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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 144.

Frcilllll, den 23. Juni

I89S.

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auf die Heidelberger Zeitung für das III. Vierteljahr
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.

Ein neues französisches Ministerium.
Paris, 22. Juni. Waldeck-Rousseau wurde
heute Vormittag ins Elysoe berufen, wo Präsident Loubct
ihm abermals die Kabinetsbildung anbot. Waldeck-
Rousseau nahm an und es gelang ihm auch im Laufe
des Tages, ein Ministerium zusammenzubringen. Das
Kabinet hat folgende Zusammensetzung: Waldeck-
Rousseau, republikanische Vereinigung des Senats,
Vorsitz und Inneres; General de Gallifet, Krieg;
Monis, demokratische Linke des Senats, Justiz; Mil-
lerand, Sozialist, Handel; Baudin, sozialer Radi-
kaler, Bauten; Decrais, gemäßigter Republikaner,
Kolonieen; de Lanessan, Radikaler, Marine; Leygues,
gemäßigter Republikaner, Unterricht; Jean Dupuy, repu-
blikanische Linke des Senats, Ackerbau; Delcasss, Radi-
kaler, Aeußeres; Cailloux, gemäßigter Republikaner.
Finanzen. Waldeck-Rousseau hat seine Mitarbeiter dem
Präsidenten der Republik bereits vorgestellt. Morgen Nach-
mittag findet der erste Ministerrath statt.
Das neue Kabinet zählt also nach der politischen
Parteiangehörigkeit seiner Mitglieder, wenn man von dem
General Gallifet absteht, drei gemäßigte Republikaner der
Kammer und vier Radikale, wovon zwei — Millerand
und Baudin — der äußersten Linken angehören. Drei
Senatoren, worunter Waldeck-Rousseau die gemäßigte
republikanische Vereinigung, Dupuy die sogenannte Gruppe
der republikanischen Linken und Monis die Gruppe der
demokratischen Linken vertritt. Das Kabinet ist also ein
Ministerium der republikanischen Konzentration,
das alle Schattirungest der republikanischen Partei umfaßt,
mit Ausnahme der ausgesprochenen Molinisten.
Ueberraschend wirkt, daß Waldeck-Rousseau sich einen
Kriegsminister aus dem Militärstand ausgesucht hat und
daß General de Gallifet in dieses radikale Ministerium
eingetreten ist. Die Hauptaufgabe des neuen Ministeriums
wird es sein, die Dreyfussache zu liquidiren. Hoffentlich
erweist sich de Gallifet hierbei zuverlässiger, als seine Vor-
gänger Zurlinden und Chanoine.

Ein wichtiges Kulturwerk in Italien.
Während in der italienischen Abgeordnetenkammer die
Sommerhitze mittels der leicht entzündbaren Sozialisten-
kämpfe wilde Gluthen entfesselt, hat der Senat durch die
Annahme eines Gesetzentwurfs über die Austrocknung
der PontiNischen Sümpfe ein wichtiges Kulturwerk
geschaffen. Einem römischen Briefe der Allg. Ztg. ent-
nehmen wir:
„Ein Deutscher, v. Donat, hat in Voraussicht der
Annahme der betreffenden Vorlage sich an den Bauten-
minister Lacava gewandt und die Concession zur Ausfüh-
rung der Arbeiten erbeten. Wie er mittheilt, ist der von
ihm 1897 entworfene und vorgelegte Plan, aus den
Pontinischen Sümpfen und der sog. Piscinara, einer eben-
falls versumpften Fläche, anbaufähiges Land zu machen,
von den erfahrensten deutschen Technikern mit Anerkennung
aufgenommen und auch von den in Betracht kommenden

italienischen Ingenieuren gebilligt worden. Donat ver-
spricht, er werde sich den etwa zu treffenden Aenderungen
des Bautenministeriums gern fügen. Die Arbeiten um-
fassen zunächst die Erweiterung des Flusses Sisto behufs
Trockenlegung des Piscinara, und die Tieferlegung des
Ussente und Festigung des seit 120 Jahren im Weichen
begriffenen Dammes der Mezzaluna. Dasjenige Land-
gebiet, welches man nicht durch Anlage von Abflußkanälen
entwässern kann, wird ausgepumpt werden. Sobald die
Trockenlegung im Großen vollendet sein wird, soll mit der
Anlegung von Grasflächen, Waldungen u. s. w. begonnen
werden, um den Boden allmählich zu verbessern und die
Malaria zu vertreiben. Falls letzteres gelingt, wie man
bestimmt hofft, wird das Land an Gärtner verpachtet
werden. Wie Donat ferner mittheilt, will die von ihm
gegründete Gesellschaft, welcher deutsche und englische
Kapitalisten angehören, zunächst sieben Millionen Lire für
die Wasserbauten und dann zehn Millionen Lire zur An-
lage von Kulturen aufwenden. Die Arbeiten sollen in
zwei Jahren vollendet sein. Falls der Plan im vollen
Umfange zur Ausführung käme — und das ist nach der
weit schwierigeren Trockenlegung des Harlemer Meeres in
Holland und der des Deiner Sees in Mittelitalien anzu-
nehmen — würde auf den jetzigen Brutstätten der Malaria
zur Ansiedelung von 12 000 Bauernfamilien Platz geschaf-
fen werden."
Wollte man in Italien allerorten mit entsprechender
Lhatkraft Vorgehen, dann würde dieses glückliche Land für
seine unglücklichen Bewohner gar bald ein wahres Eden
werden. Der Reichthum für das Volk liegt in Italien
auf der Straße; man braucht ihn nur aufzuheben. Aber
dazu gehört, daß man sich öfter bückt, und das hat man
in Italien verlernt. _
Die deutsche Sprache in Japan.
Die deutsche Sprache konkurrirt inIapan namentlich
mit der englischen; sie fordert indessen infolge der wissen-
schaftlichen Entwickelung Japans eine weit stärkere Berück-
sichtigung in den Mittelschulen. Der Ostasiatische Lloyd ver-
öffentlicht nun einen Bericht des Geheimraths Dr. Lönholm,
Professor des deutschen Rechts an der Universität Tokio,
worin er auf die Übeln Folgen des gegenwärtigen Systems
hinweist. Dr. Lönhnlm betont, daß die modernen japanischen
Gesetze auf dem deutschen Rechtssystem aufgebaut sind. Dies
gilt insbsondere vom bürgerlichen Gesetzbuch, von der Civil-
prozeßcrdnung, von dem Handelsgesetzbuch und auch von
dem Entwurf des neuen Strafgesetzes. Die Aehnlichkeit
dieser Gesetze mit den entsprechenden deutschen Gesetzen ist
so groß, daß Jeder, welcher die betreffenden deutschen Ge-
setze gut versteht, auch sofort die japanischen Gesetze kennt.
Nun enthält die moderne deutsche Literatur eine große An-
zahl sehr guter und ausführlicher Lehrbücher und Kom-
mentare über diese Gesetze, während es in der japanischen
Sprache bis jetzt nur wenige solche Bücher giebt. Darum
ist es für den japanischen Studenten, Gelehrten und Richter,
welcher die modernen japanischen Gesetze gut verstehen oder
wissenschaftliche Arbeiten darüber schreiben will, von dem
größten Nutzen, ja absolut nothwendig, daß er diese deutschen
Lehrbücher und Kommentare genau studirt. Nur auf
diesem Wege kann die japanische Jurisprudenz sich wissen-
schaftlich weiter entwickeln. Auch für den Unterricht der
Rechtswissenschaft auf der Universität ist die Kenntniß der
deutschen Sprache durchaus nothwendig. Weil in der
früheren Eutwickelungsstufe Japans die meisten Japaner
das Englische studirt haben, fährt mau auch jetzt damit
fort, ohne zu erkennen, daß das Englische zwar sehr nützlich

ist für Handel und Verkehr, dagegen ungeeignet als Hilfs-
mittel für die Zwecke wissenschaftlichen Spezialstudiums,
insbesondere für Medizin, Rechtswissenschaft, Philosophie
und Philologie. Es ist falsch, wenn Studenten, deren
Lebensberuf ein solches Spezialstudium ist, ihre Zeit damit
vergeuden, das Englische zu erlernen. Vielmehr muß auf
denjenigen Schulen, welche die Studenten für diese Fächer
vorbereiten, die deutsche Sprache gelehrt werden, damit sie
bei dem Eintritt in die Universität die Vorlesungen der
deutschen Professoren besser verstehen und vor allem die
deutschen wissenschaftlichen Bücher studiren können. Mit
einem Wort: Das Englische sollen diejenigen Schüler er-
lernen, welche einen praktischen oder technischen Beruf er-
greifen wollen, also zum Beispiel beabsichtigen, Kaufleute,
Bankbeamte, Techniker, Ingenieure zu werden; das Deutsche
und nur das Deutsche sollen diejenigen Schüler erlernen,
welche Medizin, Rechtswissenschaft, Philosophie und Philo-
logie studiren wollen.
Die Gründe des Dr. Lönholm sind sehr einleuchtend;
wie weit der japanische Minister ihnen Folge giebt, muß
abgewartet werden.

Deutsches Reich.
— Der Abgeordnete Klinckowström hatte im Reichstage über
die schlechten Wohnungsverhältnifse der Arbeiter auf
dem der Stadt Berlin gehörigen Gute Blankenfelde Klage
geführt und insbesondere behauptet, daß in dem sog. Schnitter-
Hause mehrere Ehepaare in einem kleinen Raume gemeinsam
schlafen müßten. Der zuständige Magistratsreferent erließ hier-
nach eine Erklärung, wonach in Blankenfelde ganz ideale Arbeiter-
verhältnisse herrschten, eine Angabe, die sich jetzt leider nicht be-
stätigt. Thatsächlich entsprechen nämlich die Häuser der ständigen
Arbeiter allen verständigen Anforderungen; das für Sachsen-
gänger bestimmte Schnitterhaus, die ehemalige Schale, be-
herbergt dagegen in einem und demselben Raume fünf Ehepaare,
die in fünf Betten in demselben Raume schlafen. Wenn eine
solche Anordnung überall im Interesse der Moral schwer zu
tadeln ist, so müßte man es im Bereiche der Berliner Stadt-
verwaltung geradezu als eine Schmutzerei bezeichnen, wenn es
nicht auf Nachlässigkeit und Versehen beruht. Städtische und
königliche Betriebe sollen in jeder Beziehung musterhaft sein, und
gerade Berlin hat Geld genug, um seine Arbeiter menschenwürdig
unterzubringen. Die Entschuldigung, daß die Schnitter in
Blankenfelde durchaus zufrieden sind, beweist höchstens den be-
dauerlich niedrigen Stand der Lebenshaltung dieser Leute, ent-
lastet aber in nichts die Stadt Berlin, die selbstverständlich dem
skandalösen Zustande sofort ein Ende machen wird.
— Das Reuter'sche Bureau meidet aus Apia unter
dem 14. ds.: Der Bericht der Kommission empfiehlt
für Samoa die Abschaffung des Königthums und
des Präsidentenpostens und die Einsetzung eines
Gouverneurs mit einem aus drei Ernannten der
Mächte bestehenden gesetzgebenden Rathe, dem ein
Repräsentantenhaus der Eingeborenen zur Seite steht. Der
Gouverneur soll ein Vetorecht gegen die allgemeinen und
Munizipalgesetze haben. Die Ernannten der Mächte sollen
Tepartementschefs werden; die konsularischen, diplomatischen
und richterlichen Funktionen sollen abgeschafft werden.
Was die Besteuerung betrifft, so soll eine Erhöhung der
Zollabgaben und eine Herabsetzung der Kopfsteuer ein-
treten. Die Zuständigkeit des obersten Gerichtes soll ver-
mehrt und die Munizipalität unter Leitung eines Bürger-
meisters und Gcmeinderathes erweitert werden. Die
Postbeamten sollen dem Gouverneur unterstehen. Das
englische Kriegsschiff „Porpoise" ist am 8. Juni in der
Richtung nach den Fidschiinseln abgegängen. Stadt und
Land nehmen wieder ihr normales Aussehen an.
Kiel, 22. Juni. Der Kaiser ist, durch den Kaiser
Wilhelm-Kanal kommend, heute früh 8 Uhr auf der „Hohen-
zollern" hier eingetroffen und wurde vom gesummten im
Hafen liegenden Geschwader durch Salut und Hurrahrufe

Fürstin Natalie.
Novelle von L. N. Satalin. Aus dem Russischen von
4) Eduard Bansa.
(Fortsetzung.)
Als ich einmal so beiläufig bemerkte, ich würde in seinem
Zimmer still sitzen und lesen oder eine Handarbeit vornehmen,
gab er mir folgende abweisende Antwort:
„Du scheinst noch nicht zu wissen, daß das geringste Ge-
räusch den Gedankengang eines Menschen unterbrechen kann
und ihn außer Stand setzt, so zu arbeiten, wie es im In-
teresse seiner Pflicht wünschenswerth erscheint."
Verlegen schwieg ich still, wie ich denn überhaupt in seiner
Gegenwart leicht in Verlegenheit gerathe.
Früher war ich ein lebhaftes, ausgelassenes Mädchen; aber
das hat sich jetzt geändert. — Und warum denn? — Mstißlaff
ist mir gegenüber stets höflich und liebenswürdig, ja sogar
zuvorkommend: dennoch fehlt mir irgend etwas. Was es ist.
weiß ich wahrhaftig selbst nicht. — Oder ist mir dies immer-
währende Alleinsein langweilig? — Hat doch dies Tagebuch
seine Entstehung dieser unerträglichen Langweile zu verdanken,
weil es mir dadurch möglich ist, alles, was mir das Herz be-
wegt, dem Papiere anzuvertrauen! — Den Meinigen will
ich nichts von meinem Kummer sagen; es wäre mir schreck-
lich, wenn sie glaubten, ich fühlte mich unglücklich.

Am Abend desselben Tages, an welchem Natalie diese
Eintragungen in ihr Tagebuch gemacht hatte, war Brjänski
um sechs Uhr vor einem eleganten Restaurant vorgefahren,
in welchem eine Gesellschaft fröhlicher Kameraden den General,
Grafen Jgatoff, welcher mit bedeutendem Avancement in
eine unserer Grenzprovinzen versetzt war, durch ein Mittags-
mahl feierten. Gegen fünfzig Theilnehmer, lauter Offiziere,
drängten sich in den Speisesaal des Restaurants, in welchem

man heute die Sakuska*) einnahm, aneinander vorüber. Es
war ein langes, schmales Zimmer, dessen Wände durch Go-
belins, die Szenen aus einer Bärenjagd darstellten, geschmückt
waren. Im Hintergründe dieses Raumes befand sich ein
Podium für das Orchester. Die Mittagstafel war im Neben-
zimmer gedeckt. Brjänski fuhr als einer der letzten vor und
war noch nicht dazu gekommen, seinen nächsten Bekannten
die Hand zu drücken, als das Orchester einsetzte, und in der
Thür des Saales Graf Jgatoff, welchem das heutige Fest
galt, erschien. Die Musik intonirte den Marsch des Regiments,
dessen Kommandeur Jgatoff vordem gewesen war.
Der Graf blieb hochauigerichtet auf der Schwelle stehen,
und erst, als die letzten Töne des Marsches verklungen
waren, machte er eine Verbeugung, die allen gelten sollte,
um dann die Einzelnen persönlich zu begrüßen- Darauf trat
man an den Tisch, auf welchem eine äußerst lukullische Sa-
kuska ausgestellt war. Der General Jgatoff nahm, nachdem
er ein Gläschen Schnaps getrunken hatte, einen kleinen Teller
mit frischem Kaviar, und während er diese Delikatesse mit
unnachahmlicher Grazie verzehrte, erzählte er von dem
gnädigen Empfang, welcher ihm bei seiner Majestät zu Theil
geworden war. Ein zweites Glas Schnaps lehnte er dankend
ab, begab sich, begleitet von den beiden ältesten Offizieren,
in den Speiscsaal und setzte sich auf den ihm bezeichncten
Ehrenplatz. Alle Uebrigen schlossen sich dem Range nach an.
Das Mahl verlief in angenehmster Weise, man aß viel, trank
noch mehr, toastete und unterhielt sich, so gut es der Lärm
des Orchesters gestattete.
Brjänski gegenüber saß sein früherer Regimentskamerad,
der Oberst Fomin, welcher von ihm im Avancement erheblich
übersprungen war. Infolge davon, daß die mit Fomins Ge-
wohnheiten bekannten Diener die von ihm geleerten Gläser
stets wieder füllten, begann sich sein Gesicht immer mehr zu

*) Pikante rVorsPeisen, besonders Kaviar, gesalzene und
geräucherte Fischgerichte, welche vor der Suppe gegessen
werden und zu denen man Wodka und sonstige Schnäpse
trinkt.

röthen, seine Augen nahmen einen bleiernen Glanz an, und
er fing an, laut und lallend zu sprechen. Seine Nachbarn
hörten das Geschwätz geduldig an, lachten sogar hie und da
rücksichtsvoll.
Unsinnige und sich widersprechende Behauptungen auf-
stellend, wandte er sich bald an diesen, bald an jenen.
„Weißt Du schon," sagte er Plötzlich zu Brjänski, —
„Madame Margot Türkin ist zurückgekehrt, ich habe sie gestern
im Theater gesehen. Aber wie solltest Du das nicht wissen I
— Alte Liebe rostet nicht."
Brjänski stellte sich, als habe er diese Bemerkung garnicht
gehört. Fomin war ihm von je her unsympathisch gewesen,
und diese unzweideutige Anspielung auf eine frühere Liebes-
geschichte ärgerte ihn doppelt, weil er darin eine Gering-
schätzung seiner selbst erblickte. , „ „
Endlich hatte man das ganze Menu durchgegessen. — Alles
erhob sich auf ein gegebenes Zeichen und zerstreute sich
gruppenweise im Saale.
Sich mit den Ellenbogen auf den Tisch stützend und das
Gesicht in die Hände gelegt, saß Fomin mit einer Zigarre im
Munde hinter einer ganzen Batterie von Liqueurflaschen und
erzählte laut lachend, wie er am Tage vorher im jsu ge-
wonnen habe. Mittellos, wie er war, lebte er eigentlich nur
vom Spiel, — und er lebte auf großem Fuße. Jedermann
wußte, wenn Fomin mit herausfordernder Miene in eleganter
Equipage durch die Straßen rollte, daß er gewonnen hatte;
denn, wenn ihn das Unglück einmal verfolgte, verschwand er
von der Bildfläche, und man sah ihn oft Tage lang nirgends.
Inzwischen hatte sich die allgemeine Ausmerksamkeit einer
Gruppe zugewandt, in deren Mitte der General Tschilljajeff
stand, welcher, wie man sagte, ein Gedicht zu Ehren des Grafen
Jgatoff gemacht habe, und es gleich vorlesen werde. Dieser
Gruppe wandte sich Brjänski zu. mit möglichst gleichgültiger^.
Miene an Fomin vorübergehend. Unter allen Umständen
wollte er eine Unterhaltung mit ihm vermeiden. Wenn
Fomin überhaupt Zartgesübl besaß, so ließ cs ihn in diesem
Augenblick völlig im Stich. Sich in seinen Sessel zurück-
lehnend, sah er Brjänski grinsend an und fragte ihn:
 
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