmen aus dem
eigenen Lager mit einer eigenen Liste hervortreten. Die
Konservativen werden mit den Nationalliberalen stimmen,
vielleicht auch die Freisinnigen.
L. 0. Karlsruhe, 20. Febr. Anläßlich der Neu-
organisation des Notariatsdienstes dürfte auch ein Theil
der Notariatsgehilfen die längst ersehnte etat-
mäßige Anstellung erhalten. Die Regierung beab-
sichtigt nämlich, den mehrfachen Petitionen der Notariats-
gehilfen Rechnung tragend, eine Anzahl als Bureauassi-
stenten nach Gehaltstarif >1 Ziffer 6 (Anfangsgehalt
1300, Höchstgehalt 2100, Zulage 150 Mk. nach 2 bezw.
3 Jahren) anzustellen.
Bayern. Neustadt, 18. Febr. Nachstehende Adresse
mit 250 Unterschriften von hiesigen Kaufleuten und Ge-
werbetreibenden bedeckt, ging an den Landtagsabgeordneten
Exter in München unterm Heutigen ab:
Die unterfertigten Kaufleute und Gewerbetreibenden hiesiger
Stadt erklären hiermit, daß sie das Vorgehen des Steuer-
ausschusses der bayer. Abgeordnetenkammer in München be-
treffs einer Sonderbesteucrung der großenWaare ri-
tz äuser und sogenannten Filialgeschäfte zustimmend be-
grüßen, da dadurch die Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigt wird,
wohl aber das Bestreben zu erkennen ist, große kapitalkräftige

Unternehmungen, die doch auch entsprechend gewinnbringend sein
müssen, nach Gebühr zur Tragung der Lasten für Staat und
Gemeinde heranzuziehen. Sie sprechen zugleich ihrem Landtags-
abgeordneten Herrn Bürgermeister Exter für sein energisches Ein-
treten im SteuerauLschuß nach dieser Richtung Anerkennung und
Dank aus.
Bemerkcnswerth ist, daß zwei bekannte Großstrmcn,
die auch die meisten Filialen in der Pfalz besitzen, nämlich
S. Wronker u. Cie. und Schneider, diese Eingabe
mit unterschrieben haben. Hierfür bleiben nur zwei
Erklärungen möglich: Entweder halten diese Firmen selbst
eine höhere Besteuerung ihrer Geschäfte für gerechtfertigt —
dann hat allerdings der Landtag alle Ursache, eine solche
eintrcten zu lassen; oder diese Firmen rechnen sich nicht zu
den Waarenhäusern mit Filialgeschäften. Dann könnte
man allerdings behaupten, daß es in der Pfalz keine solche
Geschäfte gibt und somit war die Petition überflüssig.
Württemberg. Stuttgart, 20. Febr. Die Regie-
rung hat bei den Landständen einen Gesetzentwurf betr.
Bierbesteuerung eingebracht mit einem allgemeinen
Verbot des Gebrauchs von Malzsurrogaten und
einer Erleichterung für die kleineren und mittleren und
einer müßig höheren Belastung der großen Bratereien.
Das Gesetz soll am 1. October in Kraft treten.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Postdireklor Gustav Jockeis beim Bahnpostamte Nr. 23 in
Straßburg und dem Postmeister Curta in Dinglingcn die
Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen des ihnen verliehenen
Königlich Preußischen Rothen Adler-Ordens 4. Klaffe ertheilt,
den Stiftungsverwalter Rechnungsrath Heinrich Bißwanger
in Baden zum Oberrechnungsrath ernannt, den Expeditor des
Landgerichts Karlsruhe, Kanzleirath Christian Schönthaler,
auf den Zeitpunkt der Errichtung des Landgerichts Heidelberg
in gleicher Eigenschaft zu diesem Gerichtshof versetzt und den
Registraturassistentcn Valentin Feuerstein mit Wirkung vom
gleichen Zeitpunkte au zum Expeditor bei dem Landgericht Karls-
ruhe ernannt.
— Mtt Entschließung Großh. Ministeriums der Justiz, des
Kultus und Unterrichts wurde Registraturassistent Georg Kraut h
beim Landgericht Mannheim auf 1. Mai l. I. in gleicher Eigen,
schaft zum Landgericht Karlsruhe, Negistraturassisteut Nikolaus
Iö st bei genanntem Ministerium in gleicher Eigenschaft auf den
Zeitpunkt der Errichtung des Landgerichts Heidelberg zu diesem
Gerichtshof versetzt; ferner mit Wirkung vom 1. Mai 1899
Expediturassistent Ernst Honegger zum Registraturassistenten
und Kanzleiassistent Emil Riedlin zum Expcditurassistenteu
beim gleichen Ministerium ernannt. Dem Verwaltungsassistenten
Friedlein beim Männerzuchthaus Bruchsal wurde der Charakter
als Buchhalter verliehen. Revident Wilhelm Glut sch wurde
zum Revisor beim Ministerium der Justiz, des Kultus und
Unterrichts ernannt. Expeditionsassistent Wilhelm Kumpf in
Leopoldshöhe wurde nach Karlsruhe versetzt.
Karlsruhe, 20. Februar. Zur Frühstückstafel er-
schienen heute im Großh. Schlosse die Fürstin zur Lippe
und die Prinzessin Amolie zu Fürstenberg, welche Letztere
von Baden hier eingetroffen war. Nachmittags kehrte Ihre
Durchlaucht dahin zurück. Heute Abend folgt der Groß-
herzog einer Einladung des Offiziercorps des 1. Badischen
Leibdragonerregiments Nr. 20 zur Abendtafel. Derselbe
begibt sich schon gegen 5 Uhr in die Kaserne zur Besich-
tigung einiger Sr. Königl. Hoheit nicht bekannten neuen
Räume in der Kaserne und den Stallungen, wobei auch
Reitproduktionen stattfindeu werden. Darnach findet die
Tafel im Offizierskasino statt.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 17. Febr. Erzherzogin
Maria Immaculata ist heute früh gestorben.
(Maria Immaculata Clementine, Prinzessin von Bourbon-
Sizilien, geb. 14. April 1844, vermählt zu Rom am 19.
September 1861 mit dem Erzherzog Karl Salvator aus
dem nicht mehr regierenden Aste Toscana des Hauses
Lothringen-Habsburg. Seit 18. Januar 1892 Wittwe,
hinterläßt die Verstorbene fünf Kinder; der zweite Sohn,
Erzherzog Franz Salvator, ist vcrheirathet mit der Erz-
herzogin Marie Valerie, der jüngsten Tochter des Kaisers
Franz Joseph.)
Wien, 17. Febr. Eine Petersburger Zuschrift der
Pol. Korr, weist daraufhin, daß die öffentliche Meinung
in Rußland die jüngsten Unternehmungen der
Albanesen und deren Unterstützung durch die Pforte
nicht ganz ohne Besorgniß betrachte. Die Entwickelung
der militärischen Machtmittel seitens der Pforte zur Ab-
wehr der Reoolutionirung Macedoniens dürfe der Pforte
als vollständig hinreichende prophilaktische Aktion erscheinen,
die Heranziehung der Albanesen zu der drohenden Demon-
stration gegen die Christen Macedoniens sei jedoch nicht
nur überflüssig, sondern vielmehr nicht ungefährlich. Auch
maßgebende russische Kreise theilen diese Auffassung. Von
unterichtcter Seite verlautet, der russische Botschafter in
Konstantinopel sei beauftragt, die Aufmerksamkeit der
Pforte auf die Gefahr zu lenken.
Wien, 20. Febr. Es wird bestätigt, daß Banffy
zu seinem Nachfolger Fejervary vorgeschlagen hat.
Fejervary selbst hatte eine lange Audienz beim König,
worin er die Berufung des Königs, sei es, daß ihm das
Präsidium nur ehrenhalber angeboten oder bedingungs-
weise wirklich zugedacht war, von sich ablenkte. Gleich
darnach berief der Monarch gestern telegraphisch Koloman
v. Szell aus Pest, der heute früh eintraf. Der Kaiser
übertrug Koloman v. Szell das Ministerpräsidium
und betraute ihn mit der Kabinetsbildung. Koloman Szcll
nahm die Präsidentschaft an, er wird morgen die einst
 
Annotationen