Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0197

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^ Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
monatlich SO Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25
ausschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.


JnsertionSgcbühr
IS Pf. für die Ispaltige
Petitzetle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
" ' anzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der'Jnserate auf ocn Plakat-
tafeln der Heid-lb. Zeitung
und den Plakatsäulm.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ar. 45.

Mittwoch, den 22. Ktmmr

1899.

Wochen-Chronik.
(Vom 12. bis zum 18. Februar.)
Febr. 13.: Das Kaiserpaar begibt sich auf einige Tage
nach Hubertusstock.
. 14.: Wie konstatirt wird, hat der verstorbene frühere
Reichskanzler Graf Caprivi keine Memoiren
hinterlassen.
„ 16.: Der Präsident der französischen Republik, Faure,
stirbt an einem Schlagfluß.
» 17.: Im deutschen Reichstag widmet der Kanzler
Fürst Hohenlohe dem verstorbenen Präsidenten der
französischen Republik einen herzlichen Nachruf.
„ 18.: Zum Präsidenten der französischen Republik wird der
bisherige Senatspräsident Loubet gewählt. Seine
Wahl entfesselt einen Wuthausbruch der Drchfus-
gegner in Parlament und Presse. Es kommt auch
in Paris zu Straßendemonstrationen.

Deutsches Reich
— Die Budgetcommisston des Reichstags hat die ge-
forderte Vermehrung der Kavallerie abgelehnt.
— Ein neuer Aufruhrprozeß wurde am Mittwoch
Und Donnerstag vor dem Schwurgericht in Leipzig ver-
handelt. Als in der Nacht zum 12. Sept. 1898 einige
Schutzleute im Vorort Möckern einen Arbeiter in
Arrest führen wollten, ergriff das Publikum für den Ver-
hafteten Partei. Die Aufforderung, auseinanderzugehen,
wurde mit dem Ruf: „Haut sie!" beantwortet. Schutzmann
Zeißig verhaftete einen der Schreier, Namens Sichert. Nun
suchte die Menge den Sichert zu befreien. Schutzmann
Breitenbach wurde mit Stöcken über Kopf und Rücken ge-
schlagen und mit Erdklumpen und Steinen beworfen. Als
er der Menge gütlich zuredete, schrie es durcheinander:
»Messer raus! Stecht sie nieder!" Jetzt trieb Breitenbach
we Menge mit dem Seitengewehr zurück, ohne jemand zu
verletzen. Dabei sank der Arrestant Siebert, von einem
Steinwurf, der dem Schutzmann Zeißig zugedacht war, ge-
soffen zu Boden, Zeißig fiel über ihn und nun schrie die
Menge: „D'rauf schlagt sie todt, jetzt liegt er da, schmeißt
wn todt!" Dabei erhielt Zeißig einen Stockschlag über den
Arm. An einem Neubau schrieen die Excedenten: „Hier
Siebt's Steine!" und nun flogen Ziegelstücke und ganze
Steine gegen die Schutzleute. Zeißig zog blank und drängie
"ie Leute, die „Schlagt sie todt, nehmt ihnen die Plempe
weg!« riefen, mit der Waffe zurück. Vor dem Haftlokal,
wohin Schutzmann Thilo mittlerweile den Sichert und den
^ Häftling gebracht hatte, riß die tobende Menge die
hatten aus dem Stacket und warf sie gegen das Gebäude,
lmnier schreiend: „Die müssen raus, laßt sie raus, sonst
Hauen wir alles kaput!" Der wiederholten Aufforderung
des Gemeindcvorstandes, den Platz zu räumen, wurde nicht
Entsprochen und die Menge beruhigte sich erst, als einer
der Verhafteten freigegeben wurde. Sie hatte gedroht,
andere Maßregeln ergreifen zu wollen, wenn dies nicht
geschehe. Ermittelt wurden 8 Personen, Arbeiter im Alter
von 17—23 Jahren, die großentheils wegen Diebstahls,
Sachbeschädigung, Betrugs, Unterschlagung schon vorbestraft
waren. Sie hatten sich wegen Aufruhrs und Land-
>riedensbruchs zu verantworten. Das Schwurgericht
erkannte gegen 2 Angeklagte auf 4, gegen 4 Angeklagte
duf 3'/^ Jahr Zuchthaus, gegen zwei auf 1 und 4^
Zahr Gefängniß.
— Aus Kufstein wird berichtet: Der aus Unters-
derger Marmor in Kiefersfelden hergestellte herrliche Sar-
^vphag Bismarcks wird im Kiefersfeldner Bethaus
vom 21. bis 29. Februar ausgestellt werden.
Deutscher Reichstag. Berlin, 21. Febr. Weiter-
derathung des Etats der Reichsjustizverwaltung
Mi Titel Staatssekretär; hierzu liegt ein Antrag Beckh-
Koburg (freist Volksp.) auf Entschädigung für un-
schuldig erlittene Untersuchungshaft vor.
. Abg. Dr. Spahn (Centr.) beantragt im Interesse
des überlasteten Reichsgerichts die Erhöhung der Re-
disionssumme beim Reichsgericht.

Emil Loubet
der neue Präsident der französischen Republik.


Staatssekretär Dr. Nicberdiug: Diesen Standpunkt hat
die Justizverwaltung schon im vorigen Jahre leider ohne Erfolg
vertreten. Die Erhöhung der Revisionssumme führt zu einer
Entlastung des Reichsgerichts und wäre im Interesse der Recht-
sprechung durchaus nöthig. Die betreffende Vorlage wird von
der Regierung wiederholt werden nach Einführung des bürger-
lichen Gesetzbuches und der Civilprozeßordnung. Hinsichtlich der
Strafsachen könnten allerdings die Revisionen der Staatsanwalt-
schaft eingeschränkt werden. Auch wird es hoffentlich gelingen,
für die Frage der Rangstellung des Staatspräsidenten im Reichs-
gericht eine günstige Lösung zu finden.
Abg. Roeren (Centr.) empfiehlt eine reichsgesetzliche
Regelung der bedingten Verurthcilung, dieser qualifizirten Ver-
warnung, für die namentlich das praktische Urtheil der Laien-
richter geeignet sei.
Abg. Müller-Meiningen (freist Volksp.) tritt gleichfalls
für die bedingte Verurteilung ein, deren moralische und finan-
zielle Wichtigkeit jetzt unbestritten sei.
Unterstaatssekrelär Dr. Nie der ding: Er sei kein Gegner
der bedingten Verurteilung und erkenne ihre Vorteile sehr
wohl an. Auch sei die reichsgesetzliche Regelung wohl das Beste.
Die Thatsache, daß einzelne Regierungen sich mit der versuchs-
weisen Einführung befaßten, zeige, daß man ernsthaft an die
Durchführung dieses Problems denke. Anderseits hätten aber
die Vorredner alles Licht auf die ausländischen und allen Schat-
ten auf unsere Einrichtungen geworfen. In Belgien wolle der
Justizminister kein abschließendes Urtheil über die Sache geben.
In England wolle man von dem neuen System wieder abgehen.
Aber auch endlich in Amerika gehe man nur langsam vor. Da
alle Länder verschiedene Wege einschlagen, sei es durchaus ge-
rechtfertigt, wenn die verbündeten Regierungen Vorsicht beobach-
ten. Aus den Erfolg ihrer bisherigen Schritts könne die Regie-
rung mit Genugthuung zurückblickcn.
Abg. Gradnauer (Soc.) beschwert sich über die Aus-
legung reichsgesetzlicher Bestimmungen in Sachsen und citirt eine
Reihe von Beispielen, darunter auch den Löbtauer Fall.
Sächsischer Bundesbevollmächtigter Geh. Rath Rueger
geht aus einige der vom Vorredner erwähnten Einzclfälle ein.
Die Richtigkeit der Urtheile könne im Hause nicht angefochten
werden. Sie in dieser Weise, wie es geschehen sei, zu kritisiren,
sei ein Mißbrauch der Redefreiheit. (Lebhafter Widerspruch und
Unruhe links.) ^
Vicepräsident Dr. v. Fr ege bittet um Ruhe.
Geh. Rath Rueger fährt fort: Er halte es für unnöthig,
das Urtheil eines Gerichtes zu kritisiren. (Zuruf: Dann muß
das Urtheil anders ausfallen!)
Vicepräsident Dr. v. Frcge: Ich werde keine weiteren
Unterbrechungen dulden.
Geh. Rath Rueger: Wenn ein Urtheil als brutal bezeich-
net wird, so ist das ein Mißbrauch der Redefreiheit.
Auf eine Anregung des Abg. Bass er mann (natl.) erklärt
Staatssekretär Dr. Nieberding, es sei eine Kommission zur
Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs zum Schutz der Bau-
handwerker berufen worden. Der Entwurf bedürfe aber
einer Umarbeitung. Die Kommission werke das umfangreiche
Material systematisch durcharbeiten und dann an dir Aufstellung
eines neuen Gesetzentwurfs gehen.
Abg. Dr. B öckel (Anttf.) wünscht Verbesserungen auf dem
Gebiete des Zwangsvollstreckungsverfahrcns.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Negierung habe
sich schon seit Jahren hiermit beschäftigt und werde dies auch in
Zukunft thun.
Abg. Beckh (fr. Vp.) begründet seinen eingangs erwähnten
Antrag.
Abg. D e W it t (Centr.) hält die Einwände des Staats-
sekretärs gegen die bedingte Verurthcilung für dilatorisch
Vicepräsident Dr. Frege ruft den Abg. Gradnauer
wegen des Ausdrucks „brutale Gewaltthat" nachträglich zur
Ordnung und erklärt dem Regierungsvertreter, daß Mißbrauch
der Redefreiheit nur von dieser Stelle aus zu rügen sei.
Nachdem Staatssekretär Dr. Nieberding gegenüber dem
Abg. De Witt nochmals seinen Standpunkt vertreten, vertagt
das Haus die Weiterberathung auf morgen 1 Uhr.
Baden. Frei bürg, 19. Febr. Mit Wohlgefallen
konstatirt der Beobachter, daß von den jungen katholischen
Geistlichen, die in der sogen. Sapienz sich weltlichen
Studien hingeben, einer das Rigorosum in der Geschichte
bestanden habe. Er werde, so hofft das Centrumsblatt,
einmal die katholische Wissenschaft in hervorragender Weise
fördern. Da die Wissenschaft, wenn sie Wissenschaft blei-
ben soll, von religiösen Voraussetzungen absehen muß , so
ist katholische Wissenschaft ein Unding. Man geht ja in
der Thal auch nicht darauf aus, die Wissenschaft zu för-
dern, indem man Geistliche zu weltlichen Studien animirt,
sondern man will den Glauben fördern und die Wissen-
schaft ihm unterwerfen. Zur Zeit befinden sich 19 Geist-

Kleine Zeitung.
— Vadner oder Badenser? Der bekannte Geschichtsforscher
Weber schreibt in Deutschland, „Reisebrief" 1826 1. Band,
1326, folgendes: „Uebrigens nenne ich die Bewohner Badens
Badner, wenn gleich viele von Badensern sprechen, was
an Jenenser erinnert und undeutsch ist; selbst viele Badner
nennen sich so, vielleicht um der Kollision mit Bader, wie andere
schreiben, auszuweichen? Badner hilft Allem ab."
— Ein Trinksprnch des Grafen Caprivi- Als der Kaiser
den Grafen Caprivi zum Mitglied des Domkapitels in Branden-
burg ernannt hatte, nahm der General auf der Durchreise an
einem ihm zu Ehren in Berlin veranstalteten kleinen Essen Theil.
Ein Mitglied der Tafel brachte bei dieser Gelegenheit folgenden
gereimten Trinkspruch ans: „Als Fußsoldat erst stolz brillirt.
Dann plötzlich fein einmarinirt, Hierauf das Reichsgespann ge-
lenkt Mit Ehren groß und viel Verdruß. Nachdem der Abschied
ihm geschenkt, Ward er gar noch ein Klerikus Am Dom im alten
Brennabor, Ein Hoch ihm drum in lautem Chor". Graf Caprivi
klopfte bald darauf gleichfalls an sein Glas und erwiderte schlag-
fertig mit folgenden, seine innere Zufriedenheit trefflich charakteri-
sirenden Worten: „Die letzte Würde, die mich schmückt, hat wohl
am meisten mich beglückt; Drum winkt des süßen Friedens Palme
Dem Mann auch „ohne Ar und Halme"! Als Kanzler Äerger
nur und Plagen, Als Domherr Ruhe und Behagen! Drum hoch
der Dom von Brennabor, Er geht der Wilhelmsstraße vor!"
— Hamburg, 18. Februar. Die Direktion der Hamburg-
Amerika-Linie hat infolge der Meldung, der Dampfer „Kurdistan"
habe d>e „Bulgaria" nach Verlust ihres Steuerruders ge-
sprochen, einen Inspektor nach Bremerhaven gesandt, um den
Kapitän des „Kurdistan" eingehend zu befragen. Ihr Kapitän
Simpson sagte: er sichtete am S. Februar, Morgens 8 Uhr die
„Bulgaria" 41° 23' N. B. und 43° SO' W. L. Die „Bulgaria"
stgnalisirte: Wünsche sofortigen Beistand. Das Steuerruder der

liche in der Sapienz. Die Gefahr, die der Wissenschaft
durch diese planmäßige Ausbildung von Vertretern einer sog.
katholischen Wissenschaft droht, ist nicht zu unterschätzen.
L.O. Karlsruhe, 21. Febr. Die Großh. Regie-
rung hat nunmehr, wenn der Beob. recht unterrichtet ist,
zur Dotationsfrage endgiltig Stellung genommen.
Sie lehnt es kategorisch ab, zur Aufbesserung katholischer
Pfarrer mehr zu geben, als zur Aufbesserung protestantischer
Pfarrer. Es soll bei den 300 000 Mk. für jeden Theil
verbleiben. Für den Fall, daß die Kommissionsmehrheit
auf 325 000 Mk. für den katholischen Theil beharrt, wird
die Zurückziehung des Gesetzentwurfs angekündigt. Der
Großherzog soll bereits seine Zustimmung zu einer dahin-
gehenden Staatsministerialcntschließung gegeben haben.
Badischer Landtag. L. 0. Karlsruhe, 21. Febr.
117. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.
Präsident Gönner eröffnet um ^10 Uhr die Sitzung
mit einer Begrüßung der ziemlich vollzählig erschienenen
Kammer. Er gedenkt des verstorbenen Fürsten Bismarck
und des Grafen Caprivi. Zu ihrem Andenken erhebt sich
das Haus von den Sitzen.
Entschuldigungsschreiben sind eingegangen von den Ab-
geordneten Klein, Fischer I. und Greifs wegen
Krankheit.
Eingelaufen sind ein Dankschreiben der Lahrer Straßcn-
bahngesellschaft für die wohlwollende Behandlung der Pe-
tition und eine Reihe von Petitionen meist privater Natur,
darunter die Bitte der Steuereinehmer, betr. die Gehalts-
regelung, und des Handwerkerbundcs, betr. das Lehr-
lingswesen.
Der Präsdent bittet, sich während der beginnenden
Session im wesentlichen an den Einführungsarbeiten zum
Bürgerlichen Gesetzbuch zu halten. Die Justizkommission
habe in zweimonatiger eifriger Thätigkcit die Arbeiten
soweit gefördert, daß das Haus den Erfolg vor sich sehe>
wie er in den ausgezeichneten Kommissionsberichten ent-
halten ist. Im Prinzip sollen wöchentlich 3 Sitzungen
stattfinden und zwar in dieser Woche noch am Donnerstag
und Freitag, sonst Montag, Mittwoch und Samstag.
Eingelaufen ist noch folgende Interpellation der Abgg.
Wittum, Gesell und Frank:
Seitens des Bundesrathes sind vor einigen Jahren
Bestimmungen, betr. die Besetzung der Subaltern-
und Un terbeamten-Stellen in der Gemeinde-
verwaltung durch Militäranwärter, entworfen
worden, welche den größeren Gemeinden unseres Landes
zu ernsten Bedenken Anlaß gaben.
Der badische Städtetag brachte diese Bedenken im
Januar 1897 in einer Eingabe an die großh. Regierung
zum Ausdruck.
Aus der Presse ist zu entnehmen, daß sich der Bundes-
rath neuerdings wieder mit der Angelegenheit beschäftigt.
Die Unterzeichneten richten an die Großh. Regierung
die Anfrage, was ihr über den dermaligen Stand der
Sache bekannt ist und ob der neuerliche Entwurf des
Bundesrathes den seitens der badischen Städte geäußerten
Bedenken und Wünschen Rechnung trägt.
Wittum. Gesell. Frank.
Es wird in die Tagesordnung eingetreten.
Abg. Armbrust er (Centr.) berichtet über den Gesetzentwurf
betr. das Grundbuchwesen, die Vornahme von Zwangs-
versteigerungen und Zwangsverwaltungen, sowie die Sicherung
von Grundstücken.
Abg. Wilckens (nat.-lib.) ist mit dem Vorredner der Ansicht,
daß in dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein ziemlich vollkommenes
Werk geschaffen worden sei. Er könne sich allerdings der Be-
fürchtung nicht entschlagen, daß in der Uebergangszeit, wenn das
alte Recht cußer Kraft gesetzt und das neue eingeführt werde,
manche Schwierigkeiten erwachsen. Der Hauptvorzng des Bürger-
lichen Gesetzbuchs sei die Einheitlichkeit im Recht. Er wolle
hoffen, daß die Opfer, die Baden für das Einheitsrecht zu
bringen hat, nicht zu groß sind. Was nun den vorliegenden
Entwurf anlange, so werde er wohl antragsgemäß in der
Kommissionsfassung angenommen werden. Die Hauptfrage im

„Bulgaria" war gebrochen. Das Ruder schlug heftig. Das
Schiff hatte eine starke Schlagseite an Backbord zu Wasser. Die
Backbordboote waren fort. Die Boote des „Kurdistan" versuchten
vergebens die Mannschaft aufzunehmen. Simpson blieb bei der
„Bulgaria" 28 Stunden, um, falls das Wetter abflaute, sie
eventuell abzuschleppen. Am 6. Februar Nachmittags herrschte
Orkan und Hagelböen. Wir verloren dadurch die „Bulgaria"
außer Sicht. Der „Weehauken" und der andere Dampfer waren
auch an der Längsseite der „Bulgaria". Zwei Boote waren bei
der „Weehauken", wovon eines nach Abgabe der Insassen zer-
trümmert wurde. Die Maschine der „Bulgaria" war nicht in
Thätigkett. Simpson sagte, es herrschte keine Panik an Bord
der „Bulgaria", alle waren ruhig. Alle Leute batten RettungS-
gürtel. Es befanden sich nur noch einige Passagiere an Bord.
Am 7. Febr. passirten wir einen westwärts fahrenden Dampfer.
— New-Nork, IS. Febr. Die bekannte deutsche Altistin Frau
Ernestine Schumann-H eink, die zur Zeit am hiesigen
Metropolitan-Theater wirkt, war einige Zeit ihrer Berufsübung
entzogen, weil sic bald nach ihrer Ankunft hier einem Kinde,
dem achten der Zahl nach, das Leben gegeben hatte. Jetzt da-
gegen ist die ausgezeichnete Sängerin wieder in vollster Büh-
nenthätigkeit begriffen und feiert in der Aufführung der Tetra-
logie Richard Wagners große Triumphe. Ueber ein komisches
Intermezzo, das sich bei dieser Gelegenheit jüngst ereignete, liest
man im Musical American Folgendes: In der „Götterdämme-
rung", in der Frau Schumann-Heink eine der Rheintöchter gab,
versagte plötzlich die die Schwimmbewegungen der drei feucht-
fröhlichen Jungfrauen lenkende Maschinerie. Die beiden Leidens-
gefährtinnen zappelten und wackelten in höchster Angst. Aber
auch Frau Schumann-Heink war die Lage unheimlich geworden,
denn plötzlich erscholl im tiefsten Alt auch ihre aufgeregte
Stimme: „Mein Gott! Mein Gott! Laßt mich herunter! Das
ist mir eine nette Lage für eine Mutter von acht Kindern!"
 
Annotationen