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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0451

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Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
Mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25
Ausschließlich Zustellgebühr.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.



Jnsertionsgebühr
15 Pf. s>-r die Ispalttge
Pcrckzerte oder deren Raum.'
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.

Gratis-Anschlaa
der'Jnserate auf den Plakat«
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Auschluß Nr. 82

Xr. 100. Mes Mt. §«stag. den 20. April

1889.

Bestellungen

auf die Heidelberger Zeitung für die Monate Mai und
Juni werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate Mai
Und Juni, wenn am Schalter abgcholt, 84 Pfg., mit
Zustellgebühr Mk. 1.14.
Deutsches Reich.
— Die Postkommission des Reichstages lehnte
den Zeitungstarif ab, wie er in der Vorlage aufgestellt ist,
sowie vier dazu gestellte Anträge und setzle einen Unter-
ausschuß dafür ein.
— Dem Neichsanzeiger zufolge treten vom 1. Mai
ab im Briefverkehr Deutschlands mit sämmt-
lichen deutschen Schutzgebieten und im Verkehr
dieser untereinander die innerhalb Deutschlands geltenden
Portotaxen in Kraft, ebenso bei Briefsendungen an deutsche
Kriegsschiffe im Auslande und an das deutsche Marine-
iazareth in Aokohama bei Beförderung durch das Marine-
Vostbureau. Für Soldatenbriefe bleibt das Zehnpfennig-
borto auch bei einem Gewicht von 15 bis einschließlich
60 Gramm bestehen.
Wiesbaden, 28. April. Der Kaiser traf kurz vor
4 Uhr mit Gefolge, von der Bevölkerung lebhaft begrüßt,
hier ein und begab sich sofort nach dem „Hotel Oranien",
am dem König und der Königin von Schweden einen
Besuch abzustatten. (In Darmstadt hatte der Kaiser sich
don 12 bis 2 Uhr aufgehalten. Red.)
Deutscher Reichstag. Berlin, 28. April. Dritte
ung der Banknovelle.
. In der Generaldebatte wendete sich Raab (D. Refp.) gegen
Me gestrige Mehrheit und gegen den ganzen Entwurf, der die
Reichsbaiik noch mehr in die Hände des Großkapitals bringe.
(Während der Rede herrscht große Unruhe im Hause.)
Abg. v. Staudy (cons.) bedauert die gestrige Ablehnung der
konservativen Anträge zu Art. 5.
.. In der Spezialberathung werden Art. 1—4 in der Kommis-
Uonsfassung angenommen; ebenso Art. 5 8 1 betreffend Reichs-
Bankdiskont unter Ablehnung des Antrages Heim; Art. 5 Z 2
betreffend Vorbedingungen, unter denen der Bundesrath von dem
"undigungsrecht gegenüber den Privatnotenbanken Gebrauch
Aachen wird, unter Ablehnung eines Antrages Heim zu Gunsten
oer Privatnotenbanken, endlich ebenso Art. 5 Z 3 und Art. 6.
-Artikel 7 der Banknovelle wird nach einer Polemik zwischen
tltschbeck (fr. Vp.) und Liebermann v. Sonnenberg
Rfp,) angenommen, ebenso Artikel 8, wonach das Gesetz am
Januar 1901 in Kraft tritt.
Darauf wird das Gesetz in der G e s a m m t a b st i m-
Mling angenommen gegen die Stimmen der Conservativen,
"Uiger Reichsparteiler und der Reformpartei.
Viele Abgeordnete verlassen nunmehr den Saal.
.. Nach der Gesammtabstimmung über die Banknovelle entspinnt
pW eine längere Debatte über die von Arendt Angebrachte lllc-
!oiutio„ betreffend Maßnahmen zur Sicherung reichlicher Gold-
bestände auf der Reichsbank und eines dadurch bedingten
Eiligeren Disconts.
< Üeber die Resolution Arendt wird stückweise abgestimmt. Für
zweiten Theil derselben, betreffend die Goldausprägung,
BMuikn nur Arendt und Kardorff (Heiterkeit), für die übrigen
4-heile der Resolution stimmt nur die Rechte.
Die Resolution ist somit abgelehnt,
n. Nächste Sitzung am Mittwoch: Zweite Lesung des Antrages
r Obermann betreffend das Schächtverbot und des Antrags Lieber
""reffend die Arbeitskammer.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 28. April.
039. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.) Heute
in der Zweiten Kammer der zweite Antrag des

Die geraubte Braut.
^ Eine rumänische Dorfgeschichte von Bertha Kätscher.
(Fortsetzung.)
d „Aber Kind, hast Du denn vergessen, wie schmählich Du
Ej u armen Burschen immer behandelt hast?" wagte der Alte
Z^uwenden. „Auch der Wurm krümmt sich, wenn er ge-
Z"en wird, wie erst der hübscheste Bursch im Dorf! Und
hat xr von den vielen Sträußchen, die er von den Mäd-
sp,n zum Abschied erhalten hat, nur Deines an den Hut ge-
neckt _"
»..»Um Gottes Willen, Moschule, Du hast ihm doch nicht
""aal. daß ich-"
b »Daß Du die Blumen von Deinen Lieblingsstöcken ge-
>,Men hast, um sie ihm zu schicken? Nein, das habe ich ihm
^t gesagt."
h »Nun, dann wußte er doch nicht, daß sie von mir sind l"
Zerbrach sie ihn gespannt.
ich »Vielleicht bat er es aber errathen, denn alte Männer wie
bA Vflegen den Rekruten keine Rosen, Vergißmeinnicht und
T>, jMöe Liebe zum Abschied zu schenken. Dummes Mädel,
" 5^E>st i" dm' Virgil, liebst ihn schon lange, wozu quälst
" Dich und ihn?
ff-.'-Jhn?" rief sie mit stammendem Blick. „Er lebt ganz
P " Und lustig in Temesvar drauf los und hat schon einem
jZfbend Mädchen dort den Kopf verdreht. Alle schöner als
Auf jedem Finger könnte er so viele zappeln haben wie
wollte, überhaupt seit er den zweiten Stern erhalten
>>j ' Er wird wahrscheinlich ganz beim Militär bleiben und
^ Mhr nach Hause kommen .... Hörst Du, Moschule?
cm ^ Dabei drückte sie ein schneeweißes Lämmchen zärtlich
Me Brust und erstickte es fast mit ihren Küssen.
Wieder schmunzelte der Alte und sagte bloß:
>dj"Äch versteh' Dich nicht, Kind. Was kümmert es Dich,
kr ^wgil in seiner Garnison lebt und wie vielen Mädchen
Kopf verdreht? Sei froh, daß der „unausstehliche,
stiek "Oche Bub" Dich in Ruhe läßt und Deinen Herzens-
".""Hk Üört. Woher weißt Du übrigens das von dem
"Send Mädchen?-
ist auf Urlaub hier und hat es vor der Kirche laut

Cent rums zur Verhandlung. Während der erste sich
auf die Einführung von Männerorden bezog, bezieht sich
dieser auf die allgemeine wissenschaftliche Vor-
bildung der Geistli chen. Es ist dies ein Gegenstand,
der die Massen nicht besonders bewegt. Die Aendcrungen,
gegenüber dem jetzigen Zustand, die durch den Antrag er-
strebt werden, sind folgende: Nur drei Halbjahre statt
drei ganze Jahre Besuch einer deutschen Hochschule; Ge-
stattung des Besuchs der Jesuitenanstalten in Rom und
Innsbruck; Geltung der Vorbildungsvorschriften nur dann,
wenn die Erlangung eines Kirchenamts in Frage steht,
nicht bloß die Ausübung kirchlicher Funktionen und anderes
mehr. Diese Anträge waren in ihrem vollen Umfang am
15. Juni 1896 mit 32 gegen 26 Stimmen von der
Zweiten Kammer angenommen worden. Die Erste Kammer
hatte diesem Gesetzesvorschlag mit allen gegen drei Stimmen
die Zustimmung versagt. Heute handelt es sich also nur
um eine Wiederholung des Antrags.
Abg. Wacker begründet als Berichterstatter die Anträge.
Gedruckte Berichte sind nicht erstattet. Im wesentlichen handelt
es sich nach der Meinung der Antragsteller um ein Zurückgehen
auf die Grundsätze des Gesetzes vom 9, Oktober 1860 und um
die Beseitigung späterer schärferer Bestimmungen. Nach Ver-
bringung einer dreijährigen Studienzeit an einer deutschen Hoch-
schule kann auch unter der jetzigen Gesetzgebung ein Geistlicher,
ohne Nachiheil für seine künftige Stellung, die Jesuitenhochschulen
in Rom und in Innsbruck besuchen, aber es ist, wie Abg. Wacker
ausführt, ein besonderer Aufwand außerhalb der geordneten
Studienzeit, den er dafür zu machen hat.
Als Mitberichterstatter führt Abg. Fieser aus, daß die in
Frage stehenden Bestimmungen durchaus dem Rechte des Staates
entsprechen und auch sachlich begründet sind. Sie seien auch
gar nicht als Kamvfbestimmungen erlassen, sondern als Ver-
söhnungsbestimmungen in der Zeit von 1880, und zwar ohne
Widerspruch der Kirchengewalt. Die Kirche hat bis zur Univer-
sitätszeit die Vorbildung ihrer Geistlichen vollständig in der Hand;
auch Dispense werden seitens der Staatsgewalt ohne Schwierig-
j keit vielfach ertheilt.. So lange das Reichsgesetz über das Verbot
! des Jesuitenordens besteht, wäre es für weite Volkskreise eine
j unverständliche Seltsamkeit, wenn in einem deutschen Einzelstaat
! durch Annahme eines Sondergesetzes im Gegensatz zu den bis-
! herigen Bestimmungen eine Erleichterung des jesuitisch-theologischen
? Studiums ausgesprochen würde.
Staatsminister Dr. Nokk erklärt, die Großh. Regierung könne
dem Initiativantrag Wacker und Genossen nicht beitrelen auf
^ Grund der Erklärung von 1896. Würde man die Bestimmungen
des Gesetzes von 1860 für nicht kirchlich beamtete Seelsorger
aufheben, so gebe man Gelegenheit, alle Staatsvorschriften zu
umgehen. Die vorschriftsmäßig vorgebildeten Geistlichen würden
dann möglicherweise in die Minderzahl kommen. Auch könnten,
würde man die Bestimmungen aufheben, auswärtige Priester in
Masse in das Land strömen. Der Staat könne die auswärtigen
Ordensleute nicht in der Weise privilegiren, daß er dieselben
grundsätzlich von allen Vorbildungsvorschriften entbinde. Kleinlich
habe die Negierung nie gehandelt bei Anwendung der Gesetzes-
bestimmungen. Sie habe sich bei Seelsorgeaushilfe durch fremde
Geistlichen stets mit einer Anzeige begnügt. Das .Recht aber
könne der Staat nicht aus der Hand geben. Was das Trien-
nium auf deutschen Universitäten anlangt, so sei die Dispens nie
versagt worden, sogar innerhalb der Wacker'schen drei Semester.
Welchen praktischen Werth solle also die Aufhebung der Bestim-
mung haben? Wollen die Herren nach Ablegung der 3 Jahre
auf deutschen Universitäten noch in Rom oder sonstwo stuoiren,
so geschehe dies wohl mit größerem Nutzen. Nur wenn die
Dispens für Innsbruck verlangt wurde, mußte sie mit Rücksicht
auf Z 9 Abs. 4 deS Gesetzes von 1860 versagt werden. Auf die
Aufrechterhaltung dieses Absatzes 4, der ihm auch nicht glücklich
gefaßt erscheine, iege die Regierung allerdings keinen Werth. Ec
sei durch die Initiative des Hauses geschaffen worden. Doch be-
stätigt er die Darlegungen des Korreferenten über die Ausdeh-
nung der Bestimmungen auch auf die Mitglieder des Kapitels.
Das Gesetz vom 9. October 1860, das ähnlich in Oesterreich be-
stehe, enthalte ja nichts anderes als die Vereinbarung des Staa-
tes mit Nom. Zu Konflikten gebe das Gesetz keinen Anlaß. Er
wolle darauf aufmerksam machen, daß die ewigen Wünsche nach
einer Revision des Gesetzes von 1860 auch einmal den Wunsch

einer Zurückrevision herbeiführen können. Er halte es für
dringend wünschenswerth, daß man denn doch einmal einen festen
Boden festhalte, wie er durch die Bestimmungen vom 5. März
1880 gewonnen wurde. Das Domkapitel habe in einer Verord-
nung vom April 1880 das Gesetz freudig als ein Fricdenrwerk
begrüßt. (Zum Centrum:) Sie sollten mit Ihren Revisions-
wünschen kommen, wenn die Regierung von ihrem Dispensrechte
einen wider die Bestimmungen gehenden Gebrauch macht, aber
nicht im tiefsten Frieden.
An der Debatte nimmt Niemand theil.
Korreferent Fieser verzichtet auf das Schlußwort.
Referent Wacker (im Schlußwort) bestreitet, daß man 1880
mit dem amendinen Gesetz von 1860 zufrieden gewesen sei. Er
beschränke nach den Darlegungen des Staatsministeis seine Bitte
dahin, daß er ihn bitte, im anderen hohen Hause seinen Stand-
punkt zum Paragraphen 9 Absatz 4 so darzulegen, daß man
wenigstens zu einer Aufhebung dieses Absatzes komme. Eine
weitere Bitte stelle er nicht, weil er nicht pro nihilo reden wolle.
Der Entwurf wird in namentlicher Abstimmung mit 32 gegen
22 Stimmen angenommen. Es stimmen geschloffen dafür
das Centrum, die Sozialdemokraten und die Demokraten, dagegen
die Liberalen und der Freikonservative Abg. Ktrchenbauer.
Abg. Dr. Reichardt (nat.-lib.) erstattet den Bericht über
die freiwillige Gerichtsb arkeit und das Notariat, (Rechts-
polizeigesetz.) Er beantragt schließlich, das Haus wolle den Ab-
änderungen, welche die Erste Kammer an der Fassung der Zweiten
Kammer vorgenommen hat, die Zustimmung ertheilen. Verändert
sind nur die Paragraphen 32 und 37.
Abg. Fieser giebt im Namen der Commission folgende Er-
klärung ab:
Unseres Erachtens hätte die Rücksicht, welche wir von der
Hohen Ersten Kammer beanspruchen und die wir ihr gegenüber
nehmen, den Abdruck der nach Inhalt und Form der Zweiten
Kammer gegenüber recht ungeeigneten Resolution der Notare in
dem Bericht der Justizkommission der Ersten Kammer nicht als
angebracht erscheinen lassen. Wir können unsererseits nur be-
dauern, daß eine solche Rücksicht im vorliegenden Falle seitens der
Justizkommission des Hohen Ersten Hauses nicht geübt worden ist.
Staatsminister Dr. Nokk erklärt, daß die Notare in ihrer
hiesigen Versammlung freilich aufgeregt gewesen seien, und daher
ihre Worte nicht auf die Goldwage gelegt haben. Er wolle auf
mildernde Umstände plädiren (Heiterkeit). Er erkenne an, daß
die Commission in wichtigen Punkten der Regierung weit entgegen
gekommen sei. Er sei mit der neuen Fassung der Commission
einverstanden.
Nach einem Schlußwort des Berichterstatters wird der Gesetz-
entwurf in der neuen Fassung einstimmig angenommen.
Nächste Sitzung Dienstag den 2. Mai 10 Uhr Vormittags.
Mitzutheilen ist noch, daß bei dem Hause der Regierungsantrag
eingegangen ist, nach dem den über 65 Jahre alten Richtern für
den Fall ihres Eintritts in den Ruhestand vor dem 1. Januar
1900 noch drei Jahre lang das volle Gehalt gewährt werden
soll; das Gesetz ist auch auf die Mitglieder des Verwaltungs-
gerichtshofes anwendbar. Der Antrag wurde der Justizkommisston
überwiesen.
Ferner ist eingegangen eine Zuschrift des Eisenbahn-
m inisters, worin die Bereitwilligkeit zur Beantwortung
der Interpellation Fieser und Gen. ausgesprochen wird.
Württemberg. Suttgart, 28. April. Dr. Otto
Elben, Herausgeber und langjähriger Leiter des Schwab.
Merkurs, ehemaliger Reichstags- und Londtagsabgeordneter,
ist im 77. Lebensjahre heute Nacht gestorben.

A»»s der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben den
Landgerichtsrath Dr. Schick in Mannheim, mit Wirkung vom
1. Mai d. I., zum Untersuchungsrichter beim Landgericht daselbst,
den Landgerichtsrath Franz Grimm in Karlsruhe zum Ober-
landesgerichtsrath, den Amtsrichter Dr. Friedrich Flad in Bühl
zum Landgerichtsassessor in Karlsruhe, den Referendär Dr. Adolf
Homburg er aus Hilzingen znm Amtsrichter in Bühl, den
Oberamtsrichter Ernst Pfeifer in Offenburg zuni Landgerichts-
rath daselbst, den Referendär Dr. Gustav Gunzert aus Mann-
heim znm Amtsrichter in Mc nach, den Referendär Gustav
Schäfer au« Lörrach zum Amtsrichter in Tauberbischofsheim,
sowie den Referendär August Wohlg emuth aus Paris zum
Sekretär beim Landgerichte Heidelberg ernannt.
Karlsruhe, 28. April. Der Kaiser machte heute
früh einen längeren Spaziergang in den Gärten und nahm

genug seinen Kameraden erzählt und mich dabei fest angesehen.
Äh, wären wir nicht vor der Kirchenthüre gestanden, dicht
neben dem Popen Cyrill, ich hätte ihm die Augen ausgekratzt.
So ein frecher, gottloser Bursch, sich noch öffentlich mit seinen
Schandthaten zu brüsten!"
„Was geht er Dich an? frag' ich Dich noch einmal."
Statt zu antworten, brach Arsena in einen förmlichen
Tbränenwolkenbruch aus, der garnicht enden zu wollen schien.
Der Alte suchte sie zu beruhigen, indem er ihr sanft zusprach,
aber vergebens. Ihre Thränensäcke schienen unerschöpflich-
„Arsena, weine doch nicht so unvernünftig," bat er, schließ-
lich zu einer Nothlüge greifend. „Wie, wenn Virgil, der
vorhin auf dem Wege zur Molkerei seines Onkels hier vor-
beiging, plötzlich zurückkäme und Dich mit so rothgeweinten
Augen sähe?"
Arsena sprang auf. griff nach dem bunten Kopftuch, das
zu Boden geglitten war, packte die leeren Töpfe, die Löffel
und einige fertige Käse in ihren runden, flachen Korb, hob
ihn graziös auf den Kopf und sagte mit thränenumflorter
Stimme: „ ^
„Moschule. komm' Sonntag bestimmt ins Dorf. Der
Bojare wird sich die Anwort holen."
„Und ich soll dabei sein, wenn Du den alten Leuteschinder
abfertigst?"
„Ich werde mich mit ihm verloben."
Sie sagte das in einem Ton, der dem Alten ins Herz

„Da hast ja aber vor drei Monaten hier vor dem Mutter-
gottesbild geschworen, nie und nimmer des Bojaren Weib zu
werden. Fürchtest Du denn die Strafe der Heiligen nicht?
Du bossest den Bojaren, wie kannst Du mit einer Lüge auf
den Lippen und dem Bilde eines Anderen im Herzen vor
den Altar treten? Arsena, Arsena, wie soll das enden?"
„Mit meiner Hochzeit! Er soll sehen, daß auch ich an
jedem Finger einen zappeln habe!" ries sie trotzig und lief
davon. Doch kaum hatte sie einige Schritte gethan, als sie
stehen blieb und über die Schulter hinweg sagte: „Wenn
der Herr Korporal hier des Weges kommt, sage ihm, daß
Arsena Pascu nächsten Sonntag mit dem reichsten Bojaren
des Komitats Verlobung feiert. Wenn der Herr Korporal

noch so lange Urlaub hat und all die Mädchen in der Stadt
ihn so lange m ssen können, ist er znm Fest geladen."
„Der Trotzkops wäre wirklich im Stande, ins Unglück zu
rennen I AberBarbescu wird es zu verhüten wissen I" brummte
der Alte, wohlgefällig der schlanken Gestalt Arsenas noch-
blickend. „Tolle Wett das! Ein wahres Narrenhaus I Da
jammern die Menschen, daß es kein Glück auf Erden giebt,
daß die Welt ein Jammerthal ist und das ist garnicht wahr-
Die Welt ist noch immer ein Paradies und das Glück weilt
noch auf Erden, aber die Menschen sind blind und taub und
sehen und verstehen es nicht. Nur immer hoch hinaus, bis
man vor Stolz und Hvchmuth ins Unglück rennt und dann
ist das Schicksal an all dem Elend schuld! Da lehrt man
die Kinder in den Schulen allerlei dummes Zeug, aber Ver-
nunft. Nachsicht und Pflichtgefühl trichtert man ihnen nicht
ein I Das Mädel ist über Hals und Kopf in den hübschen,
kreuzbraven Buben vernarrt und er in sie, aber aus lauter
Trotz und falschem Stolz verbittern sie sich das Leben. Statt
einander um den Hals zu fallen und zu sagen: „Wir gehören
zusammen, wir wollen glücklich sein," schmollen sie wie die
kleinen Kinder. Und die dummen Eltern gar. deren Pflicht
es wäre, ihr einziges Kind glücklich zu machen, wollen eS mit
diesem alten, geiziaen Bojaren verkuppeln, weil er reich ist
— ein Millionär, sagen die Leute! Wozu braucht das innqe
frische Blut, die Arsena, Millionen? Liebe braucht sie.
Nach Liede schreit jeder Blutstropfen in ihr und man will
sie mir einer Geldkiste verheiraihen. Dieser Virgil soll mir
nur über den Weg laufen, dem will ich meine Meinung
ordentlich sagen. Da ist eine volle, reise Kirsche, die nur
darauf wartet, ihm in den Mund zu fallen, und der Dumm-
kopf macht den Mund nicht auf und spielt so lange Verstecken
mit der Kirsche, bis ihr das Warten zu lange wird und sie
dem Erstbesten, der die Hand nach ihr ansstreckt, in den Schon
fällt. Dann wundert man sich über die Untreue der Menschen!
Warum sprechen sie nicht zur rechten Zeit das rechte Wort?
Der Bojare soll dock nicht meine wilde Rose haben! Verlob'
Dich nur. mein Töchterchen, immer zu! Du sollst gegen
Deinen Willen glücklich werde». Wozu hätten wir noch
unsere guten alten Sitten?"
(Fortsetzung folgt.)
 
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