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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr/82.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

M. 107.

Mmitas, den 8. Mm

I8S9.

Die Petition der bad. Thierschutzvereine gegen
das Schächten.
Bei dem allgemeinen Interesse, welches die jüngste
Verhandlung der I. und II. Kammer über die Schächt-
frage, hervorrief, erscheint es zweckmäßig, die Petition der
Thierschutzvereine des Landes im Wortlaut zu veröffent-
lichen, zumal da auch der Reichstag sich morgen wieder
mit dieser Frage beschäftigen wird.
Hohe erste und zweite Kammer der Landstände!
Die Tödtung der Schlachtthiere ohne vorherige
Betäubung betreffend.
Die richtige Tödtung der Schlachtthiere ist in allen civilisirten
Ländern seit vielen Jahren Gegenstand von Verhandlungen und
Entscheidungen.
Abgesehen von der rohen Art, wie die Schlachtthiere bei wil-
den Völkern getödtet werden, sind in Deutschland und anderen
Kulturstaaten hauptsächlich vier Schlachtmethoden im Gebrauche:
1. die Betäubung des Thieres mit dem Beilschlag auf den
Kopf und dem darauffolgenden Bruststich,
2. die Durchschneidung der Halsschlag- und Blutadern und
Verblutenlassen des Thieres ohne voransgehende Betäubung
(die israelitische Schächtmethode),
3. die Tödtung mit der sogenannten Schlagmaske und mit
darausfolgendem Bruststich,
4. die Tödtung mit der Schußmaske und mit darauf folgen-
dem Bruststich.
Unter den genannten Schlachtmethoden ist die unter Nr. 2 auf-
geführte allein diejenige, bei welcher die Schlachtthiere nicht
betäubt werden, ehe bei denselben die Tödtung durch Eröffnung
der Blutgefäße vorgenommen wird. Diese Schlachtmethode, kurz-
weg als Schächten der Thiere bezeichnet, ist eine unmensch-
liche Art des Schlachtens; deßhalb hält sich der hiesige Thier-
schutzverein, ebenso wie alle anderen Vereine ähnlicher Richtung,
verpflichtet, seine Stimme dagegen zu erheben.
Die Gründe für und gegen das Schächten sind in fachmännischen
Zeitschriften, in der politischen Presse und in vielen Schriften be-
sprochen, allein von den wenigsten Menschen näher gekannt. Die
Scheu vor den Vorgängen innerhalb der Schlachträume hält die
Meisten vor dem Betreten eines Schlachthauses überhaupt ab.
Daher rührt bei der überwiegenden Mehrzahl die vollständige Un-
kenntniß der einzelnen Schlachtmethoden, ebenso auch die irrige
Beurtheilung der Vorgänge beim Schlachten Seitens mancher Ge-
lehrten, welche vou angeblich wissenschaftlicher Grundlage sich über
das Schächten geäußert haben.
Wer das widerliche Schauspiel einer Schlachtung durch das
Schächten mit angesehen hat, die umständlichen aufregenden Vor-
bereitungen zur Fesselung des Thieres, die mit dem Durchschneiden
der Halsgefäße des unbetäubten Thieres sofort auftretenden
gewaltigen Abwehrbewegungen, die heftigen Athembewegungen des
Thieres, wobei das Blut aus Mund und Nase hervorstürzt, das
Mehrere Minuten andauernde Schnauben und Röcheln desselben,
bis endlich der Tod eintritt, der verläßt das Schlachthaus ent-
rüstet über ein solches Schauspiel, mit der festen Ueberzeugung,
daß eine solche unmenschliche Schlachtart nicht länger geduldet
werden darf.
Das Schlachten der Thiere hat an und für sich schon etwas
Gewaltthätiges und Rohes, um so wehr tritt die Verpflichtung
ein, dabei alle Unmenschlichkeit fern zu halten, denn sonst wird
Anstand und wahre Gesittung der Menschen untergraben.
Die Vertheidiger der Schächtmethode, insbesondere die ortho-
doxen Juden, suchen das Schächten als eine sehr humane Schlacht-
art hinzustellen, indem sie dieselbe mit anderen Methoden, so mit
dem Kopfschlag mit dem Beile und dem Genickstiche vergleichen,
dabei aber schlauerweise die Anwendung mit dem Schußapparat
verschweigen. Sie berufen sich besonders auf eine Sammlung von
283 Gutachten, welche von Gelehrten und Ungelehrten auf Auf-
forderung von Rabbinern abgegeben wurden. Sehr bemerkens-
wert ist dabei, daß eine große Zahl der Gutachten geradezu er-
klärt, die praktische Seite des Schächtens gar nicht zu kennen;
auch erfährt man aus dieser Sammlung, daß nur an vier
Stellen derselben von der Schlachtmethode durch den Schuß
und nur ganz oberflächlich die Rede ist. Gerade um eine be-
friedigende Schlachtmethode handelt es sich aber in der vorliegen-
den Frage, denn wer das Schächten.verwirft, ist auch verpflichtet,
eine bessere Methode vorzuschlagen.
Die Schußmethode, zuerst in der Schweiz erprobt, findet in
diesem Nachbarlande sowie in vielen anderen Orten, z. B. im
neuen Schlachthause zu Heidelberg, seit Jahren, zur vollkommenen
Zufriedenheit Anwendung.
Die mit einer Metallhülse versehene Kugel, in dem auf die
Stirne des Thieres aufgesetzten kleinen Schußapparat eilt durch

I Gehirn und verlängertes Rückenmark. Wie vom Blitz getroffen
sinkt das Thier bewußtlos und empfindungslos zu Boden.
Schmerzlos kann dann der Bruststich zur Eröffnung der großen
Herzaefäße geschehen. So vollständig ist die Betäubung des Thieres,
daß die sofortige Berührung der Hornhaut keine Reslexzucküng
der Augenlider hcrvorruft, während bei dem geschlichteten Thiere
diese Liderzucknngen noch 3—8 Minuten fortdauern.
Die Vertheidiger des Schächtens behaupten ferner, daß da-
durch ein rascheres und vollkommeneres Ausbluten des Thieres
bewirkt werde; der Genuß des geschlichteten Fleisches sei gesünder,
wie chemische Untersuchungen bewiesen hätten. Eine solche will-
kürliche Behauptung ist auf das entschiedenste zurückznwcisen. Das
Ausbluten des Thieres erfolgt bei den anderen Schlachtmethoden
ebenso vollständig. Noch nie hat sich Jemand darüber beklagt,
daß das Fleisch der nach christlicher Art geschlachteten Thiere un-
vollkommen ausgeblutet habe. Es würde hier zu weit führen, die
schon oft vorgebrachten Beweisgründe gegen obige Behauptung
aufzuzählen; schon die anatomischen und physiologischen Verhält-
nisse der Organe des Kreislaufes und der Athmung des Thieres
sind die beste Widerlegung.
Wir gehen aber noch weiterund erklären, daß, wenn sich etwa
irgend ein hygienischer oder anderer Vortheil durch eine bestimmte
Schlachtart ergeben sollte, letztere dennoch zu verwerfen ist, wenn
sich diese Schlachtart als eine rohe thierguälerische heraus-
stellt.
Man hat sonderbarer Weise in diese rein menschliche und
wissenschaftliche Frage die israelitische Religion und ihren Ritus
hineingezogen, während die Art des Schlachtens der Thiere mit
der Glaubensansicht der Menschen nicht das Geringste zu thun
hat. Es wäre in der That mit der jüdischen Religion schlecht be-
stellt, wollte Jemand einen Zusammenhang der Art die Thiere zu
schlachten mit der Ansicht über Gott und die Menschheit aufstellen.
Die Gesetzgeber des Judentynms haben, wie längst nachgewiesen,
selbstverständlich das Schächten niemals zur Glaubenslehre er-
hoben, sondern die orthodoxe Partei der Juden hat im Laufe der
Zeit das Schächten als rituelle Uebung eingeführt. Sie hat je-
doch der heutigen wissenschaftlichen streng geregelten Fleischschau
Seitens der staatlichen Organe zu Weichen.
Es handelt sich in unserer Eingabe allein um eine Angelegen-
heit der Menschlichkeit.
Um jeder Mißdeutung unserer Richtung vorzubeugen, sei hier
ausdrücklich erklärt, daß wir entschiedene Gegner des Anti-
semitismus sind.
In der Schweiz wurde nach längerem Kampfe für und gegen
das Schächten diese Frage schon vor fünf Jahren in allen Kan-
tonen der Volksabstimmung unterworfen. Mit überwältigender
Mehrheit wurde das Schächten verworfen, woraufhin das Schlachten
der Thiere ohne vorherige Betäubung in der ganzen Schweiz ver-
boten wurde.
Im Königreich Sachsen war im Jahre 1892 ebenfalls die
Schächtfrage Gegenstand genauester Prüfung auf dem Schlacht-
hofe in Dresden. Der betreffenden Kommission gehörten die Pro-
fessoren der dortigen Thierarzneischule sowie Vertreter der Staats-
und der Gemeindebehörden an. Das Ergebniß der Beobach-
tungen an den nach den verschiedenen Schlachtarten getödteten
Thieren war das Verbot innerhalb des Königreichs Sachsen die
Thiere ohne vorherige Betäubung zu schlachten.
Nach dem Vorstehenden richten wir an die hohen Kammern
das Gesuch, es möge an die Großherzogliche Regierung der An-
trag gestellt werden, daß für das ganze Großherzogthum
eine Verordnung erlassen werde zum Zwecke des
Verbotes des Schlachtens ohne vorhergehende Be-
täubung der Thiere.
Die Thierschutzvereine von:
Baden-Baden, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Lahr,
Tauberbischofsheim und Triberg.

Deutsches Reich.
— Ein Berliner Blatt hatte sich aus Paris melden
lassen, Graf Münster habe dieser Tage Herrn Delcasss
nochmals erklärt, daß Dreyfus zu deutschen Beamten nie-
mals Beziehungen gehabt habe. Er sei außerdem bereit,
den Briefwechsel Schwartzkoppens mit Henry, der der eigent-
liche Vcrräther sei, vorzulegen. Dieses Berliner Blatt wird
viel von dortigen Korrespondenten ansgeschlachtet, die seine
Meldungen, mögen sie noch so einfältig sein, in die Pro-
vinz telegraphiren, wo sie dem gutgläubigen Publikum als
neueste Sensationen dargeboten werden. In diesem Falle
hier handelt es sich noch dazu um ein altes Märchen.

Casars Frack.
1) Humoreske von Reinhold Ortmann.
(Nachdruck verboten.)
Cäsar Gregory lag auf dem Sopha und blickte träumerisch
den blauen Rauchringen nach, die er mit bewundernswürdiger
Kunstfertigkeit zur Decke empor blies. Er mußte allerdings
vachgerade einige Uebung in dieser Beschäftigung habe»; denn
er pflegte Tag für Tag eine erhebliche Anzahl von Siunden
auf solche Art hinzubringen, obwohl das Sopha, das er so
beharrlich in Anspruch nahm, ihm ebenso wenig gehörte als
die Zigarren, unter denen er mit einem wahren Vernichtungs-
»anatiSmus wülhete. Aber wenn nicht ihm, so gehörten sie
doch seinem Freunde, dem Doktor Werner Holmfeld, und das
war nach Cäsar Gregory's Anschauungsweise so ziemlich das-
selbe. Er zählte nach seiner eigenen, oft wiederholten Er-
klärung nicht zu jenen schwächlichen Naturen, die in blöder
Zaghaftigkeit alles, was sie beginnen, nur zur Hälfte thun.
Wenn er sich einmal dazu Kerbei ließ, die Gastfreundschaft
eines anderen zu genießen, so genoß er sie auch in vollen
Zügen und ließ es dem Begnadeten wahrlich nicht an Ge-
legenheit fehlen, die edle Tugend der Freigebigkeit im weitesten
Umsange zu üben.
Vor beiläufig vier Wochen war er eines Morgens unan-
gemeldet und unerwartet bei dem ehemaligen Studiengenossen
Erschienen, der sich mit siebenundzwanzig Jahren schon einen
geachteten Namen als Schriftsteller erworben, und hatte ihm
Nach herzlicher, wenn auch von seiner Seite etwas herab-
lassender Begrüßung im Tone einer hvcherfreulichen Bot-
schaft die Eröffnung gemacht, daß er ein paar Tage bei ihm
weiben werde. Werner war erstaunt gewesen zu hören, daß
w>n Freund Cäsar sich ebenfalls dem Literaiurberufe ge-
widmet habe oder doch, nach mancherlei unverschuldeten Fehl-
schlägen auf anderen Gebieten, im Begriffe sei, es zu thun.
Gerade von dichterischen Talenten hatte er niemals etwas an
chm wahrgenommen, und er hätte darum gerne eine der poe-
"!chen Schöpfungen kennen gelernt, deren Gregory nach seinen

Andeutungen schon eine ganze Anzahl im Pulte haben mußte.
Der sonst so mittheilsame Cäsar war in diesem Punkte spröde
und zurückhaltend wie ein junges Mädchen. Einige aeheim-
nißvolle Anspülungen auf e>n nahezu vollendetes Drama,
das die Welt in Staunen versetzen würde, waren das Einzige,
das Werner aus dem Verschlossenen heraus zu bringen ver-
mochte, und da er sah, daß Cäsar mit weiteren Fragen nicht
behelligt sein wollte, hatte er sich beschicken, geduldig des
glorreichen Augenblicks zu harren, da das Gestirn des großen
Gregory vor aller Augen am Himmel der deutschen Dichtkunst
aufgehen werde.
Aus den „Paar Tagen" seines Bleibens war inzwischen
ein Monat geworden, und Cäsar speiste, trank und rauchte
nicht nur mit göttlicher Unbefangenheit aus Kosten des Freundes,
sondern er nahm auch bis zum Eintreffen der erwarteten
Geldsendungen, die wohl von sehr weit her kommen mußten,
da sie so lange unterwegs waren, seine Kasse so ungenirt und !
so ausgiebig in Anspruch, als sei er gewiß, ihm damit die
herzlichste Freude zu bereiten. Daß Werner Holmseld selbst
mit irdischen Glücksgütern keineswegs im Ueberflusse gesegnet
war und sich vielmehr jede Doppelkrone sauer erarbeiten
mußte, schien er gar nicht zu bemerken. Höchstens, daß er
einmal eine ebenso deutliche als mißfällige Anspielung machte,
auf Leute, die ihren Pegasus ums tägliche Brod ackern ließen,
statt für jeden Ritt ins Zauberland der Poesie geduldig den
Augenblick der Inspiration abzuwarten — ein Prinzip, das
Cäsar Gregory jedenfalls aufs strengste befolgte, da er in
diesen vier Wochen außer einigen Briefen noch nicht eine
Zeile geschrieben hatte.
Auch an diesem Abend wartete er offenbar mit gewohnter
Geduld auf den bis jetzt so beharrlich versagten Besuch der
launenhaften Muse, denn wie unwillig über die Störung,
wandte er stirnrunzelnd den Kopf, als Werner aus dem an-
stoßenden Schlafzimmer trat, wo er sich eben in seinen besten
Gesellschaftsanzug gekleidet hatte.
„Also Du willst den Ball wirklich nicht mitmachen, Cäsar?"
kragte Holmfeld liebenswürdig. „Eigentlich solltest Du es
doch lhun."

Die Regierung läßt erklären, was sie zum Fall Dreyfus
zu sagen habe, habe sie gesagt, und cs sei nicht ihre
Sache, weitere Erklärungen abzugeben.
-7 Der BundeSrath und der Reichstag werden dem-
nächst mit Vorschlägen betreffend den Erlaß eines Reichs-
wohnungsgesetzes betraut werden. Welcher Natur
diese Vorschläge fein werden, das entzieht sich vorerst noch
jeder näheren Kenntniß.
— Sicherem Vernehmen der Nordd. Allg. Ztg. nach
finden im Laufe der Woche im Auswärtigen Amt com-
rnissarische Berathungen über den Abschluß eines Ueberein-
kommens zum gegenseitigen Schutze der Urheber-
rechte von Werken der Literatur und Kunst und von
Photographien zwischen dem Reiche und Oesterreich-Ungarn
unter dem Vorsitz des Direktors im Auswärtigen Amt,
Reichardt, statt. Oesterreich-Ungarn wird durch die Mi-
nisterialräthe Dr. v. Call und Dr. Töry vertreten.
— Aus Apia in San Francisco eingetroffene, vom
20. April datirte Depeschen enthalten Näheres darüber,
wie die englisch-amerikanische Truppe am 1. April in den
Hinterhalt fiel. Als die englisch - amerikanische
Landungstruppe, welche nach Vailele marschirte, um dort
eine Ansammlung von Rebellen zu vertreiben, die Pflanzung
erreichte, welche Hufnagel leitete, wurde letzterer vom
Führer der Expedition darüber befragt, ob Samoaner in
der Nähe seien. Man hatte ihm gesagt, daß an dem Tage
keine dort waren, obwohl ein großer Haufe Rebellen wenige
hundert Jards davon entfernt gewesen war. Hufnagel
gab der Truppe den Rath, auf der Hauptstraße durch die
Pflanzung hindurch hcimzukehren, da alles sicher sei und
keine Rebellen dort seien. Drei andere Deutsche hörten
diese Unterredung und keiner gab der Truppe eine War-
nung vor der Gefahr. Durch Hufnagels Information
irregeführt, marschirte die Truppe in eine Vertiefung, wo
sie in den Hinterhalt gerieth und die bekannten Verluste
erlitt. (Die Angabe, Hufnagel habe die Rebellen an-
geführt, wird also nicht mehr aufrechterhalten, obgleich sie
doch beschworen sein sollte. Jetzt möchte man ihm zur
Last legen, daß er absichtlich eine falsche Auskunft ge-
geben habe. Das ist nichts als eine gemeine Unter-
stellung. Red.)
L. 6. Baden. Karlsruhe, 7. Mai. Der Land-
tag wird, wie wir nun zuverlässig erfahren haben, am
nächsten Freitag geschlossen. Ursprünglich war der
Landtagsschluß auf Mittwoch, 10. Mai, vorgesehen; da
aber im Laufe dieser Woche die Präsidien und Bnreaux
der beiden Kammern noch vom Großherzog empfangen
werden, so mußte der Termin auf Freitag verlegt werden.
O Weinheim, 7. Mai. Der Bund der Land-
wirthe unterstützt nach einstimmigem Beschluß seiner
Vertrauensmänner die n a t i o n a l li b e ral e Kandidatur
Müllcr-Heiligkreuz.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 6. Mai.
33. öffentliche Sitzung der Ersten Kammer. Prinz
Karl eröffnet die Sitzung um 10 Uhr.
Die erste Kammer nahm zunächst nach dem Referat des Frhrn.
v. Rüdt den Entwurf^eines Gesetzes an, betr. die Gerichts- und
Notarskosten in Angelegenheiten der freiwilligenGerichts-
barkeit, an welchem die Zweite Kammer die Aenderungen des
Ersten Hauses für den 8 41 (Firmenregister) und § 6t (Ge-
bührenänderung für Beurkundung von Verträgen unter 5000 M.)
angenommen hat, dagegen aus dem von der Ersten Kammer
nicht gutgeheißenen § 66 (nur einfache Gebühr für Erbverträge),
8 83 (°/,o oder der Gebühren statt °7i<» für Privaturkunden)
und Z 96 (Entziehung der Kilometergebühren für Notare) be-
standen ist. Obgleich sich die Erste Kammer von der Zweck-
mäßigkeit dieser Beschlüsse nicht überzeugen konnte und auch heute
noch keine Verbesserung darin erblicken kann und eine Schädi-
gung des Staates, des Publikums und der Notare sicher erwartet,
wollte dieselbe keine Lücke in die zum Abschluß drängenden Ein-
Aber der Gefragte wehrte ungnädig ab.
„Ich habe für 10 Uhr eine Verabredung im Rüdesheimer,"
sagte er. „Und Du begreifst, daß ich mich lieber mit ernst-
haften Männern über ernste Dinge unterhalte, statt wie ein
Lämmlein herum zu Hüpfen und geistloses Frauenzimmer-
Geschwätz zu schlucken."
„Nun, es braucht ja nicht immer geistloses zu sein. Ich
denke, es giebt auch Ausnahmen."
„Nicht eine einzige!" entschied Cäsar Gregory. „Die so-
genannten gescheitsten Frauen sind vielmehr die schlimmsten.
Mir wenigstens bat noch keine impomren können. — Aber
was für ein vorsündfluthliches Kleidungsstück hast Du da auf
dem Leibe? Ist es denn ein Kostümfest, daß Du in einem
Frack aus dem vorigen Jahrhundert erscheinen willst?"
„Hältst Du ihn wirklich für so altmodisch?" fragte Werner
mit einem kleinen Anfluge von Besorgniß. „Ich merke aller-
dings, daß er anfängt, mir ein bischen eng zu werden. Aber
ich glaubte, er wäre sonst noch ganz gut."
„Welch' ein rührender Kinderglaube! Nein, mein Bester!
Wenn ich Dich in diesem schauderhaften Möbel auf den Ball
gehen ließe, würde ich mich schämen müssen, mich öffentlich
Deinen Freund zu nennen. Und Du sollst nicht denken, daß
ich an Opferwilligkeil hinter Dir zurückstehe. Gerade beute
har mir Kronenwertb den neuen Frack geliefert, den ich bei
ihm bestellt hatte. Wir haben ungefähr dieselbe Figur, also
magst Du ihn in Gottes Namen einweihen."
Werner sträubte sich zwar, das großmüthige Anerbieten
anzunehmen, aber er sträubte sich nicht so entschieden, wie er
es wahrscheinlich zu irgend einer anderen Zeit gethan haben
würde. Jam selbst schien heute daran gelegen, eine möglichst
vortheilhatte Figur zu machen, und daß dies in Cäsar Gre-
gorys neuem Frack wirklich viel mehr der Fall war, als vor-
hin in seinem eigenen, tonnte er sich nicht verhehlen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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