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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82


DmmrrstW, den 27. April

1899.

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auf die Heidelberger Zeitung für die Monate Mai und
Juni werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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und Juni, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg., mit
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Die Ordensdebatte in der Zweiten badischen
Kammer.
L.6. Karlsruhe, 26. April. In der heutigen 138.
öffentlichen Sitzung der Zweiten Kammer wurde der An-
trag Wacker u. Gen. bctr. die Zulassung von Orden
und ordensähnlichen Kongregationen verhandelt.
Der Antrag lautet: Art. 11 des Gesetzes vom 9. Ok-
tober 1860 erhält folgende Fassung:
„Religiöse Orden und ordensähnliche Kongregationen
find im Grotzherzogthum zugelaffen. Von der Errichtung
einer einzelnen Anstalt ist der Staatsregierung Anzeige zu
erstatten." (Die Genehmigung der Regierung zur Ein-
wanderung von Orden und zur Gründung von Klöstern
soll also nicht mehr erforderlich sein, sondern nur Anzeige.
Ein Staat, der eine solche Gesetzesbestimmung annähme,
beginge Selbstmord. Red.)
Abg. Wacker als Berichterstatter beantragt zunächst, in ab-
gekürzter Form zu berathen, atto auf die zweimalige Lesung zu
verzichten. Er wolle indes noch einmal kurz die Tendenz des
Antrags kennzeichnen. Diese wolle nicht unbedingte Ordensfreiheit,
sondern die Zulassung der Orden. Nach Tendenz und Wortlaut
des Gesetzesvorschlages entspreche er dem Gesetze vom Jahr 1860.
Nach Z 11 sei die Zulassung der Orden in das Ermessen der
Regierung gestellt. Die Art seiner Anwendung sei freilich einem
Ordensverbot gleich zu achten. Diesem Zustande wolle sein Vor-
schlag ein Ende macken. Je mehr man sich in die Tendenz
seines Antrags vertiefe, um so mehr müsse man sich doch auch
mit ihm befreunden können. Auch wenn wir keine gesetzlichen
Bestimmungen hätten, die mehr nach ihrem Inhalt als nach
ihrem Zweck die kirchliche Bewegungsfreiheit einschränken, so
würden die thatsächlichen Verhältnisse in dieser Richtung wirken.
Denn die Kirche habe vor allem aus den Staat Rücksicht zu
nehmen, der in der Ordensfrage andere Interessen verfolge als
die Kirche. Es unterliege ja alles der öffentlichen Kontrole und
dieser entspreche die öffentliche Kritik. Der Zweck seines Antrags
fei zum allerwenigsten der einer Agitation. DaS sei der un-
gerechteste Vorwurf, der gegen die Antragsteller erhoben werden
könne. So lange in diesem Hause eine Partei bestehe, die sich
zum Anwalt kirchlicher Interessen berufen fühle, werde auch das
Bestreben hier nicht ruhen, bis das Gesetz von 1860 auch durch-
geführt ist. Sehe man darin aber einen agitatorischen Zweck,
dann könne man ihn ja aus der Welt schaffen, indem man das
Gesetz von 1860 zur praktischen Geltung bringe. Die Sach-
lage bei der OrdenSfrage sei derart, daß sich die begeisterten
Verehrer der Orden und ihre Gegner zusammenfindcn können.
Die Beöürfnißfrage komme hier nicht in Betracht, das könne
schon deshalb nicht der Fall sein, weil die Antragsteller, die
Regierung, ja nicht einmal der ganze Klerus zur Beantwortung
und Entscheidung der Bedürfnißfragc zuständig seien. Es sei
eine Frage des Rechts und der Freiheit, eine Frage des Rechts
für die Organisation der katholischen Kirche, der Orden und
ihrer Mitglieder und eine Frage der Freiheit für die Staats-
bürger im Ordenskieid. Die kirchlichen Organisationen im all-
gemeinen und die speziellen Organisationen, die im Laufe der
Jahrhunderte entstanden sind, haben die Förderung ideeller Inter-
essen über die Grenze dieses Lebens hinaus sich zur Aufgabe ge-
setzt. Auch für kirchliche Institutionen, die ihm ferne stehen,
habe er ein Verständniß. Die evangelische Kirche ringe ja förm-
lich nach der Zusammenfassung der Interessen und der Kräfte.
Solle dies nicht auch der katholischen Kirche zugestanden werden?
(Zu den Liberalen:) Wenn Sie sich zu dieser Grundauschauung
bekennen, dann werden Sie auch eine Regelung fördern können,
die eine weitere Debatte über die katholischen Orden aus der
Welt schafft. Auch diejenigen verehrten Mitalieder des Hauses,

Ter Herrgotthändler.
12) Eine Hochlandsgeschichte von Friedrich Dolch.
(Schluß.)
Bebend vor Ingrimm stand Sepp vor der Hütte und
schaute mit wilden Blicken um sich. Ein gotteslästerlicher
Fluch rang sich über seine Lippen, denn schon wurdest die
Verfolger, die von allen Seiten herbeieilten, sichtbar. Aus
dem halboffenen Hüttenfenster aber gellte der Hülferuf der
Sennerin — da schleuderte er das wieder aufgeraffte Messer
gegen das Mädchen und rannte mit brechenden Knien dem
Abgrunde zu, der sich aufthat hinter der Hütte-
„Jetzt bleibt mir kein anderer Ausweg mehr," flüsterte er
mit heiserer Stimme, „jetzt muß ich hinunter über den ,gachen
Totst! Lieber zwanzigmal Hals und Bein brech'n, als denen
da drob'n in die Händ fall'». Vielleicht komm' ich hinunter,
nachher bin ich frei — stürz' ich ab, is 's vorbei mit mir!
Also 's gilt! Me:' gutes Glück hat mir ja schon oft durch-
K halfen, es wird mich wohl diesmal net im Stich' lass'n."
Im nächsten Augenblicke war er auch schon hinter dem
Rande des Abgrundes verschwunden.
^ Einige Minuten später erschienen die Verfolger auf dem
Schauplatze. Der Jäger Castl langte zuerst an und spähte,
die gespannte Büchse schußfertig im Arme haltend, in die
Tiefe, lleberrascht fuhr er zurück, als er den tollkühnen
Wagehals langsam an der fast senkrecht abfallenden Felswand
Mederklimmen sah.
„Da unten is er," schrie er dem herbeieilenden Comman-
°anlen entgegen, „da hängt er an der Wand wie ein Raub-
vogel. Er hat schon ein gutes Stück Weg hinter sich, aber
ooch is 's net möglich — er kann mit heiler Haut net hinunter-
kommen."
„Teufel," brummte der Commandant, sich ebenfalls über
me Tiefe neigend, „der kraxelt besser wie ein Gams! Der
Muß Muskeln und Sehnen von Eisen hab'n! Am End' ge-
"ngt s ihm gar — das wär' das Wahre, wenn er uns z'lctzt

die in dieser Frage in erster Reihe die Rechte des Staates be-
tonen, könnten sich, ohne sich etwas zu vergeben, hierfür gewin-
nen lassen. Wenn von ihnen ein Antrag gestellt würde, den 811
anzuwenden, dann würde das Ministerium dem Druck keinen
Widerstand leisten. Und Niemand stehe dies besser an, als der
andern Seite des Hauses. Er bitte, dem Antrag möglichst ein-
stimmig zuzustimmen. (Beifall im Centrum.)
Abg. Dr. Binz (nat.-lib,): Seit Bestehen des Großherzog-
thums ist die Niederlassung klösterlicher Institute an die Ge-
nehmigung der Regierung gebunden. Durch den § 11 des Ge-
setzes von 1860 ist dieser Rechtszustand formell gesetzlich geregelt.
Die Entscheidung über die Zulassung der Klöster sei ein Recht
der Einzelstaaten. Der klare Wortlaut der Anträge Wacker aber
bezweckt nichts anderes, als das Zulassungsrecht aufzuheben; er
will nur die Anzeigepflicht. Mit dem Vereinsleben sei die Kloster-
institution nicht zu vergleichen, denn der Verein lasse dem wirth-
schaftlichm und sozialen Leben des Einzelnen alle Freiheit.
Anders bei den Klöstern! Sie umfassen den ganzen Menschen
und umschlingen ihn in seinen wirthschaftlichen und sozialen
Interessen. Es liege also hier ein Staatsinteresse vor, Institu-
tionen zu verhüten, welche die unveräußerlichen, natürlichen
Menschenrechte beseitigen. (Beifall.) Wenn man geltend mache,
daß ja der Staat die Ordensgelübde und ihre bindende Kraft
nicht anzuerkennen brauche, so sei doch zu berücksichtigen, daß dem
rechtlichen Mangel an bindender Kraft der Gelübde andere gleich-
werthige Machtfaktoren gegenüberstehen. Der Staat müsse ein
Einwirkungsrecht auf die in seinem Bereich thätige Geistlichkeit
haben. Dazu komme noch das wirthschaftliche Moment. Der
Bestand der Klöster sei nur dann möglich, wenn ihnen die ver-
mögensrechtliche Persönlichkeit verliehen werde. Dieser Pflicht
könne sich kein Staat, der einmal die Klöster zuläßt, auf die
Dauer entziehen. Die Geschichte lehre nun, daß sich in den
Klöstern die Vermögen der Tobten sammeln, daß sie sich mehrten
auf Kosten der freien Bürger und daß die Bauern nach und nach
Zinspächter des Klostergutes geworden sind. Der thatsächliche
Sachverhalt rechtfertigte also den Z 11 des Gesetzes von 1860.
Er wolle aber auch noch das bemerken, daß das neue bürger-
liche Gesetzbuch die Kontrolle der Staatsbehörde vorsehe. Religiöse
Vereine sind ebenso an das Einspruchsrecht der Regierung ge-
bunden, wie die politischen Vereine. Diese Gesetzesbestimmung
sei sicher aus der Erwägung hervorgegangen, d>ß die große
Macht der Religion über den Einzelnen nicht ohne Kontrolle zu
lassen sei. Müsse er sich also grundsätzlich gegen den Antrag
der verehrten Herren erklären, so könne er nicht anerkennen, daß
die Regierung durch ihr seitheriges Verhalten Anlaß zu dem
Antrag gegeben habe. Denn sie habe, auch wenn sie die Ordrn
ablehnte, von dem Z 11 Gebrauch gemacht, indem sie die Anträge
pflichtgemäß prüfte. Nicht zu vergessen sei, daß der
Jesuitenorden, den das Centrum als Blüthe des Ordenslebens
bezeichnet, im vorigen Jahrhundert von dem Papst verboten
wurde und daß der päpstliche Stuhl in den zahlreichen Konkordaten
die Ordensgenehmigung den Staaten zugestanden hat. Es sei
eine Nothwendigkeit, daß der Staat einer Ansammlung des
Vermögens der tobten Hand entgegenwirke und so dem
wachsenden Landbedürfntß der Bevölkerung entgegenkomme.
Nachdem die Bevölkerung ein Jahrhundert lang keine Sehnsucht ge-
äußert habe, griff das Centrum in seiner politischen Agitation
die Forderung der Ordensniederlassung wieder auf und hat da-
mit, er sage das ohne verletzende Absicht und rein objektiv, den
Frieden nicht gefördert. Er erinnere an die Schrift des Prof.
Schell, der die urnothwendig auch für den Klerus sich eraebenda
Abhängigkeit von dem Ordensgeist als die Folge des Ordens-
wesens bezeichnete. Kardinal Manning, Erzbischof von West-
minster, habe in einem Werk, das Schell als das Testament die-
ses Kirchenfürsten bezeichnet, betont, daß der Weltklerns dasselbe
leisten könne wie die Orden- Es sei der Ausdruck göttlichen
Willens, die Orden seien Menschenwerk. Angesichts der Sachlage
könne er die Nothwendigkeit einer Aenderung des Gesetzes vom
9. October 1860 nicht anerkennen und er erkläre im Namen sei-
ner politischen Freunde, daß der Antrag für sie unannehmbar sei.
Abg. Fieser (nat.-liberal) verliest folgende formultrte Er-
klärung :
„Der Antrag der Abgg. Wacker und Gen. in der Ordens-
frage bezweckt in erster Reihe, die Bestimmung unserer Staats-
gesetze aufzuheben, wonach Ordensniederlassuugen nur mit Ge-
nehmigung der Staatsregierung zulässig sind, welche Genehmigung
jederzeit widerruflich ist.
In zweiter Reihe verfolgt das Centrum den Zweck, durch die
Diskutirung des Antrags, auch wenn derselbe nicht die Zustim-
mung der sämmtlichen Faktoren der Gesetzgebung erlangt, zu be-
wirken, daß die Großh. Regierung dem Anträge der erzbischöf-
lichen Kurie entsprechend, die Erlaubniß erlheile, im Großherzog-
thum Niederlassungen von Männerorden zu errichten.
Der Zweck des Antrags ist also zweifellos der, unter ollen

Umständen die Niederlassung von Männerorden in Baden her-
beizuführen.
Auf diesen Antrag hat die nationalliberale Partei zu erklä-
ren, daß sie, in Uebereinstimmung mit ihrer schon in früheren
Landtagen wiederholt kundgegebenen Anschauung, dem von den
Abgeordneten der Centrumsvartei gestellten Anträge nich t zu-
stimmen kann. Da dieser Antrag des Centrums schon wieder-
holt gestellt und diskutirt worden ist, so beschränkt sich die nat.-
lib. Partei auf die Abgabe folgender Erklärung:
Die Bestimmung unseres Staatsgesetzes, wonach die Nieder-
lassung geistlicher Orden nur mit Staatsgenehmigung zulässig
ist und der Widerruf dieser Genehmigung jederzeit erfolgen kann,
ist gemeines Recht in allen Kulturstaaten. Dieses Recht bildet
einen unveräußerlichen Theil unserer Staatsgewalt und es kann
daher von keiner Regierung auf dasselbe verzichtet werden.
Es liegen aber auch unseres Erachtens zur Zeit die Verhält-
nisse nicht so. daß unter Anwendung des bestehenden Rechtes die
Niederlassung von Männerorden genehmigt werden könnte.
Wir gehen von der Ansicht aus, daß nur dann, wenn ein
dringendes Bedürfniß der Seelsorge nachgewiesen und der volle
Friede zwischen Staat und Kirche hergestcllt und damit volle
Garantie dafür geboten sein wird, daß eine Störung des kon-
fessionellen Friedens nicht zu besorgen ist, die Genehmigung der
Niederlassung von Männerorden gerechtfertigt werden könnte.
Zur Zeit sind diese Voraussetzungen nicht vorhanden.
Was zunächst die Seelsorge gnbelangt, so ist für diese eine
große, für den Zweck völlig ausreichende Zahl von Welt-
priestern thätig.
Die Geschichte der Männerorden und zwar bis in unsere Tage
lehrt, daß die Orden nicht nur für die Verkündigung der christ-
lichen Heilswahrheiten thätig sind, sondern daß sie auch durch
Einmischung in die Verhältnisse der gemischten Ehen und durch
Agitation für die hierarchischen Ansprüche der katholischen Kirche
wirken. In Baden, wo nach langem Kampfe die gemischte Volks-
schule gesetzlich eingeführt ist, wo die konfessionelle Mischung der
Bevölkerung einen sehr hohen Prozentsatz erreicht (vier Zehntel
Protestanteil gegen sechs Zehntel Katholiken) ist die Befürchtung
der Störung des konfessionellen Friedens nach Zulassung von
Männerorden besonders naheliegend, namentlich wenn man die
Zustände der politischen Parteientwicklung nach Verwerfung des
Konkordats in's Auge faßt.
Obwohl die katholische Kirche in Baben durch das Gesetz in
freiester Ausübung ihrer Thätigkeit geschützt und ihr die freie
Leitung ihrer eigenen Angelegenheiten übertragen ist und die
Kirche nicht nur in Erziehung des Klerus, sondern auch in Be-
setzung der Kirchenämter die weitgehendste Befugnis; besitzt, ob-
wohl ihr, soweit es sich um die religiöse Jugenderziehung handelt,
völlige Freiheit in allen Schulen des Staates einaeräumt ist,
auch die für Krankenpflege und Unterricht thätigen Frauenorden
zugelaffen sind, obwohl die Verwaltung ihres Vermögens der
Kirche überlassen, soweit das kirchliche Vermögen für Bestreitung
der kirchlichen Bedürfnisse nicht reicht, ihr das Recht der Be-
steuerung für örtliche und allgemeine Zwecke eingeräumt ist und
ihr überdies seit Jahrzehnten erhebliche Staatsmittel für ihre
Zwecke überwiesen sind, und durch das jüngst verabschiedete Do-
tationsgesetz eine auskömmliche Besserstellung der zu gering be-
soldeten Geistlichkeit sicher gestellt ist, obwohl die Kirche, soweit
es sich um die Lehre der christlichen Heilswahrheiten handelt,
gar keiner Beschränkung, soweit es sich um ihre äußere Rechts-
stellung handelt, wie überall nur der in der Staatshoheit k>e-
gründeten Aufsicht des Staates unterworfen ist, die nicht nur
eine gerechte, sondern im höchsten Grade wohlwollende ist, und
obwohl hiernach keinerlei berechtigte Beschwerden gegen die
Staatsgesetzgebung und deren Anwendung bestehen, so wird der
seit Jahrzehnten in Baden über eine andere Regelung des Ver-
hältnisses zwischen Kirche und Staat ausgebrochene Kampf
wesentlich unter Mitwirkung eines Theils des Klerus mit äußer-
ster Erbitterung geführt und fortgesetzt und hat sich mit jeder
staatlichen Konzession die Begehrlichkeit nach weiteren Zugeständ-
nissen gesteigert."
Abg. Müller (natl.) kann der Aufhebung des Z 11 des
Gesetzes vom 9. October 1860 seine Zustimmung nicht geben.
Die Ordensniederlassungen müssen an die Genehmigung der
Regierung gebunden bleiben, wie dies ja auch anderwärts der
Fall sei. Wenn aber die Bevölkerung nach Orden verlange, so
möge die Regierung einzelne Niederlassungen gestatten. Dagegen
habe er nichts einzuwenden.
Abg. Heimburger (Dem.) gibt namens seiner Fraktion
folgende Erklärung ab:
„Bei der letzten Berathung dieses Gegenstandes am 15. Juni
1896 hat Abg. Muser folgende Erklärung abgegeben:
Als Gegner jeglicher Ausnahmegesetzgebung halten wir die
derzeitige Regelung der Ordensfrage im Großherzogthum Baden
unvereinbar mit den demokratischen Grundsätzen der Freiheit und

gar auf eine solche Weise noch auskommcn thäi l Ich will
ihn anrufen —"
„Keine Sorg'." erwiderte aber der Jäger kopfschüttelnd,
„er kommt net durch — er hat sein' Todtenschein schon in der
Tasche —"
„Ich will ihn anrufen," sagte der Commandant beun-
ruhigt. DaS Gewehr hebend und auf den Niederkletternden
zielend, rief er laut: „Josef Niederhofer, ergeb' Dich! Halt
oder ich geb' Feuer!" Bei dem Laut der Stimme hob der
Niederkletternde den Kopf und warf einen Blick des lödtlichsten
Hasses zu seinen Verfolgern empor. Plötzlich glitt sein rechter
Fuß von dem Steine, auf den er ihn eben gesetzt, ab, mit
dem linken gerieth er ins Rutschen, Steine lösten sich los und
schlugen nieder in die Tiefe — einen Augenblick noch hing
der Unglückliche regungslos über dem entsetzlichen Abgrund,
dann gellte ein markerschütternder Schrei und eine dunkle
Masse durchscknitt sausend die Luft und verschwand in der
dämmernden Tiefe.
Mit verhülltem Gesicht war der Jäger vom Rande des
Abgrundes zurückgetaumelt, auch der Commandant hatte sich
schaudernd abgewandt. Die übrigen Verfolger aber, die
inzwischen ebenfalls herangekommen, standen wie zu Stein

„Gott sei seiner Seel' gnädig," rief der Herrgottbändler
und schloß Vroni, die sich mch einem Schreckensrnf an seine
Brust geworfen, fest in seine Arme. „Er hat seine Schuld
mit 'm Leb'n bezahlt, wenn er wirklich schuldig g'wesen is."
„Er is 's g'wesen, der Stöcker Hies sitzt unschuldig," rief
in diesem Augenblicke eine Stimme, und als sich die An-
wesenden rasch nach derselben umwandten, erblickten sie den
Gradier Vincenz, der sich hastig näherte und sich mit dem
Hemdärmcl den Angstschweiß von der Stirn trocknete. „Ich
weiß olles und will jetzt die volle Wahrheit sag'n —"
„So?" rief finster der Commandant. „Warum hast das
net schon früher gethan? Da hätl'st uns viele Arbeit er-
spart und das Gericht-"
„Ich Hab' die Kurasch net g'habt," erwiderte aber der
Holzknecht schnell. „Wenn ich die Wahrheit g'sagt hält', hätl

ich nur auch gleich Abschied vom Leb'n nehmen dürfen! Denn
daß mir nachher der Ntederhoscr Sepp noch g'schwind den
GarauS g'macht hält', das war' so sicher g'wesen, wie zwei
mal zwei vier. Wie ich schon g'sagt — der Stöcker Hies is
unschuldig und der Sepp is 's g'wesen, der den Herrgott-
händler niederg'schlogen und ausgeraubt hat! Er hat ab-
sichtlich dazu die Axt vom Hies g'nommen g'habt, und ich bin
zufällig dazu 'kommen, wie er hinter'm Hies seiner Hütt'n
die g'raubten Sach'n im Streuhaufen versteckt hat — alles,
um den Verdacht auf ein' Andern, ein' Unschuldigen, z' lenken!
Hoch und theuer hat er g'schworen, daß er mich um's Leb'n
bringen wollt', wenn ich ihn nur mit ein'm Augenblinzeln
verrath'n thät. Und der Sepp hält' sein' Schwur g'halr'n —
das is so g'wiß, als unser Herrgott im Himmel is! Aber
jetzt is er todt und nimmer z' fürchten! Jetzt kann ich red'n
und 'm Hies die Freiheit wieder verschaffen —"
„Wenn's so steht," nickte der Commandant, „wird 's G'richt
den Stöcker Hies augenblicklich wieder frei lassen. Aber Du,
Bursch, wirst schon vor dem Untersuchungsrichter noch ge-
nauere Aussagen machen müssen und darfst froh sein, wenn's
Dich net a Zeit lang einsperr'n, weil Du Dein Maul so lang
net aufgethan hast. Aber ich mein, wir steigen jetzt wieder
hinunter! Da is nix mehr zu mach',: und die Leich' da
drunten wird schon liegen bleiben müssen, wo 's liegt. Herauf-
z'schaffen is er doch nimmer und recht viel, mein ich, thät
man überhaupt nimmer finden, wenn sich gleich wer die
Heidenarbeit machen und da hinabsteigen wollt."
Damit waren alle Anwesenden vollkommen einverstanden,
und die Jäger und Gendarmen stiegen, nachdem sie vorher
von Vroni, Castl und dem Herrgottshändler kurz Abschied
genommen, wieder hinunter ins Thal.

Wenige Wochen später läutete es gar festlich vom Leiten-
hofener Kirchthurme und am Altäre wartete der silberhaarige
Pfarrderr auf ein stattliches Braulpaar, weiches unter großem
Volkszulanie der Kirche zuzog. Der königliche Forstwart
Casttüus Hofbcrger sah aber auch gar stattlich aus m seiner
 
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