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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0303

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fr. 88.

Dienst««, den 2t. Mär?

1899.

Aus dem Vatican.

Wieder schwirren allerhand beunruhigende Nachrichten über
°aS Befinden des greisen Papstes über die Alpen.
Der Figaro wollte sogar wissen, daß Papst Leo Samstag
^uh noch einmal operirt werden sollte, was aber von der
^öln. Ztg. als nicht zutreffend bezeichnet wurde.
Der Neuen Frien Presse wird unterm 18. März aus
^ioin berichtet: Die Curie macht sich mit der Nothwendig-
At eines Conclave (Papstwahl) immer mehr vertraut. Des
Papstes Zustand ist dercinerlangsamer!öschenden
^cllampe. Seine außerordentliche körperliche Rüstigkeit be-
8ann ungefähr ein Vierteljahr vor der Operation nachzu-
Men. Seitdem schreitet der Verfall der Kräfte fort, ohne
Aaß die ärztliche Kunst demselben hätte Einhalt thun können.
Allerdings hat die Operation dieses allmähliche Sinken
^cht beschleunigt. Niemand wagt aber daraus besonders
Günstige Folgerungen zu ziehen. Der Schwächezustand ist
g" groß, daß der Papst vorgestern Nacht während kurzer
Augenblicke irre redete. Er erholte sich einigermaßen,
Nachdem man ihm Stärkungsmittel verabreicht hatte. Er
Erbrachte aber auch den folgenden Tag in einem Zustande
bischer Abspannung, die man an ihm noch niemals be-
Aerkt hatte. Ueberwindet er die Krise noch einmal, so rückt
^us Conclave wieder in weitere Ferne, sonst ist es eine
olage von zwei oder drei Monaten oder vielleicht schon
weniger Wochen.

^ Hinsichtlich des Nachfolgers haben sich manche
glätter in Prophezeiungen gefallen, die mindestens sehr
genannt werden müssen. Die Cardinäle schweigen,
All sie heute noch die Macht Leos fürchten. Cardinal
^otti, den der Figaro den Schützling einer Staatengruppe
Uennt, ist nicht beliebt, er spielte zu sehr den „Papeggiante",
daß er nicht die Sympathien seiner Kollegen verscherzt
Alle. Unmöglich wäre seine Wahl darum nicht. Ram-
bolla wirbt eifrig und darf auf die spanischen Stimmen
suhlen. Die beiden Vannutellis begegnen großem Miß-
Auen. Ohne den Bruder Vincenzo hätte Cardinal Sera-
stno hxssere Aussichten. Jedenfalls steht seiner Wahl eine
^besiegbare Nepotcn- und Clientenfurcht im Wege, die
Rücksicht auf die weitverzweigte und anspruchsvolle
Verwandtschaft wohlbcgründet zu sein scheint. Das Kolle-
Aui der Cardinäle ist auf 56 zusammengeschrumpft. Hält
kein Konsistorium ab, so wird das Conclave unter
eigenthümlichen und ungewöhnlichen Umständen zu-
Atnnienlreten. Sechs der 56, und zwar vier Italiener:
^erga, Dicanossa, Oreglia und Mertel, der Oesterreicher
Haller und ein anderer Deutscher sind durch körperliche
.^rechen verhindert, an der Papstwahl theilzunehmen.
Den Australier wird die Entfernung abhalten, und viel-
^cht wird auch Cardinal Gibbons von Baltimore nicht
^chtzeitig eintreffen. So würde ein Conclave aus 48
Hüten zusammentreten, wovon auf die Italiener, nach Ab-
Ag der genannten 4, nur 26 Stimmen gegen höchstens
wahrscheinlich aber nur 22 Stimmen entfielen.

Deutsches Reich.
- Die p a rl am entar ischen Ost erferien werden
A Reichstage sofort nach Beendigung der dritten
"ung des Etats beginnen und bis zum 11. April währen,
sc. ^ Zum Landeshauptmann von Neu-Gutnea
'' wie nach Berliner Blättern verlautet, der frühere Fi-
^üzdirektor von Deutsch-Ostafrika, v. Bennigsen, ein
°hn des früheren Oberpräsidenten, in Aussicht genommen.
Kiel, 20. März. Heute Mittag 12 Uhr erfolgte die
Austeilung des Prinzen Waldemar in die Ma-
^^vor der Kaserne der Matrosendivision in Gegenwart

des Kaisers, der Kaiserin, der Prinzen, des kaiserlichen Ge-
folges, und zahlreicher Offiziere Der Kaiser hielt unge-
fähr folgende Ansprache: Der heutige Tag sei wiederum
ein bedeutender für die deutsche Marine, denn der älteste
Sohn des im fernen Osten weilenden Chefs des Krcuzer-
geschwaders, des Prinzen Heinrich, trage heute zum ersten
Male den Rock, den sein Vater und viele tüchtige Offiziere
tragen. Es sei ein Vorrecht der Hohenzollernprinzcn, schon
vom 10. Jahre an ihre Kraft in den Dienst des Vater-
landes stellen zu dürfen. Der Kaiser sprach die Hoffnung
aus, daß aus dem hoffnungsvollen Prinzen ein tüchtiger
und braver Offizier heranwachsen möge. Der Kaiser schloß
mit einem Hurrah auf den Prinzen Heinrich. Hierauf
brachte Admiral Köster das Hoch auf den Kaiser aus, die
Truppen präsentirten, und die Musik spielte die National-
hymne. Während der Rede des Kaisers herrschte lebhaftes
Schneegestöber. Die Kaiserin wohnte in geschlossenem Wagen
der Parade der Marinetruppen bei, bei welcher Prinz Wal-
demar als Leutnant eingerrcten war. Nach der Parade
begab sich das Kaiserpaar zum Frühstück in das Offizier-
kasino. Nach dem Frühstück begab sich der Kaiser in
Begleitung des Admirals Tirpitz auf die kaiserliche Werft,
besichtigte den neuen Kreuzer „Gazelle" und fuhr alsdann
an Bord der „Hohenzollern", um die neue Galerie am Heck
des Schiffes in Augenschein zu nehmen, und alsdann nach
dem Linienschiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm".
Deutscher Reichstag. Berlin, 20. März. Dritte Be-
rathung des Etats.
Abg. Graf Bernstorff (Welfe): Die Armeeverwaltung
möge mehr Werth legen auf die Qualität als auf die Quantität
der Truppen und wünscht Abschaffung der Einrichtung der Ein-
jahrig-Freiwilligen.
Abg. Stock mann (de.) greift den Abg. Müller-
Sagau an, weil er bei der zweiten Lesung des Etats die
Kriegervereine „Kriechervereine" genannt hat.
Abg. Singer (soc.) führt den Fall Francke-Molkenbuhr
von vor dreizehn Jahren an und erklärt den Ausdruck „Kriecher-
Verein" für nicht unpassend für solche Vereine, die sich dazu her-
gäben, die augenblicklich von oben gewünschte Politik zu macken.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Er halte den
Ausdruck Kriecherverein als Bezeichnung für Vereine von Män-
nern, die für die Vcrtheidigung des Vaterlandes ihr Leben etn-
setzten, für eine harte Geschmacklosigkeit. Wer mit sozialdemo-
kratischer Gesinnung in einem Kriegerverein bleibe, sei ein ehr-
loser Mensch.
Abg. Bebel (Soc.) legt die Stellung der Socialdemokraten
den Kriegervereinen gegenüber dar.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky hält seine Be-
hauptung aufrecht, daß, wer als Socialdemokrat in einem Krte-
gerverein bleibe, heuchlerisch und ehrlos handle. Die Satzungen
der Kriegervereine schreiben die Pflege der Treue zu Kaiser und
Reich vor. Die Kriegervereine handeln daher durchaus im Sinne
ihrer Aufgabe, wenn sie ihre Gesinnung bei den Wahlen bethä-
tigen. (Aha, links)
Nach dreisiündiger Erörterung schließt die Verhandlung
über die Kriegervereine und ebenso die allgemeine Verhandlung
des Etats.
In der Einzelberathung des Etats bringt beim Etat des
Reichstages Abg. Frhr. v. Heyl (ntl.) die Aeußernngen des
Abg. Lieber über Wallot und Stuck zur Sprache.
Abg. v. Hehl zu Hernshcim (ntl.): Der Abg. Lieber sei in
seinem Urtheil über das Stuck'sche Gemälde und über die Hilde-
brand'schen Urnen zu weit gegangen. Das Reichstagsgebäude
mit seiner inneren Ausschmückung gelte vielfach als ein Meister-
stück der deutschen Kunst.
Abg. Dr. Lieber (Centr.) betont, er habe die deutsche
Kunst in keiner Weise angegriffen, sondern nur speziell die in
Rede stehenden Werke Stucks und Hildebrands. Redner kommt
auf das Reichstagsgebäude zu sprechen und hebt hervor, daß die
deutsche Künstlerschaft geschwiegen habe, als das bekannte Wort
von einem „Gipfel der Geschmacklosigkeit" gefallen sei, während
sie jetzt eine Janitscharenmusik vollführe.
Abg. v. Kardorff (d. Rchsp.) erinnert daran, daß der
ursprüngliche Plan Wallots ohne dessen Zuthun geändert worden
sei. Wallot müsse auch weiter die künstlerische Ausschmückung
des Reichstagsgebändes leiten.

Bayrischer Bundesrathsbevollmächtigter Graf v. Lerchen-
feld, als Mitglied der Ausschmückungskommtssion, betont, daß
die Hildebrand'schen Vasen wegen ihrer Dimension abgelehnt
worden seien. Das Rcichstagsgebäude habe viele sehr schöne und
sehr eindrucksvolle Theilc.
Der Etat des Reichstages und des Reichskanzlers wird an-
genommen.
Morgen Vormittag 11 Uhr: Fortsetzung der Berathung.
Baden. Wie alljährlich, hat auch wieder am 3. De-
zember 1898 die regelmäßige amtliche Aufn a hinendes
Viehstandes im Großherzogthum stattgefunden.
Nach den vorläufigen Zusammenstellungen, die durch zur Zeit
im Gange befindliche Rückfragen noch kleine Abänderungen er-
fahren dürften, wurden bei der Zählung ermittelt: 72987 Pferde
(einschließlich 3526 Militärpferdc). 65 Esel und Maulesel.
659164 Stück Rindvieh, 74157 Schafe, 452388 Schweine.
110775 Ziegen, 93 004 Bienenstöcke. 2196 271 Stück Federvieh
und 46187 Hunde. Vergleicht man diese Zahlen mit den end-
giltigen Ergebnissen des Vorjahres, so lassen sich folgende Ver-
änderungen gegenüber den Beständen von 1897 beobachten: Zu-
genommen haben die Pferde um 1472 Stück, das Rindvieh um
7279, die Schweine um 41135, die Ziegen um 829 Stück, die
Bienenstöcke um 2448 und die Hunde um 2435; dagegen hat
sich die Zahl der Esel und Maulesel um ein Thier, die der
Schafe um 7664 Stück vermindert. Das Federvieh zeigt ein
Weniger um 18068 Stück. Der Viehstand ist somit bei den
wichtigeren Thicrgattungen in einem erfreulichen Aufschwung
begriffen; der Rückgang in der Schafzucht macht sich bekanntlich
überall in Deutschlano schon seit Jahren bemerkbar. Von einiger
Bedeutung ist noch die Abnahme des Federviehs, das sich aus
148 420 Gänsen (— 12 570 gegen das Vorjahr), 57 251 Enten
(-s- 795), 221 836 Tauben (-si 4950), 1765 999 Hühnern und
Hahnen (— 11616) und 2765 Truthühnern (st- 373) zusammen-
setzt. Znrückgegangen sind hiernach bedauerlicher Weise haupt-
sächlich die wichtigsten Vertreter des Federviehs, die Gänse und
Hühner. Ob die im Laufe des Jahres 1898 in verschiedenen
Gegenden des Großherzogthums, aber nur in sehr geringem Um-
fange, aufgetretene Geflügelcholera auf die Abnahme der Ge-
flügelhaltung eingcwirkt hat, läßt sich zur Zeit noch nicht ent-
scheiden.
L. Dl. Karlsruhe, 20. März. In dem nunmehr
vorliegenden Berichte der Bud g etco mmissi on der 2.
Kammer über eine Anzahl von Petitionen von Eisen-
bahnbeamten betr. ihrer Dienst- und Einkommens-
Verhältnisse, erstattet vom Abg. Dr. Wilckens, wird be-
antragt, 1. die Petition des Vereins badischer Eiscnbahn-
beamten, 2. diejenige der Reserveführer, Heizer und Reserve-
Heizer, 3. diejenige der Oberschaffner, 4. der Wagenwärter,
5. der Bahn- u. Weichenwärter, 6. diejenige der Rangirer,
Wagenschieber, Wagenwürter-Ablöser und Bahnhofarbeiter
des Hauptbahnhofes in Heidelberg der Großh. Regierung
zur Kenntnißnahme zu überweisen. Ueber die Petition der
Güterpacker, insoweit sie in derselben etatmäßige Anstellung
begehren, wurde beantragt, zur Tagesordnung überzugehen,
den auf die Fahrtgebühren dieser Bediensteten bezüglichen
Theil der Petition aber der großh. Regierung zur Kennt-
nißnahme zu überweisen. Ein gleicher Beschluß wurde
bezüglich der Petition der Bremser gefaßt.
— Die Einnahmen der Badischen Bahnen betrugen im
Monat Februar 1899 nach provisorischer Feststellung 4 493 050 M.
(245 930 M. mehr als im Jahre 1898).
Badischer Landtag. L. 0. Karlsruhe, 20. März.
In der heutigen (129.) Sitzung nahm die Zweite
Kammer nach kurzer Berathung den Gesetzentwurf betr.
die Erbschafts- und Schenkungssteuer einstimmig
an. Die Kommission hatte an den Sätzen des, Steuer-
tarifs eine Reihe von Aenderungen vorgenommen. Bei
Anfällen an Eltern verbleibt es bei 1 Prozent statt der
bisherigen Befreiung; bei Voreltern setzte die Kommission
bei Beträgen bis zu 5000 Mk. 1 Proz., über 5000 Mk.
2 Proz. fest; bei Erbfällen an Geschwister und Abkömm-
linge von Geschwistern bis 3000 Mk. 3 Proz., über
3000 Mk. 4 Proz. Die neu eingefügte Zwischenstufe
von 6 Proz. bleibt unverändert für andere Seitenverwandte
bis zum 4. Grad einschließlich für Stiefkinder und deren

5)

Ein Frauenherz.
Erzählung aus dem Leben von A. M. Witte.

(Fortsetzung.)
schwieg, ein Windstoß hatte sich erhoben, die Bäume
l>eiß„ u ^ch- und einige welke, abgerissene Blätter fielen vor
en nieder.
schwer Herbst ist da." sagte er leise, „und mit ihm eine
^ech "Eit, reich an Erinnerungen sür mich — vorüber. Sie
ihr°°En, — djx Fortgehenden sind immer die Bevorzugten,
Erj^u'artet Neues; die Zurückbleibenden behalten nur das
und — die große Lücke;-aber so ist es
ks >n unserem Leben, auf den Sommer folgt der Winter."
^llien ^ auf den Winter der Frühling, daran sollen wir fest-
und darum liebe ich den Herbst, weil ich an den
*äln r 5 denke, der die Erde aufs Neue wieder erweckt, da-
L'ebe ich die Notur zu jeder Zeit, denn sie ist immer schön."
ist sie, schön und räthselhaft immer, und Sie haben
d>enü ^ mcin aus den Frühling hoffen soll. Im Winter,
oft Ej ^wnee und Eis die Bäume bedecken und den Wald
Trie^Em Eispalast gleich machen, dann muß man der jungen
des er,n^°Enken, welche unter dem Schnee verborgen nur
dege "ölenden Sonnenscheins des Lenzes bedürfen, um aufs
d>ir ^„Erstehen, und weil auch ich die Natur so liebe, weil
Keg>„l"Er Woid oou frühester Kindheit an ein Spielgefährte
Kusgu,darum wählte ich den Beruf, der mich stets mit ihm
c'ken Mtührt; ich wurde Forstmann, nicht um die unschul-
daleu-J^'Ere zu tödten, — nein, des Waldes wegen. Mag-
die Brüstung getreten und schaute auf das
drei,">che Thal hernieder, das sich vor ihren Augen aus-
^riihv,vom Athen, Gottes, vom Hauch der Ewigkeit
dtcr v„l ?'EN die Welt in nie geahntem Glanz und Schim-
» Sie zu liegen.
dvivmen es nachher selbst nicht zu sagen, wie es gc-
der K,er sich zu ihr geneigt, daß er anfing, von sei-
"vyeit, von seinem Studium, seinem Leben hier zu


sprechen, daß er endlich ihre Hand ergriff und ihr sagte, daß
er sie geliebt habe vom ersten Sehen; ob sie, da sie den Wald
so lieble, wie er, den Wald, der sie beide zusammengeführt,
sich entschließen könne, einst sein Leben dort, sobald er die
Anstellung gefunden, zu theilen, sein Weib sein wolle in Glück
und Leid, und sie hatte, durch seine leidenschaftlich erregte
Empfindung, wie von unsichtbarer, geheimnißvoller Macht
gefesselt, ihre Hand in der seinen geduldet, den Kuß geduldet,
den er auf dieselbe gedrückt, und Thränen reinsten Glückes
waren in ihre Augen getreten. —
„Hier finde ich Dich?" Ernas Stimme ertönte in einiger
Entfernung und unterbrach jäh den seligen Liebestraum der
Freundin. Magdalene war einige Schritte zurückgetreten,
Baron Reden halte sich gefaßt und trat der Ankommenden
entgegen. „Wollen Sie auch noch einmal diesen Fernblick ge-
nießen, mit einem Blick alle Plätze umfassen, die Ihnen in
dieiem Sommer lieb und werth geworden?" „Gewiß auch
das, aber in zweiter Linie, — die Hauptsache ist, Magdalene,
Deine Tante sendet mich, Dich zu holen."
„So lassen Sie uns Abschied nehmen." Sie legte ihre
Hand noch einmal in die des Barons, und er schaute ihr
nach, als sie anmuthig an Ernas Seite dahin schritt. Dann
wandte auch er sich zum Gehen.
„Magdalene, Du bist so blaß, so erregt, ich brauche nicht
zu fragen, was geschehen, ich weiß es, wenn ich in Deine
Züge sehe, o wie unendlich freue ich mich."
„Nicht doch, Erna, was soll geschehen sein?" Die Stimme
Magdalenens klang unsicher, ihre Lippen zuckten, sie mußte
sich Gewalt anthun, ihre Thräne zurückzudrängen.
„Denkst Du, ich kenne Dich so wenig, wäre so kurzsichtig
in meiner Freundschaft sür Dich? — Tein verändertes Wesen
in den Wochen hier. Dein Blick, der mir jede Neckerei im
Entstehen abschnitt, sagte mir, daß auch Deine Stunde ge-
schlagen, Dein Herz getroffen sei, und, meine Magdalene,
wie sehr wünschte ich stets, daß das Glück bei Dir einkehren
möge. — eine freudlose Jugend lag seit dem Tode der Eltern
hinter Dir, — streite nicht, daß das Leben bei Deiner Tante
ein selten schweres für ein junges Mädchen ist, — wie Du >

ihre Launen stets ertragen, ist mir ein Räthsel; mir war es
heule Nachmittag schon zu viel, — nun aber geht die Moraen-
röthe einer glücklichen Zukunst auf, — er wird Dich glücklich
machen, gewiß er liebt Dich; wir sagten es uns vom ersten
Tage an, daß Ihr sür einander bestimmt schient, obwohl
Fräulein von Rustrow nicht übel Lust zu haben schien, dem
interessanten Vetter einen schöneren Namen zu geben."
Schweigend ging Magdalene neben der lebhaften Freundin;
ein Schimmer von Glück und Seligkeit lag auf ihren Zügen.
Am folgenden Tage batte sie ihn noch einmal gesehen,
ihn gebeten, daß er mit der Tante erst sprechen sollte, wenn
er Oberförster geworden, da diese durch Schicksalsschläge ge-
beugt, oft bitter war, sich erst hineinfinden müsse. Magdalene
zu entbehren, die auch nie in eine lange Verlobungszeit
willigen würde, da ihr die behagliche Häuslichkeit über alles
ging, und sie oft ausgesprochen, daß solche unter langem
Brautslande litte.
Er hatte alles versprochen, was sie gewünscht, er wollte,
versuchen, bald eine Anstellung zu erhalten, vielleicht — ja hof-
fentlich schon im nächsten Frühjar kommen, um sie zu werben.
Dann war er auf dem Bahnhof gewesen, ein letzter Blick
ein letztes Lebewohl, ein leises: Auf Wiedersehen, und fie
hatte den Ort verlassen, der für sie ein sonnenheller Sommer-
tag gewesen.
_ (Fortsetzung folgt.)

Literarisches.
—8 Neujahrsb lätter der Badischen Histori-
schen Kommission. Neue Folge 2. 1899. Johann Georg
Schlosser als badischer Beamter, Von Eberhard Gothein. Preis
Mk. 1.20. — Das vorliegende Neujahrsblatt enthält in anziehen-
der Schilderung das interessante Lebensbild eines ebenso ver-
dienten als eigenartigen badischen Beamten im vorigen Jahr-
hundert, unter der Regierung des Markgrafen Karl Friedrich.
Die Schrift gewinnt dadurch noch an Interesse, daß Schlosser
der Schwager Goethes war.
 
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