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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0021

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und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

M.5.

KeitW, dcn 8. Jimm

I89S.

Die Leistungen der Unfallversicherung.
Soeben werden die Ergebnisse der Arbeiterversicherungs-
gesetze für das Jahr 1897 bekannt gegeben und erinnern,
wo die sozialdemokratische Agitation die Bergarbeiterschaft
in einen unüberlegten Massenstreik hineinzutreiben sucht, zur
rechten Zeit daran, in welchem Umfange, im Gegensatz zu
allen anderen Ländern, in den deutschen Betrieben für
Leben und Wohlfahrt der Arbeiter Fürsorge getroffen ist.
Am augenfälligsten ist dies bei der Unfallver-
sicherung, deren Kosten ausschließlich von den Arbeit-
gebern aufgebracht werden. Jnsgesammt sind im Jahre
1897 bei Berufsgenossenschaften und Aufsichtsbehörden
17 947 447 Personen gegen die Folgen von Unfällen ver-
sichert gewesen. Bringt man die 1'/, Millionen, die gleich-
zeitig in gewerblichen und landwirthschastlichen Betrieben
versichert gewesen sind, in Abzug, dann bleiben mehr als
16 Millionen übrig, also fast zwei Siebentel der Bevölkerung
des deutschen Reiches. Die Leistungen der Unfallversicherung
umfassen das Heilverfahren vom Beginn der 14. Woche nach
Eintritt des Unfalls, sowie einen Zuschuß zum Kranken-
geld der Verletzten von der fünften Woche ab; Renten
an die Verletzten vom Beginn der 14. Woche nach Ein-
tritt des Unfalls, sowie im Falle der Tödtung vom Todes-
tage ab Renten an die Hinterbliebenen und zwar bis zu
zwei Dritteln beziehungsweise zwei Fünfteln des bisherigen
Jahres - Arbeitsverdienstes; schließlich Beerdigungskosten.
An Entschädigungsbeiträgen sind im Jahre 1897 gezahlt
worden 63 973 500 Mk., über 7 Mill. Mk. mehr als im
Vorjahre. Jnsgesammt sind seit Bestehen der Unfall-
versicherung bis Ende 1897 von den Arbeitgebern an Ent-
schädigungen gezahlt worden rund 364,8 Mill. Mk. Im
verflossenen Jahre belief sich die Zahl der cntschädigungs-
pflichtigen Unfälle auf 92 326; 6000 mehr als im Vor-
jahre. Die Zahl der tödtlichen Unfälle blieb erfreulicher-
weise im Verhältniß erheblich hinter der Gesammtzunahme
der Unfälle zurück. Es erhielten Entschädigungen aus der
Unfallversicherung
1897 1885/96
Verletzte . . . . 84910 548846
Wittwen .... 4802 43296
Waisen .... 9575 88 126
Asccndcnten ... 267 2930
Wie viel Noth allein durch die Unfallversicherungsgesetz-
gebung gelindert worden ist, sagen diese Zahlen mehr als
viele Worte. Zu den Unkosten, die ausschließlich von den
Arbeitgebern zu tragen waren, kommen dann noch die Aus-
gaben für den großen Apparat, der zur Durchführung der
Unfallversicherung nothwendig war: 113 Berufsgenossen-
schaften mit 919 Sektionen, 1102 Mitglieder der Ge-
nossenschaftsverbände, 5254 Mitglieder der Sektionsvor-
stände, 25 453 Vertrauensmänner, 214 angestellte Rcvi-
sionsbeamte, 1016 Schiedsgerichts- und 4168 Arbeiter-
Vertreter, die 5 097 547 Betriebe umfaßten; dazu kommen
dann noch 404 Ausführungsbehörden. Und gegen diese
Gesetzgebung, die so ersprießlich für die Arbeiterschaft wirkt
und an deren Ausbau unverdrossen gearbeitet wird, haben
die Vertreter der Sozialdemokratie gestimmt, und suchen
noch immer deren Wirksamkeit in den Augen der Arbeiter
herabzusetzen.

Deutsches Reich
— Im Aufträge des Präsidenten der französischen
Republik begab sich am Donnerstag der französische
Botschafter in Berlin, Marquis de Noailles, nach Pots-
dam, um sich nach dem Befinden des deutschen Kai-
sers zu erkundigen. In Potsdam eingetroffen, wurde

Kußmauls Erinnerungen.
Von Dr. Ernst Traumann (Heidelberg).
(Schluß.)
Und nun kommen die Wanderjahre. Jetzt klingt der Sinn-
spruch fröhlich wie Lerchengeschmetter:
Das Ränzel leicht beladen,
Im Herzen leichtes Blut,
Und einen Kameraden
Zur Seite wohlgemuth,
So wird die Reise gut.
Der wohlgemutbc Kamerad ist Eduard Bronner. Die Fahrt
geht zunächst nach München. Es ist Frühling 1847 — die Tage
der Lola Montez, welche die Reisenden von Angesicht zu Angesicht
erblicken. Die Sehenswürdigkeiten der Kunststadt werden ein-
gehend besichtigt, ein kurzer Besuch gilt dem Hörsaal des berühm-
ten Chirurgen Walther. Von München marschtren sie in's Tirol
und Salzkammergut. Nichts, weder ein unbequemer Reisegefährte,
noch elementare Hindernisse vermögen die Laune der Beiden zu
verwüsten. Wie die jugendfrischen Gestalten dahin wandern, in
der modischen Tracht ihrer Zeit, bald an einer Bauernhochzeit
theilnehmen, bald einen aufgedrungenen geistlichen Schlafkameraden
durch das Vorgeben verjagen, es bände sie das Gelübde, all-
abendlich vor dem Schlafengehen Fandango zu tanzen — wie der
byzantisch gesinnte Wirth in Ischl lediglich auf das im Zylinder
angebrachte Wappen des Pariser Hutmachers und die darüber
befindliche goldene Krone hin den Einen für einen inkognito
reisenden Erzherzog hält indeß der Andere durch fortwährende
Verbeugungen diese Täuschung unterstützt, gibt das Bilder, so lustig
und anmuthend, daß man sie sogleich durch einen unserer roman-
tischen Humoristen illustrirt sehen möchte. Das Endziel der Reise
ist Wien, wohin insbesondere das Doppelgestirn Rokitansky-
Skoda die beiden Freunde mächtig zieht. Bis Ende December
verweilen sie in der alten Kaiserstadt, über der für sie „ein
Schimmer der versunkenen Glorie deutscher Reichsherrlichkeit

der französische Botschafter von der Kaiserin im Stadt-
schloß empfangen. Dieser Act freundlicher Theilnahme,
den der Präsident der Republik ausgeführt hat, ist sehr
bemerkenswerth und mag als Zeichen für die freundlicher
gewordenen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutsch-
land gelten. — Die Rekonvalescenz des Kaisers nimmt
ihren regelrechten ungestörten Verlauf.
— Der B un desrath hat beschlossen, 1) daß, nach-
dem die fürstlich Schaumburg-Lippesche Regierung der
fürstlich Lippeschen Regierung das Recht bestritten hat, die
Thronfolge in Lippe mit den gesetzgebenden Factoren
des Fürstenthums selbständig zu regeln, und nachdem die
fürstlich Lippesche Regierung es abgelehnt hat, diesem Ein-
spruch der fürstlich Schaumburg-Lippeschen Regierung Folge
zu geben und nachdem hierauf die fürstlich Schaumburg-
Lippesche Regierung die Entscheidung des BundeSrathes
angerufen hat, die Zuständigkeit des Bundesrathes
zur Erledigung der Streitigkeit nach Artikel 76 aä 1 der
Reichsverfassung begründet ist ; 2) daß zur Zeit kein hin-
reichender Anlaß zu einer sachlichen Erledigung gegeben
ist, da ein mit dem Anspruch Schaumburg-Lippes unver-
einbarer Fall der Thronfolge oder Regentschaft in Lippe
nicht vorliegt; 3) daß durch diesen Beschluß einer späteren
Entscheidung über die Wirksamkeit der Akte der Lippeschen
Landesgesetzgebung gegenüber den von Schaumburg-Lippe
erhobenen Thronfolge- und Regentschaftsansprüchcu nicht
vorgegriffen wird; 4) daß auf eine Würdigung aller wei-
teren an den Bundesrath gelangten Anträge, Erklärungen
und Schriftsätze über diese Sache nicht einzugehen ist.
— Eine bezeichnende Veränderung hat sich, wie
man der Franks. Ztg. mittheilt, in dem Schlußgebet bei
dem Gottesdienst der englischen Kirche in Berlin ergeben.
Bisher lautete dieses Gebet auf die Königin von England
sammt Familie und speziell den Prinzen von Wales, dann
auf den „König und die Königin dieses Landes" und die Kai-
serin Friedrich und endlich auf den Präsidenten der Ver-
einigten Staaten von Amerika. Seit dem vorigen Jahre
ist in diesem Gebet der nordamerikanische Präsident an die
zweite Stelle zwischen die englische und die preußische
Königsfamilie hinaufgerückt.
— Fürst Herbert Bismarck übersiedelt vorläufig
dauernd nach Berlin. In politischen Kreisen legt man
diesem Umstande Bedeutung bei. Dr. Chrysander, der
Sccretär des alten Fürsten, bleibt zunächst im Dienste
des Sohnes. — Die Hamburger Nachrichten bringen die
Mittheilung, daß Windthorst in seiner bekannten Unter-
redung mit Bismarck im März 1890 kurz vor dessen Ent-
lassung die Wiederherstellung des Status quo auta 1870,
also den Gang nach Canossa, forderte.

Ans der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großh erzog haben dem
Bahnwärter Sylvester Eichem auf Wartstation 142 der schwarz-
waldbahn und dem Bahnwärter Jakob Linderer auf Wart-
station 422 der Hauptbahn die silberne Verdienstmedaille, dem
Secondelieutenant Leeb, Bataillons-Adjutanten im Königlich
Bayerischen 8. Infanterie-Regiment Prankh das Ritterkreuz
zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen; dem
Postdirektor Julius Bill maier in Baden die Erlaubniß zur
Annahme und zum Tragen des ihm verliehenen OffizierkreuzcS
des Königlich Serbischen Takowo-Ordens und dem Poltzeikommtssär
Hcrmanu Weber das.Ibst die gleiche Erlaubniß für das Ritter-
kreuz desselben Ordens erthetlt.
— Seine Königliche Hoheit der Grobherzog haben den
nachgcnannten Personen die Erlaubniß zur Annahme und zum
Tragen der ihnen von dem König von Serbien verliehenen Aus-
zeichnungen crtheilt und zwar: dem Gendarmeriewachtmeister
Hermann Hoffte tter und dem Polizeisergeanten Costelin
Böhler in Baden für die Königlich Serbische silberne Hof-
medaille dritter Klasse, sowie dem Schutzmann Fra»; Schmidt

leuchtete", hingerissen von ihren Kunstschätzen, ganz erfüllt von
der glänzenden Erscheinung und Thätigkeit der Lehrkräfte, voll
Bewunderung für die imponirende Größe der Heil- und Lehr-
anstalten. Auch das politische Wien der vormärzlichen Zeit
erfährt eine kurze Beleuchtung. Ueber Prag, wo sie sich zwei
Monate aufhalten, geht es wieder heim.
Es kommt das Jahr 1848. Was Kußmaul in diesem und
dem folgenden Jahre erlebt hat, als Militärarzt zunächst auf
dem Zuge nach Holstein im August 1848, sodann im nächsten
Jahre in Schleswig-Holstein, seine Erfahrungen, die er in seinem
Berufe in der Bundesfestung Rastatt machte, seine dortigen Be-
gegnungen mit politischen Gefangenen verschiedenster Art gehören
zu den interessantesten Kapiteln des ganzen Buches und verdienen
um so mehr Beachtung, als authentische Berichte über jene Zeit
nicht gerade zahlreich sind. Ungemein sympathisch berühren hier
auch die patriotischen Gedanken Kußmauls. Der letzte Abschnitt
gilt der Zeit ländlicher Praxis in Kandern. Lehr- und Wander-
jahre sind vorüber, die Meisterjahre beginnen. Ein tiefes Be-
hagen quillt aus der Schilderung dieser Lebensperiode und theilt
sich dem Leser mit. Die Freude an Land und Leuten, das stolze
Gefühl, im edelsten Berufe seinen Mann zu stehen, spricht aus
jeder Zeile. Und dann wieder Stunden der Einkehr in sich selbst,
wo sich der Brust geheime, tiefe Wunder öffnen und die Gedanken
sich poetisch gestalten. Schon die den einzelnen Abschnitten vor-
angestellten Sinnsprüche, wie die Klänge aus seiner Studenten-
zeit, haben uns den Dichter in Kußmaul verrathen. Nun ver-
nehmen wir heitere, kräftige Trinklieder und erblicken mit
freudigem Erstaunen duftige Blüthen gedankenreicher Lyrik. Nur
zu wenig theilt der bescheidene Verfasser „aus den poetischen
Jugendsünden des Dr. OribastuS" mit. (In ein Bändchen ge-
sammelt, wurden die Gedichte s. Zt. dem Freunde des Verfassers,
unserem hochverehrten Mitbürger, Herrn Kretsschulrath H. Strübe,
gewidmet, der ihm, wie Kußmaul witzig bemerkt, als ehemaliger
Kanderer Stadtvikar die Absolution dafür ertheilt hatte. Jetzt
find sie, nur im engeren Freundeskreise verbreitet, für den Lieb-
haber leider unerreichbar.) Von schwerer Lähmung genesend, die

und dem Schutzmann Philipp Ziegler in Baden für di-
Königlich Serbische silberne Hofmedaille vierter Klasse.
Karlsruhe, 5. Jan. Der Großherzog empfing
heute Vormittag den Präsidenten des Ministeriums des
Innern, Geheimerath Dr. Eisenlohr, zur Vortragserstat-
tung und ertheilte hiernach verschiedene Audienzen. Heute
Nacht 1 Uhr tritt die Kronprinzessin Victoria die
Reise nach Rom an. Dies elbe reist zunächst nach München
und trifft daselbst morgen früh 9 Uhr ein. Von dort
benützt Ihre Kgl. Hoheit den Expreßzug und wird ohne
längeren Aufenthalt unterwegs über Verona reisen. Die
Ankunft in Rom wird voraussichtlich am Samstag früh
erfolgen.
— Bei dem Minister des Grobherzoglichen Hauses und
der auswärtigen Angelegenheiten Herrn von Brauer und
Frau von Brauer hat vorgestern in den neu hergerichteten
Repräsentationsräumen des Ministeriums ein größeres
Ge sell s ch a fts fest stattgefunden. Der Großherzog
geruhte dem Fest anzuwohnen, auch Prinz Maximilian
und Prinz Karl, sowie die Fürstin zur Lippe beehrten die
Gesellschaft durch ihre Anwesenheit. Die Kammern waren
durch Mitglieder der zur Zeit hier versammelten Justiz-
kommission vertreten.
Karlsruhe, 5. Jan. Bei der Einfahrt des gestrigen
Güterzuges 780 in die Station Pforzheim entgleisten
aus bis jetzt noch unbekannter Ursache die Zugslokomotive sammt
Tender und 16 Güterwagen, wodurch zeitweilig beide Haupt-
betriebsgleise für die Richtung von und nach Karlsruhe gesperrt
waren. Die direkten Schnellzüge Karlsruhe—Mü hlacker wurden
über die Strecke Jöhlingen—Breiten—Mühlacker abgelenkt, wäh-
rend die Personenzüge bis zur Unfallstelle verkehren konnten,
woselbst umgestiegen wurde. Um 4 Uhr Nachmittags war das
Gleis aus der Richtung von Karlsruhe wieder frei, so daß von
da ab zwischen den Stationen Königsbach und Pforzheim ein-
gleisiger Betrieb eingerichtet werden konnte. Verletzungen an
Personal sind nicht zu beklagen, dagegen ist der Materialschaden
ein erheblicher.
Auslair d.
Frankreich. Paris, 5. Jan. Der Abg. Grousset
veröffentlicht eine längere Darstellung, worin er ausführt,
daß der Präsident Castmier-Pvrier seinerzeit wegen der
Dreyfus-Angelegenheit zurückgetreten sei. Man hatte dem
deutschen Botschafter versprochen, den gefälschten Kaiser-
brief zu unterdrücken, trotzdem wurde der gefälschte Brief
dem Dreyfus-Kriegsgericht vorgelegt. Vier Tage nach der
Degradirung Drcyfus' sei der Vorgang dem deutschen
Botschafter Grafen Münfter bekannt geworden. Er habe
sich nach dem Elysöe begeben und sich darüber beklagt
als über eine positive Verletzung des gegebenen Wortes.
Das sei die unmittelbare Ursache des Rücktrittes von
Casimir-Psrier gewesen. Aehnliche Angaben sind schon
früher gemacht worden. Manches spricht dafür, daß sie
im Wesentlichen zutreffend, allein als authentisch beglaubigt
sind sie noch nicht zu betrachten.
Paris, 5. Jan. Der Matin berichtet, das Zeugen-
verhör des Kassations Hofes dauere bis gegen den
20. Januar. Am 25. Januar treffe die schriftliche Ant-
wort des Dreyfus ein. Alsdann werde die Enquete, die
am 1. November begann, geschlossen werden. Die öffent-
liche Schlußverhandlung soll in der ersten Hälfte des
Februar stattfinden. Berichterstatter ist Rath Athalin.
Asien. Der Peking and Tientsin Times wird mitge-
theilt, daß das Material für die elektrische Eisenbahn von
Matschiapu nach Peking angekommen ist und daß die
Strecke wahrscheinlich bereits im nächsten März wird er-
öffnet werden können. Dem Hause Siemens u. Halske,
das den Bau dieser Bahn besorgt, ist es auch gelungen,
einen Vertrag mit der chinesischen Regierung wegen der
elektrischen Beleuchtung Pekings abzuschließen. Das Grund-
er sich im aufreibenden Berufe des Landarztes zugezogen, zeigt
sich ihm die getreue Muse von einer neuen Seite. Die unsterb-
lichen Gedichte des Dorfschulmeisters Sam- Friedr. Sauter, der
einstens als betrübter Witwer sang: „Traurig ist es, einsam
leben. Einsam schlafen, nichts daneben!" begeisterten ihn zur
Nachahmung. Gemeinsam mit Ludwig Eichrodt bereichert er den
Schatz deutscher Dichtkunst um die schalkhaft-humorvolle Bieder-
materpoesie. Dann gibt er die Landpraxis auf. Es zieht ihn
nach Würzburg, vornehmlich um Virchows willen. Nach zwei
Semestern siedelt er nach Heidelberg über, wo seine rühm- und
segensreiche Thätigkeit als akademischer Lehrer beginnt.
So gibt uns das Buch die reichste Fülle der Gesichte, aber
klar und groß gezeichnet prägt sich jedes einzelne Bild tief in die
Seele des andächtigen Lesers. Mit Bewunderung sehen wir, wie
sich ein genialer Mann aus eigener Kraft zu den höchsten Höhen
feines Berufes erhebt. Ergreifender und rührender aber ist das
Bild der menschlichen Persönlichkeit, die uns aus diesen Blättern
entgegentritt: ein ganz lauteres Gemüth, voll Zartsinns und
tiefster Bescheidenheit, von keuschester Empfänglichkeit für alles
Schöne und Gute, ein Herz glühend für Liebe und Freundschaft,
treu und stark und jeder Aufopferung fähig. Eine völlig aus-
geglichene Natur. Ein hoher Geist, ein großer Charakter.
Für uns, die wir das Glück haben, die edle Greisenerscheinung
des bald Achtzigjährigen rüstig und ungebeugt täglich unter uns
wandeln zu sehen: Das schöne Haupt, wie es Lenbach gezeichnet
hat, mit dem dichten, weißen, seidenweichen Haar, mit der ge-
dankenvollen Stirn, der feingeschnittenen Nase, mit dem zugleich
sinnenden und beobachtenden Auge, um den beredten und doch
verschwiegenen Mund ein Zug tiefer Milde — für uns ist sein
Buch nur eine köstliche Bestätigung dessen, was wir längst von
ihm wissen. Es krönt sein Wirken. Solche Gaben darf man
auch nicht loben, man kann nur dafür danken, aus voller Seele.
Wo man aber ihn nicht kennen sollte, da wird sich sein Buch,
deß sind wir gewiß, die Herzen aller Derer im Sturme erobern,
die das Bedürfniß haben, sich vor einem hohen und reinen
Menschen in Ehrfurcht zu neigen.
 
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